HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2008
9. Jahrgang
PDF-Download

Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Die Abschaffung des Revisionsrechts durch die Beweisverbotslehre - Demonstriert am Beispiel des Falles Fernandes[*]

Von Rechtsanwalt Dr. iur. h.c. Gerhard Strate, Hamburg

Ein Referendar, der unlängst anderen Referendaren in einer Ausbildungszeitschrift Aufklärung über den letzten Stand der Beweisverbotslehre verschaffen wollte [1], kam zu einem für die richtige Beantwortung von Examensfragen wenig aufmunternden Ergebnis:

"Die Vielzahl von Abwägungskriterien in der Rechtsprechung führt zu einer schwer überschaubaren Fülle von Einzellösungen, die jede für sich von unterschiedlichen Schwerpunkten ausgeht und durch unterschiedliche Argumentation getragen wird. Auch im Rahmen der Abwägung wird generell auf eine spezifische Methode verzichtet. Damit kann der Rechtsprechung keine einheitliche Linie entnommen werden, wann und wie welche Kriterien über ein Verwertungsverbot entscheiden." [2]

Wie wahr! Für den Referendar, der sich als Examenskandidat der Benotung seiner Prüfer aussetzt, dürfte diese Situation schon schwer passabel sein; für den Angeklagten, der sich als Verurteilungskandidat der Entscheidung seiner Richter stellen muß, ist sie unerträglich.

Deutsche Juristen verhüllen ihre Verantwortung gerne in vornehme Anonymität. Daß hinter jedem Fall und jedem klugen Gedanken, der ihm gilt, auch das Schicksal leibhaftiger Menschen steht, die bei einem Namen gerufen werden, gerät gelegentlich in Vergessenheit. Sprechen wir also nicht nur von der neuesten Entscheidung des BGH zu Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Wiener Konsularrechtsübereinkommens [3], sondern vom Fall Fernandes [4] . Er ist einer der Angeklagten, der mit den Monstrositäten der Beweisverbotslehre leiden und leben muß.

1. Vorgeschichte

Am 5.7.2000 wurde Fernandez durch das Landgericht Braunschweig zu lebenslanger Freiheitsstrafe (mit besonderer Schwere der Schuld) verurteilt. Der Vorwurf der Anstiftung zum Mord stützte sich auf Bekundungen seines Freundes Sahin, einem türkischen Staatsangehörigen. Dieser stand im Verdacht, in einem Pkw gesessen zu haben, aus dem heraus tödliche Schüsse auf einen Konkurrenten im Braunschweiger Milieu abgegeben worden waren. Am 6.9.1998 war Sahin durch Kriminalbeamte in seiner Wohnung festgenommen und anschließend auf eine Polizeiwache nach Braunschweig verbracht worden. Dort soll er über sein Aussageverweigerungsrecht als Beschuldigter belehrt worden sein. Die völkervertragsrechtlich vorgeschriebene Belehrung über sein Recht, mit dem Konsulat seines Heimatstaates Kontakt aufzunehmen (Art. 36 Abs. 1 Buchst b des Wiener Konsularrechtsübereinkommens) [5], erfolgte jedoch nicht. Sahin erklärte, vor der Polizei und der Staatsanwaltschaft keine Aussage machen, sondern erst mit seinen beiden Anwälten sprechen zu wollen. Einen Tag später, Verteidiger waren immer noch nicht erschienen, führten die beiden Kriminalbeamten ein anderthalbstündiges Gespräch mit Sahin, in welchem er in dem Fehlglauben gelassen wurde, seine Äußerungen könnten nicht gegen ihn verwendet werden, solange sie nicht in ein förmliches Protokoll aufgenommen werden [6] . Ein Protokoll wurde nach dem Abschluß des Gesprächs zwar aufgesetzt. Es enthielt aber keinen Hinweis auf die bereits um 9.30 Uhr begonnene Anhörung, sondern bezeichnete als Vernehmungsbeginn 11.00 Uhr. Sahin unterschrieb lediglich vier Sätze, wobei der erste auf eine Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 StPO gemünzt war:

"Ich habe die Belehrung verstanden und möchte mich nicht äußern. (…) Der Sachverhalt wurde mir bekanntgegeben. Die Belehrung habe ich verstanden. Ich möchte erst nach Rücksprache mit meinem Rechtsanwalt Angaben zur Sache machen."

Die Inhalte des der Protokollaufnahme vorausgegangenen Gesprächs werden dann zwei Jahre später in dem Urteil des Landgerichts Braunschweig wie folgt wiedergegeben:

"Die anschließende Frage von KHK M. zur weiteren Aufklärung seiner Tatbeteiligung, ob er das Tatfahrzeug gesteuert habe, verneinte der Angeklagte Sahin und erklärte dazu, dass er sonst den Führerschein dabei gehabt hätte. Auch danach führte er zunächst nichts weiter aus, weshalb KHK M. nochmals fragte, was er denn gemacht habe und wo er im Fahrzeug gesessen habe. Auch diese Frage beantwortete der Angeklagte Sahin zunächst nicht, sondern begann zu weinen. Als man ihm erklärte, dass man Spuren im Fahrzeug gesichert, aber noch nicht ausgewertet habe, ergänzte der Angeklagte Sahin undifferenziert, dass er überall gesessen habe. Der Vorhalt, dass dieses bei der Tatausführung, mithin als das Fahrzeug in Bewegung war, schlecht möglich sei, kommentierte er nicht mehr, sondern verwies darauf, dass die Polizei schon allein herausbekommen werde, wo er zur Tatzeit gesessen habe. Da die Vernehmung zu diesem Punkt stockte, erkundigte sich KHK M., wer der Anrufer des Telefonates nach der Tat (gemeint war das Gespräch vom 22.07.1998 um 17.03 Uhr) von ‚hinter Magdeburg’ gewesen sei, woraufhin der Angeklagte Sahin erwiderte, von einem solchen Gespräch nichts zu wissen." [7]

Aus diesem Vorgespräch mit den Kriminalbeamten entnahm die Strafkammer das Geständnis, dass Sahin während der Abgabe der Schüsse im Tatfahrzeug saß. Da Sahin "zur Gruppe des Angeklagten Fernandes" gehörte, hätten auch die anderen während des Anschlages im Fahrzeug befindlichen Personen zu dieser Gruppe gehört. Da Sahin und die beiden anderen Insassen – zwei weitere Angeklagte – selbst kein Motiv für die Tat gehabt hätten, was die Strafkammer bei Fernandes aber erkannt zu haben glaubte, müsse Fernandes der Anstifter zu dem Mordgeschehen gewesen sein.

2. Die erste Entscheidung des BGH zu Art. 36 WÜK

Die Revision, maßgeblich gestützt auf eine Verletzung des Art. 36 WÜK, hatte beim 5. Strafsenat des BGH keinen Erfolg. Mit Beschluß vom 7.11.2001 [8] entschied er, dass durch Art. 36 WÜK der unmittelbar Betroffene nicht vor eigenen unbedachten Äußerungen geschützt werden solle, welche er vor der Kontaktaufnahme mit dem für ihn zuständigen Konsularbeamten bzw. der entsprechenden Belehrung über seine diesbezüglichen Rechte gemacht hat. Insoweit gewähre das WÜK keinen über § 136 StPO hinausgehenden Schutz. Durch die Benachrichtigung der konsularischen Vertretung solle vielmehr verhindert werden, daß Angehörige eines Entsendestaates, die außerhalb ihrer Heimat vielfach nur über geringe oder gar keine Sozialkontakte verfügen, dort aufgrund staatlichen Zugriffs spurlos aus der Öffentlichkeit verschwinden. Allein insoweit ergänze das WÜK deutsches Strafverfahrensrecht.

3. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 36 WÜK

Fünf Jahre später korrigierte die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts diese Entscheidung. Mit seinem Beschluß vom 19.9.2006 [9] erinnerte das Bundesverfassungsgericht an die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, woraus die verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Gerichte sich ableite, bei der Auslegung völkerrechtlicher Verpflichtungen die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs zu beachten, was hier – im Hinblick auf die Entscheidungen des IGH in den Sachen LaGrand [10] und Avena [11] – nicht geschehen sei. Anders als der BGH sei der Internationale Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass Art. 36 WÜK ein subjektives Recht auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung der eigenen Verteidigungsrechte einräume. Zweck der Belehrung sei es, dass der einzelne in den Genuss der Unterstützung seines Heimatstaats kommen könne. Eine Verletzung der Belehrungspflicht ziehe die Revisibilität des Strafurteils in seiner Gesamtheit, d. h. hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs nach sich. Von einer Konventionsverletzung sei vor diesem Hintergrund immer dann auszugehen, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Einzelne ein bestimmtes prozessuales Recht wie die Aussagefreiheit aufgrund der fehlenden konsularischen Unterstützung nicht in vollem Umfang wahrnehmen konnte.

