HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

September 2005
6. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen


Absoluter Revisionsgrund und Besorgnis der Befangenheit bei Überdehnung des § 26a StPO durch den Richter in eigener Sache

HRRS-Praxishinweis und zugleich Besprechung der Entscheidungen BVerfG 2 BvR 625/01 (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. vom 2. Juni 2005 (= BVerfG HRRS 2005 Nr. 710); BGH 5 StR 180/05, Beschl. vom 10. August 2005 (= BGH HRRS 2005 Nr. 700) und BGH 3 StR 446/04, Beschl. vom 14. Juni 2005 (= BGH HRRS 2005 Nr. 711).

Von Karsten Gaede, Hamburg/Zürich.*

Nicht nur Immanuel Kant war in besonderem Maße darauf bedacht, den Richter in eigener Sache mittels einer durchdachten Rechtsphilosophie aus der Rechtsordnung fern zu halten. Sein Ausschluss galt ihm als Strukturprinzip, dessen Beherzigung für vernünftig bestimmte und gerechte Rechtsmaßstäbe grundlegend ist.[1] Auch die angloamerikanische Tradition formuliert traditionell den Grundsatz nemo judex in causa sua,[2] den auch der EGMR bereits im letzten Jahr für Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hervorgehoben hat.[3] Nunmehr haben auch die dritte Kammer des Zweiten Senats des BVerfG und der 5. Strafsenat in eben diesem Sinne die deutsche Garantie des gesetzlichen Richters gestärkt, indem sie einer extensiven Gleichsetzung von vermeintlich zwingend unbegründeten Befangenheitsgesuchen mit unzulässigen Befangenheitsgesuchen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO entgegen getreten sind, die Entscheidungen durch den Richter in eigener Sache herbeiführt.[4]

Der vorliegende Beitrag fasst die in gut zwei Monaten erfolgte Rechtsprechungsentwicklung mit den wesentlichen Aussagen und Begründungen der jüngeren Entscheidungen zusammen (I-III.). Die konkreten Folgen der vom BGH vollzogenen Rechtsprechungsänderung werden hervorgehoben, wobei auch auf kritische Folgefragen hinzuweisen ist, die insbesondere mit Blick auf eine jüngere einschlägige Entscheidung des 3. Strafsenats

zu stellen sind (IV). Abschließend wird die Entwicklung prinzipiell zustimmend gewürdigt, obgleich jene Rechtsprechung in dieser ersten Stellungnahme auch dazu kritisch zu hinterfragen ist, ob sie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK bereits gerecht wird. Ob die Reaktion des BGH tatsächlich in größerem Umfang dazu führen wird, dass der Richter in eigener Sache der Rechtsordnung fremd bleibt, wird erst der weitere Umgang mit dem Ablehnungsrecht zeigen.

I. Einführung: Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Hintergrund der zu besprechenden Entscheidungen ist die Regelung der Ablehnung von Gerichtspersonen nach den §§ 22 ff. StPO. Das hiernach vorgesehene Ablehnungsverfahren ermöglicht es dem Gericht ausnahmsweise, ein Ablehnungsgesuch umgehend selbst unter Mitwirkung des betroffenen Richters gemäß §§ 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO zu verwerfen, wenn ein Grund für die Ablehnung nicht angegeben wird. Dies stellt eine Abweichung insbesondere von § 27 StPO dar, nach dem über Ablehnungsgesuche grundsätzlich ohne Beteiligung des von ihnen betroffenen Richters zu entscheiden ist und der gegebenenfalls auch eine Verlagerung der Entscheidungskompetenz über das ursprüngliche Tatgericht hinaus erforderlich macht.[5]

Nach der bislang vom BGH sanktionierten Praxis wurde § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO weit ausgelegt: Ist eine angegebene Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet, steht dies dem Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleich, so dass das Verfahren nach § 27 StPO entbehrlich wird. [6] Revisionsrechtlich vertrat der BGH darüber hinaus, dass die fehlerhafte Ablehnung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO für sich genommen keinen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO eröffnet: Das Revisionsgericht muss auch in diesen Fällen nach Beschwerdegrundsätzen prüfen, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet war oder nicht. [7]

Jene Praxis war bereits durch eine Kammerentscheidung des BVerfG vom 9. Juli 2004 in Frage gestellt worden, welche der BGH-Judikatur eine mögliche Überschreitung verfassungsrechtlicher Vorgaben attestierte.[8] Der 5. Strafsenat sah noch am 9. November keinen Grund, seine Rechtsprechung zu ändern; er wies allerdings bereits in Kenntnis der Kammerentscheidung darauf hin, dass eine Revision, welche die Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO auf Befangenheitsanträge mit sachlichem Gehalt rügt, auch infolge fehlender dienstlicher Erklärungen wegen der eingeschränkten Tatsachengrundlage "dazu nötigen" könne, den im Befangenheitsgesuch anwaltlich als richtig versicherten Vortrag der Revisionsentscheidung zugrunde zulegen.[9]

II. Partielle Verwerfung durch die Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts

Nun hat die dritte Kammer des Zweiten Senats des BVerfG in ihrer Entscheidung vom 2. Juni 2005 festgestellt, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH zu den §§ 26a, 338 Nr. 3 StPO unzureichend ist, da sie unter Umständen sowohl mit dem gesetzlichen Richter als auch mit dem rechtlichen Gehör unvereinbar ist und damit Verfassungsrecht verletzt:[10]

Die Kammer wiederholt eingangs, dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorbeugen will, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte. Überdies gewährleistet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, dass der Rechtssuchende auch im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter von der Ausübung seines Amtes auszuschließen, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet.

Derartige Regelungen enthält die StPO in den §§ 22 ff. StPO. Die Verfassungsrichter sehen nun in der differenzierten Zuständigkeitsregelung der §§ 26a, 27 StPO einen prinzipiell verfassungskonform gelungenen Ausgleich zwischen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und einem zügigen und effizienten Verfahren. Die Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs oder über die Frage seiner missbräuchlichen Anbringung gemäß § 26 a StPO verhindert ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren unter Hinzuziehung von Vertretern in Fällen gänzlich untauglicher oder rechtsmissbräuchlicher Ablehnungsgesuche. Die Kammer setzt dabei aber voraus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26a StPO so streng gewahrt werden, dass die Prüfung nach § 26a StPO keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine echte Entscheidung in eigener Sache ist. Folglich ermöglicht §

26a StPO nur dann verfassungsrechtlich unbedenkliche Verwerfungen von Ablehnungsgesuchen, wenn er eng auf "echte Formalentscheidungen" beschränkt bleibt. Die Zuständigkeitsregelung des § 27 Abs. 1 StPO trage dem Umstand Rechnung, so die Kammer weiter, dass es "nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste".[11] In Fällen, in denen die Frage der Unzulässigkeit nicht klar und eindeutig zu beantworten ist, liegt es für die Kammer daher nahe, das Regelverfahren nach § 27 StPO zu wählen, um jeden Anschein einer Entscheidung in eigener Sache zu vermeiden.[12] Ausgeschlossen ist es, das vereinfachte Verfahren des § 26a StPO auf Fälle "offensichtlicher Unbegründetheit" auszudehnen.

