HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2004
5. Jahrgang
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Schrifttum

Beulke, Werner: Strafprozessrecht, 7., neu bearbeitete Auflage, 2004, 20,50 €, 352 Seiten, Heidelberg: C.F.Müller. ISBN 3-8114-9005-2.

Das Strafprozessrechtslehrbuch von Werner Beulke nimmt nicht erst seit kurzem einen führenden Platz in der Ausbildungsliteratur zum Strafprozessrecht ein. Von einer Vorstellung der Publikation als solcher kann der Rezensent daher weitgehend absehen. Nach wie vor stellt Beulke über insgesamt 33 Kapitel das Strafprozessrecht unter Orientierung an einleitenden Fallbeispielen dar. Abschließend gibt er Hinweise zur strafprozessualen Fallbearbeitung. Das Buch nimmt hierfür gut 350 Seiten in Anspruch, es zeichnet sich durch das übersichtliche Druckbild der erfolgreichen Schwerpunktreihe des C.F.Müller-Verlages aus. Nimmt man die nach der Erstauflage aus dem Jahr 1994 nunmehr bereits siebte Auflage zum Anlass für eine Rezension, so müssen zum überzeugenden didaktischen Konzept des Buches und seiner gelungenen Umsetzung kaum noch Worte der Wiederholung verloren werden. Der Erfolg des Buches erscheint auch dem Rezensenten, der sich selbst mit einer Vorauflage dem Strafprozessrecht genähert hat, nicht als Zufall. Vielmehr wird dem Leser eine verständliche, aktuelle und nicht bloß oberflächliche Einführung in das Strafprozessrecht gegeben. Das Lehrbuch setzt dabei – erklärtermaßen – Schwerpunkte. Es enthält folglich nicht die ausdrückliche Antwort auf alle Fragen, die sich in der strafprozessualen Ausbildung gerade auch im zweiten Staatsexamen stellen könnten (knapp etwa die Rn. 126a, 339). Weit mehr hervorhebenswert erscheint dem Rezensenten hingegen, wie überzeugend die Schwerpunktsetzung gelungen ist. Zudem nimmt Beulke in Neuauflagen eine echte Aktualisierung seiner Ausführungen vor, wodurch er die gewählten Schwerpunkte und die angesprochenen Fragen auf aktuellem (examensrelevanten) Stand hält. So schlägt sich etwa die gestiegene Bedeutung der EMRK und der Europäisierung des Strafverfahrens im Rahmen der EU (Rn. 9 ff.) bei Beulke nieder. Auch die jüngere Rechtsprechung des BGH zum Strafklageverbrauch bei § 153 Abs. 2 StPO (Rn. 336) und zum Rechtsmittelverzicht bei Verfahrensabsprachen wird bereits behandelt (Rn. 396a, 544). Neuere Gesetzgebung wie das Opferrechtsreformgesetz und die Entscheidung des BVerfG zum Großen Lauschangriff sind bereits eingearbeitet. Ebenso ist ganz allgemein festzustellen, dass Beulke und das von ihm ausgiebig gelobte Lehrstuhlteam (vgl. die Vorworte) trotz der eher vorsichtigen Ankündigungen im Vorwort tatsächlich doch auf einen sehr geeigneten Nachweis neuerer Literatur und neuerer Rechtsprechung verweisen können. Der Weg zu gut ausge-

wählter weiterführender Literatur erscheint flächendeckend gewährleistet.

Ist das Buch mithin auch in der siebenten Auflage ein uneingeschränkt empfehlenswertes und zudem noch preiswertes Lehrbuch, so bleibt nur noch die Frage zu stellen, was die Lehre selbst von der aktuellen Auflage erwarten darf. Auch die siebte Auflage bleibt ein Lehrbuch, das für den Studenten oder auch den Referendar tatsächlich auch zu bewältigen ist. Nach dem Eindruck des Rezensenten liegt damit zwar nicht das von Rieß vor Jahren angemahnte große Lehrbuch zum Strafprozessrecht vor. Gleichwohl lassen sich oftmals präzise Stellungnahmen zu aktuellen und/oder grundlegenden Problemfragen des heutigen Strafprozessrechts auffinden (vgl. etwa Rn. 74, 118, 130, 134a, 155a, 166, 242, 336, 396a, 420 f., 430m), die dem Rezensenten auch wegen ihrer ausnahmslosen Aktualität so manches Mal im Vergleich mit den Stellungnahmen in vermeintlich größeren Lehrbüchern weiterführender scheinen. Zumal auch durch die Lektüre des gesamten Buches deutlich wird, wie erfolgreich Beulke bei der Betreuung strafprozessualer Abhandlungen ist, sollte der Blick in das Lehrbuch zum Standard bei der wissenschaftlichen Bearbeitung strafprozessualer Fragen gehören, selbst wenn man nicht stets die auf knappem Raum dargelegte Auffassung Beulkes teilen mag. Jedenfalls dem Rezensenten erscheint der Rückgriff auf das stets aktuelle Lehrbuch Beulkes unverzichtbar. Selbst wenn ihn die Ausführungen Beulkes bisweilen auch zum Widerspruch reizen (vgl. etwa die Darlegungen zu den Verteidigertheorien, insbes. Rn. 150 ff.), so ist doch der „Griff zum Beulke“ ganz regelmäßig sehr ertragreich.

Wiss. Ass. Karsten Gaede, Hamburg/Zürich

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Alexander Eberth und Eckhardt Müller, Verteidigung in Betäubungsmittelstrafsachen, 4., neu bearbeitete Auflage (2004). XVII, 214 Seiten. Kartoniert. 39,90 Є. ISBN 3-8114-3057-2. Praxis der Strafverteidigung, Band 4. C. F. Müller, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm.

Schon drei Jahre nach dem Erscheinen der 3. Aufl. des bewährten Praxishandbuchs der beiden erfahrenen Münchner Strafverteidigerkollegen Eberth und Müller erscheint - mit Stand vom Juli 2004 - die neubearbeitete 4. Aufl. des Werkes. Eine Neuauflage war umso mehr zu rechtfertigen, als der Band 4 der Praxis der Strafverteidigung aus dem C. F. Müller Verlag nach seiner Konzeption (praktische Hilfestellung und taktische Hinweise, Verknüpfung von materiellrechtlichen und prozessrechtlichen Problemen) und seinem Adressatenkreis (Strafverteidiger) aktuell konkurrenzlos sein dürfte; das wesentlich umfangreichere und nicht allein auf Strafverteidiger zugeschnittene Buch der Rechtsanwälte Endriß und Malek zum Betäubungsmittelstrafrecht ist leider zuletzt im Jahr 2000 in 2. Auflage erschienen. „Verteidigung in Betäubungsmittelsachen“ von Müller und Eberth gliedert sich in 11 Kapitel, deren erstes erklärt, was ein Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes ist (vgl. §§ 1 und 2 BtMG, Anlagen I bis III zum BtMG) und die gebräuchlichsten Betäubungsmittel (einschließlich der Ersatzdrogen) und ihre Wirkung, insbesondere psychische bzw. physische Abhängigkeit, Toleranzentwicklung und Abstinenzsymptome beschreibt. Für den Anfänger hilfreich ist auch die Liste wichtiger Begriffe aus der Drogenszene. Sodann werden die Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes beschrieben (II, S. 17-52); der Darstellung ist besonders ihre Knappheit, Klarheit und Übersichtlichkeit zu Gute zu halten.