Fernandes mußte auf diese Entscheidung nahezu fünf Jahre warten. Eine massive Verschlechterung seiner Haftsituation war deren Folge. Das Bundesverfassungsgericht hatte nur die Vorentscheidung des Bundesgerichtshofs aufgehoben, nicht das Urteil des Landgerichts Braunschweig. Der Erfolg der Verfassungsbeschwerde bedeutete zunächst das Ende des Strafvollzugs und der dort gewährten kleinen Freiheiten; Haftbefehl und Verschubung in die Untersuchungshaftanstalt in Braunschweig waren die ersten Reaktionen der dortigen Justiz. Ein Menetekel für alles weitere.

4. Die zweite Entscheidung des BGH zu Art. 36 WÜK

In der ersten Oktoberwoche 2007 erreichte Fernandes und seinen Verteidiger die seit langem erwartete Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, ergangen ohne mündliche Verhandlung am 25.9.2007. Mehrheitlich war der Senat ebenso besetzt wie bei der durch das Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Entscheidung, die sechs Jahre zuvor getroffenen worden war. Vor ihrem neuerlichen Judikat hatten drei Mitglieder des Senats noch einer Befangenheitsrüge standhalten müssen, wobei die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs indiziell auch darauf gestützt wurde, dass das Bundesverfassungsgericht von seiner Kompetenz, die Sache an einen anderen Spruchkörper zurückzuverweisen, keinen Gebrauch gemacht hat [12].

Der Hinweis auf die mehrheitlich identische Besetzung des Senats ist deshalb angebracht, weil dieselben Richter in ihrem Beschluß vom 7.11.2001 die Rügebefugnis des Fernandes, der deutscher Staatsangehöriger ist, hinsichtlich der allein den türkischen Mitangeklagten Sahin unmittelbar betreffenden Beanstandung, er sei nicht über sein Recht auf Konsultation des Konsulats unterrichtet worden, ausdrücklich unentschieden, damit aber Fernandes’ revisionsrechtliche Beanstandung als zulässig behandelt hatten. Auch das Bundesverfassungsgericht hielt seine Beschwerde für zulässig und begründet. In dem Beschluß vom 25.9.2007 muß Fernandes nun erfahren, dass die Verletzung des Art. 36 WÜK seinen "Rechtskreis" nicht berühre, er deshalb durch die Rechtsbeeinträchtigung des Sahin gar nicht beschwert sei. Die Rechtsprechung, auf die sich der 5. Strafsenat am 25.9.2007 für diese Auffassung beruft, war auch am 7.11.2001 bereits bekannt [13], es gab also keine neuen Erkenntnisse, geschweige denn neue Begründungen für diesen Positionswandel. Fernandes und ein weiterer Beschwerdeführer hätten sich den langwierigen Umweg über das Bundesverfassungsgericht und ein zusätzliches Jahr in karger Untersuchungshaft ersparen können, wenn ihnen diese Auskunft schon sechs Jahre früher gegeben worden wäre [14]. Im Umgang mit dem höchsten ordentlichen Gericht darf dies leider nur als Stilfrage betrachtet werden [15].

Bemerkenswert ist weiterhin, dass in dieser Entscheidung die Zentralnorm des Revisionsrechts, § 337 StPO, mit keinem Sterbenswort Erwähnung findet. Stattdessen findet sich folgendes Argumentationsschema:

Der Angeklagte Sahin [16] sei durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die die erste Vernehmung durchgeführt haben, in seinem subjektiven Recht auf konsularische Unterstützung bei der effektiven

Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden.

Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen sei nicht auszuschließen, wenn sie auch eher fernliegen mag.

Ein Verwertungsverbot sei aus dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 WÜK jedoch nicht herzuleiten: In Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren stelle sich die Rechtslage anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht.

Durch die Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht würden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt.

Die Belehrung gemäß Art. 36 WÜK sei den Belehrungspflichten aus § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich.

Der ergänzende Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit, den Art. 36 WÜK gewähre, wolle diesem lediglich eine staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen einräumen; diese "standardisierte Rechtsposition" [17] stelle jedoch nicht etwa auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit ab. Liege eine solche vor, sei dem nicht durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweige- und Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung.

Dem betroffenen ausländischen Beschuldigten kämen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Verteidigungsstandards zugute; an eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 WÜK, das zwar beachtlich sei, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstelle, sei danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.

Überraschend an dieser Entscheidung ist nicht die Rechtsprechungstradition, in die sie sich stellt. Ihre Marksteine sind schnell genannt. Sie beginnt mit der "Rechtskreis"-Entscheidung des Großen Senats [18]. Der Bogen spannt sich dann über die Medizinalassistenten-Entscheidung des 3. Strafsenats [19], die Schweigerechts-Entscheidung des 5. Strafsenats [20], bekräftigt unmittelbar danach durch die Entscheidung des 4. Strafsenats zum Recht auf Verteidigerkonsultation [21], das Urteil des 3. Strafsenats zu den Auswirkungen einer Fristüberschreitung bei richterlich angeordneten Abhörmaßnahmen [22], die Entscheidung des 5. Strafsenats zur bewussten Missachtung des Richtervorbehalts bei Durchsuchungsmaßnahmen [23] bis zur Entscheidung zu Art. 36 WÜK. Allen diesen Entscheidungen [24] ist gemein, dass sie sich einer Abwägungslehre verpflichtet fühlen, der zufolge ein allgemein geltender Grundsatz, jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ziehe ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich, dem geltenden Strafverfahrensrecht fremd sei; diese Frage müsse vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen entschieden werden [25] . Ein Verwertungsverbot liege stets dann nahe, wenn die verletzte Verfahrensvorschrift dazu bestimmt ist, die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren zu sichern [26]. Dient hingegen die Verfahrensvorschrift, die verletzt worden ist, nicht oder nicht in erster Linie dem Schutz des Beschuldigten, liege die Annahme eines Verwertungsverbots fern [27].

Daß die Ergebnisse dieser Rechtsprechung im Einzelfall in der Literatur begeisterte Anerkennung fanden [28], ändert nichts daran, dass ihre dogmatische Rechtfertigung höchst zweifelhaft ist. Die Normen, die der Gesetzgeber für die Beweisgewinnung formuliert hat, unterliegen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit nur einer Auslegung, nicht einer Abwägung. Eine Abwägung hat dann stattzufinden, wenn die Beweisgewinnung zwar grundsätzlich zulässig ist, sich dennoch aber als Eingriff in grundrechtlich geschützte Sphären darstellt. Die Abwägungslehre, wie sie der BGH in "inzwischen gefestigter Rechtspre-

chung" [29] präsentiert, vernachlässigt den grundlegenden Unterschied zwischen verfassungsrechtlichen Verwertungsverboten und abgeleiteten Verwertungsverboten [30]. Während jene stets eine Abwägung zwischen staatlichem Aufklärungsinteressen und den (grundrechtlich geschützten) Individualinteressen gebieten, sind diese notwendige Folge einer vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung, der in der Beweiserhebungsnorm seine Abwägung bereits abschließend niedergelegt hat. Diese legislativ getroffene Abwägung verlangt Gehorsam. Abwägungen der Judikative dürfen nicht den in der Beweiserhebungsnorm abgeschlossenen Abwägungsvorgang der Legislative erneut zur Disposition stellen [31]. Die Beweiserhebungsvorschriften haben so – über das Eingriffsverbot und die Handlungsanweisung an die Strafverfolgungsorgane hinaus – zum unmittelbaren Norminhalt, dass die unter Missachtung des Normbefehls gewonnenen Erkenntnisse und Beweisführungsmöglichkeiten für die Entscheidungsfindung nicht zur Verfügung stehen [32] . Soweit die Entscheidung in ein Urteil ausmündet, ergibt sich dies unmittelbar auch aus § 337 StPO.

Der BGH hat in seinem Beschluß zu Art. 36 WÜK die für seine Entscheidung – von Gesetzes wegen! – eigentlich maßgebliche Norm des § 337 StPO nicht erwähnt. Aber nicht nur das: er hat einen möglichen Einfluß des Verfahrensverstoßes auf das Ergebnis der Beweiswürdigung ausdrücklich bejaht, der Revision dennoch den Erfolg versagt. Das bedeutet: § 337 StPO, der im Falle eines Normenverstoßes allein danach fragt, ob das Urteil auf diesem Geschehnis beruhen könne, ist außer Kraft gesetzt. An seine Stelle tritt ein neuer Grundsatz: Nur vom BGH anerkannte Beweisverwertungsverbote können zu einer Aufhebung des Urteils führen.