Jene Maßstäbe führen die Kammer nun dazu, die bisherige Rechtsprechung auch des BGH partiell zu verwerfen: Zwar sei der rechtliche Ausgangspunkt, dass ein Ablehnungsgesuch, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sei, einem begründungslosen Ablehnungsgesuch gleich stehe, als solcher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Unbegründetheit ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden könne. Die Kammer verpflichtet die Tatgerichte aber in besonderem Maße darauf, bei der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen. Andernfalls könne es leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten. Überschreitet das Gericht die ihm gezogenen Grenzen, so kann dies die Besorgnis der Befangenheit begründen.[13] Die Kammer bejaht letzteres für die ihm unterbreiteten Verwerfungen nach § 26a StPO. Sie betont insbesondere, dass die Gerichte insoweit auch den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verkürzen dürfen, indem sie von der konkret erhobenen Rüge abweichen, namentlich eine eigene abweichende Erinnerung über das Verfahrensgeschehen zugrunde legen und sodann eine inhaltliche Beurteilung anstellen.[14] Gerade jene Praxis selbst stelle einen Grund zur Besorgnis der Befangenheit dar. In solchen Fällen sei von Willkür auszugehen und der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Da der BGH in dem von der Kammer zu prüfenden Verfahren die willkürliche, das rechtliche Gehör missachtende Behandlung der Ablehnungsgesuche nicht zum Anlass genommen hat, die dagegen zulässig erhobenen Verfahrensrügen nach § 338 Nr. 3 StPO durchgreifen zu lassen, wird auch die Rechtsprechung des BGH partiell als verfassungswidrig verworfen: Der BGH habe der Ausstrahlungswirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichend Rechnung getragen, indem er nicht erkennbar[15] geprüft hat, ob die hier unter Verletzung verfassungsrechtlicher Mindestgarantien behandelten Befangenheitsgesuche der Sache nach das vom Beschwerdeführer gehegte Misstrauen in die Unparteilichkeit der Mitglieder der Strafkammer rechtfertigen. Als Basis dieser Grundrechtsverletzung durch den BGH macht die Kammer dessen Rechtsprechung zur Auslegung des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 StPO aus, nach der ein verfehlt als unzulässig verworfenes Ablehnungsgesuch nur "mit Unrecht verworfen" sei, wenn es auch tatsächlich begründet gewesen ist.[16]

Die Kammer des BVerfG verwirft diese Rechtsprechung nicht umfassend, weist aber auf eine früher auch vom Reichsgericht vertretene Gegenauffassung[17] sowie auf die Gefahren einer regelmäßigen Umgehung des prinzipiell vorgesehenen Ablehnungsverfahrens hin. Jedenfalls im vorliegenden Fall hätte es dem BGH als dem zuständigen Fachgericht nach Auffassung der Kammer oblegen, die im Ablehnungsverfahren erfolgten Verfassungsverstöße durch die Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen zu beheben. Mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei es verfassungsrechtlich jedenfalls nicht hinzunehmen, wenn das Revisionsgericht auch in den Fällen, in denen ein Ablehnungsgesuch willkürlich und unter Verletzung des grundrechtsgleichen Anspruchs des Angeklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Ablehnungsverfahren als unzulässig verworfen worden ist, lediglich prüft, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache erfolgreich gewesen wäre. Das Revisionsgericht habe vielmehr darüber zu entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Jedenfalls bei einer willkürlichen Überschreitung des von § 26a StPO gesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht damit, so die Kammer des BVerfG wörtlich, "die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben und an das Tatgericht zurückzuverweisen, damit dieses in der Zusammensetzung des § 27 StPO über das Ablehnungsgesuch entscheidet."

III. Die Umsetzung durch den 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs

Zwei Monate nach der Kammerentscheidung hat der 5. Strafsenat nun entschieden, dass die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung Anlass gibt, die Rechtsprechung zu § 338 Nr. 3 StPO zu revidieren. Der 5. Strafsenat

stellt seiner für BGHSt vorgesehenen Entscheidung folgenden Leitsatz als Ergebnis dieser Überprüfung voran:[18]

Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO "mit Unrecht verworfen", wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265; im Anschluss an BVerfG[Kammer], Beschluss vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625 und 638/01). (BGHSt)

Der 5. Strafsenat hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine besonders ausgeprägte Form richterlicher Vorbefassung Anlass zur Besorgnis der Befangenheit geben sollte. Ein Richter wurde abgelehnt, weil er in einem vorangegangenen Verfahren gegen einen anderen Angeklagten unter anderem wegen weiterer Vergewaltigungen desselben Opfers mitgewirkt hatte: Der Richter habe aufgrund der Angaben der in beiden Verfahren als Hauptbelastungszeugin auftretenden Geschädigten Feststellungen zu dem Vorwurf des hiesigen Verfahrens - einer zuvor verübten Vergewaltigung - getroffen, die nach Auffassung der Verteidigung in jenem Verfahren nicht zwingend erforderlich gewesen wären. Aufgrund des Ausmaßes der vorangegangenen Festlegung zum Tatgeschehen sowie zur Glaubwürdigkeit der Zeugin gebe es für den Angeklagten begründeten Anlass, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die Feststellungen im vorangegangenen Verfahren zum Tatvorwurf im hiesigen Verfahren stünden weder notwendig noch untrennbar mit den zuvor verhandelten Vorwürfen gegen den damaligen Angeklagten in Zusammenhang, so dass ein Sonderfall vorliege, der ausnahmsweise die Ablehnung wegen Vorbefassung rechtfertige.

Der 5. Strafsenat vermochte sich dieser Argumentation zur Begründung des Ablehnungsgrundes nicht anzuschließen, sieht sie jedenfalls nicht als nahe liegend an. Der Senat stützt die Aufhebung jedoch auf den Umstand, dass die Verwerfung des entsprechenden Ablehnungsgesuchs im Verfahren nach § 26a StPO erfolgt ist. Die bislang anders lautende Rechtsprechung des BGH sieht er - ohne dass eine Divergenzvorlage geboten sei [19] - in ihrem vollen Umfang als durch die Kammerentscheidung des Zweiten Senats des BVerfG überholt an, die er entsprechend ausführt. [20] Der 5. Strafsenat folgert aus ihr, dass sich das Revisionsgericht dann, wenn ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen worden ist, nicht darauf beschränken darf, die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen; vielmehr müsse das Revisionsgericht zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Jedenfalls bei einer willkürlichen oder die Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des § 26a StPO hat das Revisionsgericht das angefochtene Urteil auf eine zulässige Rüge hin aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen. Die hierfür erforderliche Willkür liegt - im Anschluss an Ausführungen der Kammer - vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkennt. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

Konkret bleibt danach die Gleichsetzung eines Ablehnungsgesuchs, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist, mit einem begründungslosen Ablehnungsgesuch erhalten. Entscheidend für die Abgrenzung zu "offensichtlich unbegründeten" Ablehnungsgesuchen, die von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht erfasst und damit nach § 27 StPO zu behandeln sind, ist die Frage, ob das Ablehnungsgesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist. Dabei ist die Auslegung des Ablehnungsgesuchs darauf auszurichten, es in seinem Inhalt vollständig zu erfassen, um nicht im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten. Bleiben bei der Abgrenzung Zweifel, ist einem Vorgehen nach § 27 StPO der Vorzug zu geben.

