HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2010
11. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

254. BGH 2 StR 368/09 – Urteil vom 3. Februar 2010 (LG Darmstadt)

Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und zur Einfuhr von Betäubungsmitteln (straflose versuchte Beihilfe).

§ 29 BtMG; § 27 StGB

1. Allein die Sicherstellung der Betäubungsmittel, hinsichtlich derer in Deutschland ein Handeltreiben begangen wird, führt nicht zur Beendigung des Handeltreibens. Zwar kommt der Warenfluss durch die Sicherstellung objektiv und auch endgültig zur Ruhe. Ist dies aber den Käufern des Rauschgifts als Empfänger der Lieferung nicht bekannt und bemühen sie sich weiter darum, in den Besitz der bestellten Ware zu gelangen, entfalten sie damit eine eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit.

2. Hierzu ist auch eine Beihilfe möglich. Dafür muss der Gehilfe die auf die Erlangung der Betäubungsmittel gerichteten Bemühungen der Drogenkäufer erleichtern oder fördern. So wie das strafrechtliche Verhalten des Haupttäters den tatsächlichen Umsatzerfolg nicht zu umschließen braucht, weil das hierauf abzielende Verhalten genügt, reicht es für den Gehilfen aus, dass er dieses auf Erfolg abzielende Verhalten unterstützt (vgl. BGH

NJW 1994, 2162; NJW 2008, 2276; anders der 5. Strafsenat, NStZ 2008, 465 f. für den Sonderfall der Unterstützung einer nach Sicherstellung der Betäubungsmittel von den Ermittlungsbehörden angeschobenen und lediglich zum Schein vereinbarten Geldübergabe).


Entscheidung

244. BGH 1 StR 635/09 – Urteil vom 2. Februar 2010 (LG Hagen)

Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei (Steuerschuldnerschaft; Zigarettenschmuggel; Empfänger); Aufrechterhaltung der übrigen Einzelstrafen.

§ 370 AO; § 374 AO; Art. 40 Zollkodex; § 12 Abs. 1 TabStG; § 19 Satz 2, Satz 3 TabStG; § 71 AO; § 354 StPO; § 154 StPO; § 154a StPO

1. Gemäß § 19 Satz 1 TabStG knüpft das Entstehen der Tabaksteuerschuld an das Verbringen oder Versenden der Tabakwaren aus einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland an. Aus dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift ergibt sich, dass als weiterer Steuerschuldner neben dem Verbringer und dem Versender allein derjenige „Empfänger“ der Ware in Betracht kommt, der im Rahmen des Verbringungs- bzw. Versendungsvorgangs selbst den Besitz an den Tabakwaren erlangt. Dies bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Empfänger im Sinne dieser Vorschrift kann aber nicht mehr sein, wer den Besitz an den Tabakwaren erst dann erlangt, wenn der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang bereits beendet ist. Beendigung in diesem Sinne ist – ebenso wie z.B. bei der Einfuhr i.S.v. § 21 Satz 1 TabStG – dann gegeben, wenn die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und „zur Ruhe gekommen“ sind (vgl. insoweit für Fälle der Einfuhr BGHSt 3, 40, 44; BGH wistra 2007, 262; 2000, 425). Dies ist auch beim Verbringen oder Versenden i.S.v. § 19 Satz 1 TabStG erst dann der Fall, wenn die Tabakwaren die „gefährliche“ Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer bzw. Versender sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO). In der Regel wird das Verbringen oder Versenden erst dann beendet sein, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben (vgl. auch BGH NStZ 2007, 590, 592; wistra 2000, 425).

2. Bei der Bemessung steuerstrafrechtlicher Rechtsfolgen ist im Blick zu behalten, dass das gemeinschaftsrechtliche Verbrauchsteuersystem davon ausgeht, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren im Ergebnis grundsätzlich nicht mit den Verbrauchsteuern mehrerer Mitgliedstaaten belastet sein sollen. Das Gemeinschaftsrecht sieht deshalb die Möglichkeit der Erstattung von in anderen Mitgliedstaaten entstandenen und auch erhobenen Verbrauchsteuern vor (vgl. Art. 7 Abs. 6 und Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [ABl. EG Nr. L 76/1 – „Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie"] sowie Art. 33 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie die dortigen Erwägungsgründe Nr. 12, 30 und 31; ABl. EU 2009 Nr. L 9/12). Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, in zukünftigen, dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fällen der Steuerhehlerei oder Steuerhinterziehung die Strafverfolgung hinsichtlich der verkürzten Abgaben gemäß §§ 154, 154a StPO auf die bei der Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat hinterzogenen Einfuhrabgaben Zoll und Einfuhrumsatzsteuer sowie die bei dem Verbringen in das deutsche Verbrauchsteuergebiet hinterzogene deutsche Tabaksteuer zu beschränken.