Bevor dieses Ergebnis näher beleuchtet und kritisiert werden wird, hier zunächst ein Einschub zur Gesetzgebungsgeschichte des § 337 StPO und seine daran orientierte Auslegung durch das Reichsgericht und den Bundesgerichtshof.

a) Erster Exkurs - § 337 als Zentralnorm des Revisionsrechts: Keine Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Prozeßvorschriften

§ 337 StPO [33]– so Eberhard Schmidt vor langer Zeit, aber schon zu Lebzeiten des BGH – "ist der Schlüssel des Revisionsrechts". Aus ihm ergebe sich Sinn, Zweck und Wesen der Revision [34] . Der Wortlaut der Vorschrift ist kurz und bündig: Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Ähnlich lakonisch verhalten sich die Motive zur Erläuterung dieser Bestimmung. Die Begriffe "Gesetz" und "Rechtsnorm" hätten einen identischen Inhalt. Und:

"Der Ausdruck ‚Rechtsnorm’ wird hier im weitesten Sinne verstanden. Er umfasst nicht blos die ausdrücklichen Bestimmungen der Gesetze, sondern auch alle Grundsätze, welche sich aus dem Sinne und Zusammenhange der gesetzlichen Vorschriften ergeben. Der Entwurf unterscheidet auch nicht zwischen den Normen des materiellen Rechts und des Prozessrechts, und grundsätzlich ist keine Prozeßvorschrift von der Begründung der Revision ausgeschlossen." [35]

Die Revision war ein neuartiges Rechtsmittel, geschaffen in Abgrenzung von der bis dahin in den Einzelstaaten vielfach geltenden Nichtigkeitsbeschwerde. Der Konstruktion der Nichtigkeitsbeschwerde in den Landesgesetzen lagen verschiedene Systeme zugrunde. Ein Teil der Gesetze nannte enumerativ diejenigen Prozeßvorschriften, deren Verletzung die Nichtigkeit des Urteils nach sich ziehen sollte, ein anderer Teil knüpfte die Nichtigkeit an die Verletzung wesentlicher Prozeßvorschriften, ein dritter endlich kombinierte das erste mit dem zweiten System [36]. Die legislatorische Schwierigkeit

lag in der Bestimmung des Begriffs des "Wesentlichen" und darin, dass die Verletzung derselben Vorschrift in dem einen Falle von Einfluß auf das Urteil, in dem anderen aber einflusslos sein kann. Die damals gefundene Lösung bestand darin, dass jede Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Vorschriften fallengelassen, stattdessen statuiert wurde, dass die Wesentlichkeit jeweils im Einzelfall zu prüfen sei. Dies wurde an dem Erfordernis festgemacht, dass das Urteil auf der betreffenden Gesetzesverletzung "beruhe" [37] .

Das Reichsgericht hat diese Vorgabe, nicht nach wesentlichen oder unwesentlichen Verfahrensvorschriften zu differenzieren, sondern allein zu untersuchen, welchen konkreten Einfluß die Verletzung der in Rede stehenden Verfahrensnorm auf den Inhalt des Urteils gehabt hat, stets [38] im Auge behalten [39] .

b) Zweiter Exkurs - § 337 als Zentralnorm des Revisionsrechts: Zum Kausalnexus zwischen Verfahrensverletzung und Urteilsgründen

In den Motiven wird ein weiterer Aspekt des § 337 StPO [40] angesprochen:

"Als Erfordernis für den Erfolg der Revision wird im § 300 aufgestellt., dass das Urtheil auf einer Gesetzesverletzung beruhe. d.h. dass ohne Verletzung des Gesetzes die Entscheidung nicht so hätte ergehen können, wie sie ergangen ist. Nicht eine aus den Entscheidungsgründen sich ergebende, sondern nur eine durch die Entscheidung selbst begangene Gesetzesverletzung kann den Erfolg der Revision begründen. Die unrichtige Anwendung einer Rechtsnorm ist zur Begründung der Revision nicht geeignet, wenn auch bei deren richtiger Anwendung das Gericht zu derselben Entscheidung gelangt sein würde. Der Erfolg des Rechtsmittels ist also durch einen Zusammenhang zwischen der begangenen Gesetzesverletzung und der Entscheidung selbst bedingt." [41]

In dem Bericht der vom Reichstag eingesetzten Kommission heißt es hierzu:

"Der Grundgedanke, von welchem der Entwurf bei der Gestaltung des Rechtsmittels der Revision ausgegangen, ist in § 300 (G. § 376) zum Ausdrucke gelangt. Die Kommission ist mit demselben einverstanden und stellt auch ihrerseits als Erfordernis für die Revision die Voraussetzung auf, dass das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruhe, d.h. dass ohne Verletzung des Gesetzes die Entscheidung nicht so erteilt worden wäre, wie geschehen, und dass daher der Erfolg des Rechtsmittels durch einen Zusammenhang zwischen der begangenen Gesetzesverletzung und der Entscheidung selbst bedingt ist. Im einzelnen Falle wird es Sache des Revisionsgerichts sein zu erwägen, ob nach Lage der Sache ein solcher Zusammenhang anzunehmen sei. (…)."

Diese Sätze kommen sowohl zur Anwendung, wenn es sich um die behauptete Verletzung des materiellen Rechts als der Prozeßvorschriften handelt. Auch bei den letzteren wird die Prüfung des Revisionsgerichts darauf gerichtet sein klarzustellen, ob ein Einfluß der Verletzung der Prozeßvorschrift auf den materiellen Inhalt der Entscheidung anzunehmen oder wenigstens nach der Sachlage nicht ausgeschlossen sei, und ob, wenn die Prozeßvorschrift gehörig beobachtet worden wäre, ein anderes Ergebnis des betreffenden Prozeßaktes hätte eintreten können." [42]

In einer der ersten Kommentierungen des § 337 StPO (§ 376 StPO a.F.) wird das Beruhen des Urteils auf der Gesetzesverletzung definiert als der Zusammenhang der Verletzung mit dem materiellen Inhalte des Urteils [43], was

bei der Verletzung von Prozeßvorschriften zu der Prüfung führt, ob der Verfahrensfehler ein solcher sei,

"durch welchen der materielle Inhalt des Urtheils insofern berührt wird, als bei einer Beobachtung der Vorschrift möglicherweise das Urtheil zu einem anderen Inhalt gelangt sein würde." [44]

Das Reichsgericht hat dies seit Anbeginn als Auftrag begriffen, den Kausalnexus zwischen der Verletzung des Prozessrechts und dem Inhalte des Urteils "nach Gestalt des Falles" zu prüfen [45]. Es hat hierbei ohne viel Aufhebens und ohne irgendwelche Irritationen durch ausgeklügelte Beweisverbotslehren Beweismittel und die aus ihnen gewonnenen Beweisergebnisse von der Verwertung ausgeschlossen, wenn sie "nicht legal produziert" waren [46] . Das Beweisverwertungsverbot ergab sich aus der Natur der Sache: war ein Beweismittel oder ein Beweisergebnis gesetzeswidrig erlangt worden, dann durfte es in der Hauptverhandlung keine Verwendung und der Urteilsfindung keine Verwertung finden [47] .

Bei der Prüfung des Kausalnexus ließ das Reichsgericht es für den Erfolg der Revision ausreichen, wenn die bloße Möglichkeit eines Einflusses des Verfahrensverstoßes auf das Urteil zu bejahen war [48]. Der Bundesgerichtshof hat sich dem in einer Vielzahl von Entscheidungen – wo es nicht um die Umsetzung seiner neuen Beweisverbotslehren ging – angeschlossen [49] .

c) Dritter Exkurs - § 337 als Zentralnorm des Revisionsrechts: Zum Umfang des Rügerechts des von einem Verfahrensverstoß nicht unmittelbar Betroffenen

Die Motive enthielten, da es für den Erfolg einer Revision allein auf einen (möglichen) Zusammenhang zwischen dem Verfahrensfehler und dem Urteilsspruch ankommen sollte, konsequenterweise keine Hinweise darauf, dass über diesen Kausalnexus hinaus noch eine eigenständige Beschwer zu fordern sei, also dem Verfahrensfehler eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung des Revisionsführers innewohnen müsse, um ihm die Rügebefugnis zu verleihen [50]. Entscheidend war, ob die Konstatierung eines möglichen Kausalzusammenhangs zwischen Verfahrensfehler und Urteil dazu führt, dass im Ergebnis für den Revisionsführer eine Rechtsbeeinträchtigung zu bejahen ist, was immer dann der Fall ist, wenn "bei Beobachtung der Vorschrift möglicherweise das Urteil zu einem anderen Inhalt gelangt sein würde" [51].