Für die im Fall einschlägige Frage der Vorbefassung gilt damit folgendes: Grundsätzlich ist die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nach § 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO weiterhin unbedenklich, das lediglich damit begründet wird, der Richter sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten beteiligt gewesen. Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in anderen damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsrecht ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die Vorbefassung als solche die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen, soweit keine gesetzlichen Ausschließungstatbestände vorliegen. [21] Wird das Ablehnungsgesuch allein auf die Vorbefassung als solche gestützt, kann dieses ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verworfen werden. Ausnahmsweise anders verhält es sich beim Vortrag besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbe-

fassung hinausgehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Äußerungen in früheren Urteilen nach der Sachlage unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat. [22]

Der Senat versäumt es allerdings nicht, eingrenzend auf Folgendes hinzuweisen: Erstens darf auch hinsichtlich der hinzutretenden besonderen Umstände die Besorgnis der Befangenheit nur aus vorgetragenen Tatsachen abgeleitet werden. [23] Zweitens bleibt es dem Tatrichter in jedem Fall unbenommen, ein Befangenheitsgesuch nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu verwerfen, wenn mit haltloser Begründung versucht wird, das Institut der Richterablehnung als Druckmittel zur Durchsetzung genehmer oder Verhinderung unangenehmer Entscheidungen zu missbrauchen.

In dem ihm zur Entscheidung unterbreiteten Fall selbst anerkennt der 5. Strafsenat, dass die Verteidigung ein substantiiertes Ablehnungsgesuch vorgetragen hatte, mit dem sie zur Vorbefassung hinzutretende besondere Umstände aufgeworfen hat. Der Senat sah diese besonderen Umstände in nicht zweifelsfrei erforderlichen Festlegungen zum Tatbeitrag des Revisionsführers im vorangegangenen Verfahren und darin, dass es in beiden Verfahren entscheidend um die Frage der Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin ging. Beide Aspekte zusammen hätten eine inhaltliche Prüfung erfordert, ob diese Umstände ausnahmsweise geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung zu begründen. Die dennoch erfolgte Verwerfung als unzulässig verkennt nach Auffassung des Senats die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend. Bei einem solchen Verfassungsverstoß obliegt es dem Revisionsgericht, den Verstoß durch Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen zu beheben. Dabei meint der Senat, die Kammer des Zweiten Senats angesichts ihrer missverständlichen Formulierung darüber belehren zu müssen, dass nach der Systematik des Revisionsrechts eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht isoliert in der Weise möglich sei, dass lediglich erneut über das Ablehnungsgesuch in der Besetzung des § 27 StPO entschieden werde; vielmehr sei § 338 Nr. 3 StPO mit der Folge der Urteilsaufhebung anzuwenden. [24]

IV. Praktische Konsequenzen der Rechtsprechungsänderung im Licht einer weiteren Entscheidung des 3. Strafsenats

1. Der konkrete Umfang der Rechtsprechungsänderung

Bemüht man sich, nüchtern das tatsächliche Ausmaß der hiermit erfolgten Rechtsprechungsänderung im Vergleich zum vormals vorherrschenden Auslegungsstand zu erfassen, erscheint folgendes besonders bedeutsam:

a) Die Tatgerichte sind nunmehr mit verfassungsrechtlichem Hintergrund verpflichtet, bei der Gleichsetzung rechtlich zwingend ungeeigneter Begründungen mit fehlenden Begründungen im Zweifel davon auszugehen, dass ein sachlich für den Einzelfall zu erörterndes und damit nach § 27 StPO zu behandelndes Ablehnungsgesuch vorliegt: § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO ist eng zu interpretieren, damit er keine Entscheidung durch den Richter in eigener Sache ermöglicht. Hierbei darf ein Ablehnungsgesuch nicht in Verkennung des rechtlichen Gehörs "verkrümmt werden", indem das Tatgericht den Vortrag der Verteidigung nur zum Teil zur Kenntnis nimmt oder nach seiner anderen Erinnerung in Abrede stellt.

b) Für die konkrete Frage, ob auf Vorbefassung gestützte Ablehnungsanträge nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen werden können oder nach § 27 StPO zu behandeln sind, kommt es entscheidend darauf an, ob der Antragsteller über die Vorbefassung hinaus besondere Umstände glaubhaft macht, die eine inhaltliche Prüfung erfordern.

c) Wird § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO entgegen dieser Vorgaben angewendet, ist nunmehr dann und nur dann eine Anwendung des absoluten Revisionsgrundes § 338 Nr. 3 StPO durch ein Revisionsgericht zu erwarten, wenn die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 26a StPO willkürlich ist oder sonst die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt. Soll der absolute Revisionsgrund tatsächlich greifen, um den Richter in eigener Sache auszuschließen, muss folglich neben der belegten rechtsfehlerhaften Überdehnung des § 26a StPO als solcher

·        Willkür oder eine grundlegende Verkennung des gesetzlichen Richters belegt werden, was wiederum

·        allein nach Maßgabe des Einzelfalles möglich bzw. zu beurteilen sein soll.

Überdies bleibt zu bedenken, dass der BGH die Anwendung des § 26a I Nr. 3 StPO den Tatgerichten wenn nicht anempfohlen so aber doch kaum unbedacht und zufällig zur Prüfung auch in den hier berührten Problemkonstellation in Erinnerung gerufen hat.

Wenn der 5. Strafsenat damit auch eine Abkehr von BGHSt 23, 265 durchaus vollzogen hat, muss man so doch festhalten, dass der konkrete Umfang der mithin erweiterten Anwendung des § 338 Nr. 3 StPO als Gegenmittel gegen das von der Kammer des BVerfG wahrgenommene Übel des Richters in eigener Sache von Fragen abhängig ist, die insbesondere dem Revisionsgericht auch weiterhin einen erheblichen Spielraum zur praktischen Aufrechterhaltung der Konsequenzen von BGHSt 23, 265 lassen: Nicht jede Überdehnung des § 26a StPO führt zur Aufhebung des Urteils, sondern lediglich eine solche, die keine Anknüpfung an § 26a I Nr. 3 StPO findet und vom Revisionsgericht im Einzelfall für willkürlich oder verfassungsrechtlich grundlegend ver-

fehlt erklärt wird, soll im Anschluss an die Kammerentscheidung zur Anwendung des § 338 Nr. 3 StPO führen.

2. Betrachtung im Lichte der jüngsten Entscheidung des 3. Strafsenats

Dieser Hinweis auf die Hintertüren, aus denen der Richter in eigener Sache nach der Rechtsprechung des 5. Strafsenats entweichen können soll, ohne mit einer Urteilsaufhebung konfrontiert zu werden, ist um so mehr geboten, wenn man auch den jüngsten, thematisch einschlägigen Beschluss des 3. Strafsenats einbezieht, der am 14. Juni 2005 ergangen und zur Aufnahme in BGHR vorgesehen ist: [25]

Der 3. Strafsenat wurde hier mit der Fallgruppe möglicherweise rechtsfehlerhafter Vorgehensweisen des Vorsitzenden konfrontiert, die dem Angeklagten Grund geben, sich um dessen Befangenheit zu besorgen. Auch der 3. Strafsenat pflichtet der Kammer darin bei, dass § 26a StPO eng auszulegen und dass insbesondere bei Willkür nunmehr auch eine Anwendung des § 338 Nr. 3 StPO geboten sei. Der 3. Strafsenat vertritt hingegen, dass es eine enge Auslegung des § 26a StPO nicht ausschließe, ein Ablehnungsgesuch nach § 26 a Nr. 2 StPO zu verwerfen, wenn es sich auf Maßnahmen der Verhandlungsleitung stützt, die ohne nähere Prüfung und losgelöst von den Umständen des Einzelfalls als prozessordnungsgemäß anzusehen sind: Sie können bei verständiger Würdigung von vornherein kein Grund sein, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu hegen.

