HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2006
7. Jahrgang
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IV. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

45. BGH 1 StR 571/04 - Urteil vom 22. November 2005 (LG München)

Zur Untreue durch Geldtransferleistungen innerhalb einer Unternehmensgruppe (Fall Kinowelt; Bürgschaftserklärung; unterschiedliche Beteiligungsverhältnisse; Überweisungen auf ein Privatkonto; Pflichtwidrigkeit beim Handeln des Vorstandes; Risikogeschäfte: unter Umständen übliche, ungesicherte Kapitaltransfers in einem Konzern; Put-Optionen; Vermögensfürsorgepflicht; Vermögensbetreuungspflicht).

§ 266 StGB; § 765 BGB; § 387 BGB; § 350 HGB; § 15 AktG

1. Zur Untreue durch Geldtransferleistungen innerhalb einer Unternehmensgruppe. (BGH)

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dem Vorstand bei seinen in Ausfüllung der vorgenannten Pflichten getroffenen Entscheidungen ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Werden hingegen die - weit zu ziehenden - äußersten Grenzen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit überschritten und wird damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB begründet (BGHSt 47, 148, 152; 187, 197; vgl. auch BGHZ 135, 244, 253). (Bearbeiter)

3. Ein weiter, gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Handlungsspielraum steht den entscheidungstragenden Organen der Gesellschaft gerade dann zu, wenn ein über die bisherige Unternehmenstätigkeit hinausreichendes Geschäftsfeld erschlossen, eine am Markt bislang nicht vorhandene Geschäftsidee verwirklicht oder in eine neue Technologie investiert werden soll. Der Prognosecharakter der unternehmerischen Entscheidung tritt hier besonders deutlich zutage. Dem Entscheidungsträger obliegt es in diesen Fällen allerdings, sich in angemessener Weise, ggf. unter Beiziehung sachverständiger Hilfe, durch Analyse der Chancen und Risiken eine möglichst breite Entscheidungsgrundlage zu verschaffen. (Bearbeiter)

4. Zuwendungen unter in einem Konzern verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) sind wegen deren wirtschaftlicher Verflechtung gemäß § 266 StGB regelmäßig nicht zu beanstanden sind. Dies gilt auch dann, wenn eine feste Verbindung zwischen den betroffenen Unternehmen noch nicht bestand, aber der Wille der maßgeblichen Organe ernstlich auf die Verbindung gerichtet ist und das zuwendende Unternehmen bereits eine Rechtsposition erlangt hat, die den Erwerb sicherstellt. (Bearbeiter)


Entscheidung

61. BGH KRB 2/05 - Beschluss vom 28. Juni 2005 OLG Düsseldorf)

BGHR; Verjährungsunterbrechung gegenüber Organen (Wirkung für verjährte Handlungen anderer Organe bei der Bemessung des Bußgeldes gegen das Unternehmen); Beurteilung des wirtschaftlichen Vorteils (Vermögensschadens) bei Kartellabsprachen (Submissionsbetrug) mit Blick auf die Nachhaltigkeit und Dauer des Kartells (Beweiswürdigung); Konkurrenzen (Zusammenfassung zu einer

Bewertungseinheit); Hinwegsetzen.

§ 30 Abs. 1 OWiG; § 38 Abs. 4 Satz 1 a.F. GWB; § 81 Abs. 2 Satz 1 GWB n.F.; § 261 StPO; § 46 OWiG; § 263 StGB; § 1 GWB

1. Die Unterbrechung der Verjährung gegen wenigstens ein Organ im Sinne des § 30 Abs. 1 OWiG führt dazu, dass auch die an sich verjährten Handlungen anderer Organe für die Bemessung des Bußgelds gegen das dahinterstehende Unternehmen herangezogen werden können, soweit die Handlungen sämtlicher Organe - hier im Hinblick auf die Umsetzung einer einheitlichen Kartellabsprache - aufgrund einer Bewertungseinheit zu einer einheitlichen prozessualen Tat zusammengefasst sind. (BGHR)

2. Je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde und je flächendeckender es angelegt ist, um so höhere Anforderungen sind an die Darlegungen des Tatrichters zu stellen, wenn er einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Kartellabsprache verneinen will. (BGHR)


Entscheidung

22. BGH 3 StR 333/05 - Beschluss vom 3. November 2005 (LG Koblenz)

Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts eines verbotenen Vereins (Kalifatsstaat; Zeitschriftenabonnement); Bestandskraft eines Vereinsverbots (Zäsurwirkung; Handlungseinheit).

§ 20 VereinsG; § 85 Abs. 2 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB

1. Der bloße Bezug der Zeitschrift einer verbotenen Vereinigung reicht nicht für die Annahme der Unterstützung ihres organisatorischen Zusammenhalts aus. (BGHR)

2. Allein durch den Eintritt der Bestandskraft eines Vereinsverbotes wird eine an sich einheitliche Unterstützungshandlung oder aktive Betätigung als Mitglied nicht in zwei selbständige Taten aufgespalten. (Bearbeiter)