Positiv ist auch, dass der Leser - der sich einen Überblick über die Systematik der Tatbestände verschaffen und nicht jede einzelne in der Rspr. beschriebene Konstellation etwa des Handeltreibens mit BtMG kennenlernen will - nicht mit Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung (bzw. zur Literatur) überschwemmt wird. Pro Seite werden zumeist nicht mehr als ein halbes Dutzend Entscheidungen aufgeführt. Diese Beschränkung ist gut vertretbar, weil eine große Zahl der etwa in den einschlägigen Kommentaren (Körner, BtMG, 5. Aufl. (2001); Weber, BtMG, 2. Aufl. (2002); Franke/Wienroeder, BtMG, 2. Aufl. (2001)) aufzufindenden Rechtsprechungszitate inhaltlich häufig repetitiv bzw. ganz einzelfallbezogen sind und die Auswahl einiger besonders aussagekräftiger Fundstellen zumindest dem mit der Materie noch nicht vertrauten Anfänger bzw. einem in Betäubungsmittelstrafsachen nur gelegentlich tätigen Anwalt entgegenkommen dürfte. Zudem behält der Band dadurch, ganz im Gegensatz zu den genannten Kommentaren, eine außergewöhnliche Übersichtlichkeit und Lesbarkeit. Es ist daher ohne weiteres möglich, das Handbuch innerhalb weniger Tage durchzuarbeiten.

Im dritten Kapitel (S. 55-64) widmet sich der Band dem gerade bei der Verteidigung in Betäubungsmittelstrafsachen besonders virulenten Problem des Strafverteidigerhonorars und dessen Subsumierbarkeit unter den Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB). Die Autoren geben die wesentlichen Inhalt des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März 2004 (BVerfG NJW 2004, 1305 ff) wieder, welches § 261 StGB einschränkend verfassungskonform auslegt und insbesondere im subjektiven Tatbestand die sichere Kenntnis von der bemakelten Herkunft des Honorars aus einer Katalogtat fordert. Sie fügen einige Empfehlungen an, bei deren Berücksichtigung es dem Strafverteidiger möglich sein sollte, von vornherein zu vermeiden, in den Verdacht der Geldwäsche zu geraten (S. 63/64). Etwas unorthodox platziert schließt sich die ausführliche Behandlung der gesetzlichen Mengenbegriffe, insbesondere der „nicht geringen Menge“ und der „geringen Menge“ an, die für die Anwendbarkeit der qualifizierten und privilegierten Straftatbestände des BtMG (§§ 29a ff BtMG) i. d. R. ausschlaggebend sind (IV, S. 65-77). Sodann werden die Rechtsfolgen der Betäubungsmittelstraftat abgehandelt (V, S. 79 bis 94). Von besonderem Interesse sind die für das BtMG kennzeichnenden Möglichkeiten, das Ver-

fahren ohne Strafe zu beenden, welche die Autoren besonders übersichtlich präsentieren (S. 88-90); von Bedeutung sind auch die Regelung des § 33 BtMG zu Verfall und Einziehung (S. 92/93). Auch die praktische Bedeutsamkeit des Kapitels „Betäubungsmittel und Straßenverkehr“ (VI, S. 95-101) kann nicht überbetont werden, besonders die Frage, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis wenn nicht im Strafverfahren, so doch von der Verwaltungsbehörde her droht; hierzu erfährt man in aller Kürze Erhellendes (S. 98-101). Bezüglich der eingehenden, präzisen und praxisgerechten Ausführungen zur Aufklärungshilfe gem. § 31 BtMG (VII, S. 103-112) ist insbesondere die Lektüre des letzten Abschnitts (Seiten 112-114), in dem praktische Hinweise und Empfehlungen hierzu gegeben werden, nachdrücklich zu empfehlen: Die Autoren weisen eindringlich (und überzeugend) auf die bekannten Vorteile, mehr noch aber auf die weniger bekannten Risiken (Gegenbelastungen) und Nachteile (persönliche Gefährdung, dauernde Zeugenstellung, Verlust des sozialen Umfelds) hin, die sich für den Mandanten aus der Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden - zumeist durch die Aussage zu Lasten von Mittätern - ergeben können und auf die daraus folgende Pflicht des Verteidigers zu entsprechend umfassenden und frühzeitigen Aufklärung. Etwas zu kurz kommt meines Erachtens die Gefahr für den Mandanten, in einem Wettlauf mehrerer Beschuldigter zum (meist wechselseitig belastenden) Geständnis und zur Rechtswohltat des § 31 BtMG i. V. m. § 49 Abs. 2 StGB nur „zweiter Sieger“ zu werden. § 31 BtMG kommt für den später Geständigen nicht selten nur formal, nicht aber der Sache nach zur Anwendung, weil es am guten Willen von Staatsanwaltschaft und Gericht fehlt: Dieser kommt u. U. nur dem zuerst geständigen Angeklagten voll zu Gute, dessen Einlassung die nachfolgenden Geständnisse (und überschießenden Aufklärungsbeiträge) praktisch nicht selten erzwingt - weil ein Bestreiten nicht mehr zum Freispruch führen kann - und dadurch aus Sicht der Justiz abwertet. Im ausführlichen Kapitel zu den verdeckten Ermittlungsmethoden (VIII, S. 115-152), die im Bereich der Betäubungsmittelstraftaten, die häufig organisiert und konspirativ begangen werden, naturgemäß eine besondere Bedeutung haben, soll insbesondere auf die Ausführungen zur Hörfalle (S. 148/149) verwiesen werden, wo die Autoren die Diskrepanz zwischen der liberal-rechtsstaatlichen Rechtsprechung des EGMR (StV 2004, 1 m. Bespr. Gaede StV 2004, 46 ff.) und der eher pragmatischen Haltung der deutschen Gerichte (BVerfG StV 2000, 467; BVerfG NStZ 2000, 488, 489; BGHSt 42, 139 ff) kurz aufzeigen. Das neunte Kapitel (S. 155-171) behandelt den Betäubungskonsumenten als Beschuldigten einer Betäubungsmittelstraftat, insbesondere unter den Gesichtspunkten von Abhängigkeit, Vernehmungsfähigkeit und Schuldfähigkeit. Für das Betäubungsmittelrecht kennzeichnend, von hoher praktische Bedeutung (und Nutzen für den abhängigen Mandanten) ist die im zehnten Kapitel (S. 173-189) dargestellte besondere Rehabilitationsmöglichkeit gem. § 35 BtMG (Zurückstellung von der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Therapie). Gerade auch in diesem Bereich sind die abschließend im 11. Kapitel (S. 191-201) abgedruckten Musteranträge sehr hilfreich.