Während er hierauf seine Entscheidung stützt, erklärt der Senat obiter bestimmt, dass eine Anwendung des § 338 Nr. 3 StPO nicht über die Ratio hinaus geboten sei, welche die Kammerentscheidung vorgegeben habe: Ein Ablehnungsgesuch sei weiterhin nicht schon dann im Sinne des § 338 Nr. 3 StPO "mit Unrecht verworfen", wenn es rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt worden ist, solange die Verwerfung nicht willkürlich oder in grundlegender Verkennung der Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erfolgt ist. Maßgeblich sei vielmehr, ob das Gesuch tatsächlich sachlich gerechtfertigt gewesen wäre und ihm hätte stattgegeben werden müssen. Auf die Willkür und die grundlegende Verkennung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll dabei konstitutiv deshalb abzustellen sein, weil das Gericht zum Verfahren nach § 26a StPO verpflichtet ist, wenn eine der genannten Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 StPO vorliegt. [26] Dementsprechend seien Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und sein materieller Gewährleistungsgehalt durch eine Entscheidung, die - trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 26a StPO - im Verfahren nach § 27 StPO, also ohne den abgelehnten Richter ergeht, in gleicher Weise berührt wie umgekehrt eine Entscheidung, die zu Unrecht nach § 26a StPO unter seiner Mitwirkung getroffen wird, was etwa mit dem Blick auf Neben- und Adhäsionskläger deutlich werde. Vor diesem Hintergrund, "nämlich der Tatsache, dass von der richterlichen Beurteilung des Ablehnungsgesuchs als zulässig oder unzulässig die Zusammensetzung der Richterbank abhängt und jede falsche Entscheidung - gleichgültig in welche Richtung - möglicherweise das Prinzip des gesetzlichen Richters berührt," könne "der Maßstab für die Anwendung des § 338 Nr. 3 StPO - wie auch sonst, wenn die Zuständigkeit eines Gerichts durch richterliche Entscheidung festgelegt wird - nur derjenige der Willkür sein."

Auch der 3. Strafsenat versäumt nicht, auf die mögliche Anwendbarkeit des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO hinzuweisen: Kommt die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nach dieser Norm in Betracht, so kann die Problematik des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO offen bleiben.

Nimmt man beide Senatsentscheidungen zusammen, bleibt festzuhalten: Der fachgerichtlich geschehene Rechtsprechungswandel bleibt aus revisionsrechtlicher Sicht auf Fälle der Willkür und der grundlegenden Missachtungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beschränkt, die nicht schon in einem rechtsfehlerhaften Vorgehen liegt und von den Revisionsgerichten im Einzelfall festgestellt wird. Überdies gehen Senate des BGH offenbar davon aus, dass das vereinfachte Verfahren in Konstellationen, die nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verfassungsrechtlich problematisch sind, in nicht unbedeutendem Umfang über § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO verfassungsrechtlich unproblematisch anwendbar sein kann.

V. Würdigung des vollzogenen Rechtsprechungswandels

Die von der dritten Kammer des Zweiten Senats angestoßene und nun auch durch den BGH vollzogene Rechtsprechungsänderung ist zu begrüßen. Das vom Gesetzgeber zum Ausgangspunkt genommene Prinzip, den Richter in eigener Sache bei verfassungsrechtlich gebotenen Ablehnungsverfahren zu vermeiden, trägt die Kammerentscheidung. Dem keineswegs zu verkennenden praktischen Bedarf nach einem vereinfachten Vorgehen im Fall zwingend unsubstantiierter Ablehnungsgesuche ist auch durch die Kammer des Zweiten Senats Rechnung getragen worden, indem sie das vereinfachte Verfahren und auch die Gleichsetzungsoption nicht als solche verworfen hat. Für die geforderte strikte Wahrung der Vereinfachungsvoraussetzungen muss man sich vor Augen führen, wie wenig konkretisierende Anhaltspunkte der kaum zu verwerfende aber eben auch vage bleibende normativierte Maßstab für die Besorgnis der Befangenheit nach § 24 II StPO bietet. Abgestellt wird auf den gedachten "verständigen" bzw. "geistig gesunden" Angeklagten,[27] der überdies letzten Endes revisionsrechtlich durch ein Gericht abschließend materialisiert wird, das in dieser Konstellation ein verurteilendes Urteil über den konkret die Befangenheit behauptenden Angeklagten in den Händen hält. Geht man davon aus, dass eine Normativierung der Besorgnis unvermeidlich ist und man mit dem vagen Maßstab weitgehend leben muss, darf die Vagheit des

Maßstabes gerade dann nicht vergessen werden, wenn man die formalen Prinzipien zu prüfen hat, die jenen Maßstab einhegen und bereits strukturell vor Befangenheit schützen sollen. Es muss so um so mehr als besorgniserregend angesehen werden, wenn sich Tatgerichte inklusive der abgelehnten Richter anschicken, nicht einmal mehr andere Richter über die Frage entscheiden lassen zu wollen, ob denn ein Ablehnungsgesuch einmal von einem verständigen Angeklagten gestellt sein könnte. Das Strukturprinzip, den Richter in eigener Sache nicht zu dulden, erweist seine Bedeutung als eine nicht nur formale Bestimmung gerade in diesem Kontext: Es überführt denjenigen Richter der begründeten Besorgnis der Befangenheit, der sich selbstgewiss bereits sicher ist, dass die Verteidigung doch nur offensichtlich sinnlose Befangenheitsgesuche stellen könne, und der sich daher befähigt sieht, insbesondere zugunsten des Angeklagten bestehende Strukturprinzipien zu unterlaufen. Mit der Kammer des Zweiten Senats des BVerfG und insofern auch mit dem 2. Strafsenat ist daher davon auszugehen, dass in jenen Konstellationen gerade eigenständig ein Ablehnungsgrund begründet wird, den das Revisionsgericht auf eine zulässige Verfahrensrüge hin auch prüfen muss.[28] Hierfür muss man sich klar machen, dass das so betroffene Ablehnungsverfahren selbst gerade verfassungsrechtlich geboten ist und folglich kein lässliches Prozessinstitut darstellt, mit dem man es nicht so genau nehmen muss, solange im übrigen Verfahren kein selbständig hinreichender Ablehnungsgrund greift und eine vom (partiell) angefochtenen Tatgericht niedergeschriebene, überzeugend wirkende Urteilsbegründung vorliegt. Sieht man die Dinge so, ist schon mit der alten Rechtsprechung ein Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO insofern anzunehmen, als der von ihr bezweckte Schutz der materiellen Unparteilichkeit bei der Überdehnung des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO bereits eingreift.[29]

Zu vermerken bleibt jedoch, dass der BGH offenbar auch nicht gewillt ist, einen Schritt über das hinaus zu gehen, was ihm die dritte Kammer des Zweiten Senats des BVerfG bereits unmissverständlich vorgeschrieben hat. Es sind abschließend drei erste Kritikpunkte zu benennen, denen sich die weitere Rechtsprechung zum Richter in eigener Sache wird stellen müssen. Gerade im Licht der praktisch weiter verbleibenden Hürden, um einen Richter in eigener Sache über die Revisibilität seines Tuns davon abzuhalten, seine eigene Person und sodann den Tatvorwurf - nun unter der Hypothese eines vorherigen, aus seiner Sicht infamen Befangenheitsgesuchs gegen ihn[30] - zu beurteilen, ist diese Kritik trotz der prinzipiell begrüßenswerten Rechtsprechungsentwicklung geboten.