Dennoch hat das Reichsgericht fallweise – insbesondere bei der Beanstandung gesetzeswidriger Abwesenheit eines Mitangeklagten (oder dessen Verteidigers) – dem dadurch nicht unmittelbar Betroffenen eine Rügebefugnis abgesprochen [52]. Es sei selbstverständlich, dass mit einer "Verletzung des Gesetzes" nur eine solche gemeint sein kann, durch welche "irgendwie in die dem Beschwerdeführer gewährleisteten Rechte eingegriffen ist" [53]. Hinsichtlich der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts durch den Arzt sah es hierin "nur ein Recht des Zeugen", weshalb der Angeklagte keinen Anspruch

darauf habe, dass der Arzt von dem ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht auch Gebrauch mache [54].

In späteren Entscheidungen stellte das Reichgericht die Frage nach dem Beruhenszusammenhang wieder in den Vordergrund. So betonte es, der Angeklagte habe "das Recht zu verlangen, dass gegen ihn prozeßordnungsgemäß verfahren wird" [55], so daß durch eine fehlerhafte Belehrung des Arztes seitens des Gerichts, welche den Arzt einem Zeugniszwang aussetzt, nicht nur in das Recht des Zeugen, sondern "auch in die Rechte der Prozeßbeteiligten ordnungswidrig eingegriffen ist" [56]. Auch die Abwesenheit eines Mitangeklagten könne gerügt werden, wenn dieser Umstand auf die den Revisionsführer betreffenden Feststellungen Einfluß gewonnen hat:

"Im vorliegenden Falle hat sich jedoch die Revision nicht darauf beschränkt, die Verletzung von Verfahrensvorschriften gegenüber dem Mitangeklagten zu rügen, sondern sie hat ausdrücklich und ausreichend geltend gemacht, dass die ohne zulässige verfahrensrechtliche Grundlage getroffenen Feststellungen über Walter Qu. zugleich zum Nachteil von Fritz Qu. bei der ihn betreffenden Beweiswürdigung verwertet worden seien. Insofern ist somit für Fritz Qu. in zulässiger Weise ein ihn selbst beschwerender Verfahrensmangel gerügt worden." [57]

Selbst wenn es also einen Rechtssatz geben sollte, dass auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften sich nur die Verfahrensbeteiligten berufen dürfen, denen gegenüber vorschriftwidrig verfahren worden ist [58], so enthebt dies nicht von der durch § 337 StPO gebotenen Prüfung, welchen Einfluß ein derartiger Verfahrensverstoß – mag er unmittelbar nur Rechte Dritter oder eines Mitangeklagten beeinträchtigt haben – auf das Urteil insgesamt, also auch hinsichtlich der anderen Angeklagten, gehabt hat. Sind in prozeßordnungswidriger Weise hinsichtlich des einen Angeklagten Feststellungen getroffen worden, die zum Nachteil des anderen Angeklagten Eingang auch in die ihn betreffende Beweiswürdigung gefunden haben, beruht das Urteil hinsichtlich beider Angeklagter auf dem Verfahrensverstoß, selbst wenn der Verfahrensfehler zum Zeitpunkt seiner Geschehens unmittelbar zunächst nur Rechte des einen Angeklagten betraf [59] .

4. Die Beweisverbotslehre des BGH als Abschied von der Beruhensprüfung

Dieser kurze Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des § 337 StPO und seine daran orientierte Auslegung hat deutlich gemacht, dass

- die Beantwortung der Frage, ob ein Verfahrensverstoß die Revision begründen könne, nicht davon abhängt, dass er eine wesentliche oder eine unwesentliche Vorschrift betrifft, stattdessen

- jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, welcher Zusammenhang zwischen dem Gesetzesverstoß und dem Urteilsspruch bestehe,

- es für die Rügebefugnis eines Verfahrensbeteiligten, solange nur ein Beruhenszusammenhang zu bejahen ist, keinen Unterschied macht, ob der Verfahrensfehler im Zeitpunkt seines Geschehens nicht ihn selbst, sondern unmittelbar nur einen anderen Verfahrensbeteiligten in seinen Rechten beeinträchtigt hat.

Sowohl das Reichsgericht als auch der Bundesgerichtshof haben ihre Auslegung des § 337 StPO an diesen Vorgaben orientiert und das durch diese Entstehungsg eschichte abgesteckte Terrain nur selten verlassen. Die Entscheidung des Großen Senats vom 21.1.1958 [60], welche für den Fall einer fehlerhafterweise unterbliebenen Belehrung gemäß § 55 Abs. 2 StPO dieses Terrain verließ, schien angesichts der massiven Kritik in der Wissen-

schaft [61] und ihrer Bedeutungsreduzierung durch spätere Entscheidungen des BGH [62] eine auf die Einzelnorm reduzierte Betrachtung geblieben zu sein.

Dies war leider ein Trugbild. Inzwischen – dies zeigt pointiert die Entscheidung des 5. Strafsenats im Fall Fernandes – feiert die "Rechtskreistheorie" fröhlich Urständ. Nicht nur eine Erosion, sondern eine Abschaffung der Beruhensprüfung und eine Verabschiedung des § 337 als Zentralnorm des Revisionsrechts sind die Folge [63]. Eine Rechtsprechung, die in den Verfahrensvorschriften eine "natürliche Stufung" sieht [64], danach zu differenzieren beginnt, ob Verfahrensvorschriften "die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten" sichern sollen [65], welche die Wertigkeit der Verfahrensvorschriften herabsetzt, wenn sie "nicht oder nicht in erster Linie dem Schutz des Beschuldigten" dienen [66], löst sich von dem mit § 337 StPO verfolgten Anliegen. Es wird nicht mehr gefragt, ob im konkreten Fall ein Zusammenhang zwischen der Gesetzesverletzung und dem Urteilsspruch bestehe, sondern allein, ob dem Gesetzesverstoß als solchem, quasi "an und für sich", Gewicht beikomme. Der zweite Schritt, die Beruhensprüfung, ist dann nicht mehr vonnöten. Hat der Gesetzverstoß Gewicht, kann das Urteil – ohne Prüfung und Erwähnung des § 337 StPO – aufgehoben werden [67] . Hat der Gesetzesverstoß nach Einschätzung des BGH kein Gewicht, kann das Urteil – ohne Prüfung und Erwähnung des § 337 StPO – bestehen bleiben. So geschehen in der Revisionsentscheidung gegen Fernandes [68].

Hätte der BGH sich an die von § 337 StPO vorgegebene Leitlinie gehalten, hätte er prüfen müssen

- welchen tatsächlichen Einfluß die Erkenntnisse, welche aus der informellen Vernehmung Sahins am Tage nach seiner Festnahme gewonnen worden waren, auf die Beweiswürdigung gehabt haben,

- ob sie von wesentlicher Bedeutung für die Verurteilung der Angeklagten waren,

- welche Auswirkungen (im Falle einer korrekten Belehrung Sahins über sein Recht zur Konsultation mit dem Konsulat) eine sodann auf Veranlassung Sahins erfolgte Benachrichtigung des nächst gelegenen Konsulats gehabt haben könnte,

- ob eine vom Konsulat möglicherweise veranlasste sofortige Einschaltung eines Anwalts (oder auch nur deren Ankündigung) zu einer Unterlassung der am Tag nach der Festnahme erfolgten Vernehmung geführt haben könnte[69].

Letztlich wird der Beruhenszusammenhang auch vom Bundesgerichtshof nicht geleugnet:

"Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung
seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag." [70]

Damit war nach der bisher gültigen Rechtsprechung zu § 337 StPO das Urteil des Schwurgerichts Braunschweig aufzuheben. Das gegenteilige Ergebnis markiert den Abschied vom herkömmlichen Revisionsrecht [71] .

5. Mißachtung der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs durch den BGH

In seinem die erste Entscheidung des BGH zu Art. 36 WÜK aufhebenden Beschluß hatte das Bundesverfassungsgericht angemahnt, es sei eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung der deutschen Strafgerichte, die Urteile des Internationalen Gerichtshofs zu beachten [72].

Aus der völkerrechtlichen Restitutionspflicht hatte der Internationale Gerichtshof im Fall LaGrand, ebenso wie im Fall Avena, hergeleitet, dass das völkerrechtliche Unrecht einer unterbliebenen Belehrung dadurch zu restituieren sei, dass es zu einer Nachprüfung und Neubewertung von Schuld- und Strafausspruch im Lichte des Völkerrechtsbruchs komme. Die Vereinigten Staaten von Amerika

"… shall allow the review and reconsideration of the conviction and sentence by taking account of the violation of the rights set forth in that Convention.”[73]

Hierbei meint "conviction” den Schuldspruch, "sentence” die Festlegung des Strafmaßes.