Die Neuauflage erfolgt insbesondere angesichts der bereits eingetretenen, für das Betäubungsmittelstrafrecht bedeutsamen Änderungen der höchstrichterlichen Rspr., und der möglicherweise unmittelbar bevorstehenden Änderungen durchaus nicht verfrüht. Auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts ist zuvörderst an den Anfragebeschluß des 3. Strafsenats zur Eingrenzung des Tatbestandes des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu erinnern (BGH StV 2003, 501 ff = NStZ 2004, 105 ff), den die Autoren noch berücksichtigen konnten und dessen Anwendungsbereich sie skizzieren, ohne ihn allerdings – eine Vorlage an den großen Senat steht noch aus, der 1. und der 2. Strafsenat haben sich ablehnend geäußert (BGH, NStZ-RR 2004, 183; BGH, Beschl. vom 25.03.2004 - 1 ARs 21/03) – weiter zu kommentieren (S. 30-32). Eine weitere Neuerung betrifft die sich andeutende Änderung der Rechtsprechung zur Entziehung der Fahrerlaubnis insbesondere (aber nicht nur) bei Kurierfahrten mit Betäubungsmitteln. Der 4. Strafsenat (BGH NStZ 2004, 86; BGH NStZ-RR 2003, 122) befürwortet – in Abweichung von bisher ständiger Rspr. aller Senate - eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB nur noch dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen kriminellen Interessen unterzuordnen, insbesondere wenn Hinweise gegeben sind, dass der Täter auch die allgemeinen Regeln des Straßenverkehrs verletzt oder deren Verletzung in Kauf nimmt. Da der 1. Strafsenat an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, wonach sich die Ungeeignetheit bereits aus der Verwendung des Kfz bei einer allgemeinen Straftat – auch ohne einen verkehrsspezifischen Zusammenhang – ergeben kann (vgl. BGH NStZ 2003, 658), ergibt sich zur Zeit für den Bereich der allgemeinen Kriminalität, insbesondere der Betäubungsmittelkriminalität, eine von den Autoren zu Recht kritisierte uneinheitliche Anwendung der §§ 69, 69a StGB (S. 97/98). Zu bedauern ist insbesondere, dass der 1. Strafsenat sich nicht in der Lage sieht, in den anhängigen Fällen die Entscheidung im Maßregelausspruch bis zur erwartbar positiven Entscheidung des großen Senats über die Vorlage - die anderen Senate sind dem 4. Strafsenat gefolgt (BGH, NStZ 2004, 148; BGH, Beschl. vom 21.01.2004 - 2 ARs 347/03) – zurückzustellen (vgl. BGH, Urt. vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 140/04). Auch ansonsten haben die Autoren die neueste Rechtsprechung berücksichtigt, etwa zum Strafklageverbrauch aufgrund eines Einstellungsbeschluß gem. §§ 153, 153a StPO nach Art. 54 SDÜ (EuGH wistra 2003, 137 mit Bespr. Rübenstahl/Krämer HRRS 2003, 65 ff.). Hervorzuheben ist, dass auch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte - die im Anwendungsbereich der §§ 29 Abs. 5 und 6, 31a, 32, 35 und 37 BtMG von überwiegender Bedeutung ist, da hier im ersten Rechtszug üblicherweise das Amtsgericht zuständig ist - angemessen berücksichtigt wird.

Alles in allem handelt es sich bei dem Buch von Eberth und Müller um ein Werk, was hervorragend zur schnellen und zugleich gründlichen Einarbeitung des bisher wenig mit Betäubungsmittelsachen befassten Verteidigers in die Materie geeignet ist und ihm eine Vielzahl von direkt nutzbaren Praxishinweisen und Anregungen

gibt, die aus der Kommentarliteratur nicht zu erlangen sind. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es alles Notwendige, aber kein überflüssiges Wort enthält. Deshalb wird auch der erfahrene Praktiker häufig zunächst den besprochenen Band zur Hand nehmen, bevor er sich in der Rechtsprechungskasuistik von diversen Erläuterungsbüchern verliert, in denen die Strukturen der Tatbestände nur noch schwer erkennbar sind.

RA Markus Rübenstahl, Mag. iur., Karlsruhe

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Jörg Eisele, Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht, Mohr Siebeck, Tübingen 2004, XXIV, 483 S., gebunden, ISBN 3-16-148299-9, 104 €.

I. Die Diskussion um die sogenannte Regelbeispielsmethode im Strafrecht hat im Zusammenhang mit dem 6. StrRG im Jahr 1998 wieder erheblich an Intensität gewonnen. Dies wohl weniger aufgrund der absoluten Zahl der durch das Gesetz letztlich tatsächlich neuaufgenommenen Regelbeispiele (zumal auch frühere Regelbeispiele durch das Gesetz zu Qualifikationen umgewandelt wurden, vgl. nur § 311a III 2 a. F. und § 309 IV n. F. sowie § 311e III 2 a. F. und § 312 IV n. F.) sondern wohl mehr wegen der ursprünglich vorgesehenen noch viel größeren Zahl von neueinzufügenden Regelbeispielen im Regierungsentwurf sowie wegen der Einführung von Regelbeispielen bei Vorschriften, mit denen die meisten Strafjuristen mehr oder weniger häufig zu tun haben (insb. in § 263 III StGB, der die meisten Strafrechtlern mehr berühren dürfte als etwa die §§ 94 II, 99 II, 100 II StGB bzw. als Vorschriften wie §§ 15 II, 15 a I AÜG oder § 48 II WeinG). Ganz wertfrei (!) keinen „Abschluss“, hinsichtlich Umfang und Vielfalt der behandelten Fragestellungen aber gewiss einen vorläufigen Höhepunkt hat die Diskussion in der hier angezeigten Tübinger Habilitationsschrift von Eisele gefunden.