1. Verkürzung des absoluten Revisionsgrundes auf den verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab

Liest man unbefangen den Leitsatz der BGHSt-Entscheidung des 5. Strafsenats, könnte man den ersten Eindruck gewinnen, der BGH habe auf die Anregung des BVerfG hin die absoluten Revisionsgründe "wieder entdeckt". Tatsächlich aber wäre es verfehlt, einen solchen Umschwung zu vermelden. Die Sprache, nach der tatrichterliche Verfahrensfehler das Revisionsgericht zur Aufhebung "nötigen"[31] können, "nur" weil gesetzlich, verfassungsrechtlich und menschenrechtlich gewährte Verfahrensrechte nicht ersichtlich gewahrt worden sind, dürfte weiter die revisionsgerichtliche Diktion[32] und die entsprechende Denkweise prägen. Vor allem Fezer hat demonstriert, dass der Pragmatismus der Revisionsgerichte verfahrensgesetzlich begründete Urteilsaufhebungen zu beschränken sucht, während er sich an anderen Stellen erweiterte Zugriffe auf den Tatrichter herausarbeitet,[33] um letztlich eine flexibel erscheinende Ergebnisgerechtigkeit zum Leitmaßstab nehmen zu können.

Auch der jetzige Anschluss an die Kammer lässt sich allein mit der Normenhierachie bzw. mit dem BVerfGG erklären. Er ist kein Ausdruck einer neuen Zuneigung zu einer nicht nur vom Ergebnis her gedachten Gerechtigkeit, die auch die Verfahrensgerechtigkeit für sich neu entdeckt, wie sie noch das Reichsgericht bei seiner früheren Auslegung des § 338 Nr. 3 StPO vor Augen hatte, wenn es Aufhebungen, wie heutige Revisionsrichter wohl formulieren würden, "allein deshalb" vornahm, weil anderenfalls das dem Angeklagten durch seine Richter widerfahrene Verfahrensunrecht nicht zu beseitigen sei.[34] Man muss nüchtern konstatieren, dass der BGH gewillt ist, allein das verfassungsgerichtlich Vorgegebene zu tun: Geändert wird die Rechtsprechung dann und weil die Kammer die Überdehnung des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als Anwendungsfall der Willkür und der grundlegenden Verkennung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ausgemacht hat und folglich die Entscheidungen des BGH in diesem Kontext und Umfang einer Überprüfung durch das BVerfG zugänglich geworden sind.

Wenn der 3. Strafsenat nunmehr bereits zwölf Tage nach der Anregung der Kammer, die Rechtsprechung zu § 338 Nr. 3 StPO zu überdenken, mit einem Obiter Dictum (!)

kommentiert, dass abseits von Willkür und der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts alles beim Alten bleiben solle, muss dies jedenfalls als bedenklich vermerkt werden. Zunächst überzeugt es wenig, wie der 3. Strafsenat die Einforderung einer solchen qualifizierten Rechtsverletzung konsequenzialistisch damit zu begründen, dass das vereinfachte Verfahren nach § 26a StPO auch einmal rechtsfehlerhaft zugunsten des Regelverfahrens verworfen worden sein könnte. Hiergegen lässt sich zunächst einwenden, dass der Ansatz der Kammer in der Vermeidung des Richters in eigener Sache liegt, der hier gerade vermieden bliebe und dass hier ein von der Kammer anerkannter Grund zur Besorgnis der Befangenheit gerade ebenso wie eine weitere Verletzung des gesetzlichen Richters nicht auf der Hand liegt. Jedenfalls erscheinen hier Differenzierungen nicht ausgeschlossen.

Darüber hinaus aber bleibt zu fragen: Warum eigentlich nicht? Warum soll ein Urteil, dem ein Rechtsfehler hinsichtlich einer Verfassungsrecht einfachrechtlich umsetzenden Norm vorausgegangen ist und der bei der sensiblen Frage nach der Besorgnis der Befangenheit erfolgt, eigentlich nicht die Dignität besitzen, eine Urteilsaufhebung zu veranlassen? Man kann dem ökonomische Gründe und die heute praktizierte Geringschätzung der absoluten Revisionsgründe zugunsten der materiellen Ergebnisgerechtigkeit entgegen halten. Man kann auch aus Sicht des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hinterfragen, ob einem Staat infolge derartiger Aufhebungen nicht eine Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung anzulasten wäre.[35] Warum es aber deutsche Gerichte nötig haben sollten, durch einen Evidenzvorbehalt des Revisionsgerichts davor geschützt zu werden, bei Missachtungen des Verfahrensrechts im Einzugsbereich von absoluten Revisionsgründen Aufhebungen zu erfahren, wenn absolute Revisionsgründe tatsächlich als solche behandelt werden, lässt sich nicht begründen.

Mit der abermals bei § 338 StPO Einzug haltenden Differenzierung nach einer gleichsam verfassungsrechtlich qualifizierten Verletzung des Verfahrensrechts wird ein Kriterium konstitutiv, das selbst nicht als konkretisiert oder bestimmt gelten kann.[36] Entscheiden soll im Anschluss an die Kammer der Einzelfall und damit die Evidenz in den Augen der Revisionsrichter, die vielleicht nahe bei einer verdeckten Beruhensprüfung zu finden sein dürfte. Auf das - für den BGH maßgebliche - Verfahrensgesetz kommt es hingegen konstitutiv nicht mehr an. Fortgeführt wird die Tendenz, absolute Revisionsgründe wenn möglich eng zu begreifen. Dabei ist die Anleihe beim Prüfungsmaßstab, den sich das BVerfG mit der Willkür und der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts gegeben hat, alles andere als selbsterklärend: Die Beschränkung auf Willkür und auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts dient dem BVerfG dazu, die einfachrechtlichen Kompetenzen der Fachgerichtsbarkeit zu achten und sich selbst von einer Superrevisionsinstanz abzugrenzen. Wie es insbesondere Sowada für den gesetzlichen Richter herausgearbeitet hat, können eben diese Fach- bzw. Revisionsgerichte nicht einfach jene verminderte Kontrolldichte als einfachrechtliche Maßstabsvorgabe umdeuten und übernehmen, obschon der Maßstab ursprünglich gerade vom einfachen Recht abgrenzen soll, das die Fachgerichte uneingeschränkt anzuwenden haben.[37] Die Revisionsgerichte sind nicht nur dazu da, sich gegenüber der verbleibenden Kontrolldichte des BVerfG zu schützen. Das Reichsgericht etwa kannte nicht einmal ein BVerfG über sich. Vielleicht ist es auch deshalb gar nicht erst auf den Gedanken gekommen, absolute Revisionsgründe mit einer spezifischen Verfassungsverletzung gleichzuschalten und daher auch nicht der vor allem bei § 338 StPO zu beobachtenden Tendenz verfallen, Verletzungen einfachrechtlicher Normen nicht mehr als das erkennen zu können, was sie sind: staatliche Rechtsverletzungen, die nicht nur dann vom Recht missbilligt sind, wenn sie nicht auch noch zusätzlich verfassungsgerichtlich greifbare Verfassungsverstöße ausmachen.