Der vom Internationalen Gerichtshof statuierten Verpflichtung, im Falle eines unter Verletzung von Art. 36 WÜK zustande gekommenen Urteils die Möglichkeit zu eröffnen, den Schuld- und Strafausspruch im Hinblick auf den Einfluß dieser Vertragsverletzung zu überprüfen [74], hat er alsdann in der Avena-Entscheidung vom 31.3.2004 noch dahingehend konkretisiert, dass von den (amerikanischen) Gerichten untersucht werden müsse, welchen Einfluß die Verletzung des Art. 36 WÜK "in the causal sequence of events" gehabt habe:

"122. The Court reaffirms that the case before it concerns Article 36 of the Vienna Convention and not the correctness as such of any conviction or sentencing. The question of whether the violations of Article 36, paragraph 1, are to be regarded as having, in the causal sequence of events, ultimately led to convictions and severe penalties is an integral part of criminal proceedings before the courts of theUnited States and is for them to determine in the process of review and reconsideration.”[75]

Auch an anderer Stelle betont der IGH in der Avena-Entscheidung, dass der Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem schließlich ergangenen Urteil genau zu untersuchen sei ("fully examined"):

"138. The Court would emphasize that the ‚review and reconsideration’ prescribed by it in the LaGrand case should be effective. Thus it should ‘take account of the violation of the rights set forth in the Convention’ (…) and guarantee that the violation and the possible prejudice caused by that violation will be fully examined and taken into account in the review and reconside-ration process. Lastly, review and reconsideration should be both of the sentence and of the conviction.”[76]

Eine gleichgeartete Verpflichtung bestand auch für den Bundesgerichtshof; er hat diese jedoch nicht umgesetzt. Er hat zwar den möglichen Einfluß der Vertragsverletzung auf die Beweiswürdigung und damit einen (möglichen) kausalen Zusammenhang des Verfahrensverstoßes mit dem schließlich ausgesprochenen Urteil explizit bejaht, jedenfalls für möglich gehalten, jedoch sich geweigert, hieraus irgendwelche Konsequenzen für den Schuld- oder Strafausspruch zu ziehen.

Hierbei ist noch ein weiterer Aspekt von Bedeutung:

Indem der Bundesgerichtshof seine Sicht der Dinge reduziert auf die subjektive Rechtsstellung des ausländischen Beschuldigten und hierbei die "große" Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO in ihrer Wertigkeit ausspielt gegen die "kleine" Belehrung nach Art. 36 WÜK, gerät ihm völlig aus dem Blick, dass die Beeinträchtigung des subjektiven Rechts in eins geht mit der Verletzung von Völkervertragsrecht. Diesem Umstand hat der IGH in der Avena-Entscheidung besonderes Gewicht ("full weight") beigelegt:

"The rights guaranteed under the Vienna Convention are treaty rights which the United States has undertaken to comply with in relation to the individual concerned, irrespective of the due process rights under United States constitutional law. In this regard, the Court would point out that what is crucial in the review and reconsideration process is the existence of a procedure which guarantees that full weight is given to the violation of the rights set forth in the Vienna Convention, whatever may be the actual outcome of such review and reconsideration.”[77]

Die Verletzung des Art. 36 WÜK manifestiert sich in zweierlei Richtung: Sie betrifft sowohl den ausländischen Beschuldigten als auch den Staat, dessen Angehöriger er ist. [78] In den Darlegungen des Bundesgerichthofs zum Für und Wider eines Verwertungsverbots findet sich von all dem nichts. Art. 36 WÜK wird erneut als quantité négligeable behandelt. Der Völkerrechtsverstoß wird in seinem eigenständigen Gewicht nicht beurteilt. Das Verwertungsverbot wird verneint, der Beruhenszusammenhang zwar bejaht, aber folgenlos gelassen [79].

Die "Vollstreckungslösung", die der Bundesgerichtshof stattdessen anbietet, hat mit dem "review" und der "reconsideration" von "conviction" und "sentence" nichts zu tun. Außerdem: § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB ist zwar insoweit ein "objektiv orientiertes Modell", als es bestimmt, dass Untersuchungshaft und andere aus Anlaß der Tat verbüßte Haft auf die Strafe anzurechnen sind. Diese anzurechnende Haft kann nach Tagen, Monaten und Jahren "objektiv" mit Hilfe des Kalenders berechnet werden. Woher aber kommen die Maßstäbe, um einen Völkerrechtsverstoß in Tage, Monate und Jahre umzurechnen? Warum (wie im vorliegenden Falle) sechs Monate? Warum denn nicht vier oder zehn Monate? Die Unvorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit der "Vollstreckungslösung" rückt sie – auch wenn von Richtern umgesetzt – sachlich in eine unmittelbare Nähe zu der vom IGH im Falle Avena ausdrücklich verworfenen "clemency procedure" [80] .

Das ist das Gegenteil dessen, was der Internationale Gerichtshof gefordert hat. Es ist zugleich ein radikales Dementi all dessen, was die deutschen Prozessvertreter im LaGrand-Case vor dem Internationalen Gerichtshof mit ehrlichem Engagement vorgetragen haben. In der Sitzung des Internationalen Gerichtshofs am 16.11.2000 über die Klage der Bundesrepublik Deutschland gegen die Vereinigten Staaten von Amerika hatte einer der deutschen Prozeßvertreter in dem Glauben an das in Deutschland geltende Recht eine Lobrede auf § 337 StPO gehalten:

"12. As to the German law of criminal procedure, an error of law which is not remedied during the trial can be put forward by appeal in three ways: Berufung, Revision and Wiederaufnahme. In murder cases the remedy would be Revision to the Federal Court of Justice. Revision is an appeal on questions of law only. In passing, let me mention that German courts were not yet confronted with the necessity to decide in a concrete Revision case about a violation of Article 36. But the doctrine is clear: To be successful, this appeal must fulfil three criteria.

( i) There must be a breach of ‘the law’ according to Article 337 of the German Code of Criminal Procedure. In this sense law is also international customary law and international treaties as the Vienna Convention, this without any need for further implementing legislation.

(ii) The judgment must be based on the breach of the law. This requirement is analogous to the requirement of prejudice applied by US courts. However, there is an important difference: according to German case-law causation need not to be proven! The Federal Court of Justice has constantly held that it is sufficient to show that it cannot be excluded that the decision of the court might have been different if the law had been applied properly. If you carefully look at our submission No. 4, you will notice that it asks only for the review of judgments ‘impaired by’ the violation of Article 36.

(iii) The defendant must not have lost his right to an appeal.” [81]

In der Retrospektive werden sie durch den Bundesgerichtshof desavouiert und Lügen gestraft; die Insinuationen der amerikanischen Administration, zwischen Vorstellung und Wirklichkeit klaffe bei den Deutschen eine weite Lücke,

"92. Indeed, Germany’s Memorial does not claim that German courts would invalidate a conviction or sentence when there has been a failure of consular notification. We question whether Germany (or very many other Parties to the Convention) could make such a representation. Germany’s claim in this case that the Vienna Convention requires individual remedies in the criminal justice system, including the invalidation of convictions, fundamentally conflicts with the manner in which States, including Germany, actually implement the Convention.”[82]

werden durch den Bundesgerichtshof ins Recht gesetzt. Zum zweiten Mal. Das ist ebenso unerträglich [83] wie die Kraftloserklärung des § 337 StPO.


[*] Der Beitrag war ursprünglich gedacht für die Ende des Jahres erscheinende Festschrift für Gerhard Fezer. Angesichts der über die Entscheidung des 5. Strafsenats zu Art. 36 WÜK inzwischen anschwellenden Diskussion (Weigend  StV 2008, 39 ff., Juncker StRR 2008, 23 f. sowie das Urteil des 3. Strafsenats v. 20.12.2007 – 3 StR 318/07) wird er hier schon vorab veröffentlicht.

[1] Kassing in JuS 2004, 675 ff.

[2] Kassing a.a.O. 677.

[3] Beschluß vom 25.9.2007 – 5 StR 116/01 – HRRS 2007 Nr.901 (vorgesehen für die amtliche Sammlung).

[4] Die Nennung der Namen erfolgt im Einverständnis der beiden Betroffenen.

[5] Im folgenden nur noch: Art. 36 WÜK.

[6] Daß die Ausnutzung eines solchen Irrtums, zumal dann, wenn der Beschuldigte – wie hier – bei der unmittelbar vorangegangenen Vernehmung ausdrücklich erklärt hat, schweigen und Anwälte mit seiner Vertretung beauftragen zu wollen, bedenklich ist, hat der 5. Strafsenat erst kürzlich betont (BGH in NJW 2006, 1008, 1009).