II. Auch wenn der Inhalt einer fast 500-seitigen Habilitationsschrift im Rahmen einer Besprechung naturgemäß nur sehr gedrängt und unvollständig wiedergegeben werden kann, sollte die folgende Kurzzusammenfassung einen Eindruck davon vermitteln, welche Fülle an Material und welche Vielfalt an Fragestellungen Eisele in seinem Buch zu bewältigen hatte:

1. In seiner Einleitung (S. 1 ff.) findet sich zunächst eine instruktive Einführung zur Regelbeispielsproblematik, wobei insbesondere die Einordnung der „Exemplifikationsmethode als ‚Mittelweg‘ zwischen Kasuistik und Generalklauseln“ eine gute Grundlage für die spätere Arbeit schafft. Anschließend werden verschiedene Erscheinungsformen der besonders schweren Fälle und verwandte Regelungsmodelle kurz erläutert, um die Regelbeispielsmethode in einen Gesamtzusammenhang einzubetten. Insbesondere der Gedanke, dass auch echte Qualifikationstatbestände aufgrund der sich vielfach mit dem Grunddelikt weitreichend überscheidenden Strafrahmen in einem untechnischen Sinn schwere Fälle des Grunddelikts beschreiben und dass sich daher von ihrer Funktion her Regelbeispiele und Qualifikationstatbestände weniger stark voneinander unterscheiden als vielfach formuliert, wird scharfsinnig herausgearbeitet und besitzt eine gewisse Überzeugungskraft.

2. Es folgt ein mehr als 70-seitiger historischer Teil (S. 31-106), der die Entwicklung der Regelbeispielsmethode von der Constitutio Criminalis Carolina bis zum 6. StrRG nachzeichnet. Dieser Teil liest sich ohne Zweifel interessant, hängt jedoch insoweit „etwas in der Luft“, als im weiteren Verlauf der Arbeit praktisch nicht mehr argumentativ auf diese Grundlagen zurückgegriffen wird, was den historischen Teil rückblickend unverhältnismäßig lang erscheinen lässt.

3. Mit Blick darauf, dass die besondere Problematik der Regelbeispielmethode gerade in der „Zwitterstellung“ zwischen Tatbestandsmerkmalen (vgl. nur das Schlagwort von der „Tatbestandsähnlichkeit“, das gerade die Rechtsprechung häufig und gerne heranzieht) und der Strafzumessung (welcher die Regelbeispiele als Unterfälle der besonders schweren Fälle systematisch zugeordnet sind) liegt, geht Eisele für seine eigene systematische Einordnung der Regelbeispiele folgerichtig vom Verhältnis zwischen Tatbestand und Rechtsfolge aus (vgl. S. 107 ff. sowie 143 ff., eigene Lösung dann auch auf S. 163 ff.): Die einzelnen Tatbestandsbegriffe (Gesamttatbestand, Garantietatbestand, Deliktstatbestand usw.) werden dabei sorgfältig voneinander abgeschichtet. Eisele postuliert dabei, dass letztlich die Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge nur von geringer Bedeutung sei, da zum einen auf beiden Seiten wiederum „Hilfsnormen“ (etwa in Gestalt von Legaldefinitionen) stehen könnten und zum anderen durch geringfügige Umformulierungen des Konditionalprogramms die Zuordnung eines Merkmals vom Tatbestand zur Rechtsfolge leicht abänderbar sei. Obwohl mich diese Passagen und die dahin gebildeten Beispiele nicht wirklich überzeugen, da insbesondere die Existenz von (wiederum in Tatbestand und Rechtsfolge zerlegbaren) Hilfsnormen nichts daran ändern, dass die (ggf. durch die Hilfsnormen näher beschriebenen) Elemente der Rechtsnorm als solche ungeachtet dessen relativ klar den Tatbestandsvoraussetzungen oder aber den Rechtsfolgen zugeordnet werden können, sind die Gründe, die Eisele schließlich (S. 163 ff., insbes. 172 ff.) für seine eigene Lösung vorbringt, beachtlich: Er geht dabei davon aus, dass „sowohl die Regelbeispiele als auch die sonstigen besonders schweren Fällen als Merkmale des Gesamttatbestandes anzusehen (sind), da sie materielle Voraussetzungen für die Strafrahmenänderung sind“ (vgl. S. 189). Dieses Ergebnis (und auch die dahinterstehenden Sachgesichtspunkte) kann Eisele dann bei den folgenden Überlegungen zu fast allen mit den Regelbeispielen zusammenhängenden Fragen fruchtbar machen und damit vielfach die Ergebnisse, die von der h. M. ohnehin vertreten werden, klarer und in sich widerspruchsfreier begründen, als dies bei einer Überbetonung der Zuordnung der Regelbeispiele zum Bereich der Strafzumessung (unter gleichzeitigem Rekurs auf die „Tatbestandsähnlichkeit“) möglich ist.

4. Im nächsten Abschnitt behandelt Eisele die dogmatische Funktion der mit Regelbeispielen erläuterten besonders schweren Fälle, die in der Möglichkeit einer Widerlegung der Indizwirkung, zugleich aber auch in der Anordnung eines Regelausnahmeverhältnisses liegt. Dabei wird sowohl auf die prozessualen Anforderungen (vgl. § 267 III 3 StPO) als auch auf die materiell-rechtlichen Folgen (Indizwirkung, Analogiewirkung und Gegenschlusswirkung) eingegangen. Nach Eiseles eigener Ansicht (vgl. S. 207 ff.) ist dabei das „Strafzumessungsdenken“ der h. M. (insbes. nach seiner Konzeption) unangebracht und wegen der weiten Überschneidungen der Strafrahmen von Grunddelikt und besonders schweren Fällen letztlich auch wenig hilfreich. An die Stelle einer Gesamtwürdigung soll deswegen auch bei den Regelbeispielen als „abstrakt formulierten Erschwernisgründen“ (vgl. S. 210) eine „genaue Subsumtion unter das jeweilige vom Gesetzgeber genannte Merkmal erforderlich“ sein, welche als „Wahl des Strafrahmens (...) primär Auslegung der spezifischen rahmenbestimmenden Merkmale und damit einer Gesamtwürdigung nicht zugänglich“ sei (a.a.O.).

