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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
August 2002
3. Jahrgang
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Der Inhaber einer in einem EU- oder EWR-Staat erworbenen Fahrerlaubnis mit Wohnsitz im Inland, dem die deutsche Fahrerlaubnis von einem Gericht rechtskräftig entzogen worden war und der nach dem 31. Dezember 1998 im Inland ein Kraftfahrzeug führt, macht sich nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV strafbar, und zwar auch dann, wenn er aufgrund der ausländischen Fahrerlaubnis vor dem 1. Januar 1999 im Inland (wieder) Kraftfahrzeuge führen durfte. (BGHSt)
1. Artikel 62 des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 gehört zum Regelungsbereich des EuGH-Gesetzes. (BGHSt)
2. Zur Klärung dem EuGH-Gesetz unterfallender Rechtsfragen ist allein der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften berufen; die Anrufung des Bundesgerichtshofs nach § 42 IRG insoweit ist unzulässig (im Anschluß an BGHSt 36, 92). (BGHSt)
3. Bei unanfechtbare oberlandesgerichtliche Entscheidungen in Auslieferungssachen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 IRG) besteht eine Vorlagepflicht des Oberlandesgerichts an den Gerichtshof, sofern das Oberlandesgericht die Auslegung von Auslieferungsrecht, das dem Regelungsbereich des EuGHG unterfällt, für zweifelhaft hält und die Frage entscheidungserheblich ist. Im Hinblick auf die "Zweifelhaftigkeit" der Auslegung hat das zur Vorlegung verpflichtete Gericht allerdings einen Entscheidungsspielraum. Liegt es auf der Hand, dass nur eine Auslegung in Betracht kommt, so entfällt die Vorlagepflicht (vgl. EuGH, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415). (Bearbeiter)
1. Es bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Gruppierung, die die Anschläge am 11. September 2001 in den USA ausführte, um eine terroristische Vereinigung handelte (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 211, § 316 c StGB).
2. Der Dauerhaftigkeit des Zusammenschlusses iSd § 129 a StGB steht nicht entgegen, dass es letztlich nur zur einmaligen Ausführung von Straftaten kam. Das Vorliegen des Merkmals der Dauerhaftigkeit beurteilt sich nach den Vorstellungen, die die Mitglieder der Vereinigung bei deren Gründung hegten. Insoweit ist zum einen nicht erkennbar, dass sich die Zielrichtung der Vereinigung von vornherein auf die Durchführung einer einzigen terroristischen Aktion beschränkte. Vielmehr liegt es nahe, dass sich die Gruppierung zunächst in dem allgemeinen Bestreben zusammenschloß, terroristische Beiträge zum "heiligen Krieg" fundamentalistischer Islamisten im Umkreis der AI Quaida zu leisten. Zum anderen deutet die lange Planungs- und Vorbereitungszeit - nach bisherigen Erkenntnissen fast zwei Jahre - auf einen von vornherein auf gewisse Dauer angelegten Zusammenschluss hin.
3. Der Annahme einer terroristischen Vereinigung steht nicht entgegen, dass die von der Organisation geplanten Straftaten ausschließlich im Ausland begangen werden sollten. Denn jedenfalls auf die beabsichtigten Flugzeugentführungen (§ 316 c StGB) findet gemäß § 6 Nr. 3 StGB das deutsche Strafrecht Anwendung. Damit unterfällt die Vereinigung auch dem § 129 a StGB.
1. Für die Gleichstellung eines Heranwachsenden mit einem Jugendlichen im Sinne von § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG ist nicht entscheidend, ob er das Bild eines noch nicht 18-jährigen bietet; vielmehr ist maßgebend, ob in dem Täter noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind (st. Rspr. BGHSt 12, 116; 22, 41; 36, 37). Der Jugendkammer steht hier ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH NJW 2002, 73).
2. Bei Reifeentscheidungen ist in der Regel die Anhörung eines Sachverständigen nicht geboten (vgl. BGH NStZ 1984, 467). Sind nach beanstandungsfreier Auffassung der Kammer Auffälligkeiten in der sittlichen und geistigen Entwicklung des Angeklagten zur Tatzeit nicht zutage getreten, ist auch bei Abweichung von der Einschätzung der Jugendgerichtshilfe die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens nach § 244 Abs. 2 StPO jedenfalls dann grundsätzlich nicht erforderlich, wenn sich die Jugendkammer naturgemäß selbst aus zahlreichen vorangegangenen Verfahren Sachkunde erworben hat.
3. Entscheidend für die Annahme einer Jugendverfehlung ist, ob unabhängig vom generellen Reifegrad des Angeklagten, die konkrete Tat auf jugendlichen Leichtsinn, Unüberlegtheit oder soziale Unreife zurückgeht (BGH NStZ 2001, 102).