[7] Urteil des LG Braunschweig v. 5.7.2000 - 31 Ks 800 Js 33011/98, S. 93.

[8] NStZ 2002, 168 = wistra 2002, 68f = StV 2003, 57= BGHR StPO § 136 Belehrung 12 = BGHR WÜK Art 36 Unterrichtung 1.

[9] EuGRZ 2006, 684-693 = NJW 2007, 499-504 = NStZ 2007, 159-161 = JR 2007, 117-122 = JZ 2007, 887-891; Besprechungen von Payandeh in AVR 45, 244-257 (2007); Kreß in GA 2007, 296 ff.; Walter in JR 2007, 99 ff.; Burchard in JZ 2007, 891 ff.

[10] ICJ-Reports 2001, S. 464 ff. = EuGRZ 2001, 287 ff. (Übersetzung).

[11] ILM (International Legal Materials) 43 (2004), S. 581 = HRRS 2004 Nr. 342 m. Bespr. S. Walther HRRS 2004, 126 ff.; im Internet auch auf der Homepage des IGH zu finden: http://www.icj-cij.org/docket/files/128/8188.pdf

[12] BGH in wistra 2007, 426; dieses Befangenheitsgesuch war nicht von Fernandes, sondern einem weiteren Beschwerdeführer aus dem beim Bundesverfassungsgericht verbundenen Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 348/03 vorgetragen worden; der Bundesgerichtshof hat die Verbindung dieser Verfahren beibehalten.

[13] BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313.

[14] Daß diese Auskunft nicht richtig ist, wird unten näher beleuchtet werden.

[15] Legte man die üblichen Maßstäbe aus dem Dienstleistungsbereich an, so ist der Fall zu vergleichen mit dem Kunden eines Reisebüros, der in Frankfurt ein Flugticket direkt nach Moskau lösen will, stattdessen aber ein "Round-the-World"-Ticket erhält, das ihn nach einmaliger Globusumrundung schließlich auch irgendwann nach Moskau führt. Das Reisebüro müsste zahlen.

[16] Sowie der Angeklagte aus dem verbundenen Verfahren 5 StR 475/02.

[17] So wörtlich der 5. Strafsenat (Entscheidungsumdruck, S. 11).

[18] BGHSt 11, 213 ff.

[19] BGHSt 24, 125 ff.

[20] BGHSt 38, 214 ff.

[21] BGHSt 38, 372 ff.

[22] BGHSt 44, 243 ff.

[23] BGH NStZ 2007, 601 ff.

[24] Die Liste könnte natürlich noch mit einigen Referenz-Entscheidungen aufgefüllt werden.

[25] So fast wörtlich der 3. Strafsenat in BGHSt 44, 243, 249; ebenso der 5. Strafsenat in BGH NStZ 2007, 601, 602.

[26] BGHSt 38, 214, 220; 38, 372, 374.

[27] BGHSt 38, 214, 220; dass das anerkannte große Gewicht eines Verfahrensverstoßes sich dann im Abwägungsprozeß schnell zu einem Leichtgewicht verflüchtigen kann, wurde schon in BGHSt 44, 243, 249/250 vorgeführt.

[28] So erst jüngst wieder die Entscheidung des 5. Strafsenat zur bewussten Missachtung des Richtervorbehalts bei Wohnungsdurchsuchungen: Roxin NStZ 2007, 616 ff. und Brüning HRRS 2007, 250; was aber ist einem Verteidiger in der Praxis mit eine "solchen" Entscheidung geholfen, die noch nicht einmal ein klares Bekenntnis gegen die verschiedenen Varianten der Theorie vom hypothetischen rechtmäßigen Ersatzeingriff ablegt, sondern lediglich darauf abstellt, dass bei "solcher" Verkennung des Richtervorbehalts es bei den Bestimmungen des Grundgesetzes ein Bewenden haben müsse (BGH NStZ 2007, 601, 603). Das schafft nun wirklich keine Beruhigung. Vgl. demgegenüber Fezer in StV 1989, 294 zu BGH StV 1989, 289, 290 (Fall Weimar).

[29] So wörtlich der 5. Strafsenat in NStZ 2007, 601, 602 und der 3. Strafsenat in BGHSt 44, 243, 249.

[30] Was sich auch daran zeigt, dass die Rechtsprechungsnachweise, die der 3. Strafsenat für die "inzwischen gefestigte Rechtsprechung" anführt ("BGHSt 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373/374; 37, 30, 31/32; 35, 32, 34 f.; 31, 304, 307 ff.; 27, 355, 357; 19, 325, 329 ff.") unterschiedslos auch die ein verfassungsunmittelbares Verwertungsverbot betreffende Tagebuchentscheidung des 4. Strafsenats in BGHSt 19, 325 ff. einbezieht. Vgl. zu allem Fezer, Strafprozeßrecht, 2. Aufl., S. 216 ff. und ders., Grundfragen der Beweisverwertungsverbote, Heidelberg 1995. Es ist ein bleibendes, nachgerade historisches Verdienst des Jubilars, gegenüber dem Schellengeklapper euphorisierter Vertreter aus Praxis und Wissenschaft, das nach der Entscheidung des 5. Strafsenats in BGHSt 38, 214 ff. zeitweise zu vernehmen war, nüchtern die Begründungsschwächen dieser Entscheidung aufgezeigt zu haben, welche "in künftigen Fällen der Begründung von Beweisverwertungsverboten nach Verfahrensverstößen nur zu Mißverständnissen führen" könnten (JR 1992, 385/386; ebenso nochmals in JZ 1996, 662). Diese Prophezeiung bewahrheitet sich an der hier besprochenen Entscheidung.

[31] Das Gegenteil führt beispielhaft vor der 3. Strafsenat in seiner zu der Dreimonatsfrist des § 110b Abs. 2 Satz 3 StPO (welche in § 100d Abs. 1 StPO in Bezug genommen wird) getroffenen Entscheidung (BGHSt 44, 243 ff.): das nach Überschreitung der Frist für die Dauer eines weiteren Monats abgehörte und aufgezeichnete nicht öffentlich gesprochene Wort solle weiterhin der Beweisführung zu Gebote stehen, weil das Unterbleiben einer Verlängerung nur auf einem Versehen beruhte, welches durch eine erneute Anordnung des Amtsrichters zwar nicht rückwirkend, wohl aber für die darauf folgenden drei Monate wieder behoben wurde; auch sei es um eine "gerechte Ahndung schwerwiegender Straftaten" gegangen, so daß dem Allgemeininteresse an der Aufklärung "der Vorrang im Sinne der Verwertbarkeit der Beweise zukommen muß" (BGHSt 44, 243, 250).

[32] Fezer, Grundfragen der Beweisverwertungsverbote, Heidelberg 1995, S. 27.

[33] Bis 1924: § 376 StPO a.F.

[34] Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Göttingen 1957, Rdnr. 1 zu § 337.

[35] Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 3/Abt. 1, Berlin 1885, S. 251

[36] Löwe, Die Strafprozessordnung für das Deutsche Reich, 2. Aufl., Anm. 7a zu § 376.

[37] Löwe, a.a.O.; das ist sehr schön nachzulesen in dieser Kommentierung, deren Text (nur angereichert mit Rechtsprechungszitaten) fast wortgleich bis in die 18. Auflage von den Reichsgerichtsräten Hellweg und Rosenberg beibehalten wurde.

[38] Mit Ausnahme einer Grauzone für die sog. instruktionellen Vorschriften (Ordnungsvorschriften), an deren tautologischer Definition sich das Reichsgericht in RGSt 42, 168, 169/170 versucht hat. Vgl. zum Begriff der Ordnungsvorschriften Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl., Rdnr. 248 ff.

[39] Exemplarisch steht hierfür die schöne Entscheidung des 3. Strafsenats vom 24.9.1883 zur Nichterteilung des letzten Wortes an den Angeklagten (RGSt 9, 69). Völlig zu Recht betont das Reichsgericht, "dass die vorgeschriebene Befragung des Angeklagten nur in den wenigsten Fällen eine demselben günstige Veränderung der Sachlage haben wird." (Das gilt auch noch heute.) Dennoch hob es das angefochtene Urteil mit folgender Erwägung auf: "Da indes der Gesetzgeber trotz dieser naheliegenden und ihm sicherlich nicht entgangenen Erwägungen die Aufstellung der fraglichen Rechtsnorm für notwendig erachtet hat, so dürfen jene Erwägungen nicht dazu verwendet werden, um dem Gesetze so gut wie jede praktische Bedeutung zu entziehen. Vielmehr wird der auf dessen Verletzung gestützten Revision der Erfolg nur dann versagt werden dürfen, wenn die Möglichkeit des Zusammenhangs zwischen jener Verletzung und dem ergangenen Urteile durch die Umstände des Falles geradezu ausgeschlossen ist." (RGSt 9, 69, 70). Auf gleicher Linie auch das Urteil des 5. Strafsenats vom 22.2.1911: "Ob ein Urteil auf der in Betracht kommenden Gesetzesverletzung beruht, läßt sich, wie das Reichsgericht wiederholt anerkannt hat, nicht nach allgemeinen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten entscheiden, kann vielmehr nur nach der besonderen Gestaltung des Einzelfalls beurteilt werden." (RGSt 44, 338, 345/346).