Während die anschließende Darstellung „weiterer von der h. M. abweichender Konzeptionen in der Literatur“ (vgl. S. 221 ff.) etwas „in der Luft hängt“, sind die auf S. 229 ff. behandelten „Leitlinien zur Bestimmung der sonstigen besonders schweren Fälle“ überzeugend und gut strukturiert. Eisele stellt hier etwa auf die Verwendung bestimmter Sachverhalte als Regelbeispiele bzw. Qualifikationen in anderen Tatbeständen ab (für welche freilich trotz der ergänzenden Erläuterung auf S. 237 das Problem jeder systematischen Auslegung bestehen bleibt, dass der Rechtsanwender zu entscheiden hat, ob er eher eine Analogie- oder einen Gegenschluss für zutreffend hält) und bringt eine umfangreiche und präzise Auflistung weiterer potentieller Erschwernisgründe einschließlich der Bedeutung der objektiven Zurechnung des „Regelbeispielserfolgs“ sowie des Rechtsgutsbezugs eines etwa eingetretenen erschwerenden Umstandes. In gleicher Weise sorgfältig werden auch die „mildernden Umstände“, die als Gegengründe bei besonders schweren Fällen eine Indizwirkung widerlegen können, dargestellt (S. 267 ff.).

5. Ein Kernstück der Überlegungen bildet der nachfolgende Teil über die Anwendbarkeit der Regelungen des allgemeinen Teils auf Regelbeispiele der Strafzumessung (S. 283-373). Dabei befasst sich Eisele mit dem Vorsatzerfordernis, der Kombination mit Versuch und Rücktritt der Beteiligung Mehrerer, Konkurrenzen und Wahlfeststellung sowie Verjährung; im Zusammenhang mit Vorsatz und Versuch werden außerdem die Auswirkungen und die richtige Auslegung der Geringwertigkeitsklausel nach § 243 II StGB dargestellt (vgl. S. 325-339). Ohne dass hier alle von Eisele gefundenen bzw. begründeten Ergebnisse nachgezeichnet werden könnten, kann man vergröbernd festhalten, dass Eisele durch die Zuordnung der Regelbeispiele zum Gesamttatbestand die Ergebnisse nach seinem eigenen Ansatz jeweils sehr schnell und durch Vergleich mit der mehr oder weniger anerkannten Handhabung der unterschiedlichen Institute bei echten Qualifikationen begründen kann. Dies hindert ihn nicht daran aufzuzeigen, zu welchen Ergebnissen das Verständnis der h. M. von dem Regelbeispielen als Bestandteilen der Rechtsfolge kommen müsste und dass dieses Verständnis zumeist nicht konsequent durchgehalten, sondern durch eine – dann häufig mit dem Ergebnissen von Eisele übereinstimmende – Anlehnung an die Behandlung von echten Tatbestandsmerkmalen ersetzt wird. Etwas schade ist, dass Eisele sich hierbei (wenngleich nicht beschränkt, jedoch) sehr stark auf die Regelbeispiele des § 243 StGB konzentriert. Dies ist zwar aufgrund der praktischen Bedeutung angemessen und erleichtert insbesondere im Verhältnis zwischen dem Wohnungseinbruchsdiebstahl als Qualifikation nach § 244 I Nr. 3 StGB und in sonstigen Fällen des Einbruchsdiebstahls in § 243 StGB den obengenannten Vergleich mit echten Qualifikationen, ist aber für eine Habilitationsschrift mit dem allgemeinen Thema „Regelbeispiele“ nicht übermäßig originell. Fraglich erscheint mir auch, wenn Eisele (freilich in Übereinstimmung mit BGH NJW 2002, 150) nach dem gängigen Verständnis der Regelbeispiele als Vorschriften aus dem Bereich der Strafzumessung die Konsumtion von § 303 StGB durch §§ 242, 243 StGB für grundsätzlich problematisch hält. Denn immerhin bilden die Konkurrenzen die Schnittstelle zum Recht der Strafzumessung (vgl. auch §§ 53-54 StGB), weshalb die „Konkurrenzrelevanz“ auch von Strafzumessungsvorschriften zumindest nicht generell fernliegend wäre; beizupflichten wäre Eisele freilich darin, dass dann konsequenterweise – und entgegen der grundsätzlichen Praxis und h. M. – die Regelbeispiele auch in den Tenor des Urteils mit aufzunehmen wären (vgl. etwa S. 176 und insbes. 359 f. sowie 379 ff.).

6. Den anschließenden kurzen Teil (S. 374-382) widmet Eisele der „Regelbeispielsmethode im Strafprozess“, wo er etwa der Frage nach der Bedeutung der Regelbeispiele für die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft ohne Zustimmung des Gerichts nach § 153 I 2 StPO (wofür Eisele abweichend von der h. M., aber mit guten Gründen die Regelbeispiele für potentiell relevant hält), für die Behandlung in Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss, für die Handhabung bei der Hinweispflicht gem. § 265 StPO sowie für Abstimmungsfragen untersucht.

7. Im Anschluss behandelt Eisele in zwei Abschnitten die verfassungsrechtliche (S. 383 ff.) sowie die allgemein rechtspolitische (S. 407 ff.) Beurteilung der Regelbeispielsmethode. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Beurteilung erstaunt zwar etwas die Stellung innerhalb des Aufbaus der Arbeit erst nach der Behandlung dogmatischer Einzelheiten, und auch die allgemeinen Ausführungen zu den Grundlagen des Bestimmtheitsgrundsatzes erscheinen breiter als unbedingt erforderlich. Insgesamt begründet Eisele dann jedoch sorgfältig und im Grunde überzeugend, dass die Regelbeispielsmethode als solche kein Problem sub specie Art. 103 II GG darstellt. In seiner rechtspolitischen Bewertung sieht Eisele die Regelbeispielsmethode grundsätzlich positiver als viele ihrer Kritiker; dabei weist er insbesondere auf die erhöhte Flexibilität für den Gesetzgeber hin, der etwa eine Strafrahmenverschiebung beabsichtigen kann, ohne deswegen

zu den zahlreichen Konsequenzen gelangen zu wollen, die mit der Hochstufung zu einem Verbrechen (vgl. § 12 III StGB!) verbunden sein können. Eisele gibt hier auch einige Hinweise, nach welchen Kriterien (z. B. hinreichende, aber nicht übertriebene Anzahl; Berücksichtigung der vom Grunddelikt geschützten Rechtsgüter) Regelbeispiele sinnvollerweise gestaltet werden sollten – würde der Gesetzgeber diese zukünftig berücksichtigen, so wäre in punkto Stringenz der Regelbeispielstechnik gewiss schon einiges gewonnen.

8. Den Abschluss der Arbeit bilden einige knappe Überlegungen zum Europäischen Strafrecht (S. 437 ff.), bei denen die Frage im Mittelpunkt steht, inwiefern sich die Regelbeispielsmethode zur Umsetzung europäischer Vorgaben im Strafrecht eignen würde. Die Überlegungen bleiben freilich mangels konkreter Beispiele halbwegs unbestimmt und hängen nach Eindruck des Rezensenten „etwas in der Luft“. Man bekommt fast den Eindruck, der Verfasser habe hier „mit Gewalt“ auch noch einige Seiten zum „Modethema Europäisches Strafrecht“ verlieren wollen – ein Vorgehen, dass gerade Eisele „nicht nötig“ hätte, da er sich an anderer Stelle schon mehrfach als profunder Kenner des Europäischen Strafrechts profiliert hat.

