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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2008
9. Jahrgang
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1. Früheres Gutachten im Sinne von § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO kann auch ein gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesenes ärztliches Attest über eine Körperverletzung sein. (BGHSt)
2. Die Behauptung, eine Person habe ein in ihrer Anwesenheit angeblich geschehenes Ereignis nicht wahrgenommen, und das Ereignis habe daher nicht stattgefunden, da die Person es nach den konkreten Umständen hätte bemerken müssen, ist eine hinreichend bestimmte Beweistatsache im Sinne von § 244 Abs. 3 StPO. (Bearbeiter)
1. Feststellungen zur Persönlichkeit und zum Werdegang des Angeklagten sind auch bei einem freisprechenden Urteil erforderlich, wenn sie für die Beurteilung des Tatvorwurfs von Bedeutung sein können. (BGHSt)
2. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen,
wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwer wiegende Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft. Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. (Bearbeiter)
3. Auch wenn keine der vom Tatrichter festgestellten Indiztatsachen für sich alleine zum Nachweis der Täterschaft eines Angeklagten ausreichen würde, besteht gleichwohl die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können. (Bearbeiter)
1. Jedenfalls dann, wenn die unzutreffende Auslegung eines Beweisantrags auch auf dessen missverständlicher Formulierung durch den Antragsteller beruht, ist dieser gehalten, das Missverständnis des Gerichts noch in der Hauptverhandlung auszuräumen. Unterlässt er dies, so ist es ihm verwehrt, die unzutreffende Auslegung des Beweisantrags und dessen darauf beruhende rechtsfehlerhafte Ablehnung mit der Revision zu beanstanden.
2. Der Senat lässt es offen, ob mit dem Begriff der „Konnexität“ ein eigenständiges konstitutives Element eines Beweisantrags benannt oder lediglich die notwendige Konkretisierung der Beweistatsache umschrieben wird. Das Verständnis der Konnexität, wie es der 5. Strafsenat zugrunde legt, erscheint dem Senat als sehr weitgehend.
1. Der Antrag auf Zurückversetzung des Verfahrens in die Lage vor der Senatsentscheidung gemäß § 356a Satz 1 StPO ist binnen einer Woche nach Kenntniserlangung von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu stellen. Dabei geht es nur um die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Verstoß ergibt. Auf das Wissen um die Bedeutung der Einlegung der Gehörsrüge gemäß § 356a StPO als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf das Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) kommt es nicht an.
2. Bei der Anhörungsrüge handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens. Im Interesse der Rechtssicherheit muss eine die Rechtskraft durchbrechende Entscheidung gemäß § 356a Satz 1 StPO möglichst bald erfolgen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist des § 356a Satz 2 StPO ist zwar im Grundsatz nicht ausgeschlossen. An die Voraussetzungen fehlenden Verschuldens (§ 44 Satz 1 StPO) an der verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs sind aber hohe Anforderungen zu stellen.
3. Verzichten der Verurteilte und seine Verteidiger bewusst auf die rechtzeitige Einlegung der Anhörungsrüge, stellt dies auch dann keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO dar, wenn dies in Unkenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen (Erschöpfung des Rechtswegs) für eine auf die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gestützte Verfassungsbeschwerde geschah.
4. Zwar sind im Strafverfahren schwerwiegende Verteidigerfehler, wie etwa die Unkenntnis von der Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels, die zur Fristversäumung führen, dem Beschuldigten in aller Regel nicht zuzurechnen, denn er ist meist nicht in der Lage, die Rechtskenntnisse des Verteidigers einzuschätzen. Dies gilt jedoch nach Auffassung des Senats bei der Frage, ob die Versäumung der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO unverschuldet war, entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG nicht.
Einzelfall des Fortfalls einer Rechtsfolgenkompensation bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von acht Monaten.
Die für Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgebende Frist für die Beurteilung eines etwaigen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung beginnt regelmäßig erst mit dem Zeitpunkt, an dem der Beschuldigte entsprechend Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a EMRK offiziell Kenntnis davon erhält, dass wegen einer Straftat gegen ihn ermittelt wird.
1. In Fällen, in denen das Gericht über ein Ablehnungsgesuch in falscher Besetzung entschieden hat und dadurch das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt worden ist, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO vor. Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO führt jedoch nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Vorschriften willkürlich angewendet werden oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt, nicht hingegen bei einer „nur“ schlicht fehlerhaften Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften.
2. Wird eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit allein aus formalen Erwägungen zurückgewiesen, wurden die Ablehnungsgründe aber nicht inhaltlich geprüft, so ist danach zu differenzieren, ob Auslegung und Handhabung der Verwerfungsgründe nach § 26a Abs. 1 StPO offensichtlich unhaltbar oder aber lediglich schlicht fehlerhaft sind. In letzterem Fall entscheidet das Revisionsgericht nach Beschwerdegrundsätzen sachlich über die Besorgnis der Befangenheit.
Die Nebenklagebefugnis besteht schon dann, wenn nach der Sachlage die Verurteilung des Angeklagten wegen einer Nebenklagestraftat rechtlich möglich erscheint. In den Fällen des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO genügt es deshalb, wenn nach dem von der Anklage umfassten Sachverhalt (§ 264 StPO) die Verurteilung wegen eines Delikts in diesem Sinne materiell-rechtlich in Betracht kommt (OLG Düsseldorf NStZ 1997, 204, 205 m.w.N.).
1. Der Zweifelssatz ist eine Entscheidungsregel, die das Tatgericht erst dann anzuwenden hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag.
2. Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit ist zur Überzeugung von einer dem Angeklagten nachteiligen Tatsache nicht erforderlich. Die bloße gedankliche, abstrakt theoretische Möglichkeit, dass der Tathergang auch anders gewesen sein könnte, darf vielmehr die Verurteilung nicht hindern.
3. Die Vorhersehbarkeit des Eintritts des Todeserfolgs muss sich im Rahmen des § 227 StGB nicht auf die einzelnen physischen Vorgänge erstrecken muss, die als Folge der Körperverletzung im konkreten Fall den Tod herbeiführen.
4. Eine bereits vollständig verbüßte Strafe kann nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Mit dem Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung sind etwaige Bewährungsauflagen gegenstandslos.