2. Problematischer Verweis auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO

Auch die von beiden Strafsenaten gegebenen Hinweise auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO sind bemerkens- und anmerkungswert. Dass § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO einen sinnvollen Anwendungsbereich haben kann, ist hier nicht pauschal in Abrede zu stellen. Probleme des Rechtsmissbrauchs als nicht existent zu leugnen, ist ebenso unklug, wie die verbreitete Praxis, hinter jedem unbequemen Verteidigungsantrag Missbrauch zu argwöhnen.[38] Dass nun aber das höchste deutsche Fachgericht vor dem Angesicht einer § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO offenbar überdehnenden Praxis die schützende Hand über die Tatrichter hält, indem es dazu aufruft, die problematische Norm des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zu übersehen, spricht abermals eher für eine Betonung der "Wehrhaftigkeit deutscher Gerichte" in der Auseinandersetzung mit "Konfliktverteidigern" als für eine auch in der Sache mitgetragene Umsetzung verfahrensgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Vorgaben. Während das in seiner Veröffentlichungs- und Annahmepraxis alles andere als zufällig vorgehende BVerfG die Praxis der Tatrichter zu § 26a StPO offenbar nun als verfassungsrechtlich problematisch erkennt und kaum ohne Anlass darüber räsoniert, ob die enge Auffassung des BGH zu § 338 Nr. 3 StPO nicht vollumfassend für den Fall verfassungsrechtlich zu verwerfen sein könnte, dass die Gerichte geradezu systematisch in Fällen offensichtlicher Unbegründetheit eines Ablehnungsantrags bewusst und damit im Grunde bereits willkürlich in das Verfahren nach § 26a StPO

ausweichen,[39] weil der begangene Rechtsverstoß im Revisionsrechtszug regelmäßig folgenlos bleibt, sieht sich der BGH veranlasst, die Prüfung anzuregen, ob sich bei offensichtlich unbegründeten Befangenheitsgesuchen nicht auch regelmäßig verfahrensfremde Ziele oder Prozessverschleppung tragfähig behaupten lassen.[40]

Jedenfalls so viel lässt sich in einer ersten Reaktion dazu sagen: Es kann keine Lösung sein, den Tatrichtern zu raten, vor dem Hintergrund der auch verfassungsrechtlich hoch streitigen Problematik des Rechtsmissbrauchs[41] öfter das Glatteis der Behauptung verfahrensfremder Ziele und einer ausschließlich bestehenden Verschleppungsabsicht zu betreten. Glaubt man unbefangen dem deutschen Strafprozesskommentar schlechthin, kommt etwa ein Fall, in dem allein eine Verschleppung offensichtlich bezweckt ist, in der Praxis kaum (belegbar) vor.[42] Die Exzeptionalität und der Vorwurfscharakter des mit § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO behaupteten Rechtsmissbrauchs sprechen dafür, gerade auch diese Norm an substantielle Voraussetzungen zu binden.[43] Die Kammer des Zweiten Senats hat gerade betont, dass Ablehnungsgesuche nicht verkürzt beurteilt werden dürfen.[44] Da Ablehnungsverfahren verfassungsrechtlich geboten sind, liegt es nahe, § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO kaum anders als § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht allein einfachrechtlich zu betrachten, sondern in seiner Reichweite verfassungsrechtlich eng zu bestimmen: Der Richter, der den bedenklichen und mehrdeutigen Hinweis der beiden Strafsenate als Aufforderung begreift, auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO auszuweichen und sodann nicht § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO sondern § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO überdehnt,[45] ist ein alter Bekannter und verfassungsrechtlich inakzeptabel - er bleibt ein Richter in eigener Sache.

3. Problematische Bestimmung der rechtlich zwingenden Ungeeignetheit und der Besorgnis der Befangenheit im Licht des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK

Schließlich darf die primäre Erörterung der §§ 338 Nr. 3, 26a StPO auch nicht den Blick darauf verstellen, dass die Karriere zwingend ungeeigneter und damit § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleichzustellender Ablehnungsgesuche ihren Ursprung auch in einer jedenfalls zurückhaltenden Befürwortung der Besorgnis der Befangenheit findet. Gewiss kann nicht schlicht unvermittelt nach der Auffassung des betroffenen Angeklagten gefragt werden. Gerade aber dann, wenn man den Fall des 5. Strafsenats betrachtet, darf gezweifelt werden, ob hier nicht ein Folgeproblem zu lösen war, das überhaupt erst durch eine verfehlte Engführung der Besorgnis der Befangenheit nach § 24 Abs. 2 StPO entstanden ist.

Eine umfassende Erörterung kann hier nicht mehr erfolgen. Es soll aber gerade für den Fall der Vorbefassung daran erinnert werden, dass durchaus Anlass dazu bestünde, die Frage nach der Besorgnis der Befangenheit nicht mit dem Ausgangspunkt zu stellen, dass ihre Verwerfung all zu selbstverständlich ist. Hierzu könnte man gelangen, wenn man - anders als es der BGH in der Regel praktiziert - auch spürbar und sichtbar Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK einbezieht. Nicht nur Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt den gesetzlichen Richter im Sinne eines unabhängigen und unparteilichen Richters im Einzelfall. Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gewährt denselben. Dabei lehnt auch der EGMR den Richter in eigener Sache ab.[46] Ebenso fordert er Ablehnungsmöglichkeiten und die angemessene Prüfung erhobener Ablehnungsgründe.[47] Wie der EGMR etwa auch in der Storck-Entscheidung in diesem Heft ausführt, sind die nationalen Gerichte auch Deutschlands verpflichtet, nationales Recht im Lichte der Garantien der EMRK zu interpretieren.[48]