III. Insgesamt handelt es sich um ein sprachlich sehr klares und jederzeit gut lesbares Buch, in dem die Meinungsstände zu den relevanten Fragen übersichtlich aufbereitet sowie mit meist ausführlicher Begründung und zahlreichen Bespielen entschieden werden. Über seinen Titel hinaus enthält es auch umfangreiche Teile zu den unbenannten besonders schweren Fällen und ist nicht zuletzt deswegen nicht nur mit Blick auf die Lehre von der Straftat, sondern auch mit Blick auf das Strafzumessungsrecht eine interessante Lektüre. Ob die – wie oben angedeutet, in Herführung und Konsequenzen zwar den Rezensenten letztlich überzeugende, aber gewiss nicht zwingende – Einordnung der Regelbeispiele in den Bereich des Tatbestandes, auf welche die eigenen Lösungen Eiseles dann im gesamten Verlauf des Buches vorwiegend fußen, für eine so umfangreiche Monographie tatsächlich ausreichend Tragkraft besitzt, mag mancher vielleicht bezweifeln. Dem praktischen Ertrag der Arbeit, in der die Regelbeispiele unter so vielen verschiedenen Blickwinkeln (z. B. Anwendung des Allgemeinen Teils, prozessuale Fragestellungen, Handreichungen für den Gesetzgeber usw., vgl. ausführlicher oben) behandelt werden, vermag dies jedoch keinen Abbruch zu tun. Insofern handelt es sich um ein Werk, das sich nicht nur durch wissenschaftlichen Ertrag, sondern auch durch seine praktische Anwendbarkeit auszeichnet. Wer bei der konkreten Lösung eines Falles meint, auf eine bislang noch kaum diskutierte Frage im Zusammenhang mit grundsätzlichen Aspekten der Regelbeispiele eines besonders schweren Falles gestoßen zu sein, sollte zur

Lösung seines Problems einen Blick in das Buch von Eisele werfen und sehen, ob sich hier nicht bereits ein wohldurchdachter Lösungsvorschlag findet.

Professor Dr. Hans Kudlich, Universität Erlangen

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Josef Isensee (Hrsg.), Der Terror, der Staat und das Recht; Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 32, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2004, 108 S., 28,- €. ISBN 3-428-11127-3.

In den Terroranschlägen vom 11. September 2001 den zentralen Einschnitt der jüngeren Geschichte zu sehen, zählt heute nicht nur zum Kanon der politischen, sondern auch der sozial- und rechtswissenschaftlichen Diskussion. Auch die Autoren des Sammelbandes teilen diese Einschätzung. Die Tatsache, dass der moderne internationale Terrorismus sich nicht den Kategorien des staatlichen und internationalen Rechts fügt und droht, ihr Normensystem zu sprengen, bildet den Fokus der hier versammelten Beiträge, die das Thema aus Perspektiven der Völkerrechtslehre, der Politikwissenschaft und der Staatsrechtslehre in den Blick nehmen – strafrechtliche Aspekte der Terrorismusbekämpfung finden allenfalls am Rande Eingang in die Abhandlungen.

Eckart Klein stellt in seinem Beitrag die „Frage, ob das prinzipiell staatenfixierte Völkerrecht Regeln auch zum Vorgehen gegen international agierende nicht-staatliche Terrororganisationen einschließlich ihrer militärischen Bekämpfung bereitstellt“ (S. 15). Gestützt auf die Resolutionspraxis der Vereinten Nationen plädiert der Autor für eine positive Antwort. Bereits 1995 habe die Generalversammlung in der Resolution 50/53 terroristische Akte als Bedrohungen des Weltfriedens eingestuft und damit dem Sicherheitsrat die Verantwortlichkeit dafür übertragen. Die im Gefolge der Terroranschläge des 11. Septembers verabschiedeten SR-Res. 1368 und 1373 hätten diese Zuständigkeit einerseits bestätigt, andererseits aber auf das Recht der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung verwiesen. Unter Rekurs auf die Nicaragua-Entscheidung des IGH (1986) konzediert Klein zwar, dass nicht jeder Verstoß gegen das Gewaltverbot zugleich auch als bewaffneter Angriff, der zur Selbstverteidigung befugt, zu werten und eine eindeutige Zurechnung der Anschläge an das von den Taliban beherrschte Afghanistan schwierig sei. Die Schwere des Angriffs und die zum Zeitpunkt der Res. 1373 bereits bekannte Urheberschaft von Al Qaida begründe jedoch ein staatliches Selbstverteidigungsrecht auch gegen bewaffnete Angriffe privater Organisationen. „[E]ine Ablösung der Begriffe Bedrohung des Friedens, militärischer Angriff und Selbstverteidigung von dem staatlichen Bezug rechtfer-

tigt sich als teleologische Weiterentwicklung völkerrechtlicher Normen, ohne die sie ihres Gewährleistungsinhalts zumindest partiell verlustig gehen würden […].
Die Bewährung des Rechts muss unter allen Umständen sichergestellt werden. Andernfalls führt sich die Rechtsidee selbst ad absurdum.“ (S. 28)

Kleins Standpunkt, in Afghanistan einen zulässigen Adressaten von Selbstverteidigungsmaßnahmen zu sehen, wird durch die teleologische Argumentation überzeugend plausibilisiert. Nichtsdestotrotz hätte der Autor zwischen der prinzipiellen Rechtmäßigkeit und der faktischen Rechtskonformität der Selbstverteidigungsmaßnahmen stärker differenzieren können. Sein lapidarer Verweis auf die „traurige Tatsache, dass es keinen Krieg gibt, in dem kriegsrechtliche Regeln nicht verletzt werden“ (S. 31), verharmlost Verletzungen des humanitären Völkerrechts und ist seinem Anliegen einer Weiterentwicklung völkerrechtlicher Normen eher abträglich.