[40] Im Vorentwurf zunächst § 300, in der bis 1924 gültigen gesetzlichen Fassung dann § 376 StPO.

[41] Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 3/Abt. 1, Berlin 1885, S. 251.

[42] Hahn a.a.O. Bd.3/Abt. 2, S. 1605.

[43] v. Schwarze in v. Holtzendorff (Hrsg.), Handbuch des neuen Strafprozeßrechts, Bd. 2, Berlin 1879, S. 310 (von Schwarze war Mitglied der vom Reichstag eingesetzten Kommission).

[44] V. Schwarze a.a.O. S. 299; zur Entstehungsgeschichte des § 337 StPO vgl. auch die detaillierte Darstellung bei Herdegen, in NStZ 1990, 513 ff.

[45] RGSt 1, 254, 255.

[46] Hier nur zwei von zahlreichen Beispielen: Die Stieftochter des Angeklagten war in der Voruntersuchung durch den Untersuchungsrichter vernommen, aber über ihr Zeugnisverweigerungsrecht nicht belehrt worden. Als sie in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigerte, hörte das Tatgericht den Untersuchungsrichter. Das Reichsgericht beanstandete die fehlende Belehrung und sah in der Aussage der nicht unterrichteten Zeugin ein "unstatthaftes Beweismittel", um daraus den Schluß zu ziehen: "…sobald also feststand, dass sie (die Aussage) nicht legal zustande gekommen war und daher als gesetzlich zulässiges Beweismittel dem Angeklagten gegenüber nicht angesehen werden konnte, durfte sie auch nicht zum Gegenstande einer Beweisaufnahme gemacht werden. Ihr in dieser Weise ermittelter Inhalt blieb eine unstatthafte Grundlage der richterlichen Entscheidung." (RGSt 8, 122, 124). In einem anderen Fall hatte das Reichsgericht die Frage zu entscheiden, ob ein bei seinen Eltern beschlagnahmter Brief des Angeklagten zwar nicht seinem Inhalte nach, wohl aber als Grundlage einer Schriftvergleichung genutzt werden dürfe. Das Reichsgericht sah hierin einen Verstoß gegen § 97 StPO und erklärte kurz und knapp: "Dieses auf gesetzwidrige Weise erlangte Beweismittel durfte in der Hauptverhandlung nicht produziert, bei der Urteilsfällung nicht verwertet werden." (RGSt 20, 91, 92).

[47] Fezers richtige Feststellung, Verwertungsverbote hätten "ihre normative Grundlage in der Beweiserhebungsnorm selbst" (Grundlagen der Beweisverwertungsverbote, Heidelberg 1995, S. 27) hat in der Rechtsprechung des Reichsgerichts einen wahren Eideshelfer. Daß er seine Überlegungen zur Natur von Beweisverwertungsverboten völlig trennen will von ihrer – über § 337 StPO vermittelten – Reflexion im Revisionsverfahren (JuS 1978, 105), könnte vielleicht überdacht werden.

[48] RGSt 1, 254; 44, 345; JW 1922, 1044; dass dies keineswegs selbstverständlich war, zeigen etwa die Ausführungen des damals sehr einflussreichen Rechtslehrers von Kries, Die Rechtsmittel des Zivilprozesses und des Strafprozesses, Breslau 1880, S. 226: "Damit soll gesagt sein, dass in Fällen des Zweifels das Urteil im allgemeinen aufrecht erhalten werden muß. Es ergibt sich dies mit Notwendigkeit aus dem natürlichen Verhältnis der oberen Instanz zur unteren, aus der selbstverständlichen Beweislast, die dem obliegt, der eine Abänderung des bestehenden Zustandes herbeiführen will."

[49] Vgl. nur die Nachweise bei Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 50. Aufl., Rdnr. 37 zu § 337.

[50] In der Aufstellung dieses zusätzlichen Erfordernisses treffen sich sowohl die Rechtskreistheorie des Bundesgerichtshofs als auch die verschiedenen Spielarten der Schutzzwecktheorien; deren Gemeinsamkeiten werden von Karlheinz Meyer in Löwe-Rosenberg, StPO, 22. Aufl., Anm. IV 7 zu § 337, richtig – mit einem leisen Anflug von Spott – betont. Ähnlich auch Hanack in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Rdnr. 98 zu § 337.

[51] v. Schwarze, in v. Holtzendorff (Hrsg.), Handbuch des deutschen Strafprozeßrechts, 2. Bd., Berlin 1879, S. 299.

[52] RGSt 8, 153, 155 und RGSt 32, 120, 122 (jeweils zu § 246 StPO a.F.= § 247 StPO); RGSt 38, 272, 274 und RGSt 52, 188, 189 (jeweils zu § 377 Nr. 5 StPO a.F. = § 338 Nr. 5 StPO); RG in JW 1924, 1250 m. krit. Anm. Alsberg.

[53] RGSt 38, 272, 274.

[54] RGSt 48, 269, 270; ebenso auch BGHSt 9, 59, 61.

[55] RGSt 57, 63, 64.

[56] RGSt 57, 63, 65; fortgeführt und erweitert durch das Urteil des 4. Strafsenates in BGHSt 42, 73, 77.

[57] RGSt 62, 259, 261; vgl. auch schon RGSt 20, 91, 93 hinsichtlich der unzulässigen Verwertung eines bei den Eltern des Mitangeklagten unter Verletzung von § 97 StPO beschlagnahmten Briefes: "Aus vorstehendem ergibt sich, dass die unter Verletzung des § 97 StPO vorgenommene Beschlagnahme des Briefes vom 16. Dezember 1888 Einfluß auf die Entscheidung in der Hauptsache gewonnen hat, dass sonach das Urteil auf der Gesetzesverletzung beruht. Dieser Annahme steht gegenüber der Revision der Beschwerdeführerin H. der Umstand, dass der Brief von dem Angeklagten S. an dessen Eltern geschrieben und bei den letzteren beschlagnahmt worden, nicht im Wege, denn aus der Begründung des Urteils ergibt sich, dass die Verwertung des Briefes auch für die Verurteilung der Angeklagten H. von Bedeutung war." In dieser Rechtsprechungstradition stehen auch die Entscheidungen des BGH in BGHSt 33, 148, 154; 42, 73, 77; 50, 64, 79 (zum Rügerecht des Mitangeklagten bei Verstößen gegen § 53 StPO) und BGHSt 7, 194, 196; 27, 139, 141; StV 1988, 89, 90 (zum Rügerecht bei fehlender oder falscher Belehrung von Angehörigen eines Mitangeklagten über ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO).

[58] RGSt 62, 259, 260; BGHSt 10, 119, 121.

[59] Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Göttingen 1957, Rdnr. 25 zu § 337; Hanack in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Rdnr. 94 zu § 337; Frisch in SK-StPO, Rdnr. 92 zu § 337; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., Rdnr. 18 zu § 337. Die vorstehend benannten aktuellen Kommentierungen, die allesamt mit dem Hauptsatz beginnen, dass jeder Verfahrensbeteiligte nur solche Verfahrensfehler rügen dürfe, die ihn selbst beschweren, um dann einige Sätze weiter zu konstatieren, dass auch eine mittelbare Beschwer ausreiche, offenbaren die Nutzlosigkeit klügelnder Distinktionen, die sich um den Begriff der "Beschwer" ranken. Letztlich geht es allein um die Frage nach dem Beruhenszusammenhang zwischen einem Gesetzesverstoß und dem Urteil; so auch Hamm in Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl., Rdnr. 63 (Beschwer als "ein vom Gesetz unausgesprochener Teil der Beruhensfrage"). Daß der Begriff der "Beschwer" in der Revisionsrechtsprechung häufig nur aus "prozesswirtschaftlichen Überlegungen" zum Einsatz kommt, wird in BGHSt 37, 5, 9 unumwunden ausgesprochen.

[60] BGHSt 11, 213 ff.

[61] Vgl. nur Eberhard Schmidt in JZ 1958, 596 ff. und Rudolphi in MDR 1970, 93 ff.

[62] BGHSt 33, 148, 154; 42, 73, 77; 50, 64, 79.