Gesteht man die Selbstverständlichkeit ein, dass der BGH nicht verpflichtet sein kann, ohne jeden Anlass stets die Vereinbarkeit mit der EMRK als Formalität in seinen Entscheidungen festzuhalten, so ist doch eben für die Frage der Vorbefassung festzuhalten, dass es hier Anlass gibt, über die deutsche Prozessordnung hinaus zu blicken: Gerade weil Art. 6 EMRK keine konkrete Prozessordnung vorschreibt, nimmt die dortige Gewährleistung die Problematik der Vorbefassung nicht sogleich aus dem Blickwinkel einer national geregelten Prozessordnung als unproblematische Selbstverständlichkeit hin. Sie erkennt die Vorbefassung vielmehr im Wissen um andere Möglichkeiten der Prozessorganisation als durchaus für den Angeklagten zunächst bedenkliche prozes-

suale Fügung.[49] Einen ungeschriebenen Vorbehalt für Vertragsstaaten, sich Konventionserfordernissen allein durch den Verweis auf ein bestimmtes Prozesssystem oder entgegenstehendes nationales Recht entziehen zu können, gibt es in hinsichtlich Art. 6 EMRK mitnichten.[50] Dabei nimmt freilich auch der EGMR "legimate doubts" des Angeklagten als Pendant zur Besorgnis der Befangenheit nach der StPO keineswegs in jedem Fall der Vorbefassung an; vielmehr stellt auch er auf den Umfang und die Art der Vorbefassung im Einzelfall ab.[51] Wenn der EGMR auch durchaus Beurteilungsspielräume nationaler Instanzen anerkennt, reduziert er seine Prüfung dabei doch nicht von vornherein auf Verfehlungen des Konventionsmaßstabes, die zusätzlich einem Willkürvorwurf ausgesetzt sind. Der EGMR kann damit zumindest wie das BVerfG auf fachgerichtliche Entscheidungen Zugriff nehmen, die eine Vorbefassung praktisch nahezu niemals mehr für die Besorgnis der Befangenheit genügen lassen. Dies legt es nahe, schon bei der Prüfung der Besorgnis der Befangenheit "verständiger Angeklagter" die Bedeutung des gesetzlichen Richters nicht gering zu schätzen und diese nicht erst bei der Abgrenzung von § 26a und 27 StPO wieder zu entdecken. Gerade im Umfeld des vorbefassten und dann auch noch über sich selbst richtenden Richters sollte man dies auch tatsächlich tun.


* Herrn RA Arne Timmermann, Hamburg, danke ich herzlich für die zügige Einsendung der hier besprochenen Entscheidung BGH HRRS 2005 Nr. 700. Für eine Durchsicht des Beitrages gilt mein herzlicher Dank jeweils Herrn RA Klaus-Ulrich Ventzke, Hamburg und Herrn Ulf Buermeyer, Berlin.

[1] Vgl. aus den Schriften Kants, welche die Unparteilichkeit der Vernunft zum Ausgangspunkt tragfähiger Bestimmungen auch des Rechts nehmen, beispielhaft Metaphysik der Sitten, Anm. A (am Ende) zum vermeintlichen Widerstandsrecht (Original 1797/1798, hier zitiert nach der Akademie-Textausgabe, Band VI, S. 201 ff.); vgl. auch im Kontext des Menschenrechtsschutzes Dworkin, Rights taken seriously (1977), S. 142 ff., 148.

[2]Vgl. etwa Jackson, Natural Justice, 2. Aufl. (1979), S. 26 ff.; Sprack, Emmins on Criminal Procedure, 9. Aufl. (2002), S. 468; Dörr, Faires Verfahren (1984), S. 51 f.

[3]Vgl. m.w.N. Kyprianou v. ZYP, 27.1.2004, §§ 34 ff., HRRS 2004 Nr. 237.

[4]Vgl. BVerfG HRRS 2005 Nr. 710, 704; BGH HRRS 2005 Nr. 700.

[5] Vgl. zur Auslegung des § 27 StPO statt vieler Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. (2005), § 27 Rn. 2 ff.

[6] Vgl. etwa BGH HRRS 2005 Nr. 700 und BGH 1 StR 410/00, Beschl. v. 10.5.2001 = NStZ-RR 2002, 66.

[7] Vgl. zusf. BGH HRRS 2005 Nr. 700; BGHSt 18, 200 ff. m.w.N.; 23, 265, 266 f.; BGHR StPO § 26a, Unzulässigkeit 10 = BGH HRRS 2004 Nr. 359; bestätigend nun BGH HRRS 2005 Nr. 711; zweifelnd aber bereits der 1. Strafsenat in BGHSt 44, 26, 29.

[8] Vgl. BVerfG[Kammer]StraFo 2005, 109 f. Es handelte sich um ein Verfassungsbeschwerdeverfahren, das auch gegen diese Rechtsprechung gerichtet war und in dem die Kammer eine einstweilige Anordnung erließ.

[9] Vgl. BGH HRRS 2005 Nr. 67 und 628, wobei die Auffassung nur in der letzteren Entscheidung offenbar entscheidungserheblich war; vgl. nun auch den entsprechenden Hinweis in BGH HRRS 2005 Nr. 700.

[10] Vgl. zum Folgenden jeweils BVerfG HRRS 2005 Nr. 710; im Anschluss auch BVerfG HRRS 2005 Nr. 704.

[11] Mit Verweis auf BGH, Urteil vom 30. Juni 1955 - 4 StR 178/55 -, zitiert nach BGH, NJW 1984, 1907, 1909.

[12] Vgl. auch HK-Lemke, 3. Aufl. (2001), § 26 a Rn. 4; LR-Wendisch, 25. Aufl. (1996), § 26 a Rn. 5 ff.

[13] Entsprechendes hatte auch der 2. Strafsenat des BGH in seiner Stellungnahme ausgeführt. Vgl. auch BGHSt 37, 99, 106.

[14] Vgl. dazu näher die durchaus für die Praxis beispielgebenden Erörterungen in der Kammerentscheidung. Siehe auch weiter exemplifizierend BVerfG HRRS 2005 Nr. 704.

[15] Es handelte sich um einen Beschluss nach § 349 II StPO.

[16] Das Gericht versäumt es nicht, auch das Herrschen jener Auffassung im Schrifttum zu vermerken und verweist z.B. auf Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 6. Aufl. (2001), Rn. 161; KK-Kuckein, 5. Aufl. (2003), § 338 Rn. 59; Meyer-Goßner (Fn. 5), § 338 Rn. 28.

[17] Vgl. RGSt 49, 9, 12 m.w.N.; so auch noch BGH bei Dallinger MDR 1955, 271.

[18] Vgl. zum Folgenden BGH HRRS 2005 Nr. 700; siehe auch bereits Pfeiffer, 5. Aufl. (2005), § 338 Nr. 13.

[19] Der Senat vertritt den Standpunkt, dass auch eine Kammerentscheidung des BVerfG die Divergenzvorlage infolge entgegenstehender Entscheidungen des BGH entbehrlich werden lasse und verweist hierzu insbesondere auf §§ 93c Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 1 BVerfGG und BVerfG NJW 1991, 2821.

[20] Vgl. hier schon den Abschnitt II.

[21] Siehe dazu BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1: vgl. noch weitergehender Rabe NStZ 1996, 369.

[22] Vgl. BGH HRRS 2005 Nr. 700 m.w.N.

[23] Der Senat verweist etwa auf BGH StV 1996, 355 und BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2.

[24] Mit Verweis auf Meyer-Goßner (Fn. 5), § 338 Rn. 28.

[25] Vgl. zum Folgenden BGH HRRS 2005 Nr. 711.

[26] Der Senat verweist hier z.B. auf BGH NStZ 1982, 291, 292; Meyer-Goßner (Fn. 5), § 26 a Rn. 2.