Der zweite Beitrag des Politikwissenschaftlers Christian Hacke fällt etwas aus dem rechtswissenschaftlichen Rahmen. Der 11. September wird ausschließlich aus Sicht der Sicherheitspolitik thematisiert. Hacke erkennt hinter der mittlerweile als „Bush-Doktrin“ bezeichneten National Security Strategy der USA eine „(neo-)imperiale Strategie des Ausbaus und der Verfestigung der weltweiten amerikanischen Vorherrschaft“ (S. 43). Wie in ähnlichen Worten Gert Krell charakterisiert er das amerikanische Verhalten als „Arroganz der Macht“, dem das sich der Kooperation verweigernde Deutschland mit einer „Arroganz der Ohnmacht“ (ebd.) geantwortet habe. Dieser deutschen Arroganz der Ohnmacht gilt das Hauptaugenmerk des Autors, der in unmissverständlicher Schärfe mit der Außenpolitik der rot-grünen Bundesregierung abrechnet. Deutschland trage „ein beträchtliches Maß an Mitschuld, wenn nicht sogar Hauptschuld“ (S. 52) für die Dissonanzen im transatlantischen und innereuropäischen Verhältnis. Die thematische Klammer der verschiedenen Aufsätze, die Problematik des Verhältnisses von Recht und Terrorismus, gerät in der Perspektive Hackes nicht nur aus dem Blickfeld, sondern wird gar für unmaßgeblich erklärt: Die „Frage nach der völkerrechtlichen Legitimität des Krieges ist weniger relevant als vielmehr die politische Rückbesinnung auf Deutschlands Rolle als Garant transatlantischer Orientierung“ (S. 53 f.).

Bernd Grzeszick macht das Verhältnis von Terrorismus und Recht aus staatsrechtlicher Sicht zum Zentrum seines Beitrags. Terrorismus versteht er als Negation des modernen pluralistischen Rechtsstaates, der, dem Grundwert des Friedens verpflichtet, für die Lösung politischer Interessenkonflikte faire Verfahren bereitstelle. „Vor dieser Folie wird nun die spezifische Logik des Terrorismus deutlich: Der Terrorist behauptet den unbedingten Vorrang seines politischen Ziels vor allen anderen Zielen.“ (S. 62) Aus politischem Fundamentalismus gehe Terrorismus notwendig hervor: „Eine subjektive Ansicht wird absolut gesetzt, so dass sie Vorrang hat vor allen anderen Ansichten und sämtliche Mittel rechtfertigt einschließlich der Gewalt.“ (S. 67) Die Schwierigkeit im Kampf gegen den Terrorismus bestehe darin, dass die vor terroristischen Angriffen zu schützenden Grundlagen moderner Staatlichkeit zugleich auch „Grenzen für den Schutz gegen Terrorismus“ (S. 69) aufstellten. Diese Grenzen, die demokratischen Grundrechte und das Gewaltenteilungsprinzip, dürften im äußersten Notfall allerdings, temporär und mit dem Ziel ihrer baldmöglichsten Wiederherstellung, außer Kraft gesetzt werden. Im Bedrohungsfall „tritt deshalb die Bindung an die Strukturen des Verfassungsrechts zugunsten der Verteidigung der Friedensordnung zurück“ (S. 74), Grzeszick spricht sich, der Schmittschen Souveränitätslogik folgend, für die Anerkennung eines „ungeschriebenen staatlichen Notstandsrechts“ (S. 78) aus.  

Das Nachwort Josef Isensees leuchtet schlaglichtartig noch einmal verschiedene Aspekte des Spannungsfeldes Terrorismus-Staat-Recht aus. Neu in die Debatte ein bringt er erstens die Frage nach den sozialen und politischen Ursachen des Terrorismus ein. Isensee macht sehr deutlich, dass er das Elend der sog. Dritten Welt nicht für dessen Hauptursache hält. „Die Attitüde des kosmopolitischen Sozialarbeiters kommt dem Terrorismus nicht bei. Im Gegenteil, sie ist eine der Ursachen des Terrorismus.“ (S. 97 f.) Problematisch ist allerdings, dass Isensee im Bemühen, politisch-kulturelle Differenzen nicht soziologistisch ‚wegzuerklären’, in die Nähe der latent essentialistischen Theorie des ‚Kampfes der Kulturen’ gerät. „Im Terrorismus […] regt sich der Kampf der Kulturen, dessen Realität zu verdrängen und zu leugnen hierzulande als Ausweis von Aufgeklärtheit, Weltoffenheit, Toleranz gilt.“ (S. 98) Zwar weist er auf die Gefahr einer Ineinssetzung des Islam als Weltreligion und Zivilisation mit Islamismus und Terrorismus hin, sieht deren Konvergenz aber dennoch in der Entwicklungslogik angelegt: „Noch ist der Islamismus nicht mit dem Islam identisch […]. Offen ist aber, ob er sich auf Dauer zu dessen Avantgardisten oder gar dessen Repräsentanten erheben wird.“ (S. 100, Hervorhebung Verfasser)

Grzeszicks Argument staatsphilosophisch untermauernd zeigt er zum zweiten sehr überzeugend, dass der seit Hobbes säkular auf die Todesfurcht gegründete moderne Rechtsstaat durch terroristische Selbstmordattentäter in seiner Konstruktionslogik unterlaufen wird. „Die Teleologie des Rechtsstaats hat ihren Ursprung in der Todesfurcht.“ (S. 102) „Der zweckrational organisierte Staat scheitert an dem, der den Tod nicht fürchtet: dem religiösen und politischen Fanatiker“ (S. 103). Während Grzeszick dem Rechtsstaat jedoch durch den Rückgriff auf eine dem Friedenszustand vorgelagerte, tendenziell nicht (rechtlich) normierbare Souveränität ein problematisches, weil seine eigene ratio untergrabendes Mittel an die Hand gibt, sich gegen terroristische Bedrohungen zur Wehr zu setzen, verlangt Isensee vom Rechtsstaat die Bewahrung seiner „moralischen Autorität“ (S. 108). „An dieser bricht sich letztlich alle physische Gewalt.“ (S. 108)

Wiss. Mit Florian Weber, Jena

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Alexander Meyer, Das Akteninformationsrecht des Beschuldigten nach § 147 StPO i.d.F. des StVÄG 1999. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2003, 366 S. ISBN 3-8300-0851-1, 98,00 €

Das in § 147 StPO niedergelegte Akteneinsichtsrecht ist allgemein anerkannt eine unverzichtbare Voraussetzung für eine wirksame und effektive Strafverteidigung. Die Wahrnehmung vieler Beschuldigtenrechte ist nur sinnvoll möglich, wenn die zur Wahrnehmung dieser Rechte notwendigen Informationsgrundlagen bestehen. Haupterkenntnisquelle sind oftmals die Verfahrensakten. Das Akteneinsichtsrecht als notwendiges Kernelement eines fairen Strafverfahrens wahrt damit die Stellung des Beschuldigten als aktiven Beteiligten, als Prozesssubjekt. Gleichwohl wurde lange Zeit dem Beschuldigten ein eigenständiger Zugang zu den Verfahrensakten verwehrt. Mit Verweis auf den Wortlaut des § 147 I StPO wurde lediglich dem Verteidiger ein Anspruch auf Akteneinsicht zugestanden, der dann je nach Ansicht von der Stellung des Verteidigers im deutschen Strafprozess, gehalten sein sollte, die Inhalte der Verfahrensakten mehr oder weniger gefiltert an den Beschuldigten weiterzugeben. Dieser im Hinblick auf den unverteidigten Beschuldigten verfassungsrechtlich problematische und konventionswidrige Zustand änderte sich erst mit Inkrafttreten des StVÄG 1999 im Jahr 2000. Neben anderen Änderungen ist seitdem durch Abs. 7 des § 147 StPO für den Beschuldigten die Möglichkeit eröffnet, ohne die Zuhilfenahme eines Verteidigers Zugang zu den Inhalten der Verfahrensakten zu bekommen. Den Auswirkungen dieser Änderung, auch für das Gesamtverständnis der Vorschrift widmet sich die Arbeit von Meyer.

