HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2006
7. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB


Entscheidung

865. BGH 4 StR 67/06 - Beschluss vom 13. Juni 2006 (LG Essen) Beweiswürdigung beim Tötungsvorsatz; strafbefreiender Rücktritt (Erörterungsmangel; Begriff des fehlgeschlagenen Versuchs). § 261 StGB; § 15 StGB; § 212 StGB; § 24 StGB

Auch derjenige kann vom unbeendeten Tötungsversuch strafbefreiend zurücktreten, der von ihm möglichen weiteren Tötungshandlungen allein deshalb absieht, weil er

sein außertatbestandliches Ziel bereits erreicht hat oder erreicht zu haben glaubt (BGHSt 39, 221, 231/232): Ein strafbefreiender Rücktritt ist nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Angeklagte sein Ziel, dem Tatopfer Verletzungen zuzufügen, um ihm eine "Lektion" zu erteilen, bereits erreicht hatte. Darüber hinaus reicht es aber für Annahme eines fehlgeschlagen Versuchs auch nicht aus, dass es dem Angeklagten objektiv nicht möglich war, den Tötungsversuch fortzusetzen. Für die Frage, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, der nach der Rechtsprechung einen Rücktritt ausschließt (vgl. BGHSt 34, 53, 58; 39, 221, 228), sind vielmehr die Vorstellungen des Täters zum Zeitpunkt des Scheiterns seines Versuchs, das Opfer durch Verwendung des zunächst eingesetzten Tatmittels zu töten, maßgeblich (sog. Rücktrittshorizont, vgl. BGHSt 39, 221, 227/228). Gelangt der Täter nach anfänglichem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden, liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor (vgl. BGHSt aaO S. 331), sondern ein unbeendeter Versuch, von dem er, wenn er sich freiwillig dazu entschließt, sein Opfer nur noch körperlich zu verletzen, durch bloßes Aufgeben des Tötungsvorsatzes zurücktreten kann (vgl. BGHSt 34, 53, 58).

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

843. BGH 3 StR 279/06 - Beschluss vom 17. August 2006 (LG Duisburg) Betrug; Nötigung; Erpressung; Vermögensschaden (Verzicht auf eine Forderung). § 240 StGB; § 253 StGB; § 255 StGB; § 263 StGB

1. Eine Erpressung kann auch dadurch begangen werden, dass der Täter das Tatopfer durch Drohung oder Gewalt dazu veranlasst, auf die Geltendmachung einer Forderung zu verzichten, sei es durch Unterlassen geeigneter Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung, sei es dadurch, dass es duldet, dass sich der Täter entfernt, ohne seine Personalien anzugeben.

2. Ein Vermögensschaden tritt im Falle des Verzichts auf die Geltendmachung einer Forderung nur ein, wenn die Forderung werthaltig ist. Wer hingegen auf die Geltendmachung einer wertlosen, weil gänzlich uneinbringlichen Forderung verzichtet, erleidet dadurch keinen Vermögensschaden.


Entscheidung

842. BGH 3 StR 238/06 - Beschluss vom 17. August 2006 (LG Itzehoe)

Erpressung (Drohung); Betrug; Strafzumessung.

§ 253 StGB; § 255 StGB; § 263 StGB; § 46 StGB

Zum Begriff der Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne der §§ 253, 255 StGB gehört zwar nicht, dass der Drohende ankündigt, er werde das in Aussicht gestellte Übel selbst verwirklichen. Wenn dies aber durch einen Dritten geschehen soll, muss in dem Bedrohten die Vorstellung geweckt werden, dass der Drohende den Dritten in der befürchteten Richtung beeinflussen könne und - bei Nichtvornahme der geforderten Vermögensverfügung - auch wolle.