[63] Der unvergessene Karlheinz Meyer hat vor vierzig die Gefahren der damals noch etwas zaghafter sprießenden Beweisverbotslehren klarsichtig vorausgesehen. Zu einem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts, welches sich mit der Belehrung des Angeklagten in der Hauptverhandlung befasste, führte er aus: "Da der Hinweis nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zwingend vorgeschrieben ist, es sich also nicht etwa um eine Sollvorschrift handelt wie die Befragung nach § 257 StPO (vgl. RGSt. 42, 168), liegt ein Verfahrensverstoß vor, wenn er unterlassen wird. Hierauf kann die Revision gestützt werden, und sie führt zur Urteilsaufhebung, wenn das Urteil auf dem Verstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Dieses Beruhen braucht der Revisionsführer weder zu behaupten noch zu beweisen. Die Revisionsgerichte verfahren recht großzügig, wenden den Grundsatz ‚in dubio pro reo’ an und lassen es genügen, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass die Entscheidung nicht auf dem Verstoß beruht (…) Bei alledem zeigt sich, wie wenig es zur Klarheit beiträgt, wenn die Rechtsprechung, anstatt die Lösung derartiger Fälle in den Vorschriften über die Revision zu suchen, mit Begriffen wie ‚Verwertungsverbot’ oder ‚Beweisverbot’ arbeitet. Der Fall des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO läßt sich durchaus in die Reihe der Beweisverbote einordnen. Der vergleichbare Fall des § 52 Abs. 2 Satz 1 StPO hat dort schon seinen festen Platz (…). Aber diese Einordnung vergrößert lediglich den spärlichen Katalog der bestehenden Beweisverbote; sie schafft keinen absoluten Revisionsgrund und kann den § 337 StPO nicht abändern. Vorwiegend auf diese Kernbestimmung des geltenden Revisionsrechts kommt es aber an, wenn die Frage zu entscheiden ist, welche Folgen die Verletzung einer zum Schutz des Angeklagten geschaffenen Verfahrensvorschrift nach sich ziehen muß." (Karlheinz Meyer in JR 1966, 310, 311- meine Hervorhebung). Das liest sich fast wie ein Kommentar auf die hier besprochene Entscheidung des BGH.

[64] BGHSt 11, 213, 214

[65] BGHSt 38, 214, 220.

[66] BGHSt 38, 214, 220.

[67] So in BGHSt 38, 214 ff., wobei einschränkend zu sagen ist, dass es sich um eine Vorlegungssache handelte, der vom OLG Celle offerierte Sachverhalt die Bedeutsamkeit der Rechtsfrage allerdings nachhaltig relativierte: Der Beschuldigte hatte eine Blutalkoholkonzentration von 1,67 Promille; der ihm gehörende Pkw war nach einem Unfall schwer beschädigt am Unfallort zurückgelassen worden; der ermittelnde Polizeibeamte fand in dem geöffneten Pkw den Führerschein, sprach den in der Nähe des Unfallortes umherirrenden Beschuldigten an, nachdem er erkannt hatte, dass dessen Aussehen mit der im Führerschein abgebildeten Person starke Ähnlichkeit aufwies. Der Beschuldigte leugnete wahrheitswidrig die Identität mit der abgebildeten Person und machte anschließend auf die nach § 111 OWiG zulässigen Fragen hinsichtlich seines Namens und seines Wohnortes falsche Angaben. Jedem Amtsrichter hätte dieser Sachverhalt – ohne Strapazierung des § 261 StPO – bereits zur Verurteilung des Beschuldigten ausgereicht. Auf die schließlich ohne Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO gemachten Angaben, er habe zwar im Wagen gesessen, sei aber nur Beifahrer gewesen, dürfte es kaum angekommen sein. Es war also höchst fraglich, ob das amtsgerichtliche Urteil überhaupt auf dem Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO beruhte; im Hinblick auf die in BGHSt 25, 325, 328 formulierten geringen Anforderungen an eine Vorlegung gemäß § 121 Abs. 2 GVG mag der 5. Strafsenat dennoch zu Recht deren Voraussetzungen bejaht haben.

[68] Und zuvor schon in der – oben bereits angesprochenen – Entscheidung des 3. Strafsenats in BGHSt 44, 243 ff.

[69] Vgl. hierzu auch FN 76.

[70] Entscheidungsumdruck, S. 8.

[71] Der wird auch für andere Bereiche des klassischen Revisionsrechts bereits angedroht: "Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen - namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO - als eher zu weitgehend angesehen werden müssen." (Entscheidungsumdruck, S. 9).

[72] BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats) in NJW 2007, 499, 503.

[73] Nr. 128 Ziff 7 im Falle LaGrand – Übersetzung in EuGRZ 2001, 287, 295 (meine Hervorhebung) – und Nr. 153 Ziff. 9 im Fall Avena.

[74] Eine Umsetzung des Restitutionsprinzips, die auch den uneingeschränkten Beifall der International Law Commission gefunden hat (vgl. die "Commentaries" zu den "Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts", p. 236 (Fußnote 518) – im Internet (auf dem Stand von 2005) unter: http://untreaty.un.org/ilctexts/instruments/english/commentaries/ 9_6_2001.pdf.

[75] Im Internet unter: http://www.icj-cij.org/docket/files/128/8188.pdf

[76] A.a.O. – meine Hervorhebung; wie der Ursachenzusammenhang retrospektiv untersucht werden kann, wird beispielhaft vorgeführt in dem Verfahren Torres v. State vor dem Oklahoma Court of Appeals (hierzu Simma in Festschrift für Tomuschat, S. 443 f.), im Internet unter: http://www.oscn.net/applications/oscn/DeliverDocument.asp?CiteID=444490 .

[77] A.a.O. Nr. 139 – meine Hervorhebung.

[78] So auch die EU in einem "Brief of Amici Curiae" an den US Supreme Court (in dem später vom US Supreme Court wieder fallen gelassenen Verfahren Medellin): "If a foreign national is convicted absent compliance with the notification obligation of Article 36, the rights of both the Sending State and the foreign national are implicated, and the conviction must be reviewed." (p. 8 – im Internet unter: http://www.internationaljusticeproject.org /pdfs/EU_VCCR_September_16_2004_filed.pdf).

[79] Vgl. demgegenüber die Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH in BGHSt 36, 396 ff., die ohne viel Federlesens in Bezug auf eine andere Bestimmung des WÜK ein Verwertungsverbot bejaht. Der in diesem Urteil angesprochene Art. 43 WÜK hat keinerlei individualschützenden Charakter, verschafft keine persönliche Immunität, sondern dient allein der unversehrten Ausübung der konsularischen Tätigkeit des Entsendestaates. Dennoch wird ein aus Art. 43 WÜK herzuleitendes Verwertungsverbot bejaht!

[80] A.a.O. Nr. 143.

[81] Hans Peter Kaul (damals Leiter der Unterabteilung für Völkerrecht beim Auswärtigen Amt, heute Richter am Internationalen Strafgerichtshof) im Protokoll des "Public sitting” beim IGH vom 16.11.2000, S. 30 – im Internet auffindbar unter: http://www.icj-cij.org/docket/files/104/4667.pdf (Kursivschreibung im Original).

[82] Counter-Memorial of the United States of America, – im Internet unter: http://www.icj-cij.org/docket/files/104/8554.pdf.

[83] Daß die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 GVG), wird offenbar selbst bei höchsten ordentlichen Gerichten immer noch als Freibrief verstanden, sich mit den gelegentlich nur fremdsprachig zugänglichen Entscheidungen ausländischer und international zuständiger Gerichte nicht befassen zu müssen. Ein in dieser Hinsicht die hier besprochene Entscheidung des 5. Strafsenats noch übertreffendes Judikat ist der allen Ernstes für die amtliche Sammlung des BGH vorgesehene Beschluß des 1. Strafsenats vom 11.9.2007 (in NJW 2007, 3587 ff.). Daß die Rüge, Art. 36 WÜK sei nach der Festnahme des Beschuldigten nicht beachtet worden, im Revisionsverfahren nicht vorgebracht werden dürfe, wenn nicht zuvor in der Hauptverhandlung ein themenbezogener Widerspruch gegen die Verwertung etwaiger – nach Unterlassung der Belehrung – gewonnener Vernehmungsinhalte erhoben worden sei, ist eine krasse Missachtung all dessen, was der Internationale Gerichthof in den Entscheidungen LaGrand und Avena zur amerikanischen "procedural default rule" ausgeführt hat. Immerhin hat sich der 5. Strafsenat von diesen Positionen deutlich distanziert (Entscheidungsumdruck, S. 9/10). Vgl. zu der Entscheidung des 1. Strafsenats auch Velten in ZJS 2008, 76 ff.; Gaede HRRS 2007, 402 ff.