[27] Vgl. dazu etwa BGHSt 21, 334, 341; Meyer-Goßner (Fn. 5), § 24 Rn. 8; krit. zum Ganzen etwa Strate, Festgabe Koch, S. 261 ff.

[28] Zu fragen bliebe aber, ob nicht für einen solchen Fall ein weiteres Ablehnungsgesuch eben mit dem Grund der verfehlten Verwerfung nach § 26a StPO auch im Sinne der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zu fordern wäre. Würde sodann die Revision mit einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge auf jenes weitere, materiell verfehlt verworfene Ablehnungsgesuch gestützt werden, läge bereits nach alter Rechtsprechung ein unstreitiger Anwendungsfall des § 338 Nr. 3 StPO vor, da nunmehr schlicht eine materiell begründete Ablehnung vorläge.

[29] Vgl. zu dieser dominierenden Sichtweise zusf. BVerfG HRRS 2005 Nr. 710 und etwa BGHSt 18, 200, 202 f.; Meyer-Goßner (Fn. 5), § 338 Rn. 28.

[30] Statt vieler zur ganz regelmäßig anzunehmenden "Verstimmung" des im Ergebnis zu unrecht abgelehnten Richters vgl. Burhoff, Handbuch der strafrechtlichen Hauptverhandlung, 4. Aufl. (2003), Rn. 5.

[31] Vgl. so BGH HRRS 2005 Nr. 67.

[32] Vgl. freilich die in der Diktion das Ablehnungsrecht wertschätzende Entscheidung BGH HRRS 2005 Nr. 633 des 2. Strafsenats.

[33] Siehe statt vieler Fezer, Pragmatismus und Formalismus in der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung, FS-Hanack (1999), S. 331 ff.

[34] Vgl. RGSt 49, 9, 12 m.w.N.

[35] Vgl. zum Streitstand hinsichtlich der Behandlung von staatlichen Verfahrensfehlern, die mehrere Instanzen erforderlich machen, die Nachweise bei Gaede wistra 2004, 166, 174.

[36] Zur Kritik der Willkürformel vgl. m.w.N. Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren (2002), S. 216 ff.

[37] Vgl. m.w.N. Sowada (Fn. 36), S. 213 ff., 232 f., dort auch zu Versuchen einer nicht nur auf die Funktionalität des BVerfG abhebenden Begründung.

[38] Vgl. statt vieler in diesem Sinne grundlegend Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Missbrauchsverbot (1998), passim, S. 371; zur gebotenen Sorge, dass unter dem Stichwort des Missbrauchs praktisch unbequeme Verteidigung diszipliniert werden könnte, vgl. etwa Rüping JZ 1997, 865, 868 und Ventzke HRRS 2005, 233 ff.

[39] Vgl. auch bereits BGH HRRS 2004 Nr. 357.

[40] Vgl. aber auch den 2. Strafsenat - BGH HRRS 2004 Nr. 357: keine Gleichsetzung eines offensichtlich unbegründeten Ablehnungsgesuchs des Angeklagten mit seiner Unzulässigkeit; Frister StV 1997, 150, 151 f.; siehe aber zum gleichen Senat auch BGHR StPO § 26a, Unzulässigkeit 10 = BGH HRRS 2004 Nr. 359.

[41] Vgl. neben der Arbeit von Kudlich (Fn. 38) auch die dem Rechtsmissbrauch als dogmatischem Ansatz positiv gegenüber stehende Abhandlung von Fahl, Rechtsmissbrauch im Strafprozeß (2003).

[42] Vgl. m.w.N. Meyer-Goßner (Fn. 5), § 26a Rn. 5 und 6; auch etwa HK-Lemke (Fn. 12), § 26 a Rn. 10; KK-Pfeiffer (Fn. 16), § 26a Rn. 4 und LR-Wendisch (Fn. 12), § 26 a Rn. 21 (auch Rn. 23 zu den verfahrensfremden Zwecken): Einsatz wohl nur in außergewöhnlichen Prozessen; Frister StV 1997, 150, 151.

[43] Vgl. auch LR-Wendisch (Fn. 12), § 26a Rn. 4, 7: größte Bedenken gerade gegen § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO.

[44] Vgl. BVerfG HRRS 2005 Nr. 710.

[45] Vgl. insoweit auch den Sachverhalt etwa bei BGHSt 23, 265, 266 f. Vgl. auch BVerfG[Kammer]HRRS 2005 Nr.704: Einforderung einer substantiierten Begründung, wenn § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO angewendet werden soll; dazu auch LR-Wendisch (Fn. 12), § 26 a Rn. 19.

[46] Vgl. Kyprianou v. ZYP, 27.1.2004, §§ 34 ff., HRRS 2004 Nr. 237 m.w.N.

[47] Vgl. etwa H. v. B, Nr. 127-B, § 53; Le Compte u.a. v. B, Nr. 43, §§ 31, 58; auch zu möglichen zeitlichen Einschränkungen Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht (2002), S. 593 ff. Vgl. auch zur Pflicht, entsprechenden Einwänden tatsächlich nachzugehen Remli v. FRA, Rep. 1996-II, §§ 47 f.; Clayton/Tomlinson, The Law of Human Rights (2001), Rn. 11.227; Esser aaO, S. 559 ff.

[48] Vgl. Storck v. Deutschland HRRS 2005 Nr. 632; zur konventionskonformen Auslegung im Übrigen vgl. Weigend StV 2000, 384 ff. und Gaede wistra 2004, 166, 167 m.w.N.

[49] Vgl. etwa nur Hauschildt v. DAN, Nr. 154, § 49. Vgl. auch m.w.N. die Darstellung bei Burhoff (Fn. 30), Rn. 34, der in seinem Handbuch zur Hauptverhandlung bereits herausstellt, dass es einen Unterschied zwischen der innerstaatlichen allgemeinen Meinung und dem Ansatz des EGMR gibt.

[50] Dieses Argument bedürfte gewiss weiterer Ausführung, die jedoch der Dissertation vorbehalten bleiben sollen, welche der Verfasser im September 2005 über das faire Verfahren des Art. 6 EMRK an der Universität Zürich eingereicht hat. Vgl. bisweilen beispielhaft zum Recht auf Verfahrensbeschleunigung Kitov v. BL, 3.4.2003, § 73: "the Court reiterates that the enjoyment of the right of every accused person to a trial within a reasonable time … must be secured by the authorities through all appropriate means, including change of practice or legislative amendments if necessary.” sowie den Präsidenten des EGMR Wildhaber, Der Spiegel, 47/2004, S. 50: "Wenn sie[eine staatliche Regelung]gegen die EMRK verstößt, muss sie geändert werden."

[51] Zur differenzierten Fallgruppe der Vorbefassung vgl. Hauschildt v. DAN, Nr. 154, §§ 48 ff.; Fey v. AUT, Nr. 255-A, §§ 28, 30 ff.: Umfang und Art der Einschaltung entscheidend; Bulut v. AUT, Rep. 1996-II, §§ 33 ff.; Thomann v. SWI, Rep. 1996-III, §§ 33 ff.; Villiger, Handbuch EMRK, 2. Aufl. (1999), Rn. 420; Emmerson/Ashworth, Human Rights and Criminal Procedure (2001), Rn. 14-74 ff.; Esser (Fn. 47), S. 570 ff.