Eine Betrachtung der möglichen Auswirkungen dieser Gesetzesänderung kann dabei nicht losgelöst von den anderen Problemkreisen des § 147 StPO erfolgen: Die Frage des Aktenbegriffes, welcher gerade in den 80er Jahren im Zusammenhang mit den Spurenakten sehr kontrovers diskutieret worden ist, ist für die Ermittlung der Reichweite der Änderung genauso relevant, wie die Fragen, ob bestimmte in den Akten enthaltene Informationen von der Einsicht ausgenommen werden dürfen und welcher Verfahrensbeteiligte die Verantwortung für eine solche, filternde Funktion trägt und vor allem, welche Informationen überhaupt in die Verfahrensakten gelangen müssen. Letztlich kumuliert der neu eingefügte Abs. 7 alle im Rahmen des § 147 StPO bestehenden Probleme, was sich in der Untersuchung von Meyer widerspiegelt.

Im ersten Kapitel „Grundlagen des Akteninformationsrechts“ arbeitet Meyer zunächst die historischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen heraus. Dabei fällt die erstere Darstellung erfreulich kurz aus. Im dem umfassenderen zweiten Teil des 1. Kapitels werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Akteninformationsrechtes und die ihr gegenüberstehenden verfassungsimmanenten Schranken dargelegt, wobei Meyer zur Auffassung gelangt, dass das Integritätsinteresse an den

Originalakten zu einer Beschränkung des unmittelbaren Zuganges für den Beschuldigten führen kann, eine Beschränkung der Informationserlangung durch den Beschuldigten dann zulässig ist, wenn dieser mit den Kenntnissen aus den Verfahrensakten verfahrensfremde Ziele verfolgt, während private und öffentliche Geheimhaltungsinteressen allein eine Informationsbeschränkung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen vermögen.

Im zweiten Kapitel „Gegenständlicher Inhalt – Akten und Beweismittel“ geht Meyer auf den umstrittenen Akten- und Beweismittelbegriff des § 147 StPO ein, um sich dann den einzelnen Problembereichen wie z.B. Spurenakten, Handakten der Staatsanwaltschaft, elektronischen Informationsträgern und Sperrvermerken zuzuwenden. Dabei wendet er ausgehend vom materiellen Aktenbegriff (Meyer bezeichnet diesen zusammenfassend als „funktionellen Aktenbegriff“) strenge, an der „Parität des Wissens“ orientierten Auslegung, Maßstäbe an und fordert z.B. beim Ergehen eines Sperrvermerkes nach § 96 StPO, eine Unteilbarkeit dieses Vermerkes in Bezug auf alle Verfahrensbeteiligten.

Daran anschließend widmet sich Meyer umfassend im dritten Kapitel der „Rechtsinhaberschaft“ und der Ausübungsbefugnis“ des in § 147 niedergelegten Akteninformationsrechtes, die schon unter der Geltung der alten Regelung nicht unumstritten war. Er arbeitet dabei die Unterschiede in den Möglichkeiten der Informationserlangung zwischen dem verteidigten und dem unverteidigten Beschuldigten heraus und kommt dabei zur Auffassung, dass beim verteidigten Beschuldigten Rechtsinhaberschaft und Ausübungsbefugnis des Akteninformationsrechtes getrennt sind, während beide beim unverteidigten Beschuldigten in einer Person zusammenfallen und daher aus den Anforderungen der EMRK in Bezug auf das Entschließungsermessen für den Zeitraum nach Anklageerhebung eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen ist.

Im vierten Kapitel „Beschränkungen in den Verfahrensstadien“  setzt sich Meyer mit möglichen, aus Gründen anderer wichtiger Rechtsgüter bestehenden Einschränkungen des Akteninformationsrechts im Hinblick auf die verschiedenen Verfahrensstadien auseinander. Er geht insbesondere auf die Lamy-Rechtsprechung des EGMR und der dieser folgenden Rechtsprechung des BVerfG zum Beschuldigten in U-Haft ein und setzt sich mit der neueren Rechtsprechung des EGMR in den Fällen Lietzow, Schöps und Garcia Alva auseinander.

Die Arbeit schließt das fünfte Kapitel „Rechtsschutz bei unzureichender Akteninformationsgewährung“ ab. Darin setzt sich Meyer mit den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten im Rahmen des § 147 StPO aber auch deren – aus seiner Sicht verfassungsrechtlich unzulässigen – Lücken insbesondere im Ermittlungsverfahren kritisch auseinander und fordert de lege ferenda eine Ausweitung der Rechtsschutzmöglichkeit des § 161a Abs. 3 S. 2 – 4 StPO auf alle Fälle der staatsanwaltlichen Versagung von Akteninformation im Ermittlungsverfahren (S. 298 ff.).

Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass der-jenige, der die teilweise in Rechtsprechung und Kommentierungen aufzufindende Aussage „der Beschuldigte hat kein Akteneinsichtsrecht“ verinnerlicht hat, den Werktitel möglicherweise als irreführend ansehen wird.  Die Untersuchung von Meyer ist gerade nicht nur ein lediglich auf einen bestimmten Aspekt des § 147 bezogener bruchstückhafter Auszug eines dort bestehenden Problembereiches, sondern eine aktuelle, umfassende Darstellung der gesamten Vorschrift, die Probleme nicht nur anreißt, sondern eingehend behandelt. Die Kritik Meyers an der – aus seiner Sicht wohl lediglich klarstellenden – Natur (S. 325) des Abs. 7 mag dabei berechtigt sein, wenn er darauf verweist, dass dies keine substanzielle Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage darstellt. Manchmal bedarf es aber wohl gerade solcher legislativer Klarstellungen, damit diese aus verfassungs- und konventionsrechtlichen Gründen bestehende Rechtslage in das Bewusstsein der Rechtsanwender tritt.

Rechtsreferendar Stephan Schlegel

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