HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2001
2. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB


Entscheidung

BGH 5 StR 371/00 - Beschluß v. 28. November 2000 (LG Kleve)

Verfall; Steuerhinterziehungen; Bestehende Steuerforderungen; Aus einer Tat erlangt; Verletzter

§§ 370 ff. AO; § 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB; § 38 AO

1. Zur Bedeutung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB für den Verfall bei bestehenden Steuerforderungen. (BGHR)

2. Aus der Tat erlangt sind alle Vermögenswerte, die dem Täter aufgrund der Tatbegehung in irgendeiner Phase des Tatablaufs (vgl. BGH NStZ 1994, 123, 124) zufließen. Der Verfall ist dabei gegebenenfalls auch auf die Surrogate des Erlangten zu erstrecken (§ 73 Abs. 2 Satz 2 StGB). (Bearbeiter)

3. Verletzter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB kann nur derjenige sein, dessen Individualinteressen durch das vom Täter übertretene Strafgesetz geschützt werden sollen (vgl. BGHR StGB § 73 - Verletzter 1, 2). Das durch die Steuerdelikte der §§ 370 ff. AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d. h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109; 41, 1, 5). Die Steuerstraftatbestände schützen damit gerade die Fiskalinteressen des Staates. (Bearbeiter)

4. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB bezieht sich auf Ansprüche schlechthin; die Vorschrift erfaßt damit auch öffentlich-rechtliche Ansprüche wie die hier vorliegenden Steueransprüche. Der mit dem Steuerfiskus nicht identische Justizfiskus soll nach der gesetzlichen Regelung in jedem Fall hinter den übrigen Anspruchsinhabern zurückstehen. (Bearbeiter)

5. Es sind auch solche Steueransprüche des Staates "aus der Tat erwachsen", die nicht erst aufgrund des tatbestandlichen Geschehens entstanden sind, sondern bereits vorher entstanden waren, sofern sich die Steuerstraftat auf sie bezieht. (Bearbeiter)

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

BGH 5 StR 123/00 - Urteil. v. 14. Dezember 2000 ( LG Potsdam)

(Haushalts-) Untreue (Aufbauphase in den neuen Ländern); Vorsatz; Vermögensnachteil; Pflichtwidrigkeit; Treugut; Zweckverfehlung; Schwarze Kasse

§ 266 StGB; § 16 StGB

1. Zu den Voraussetzungen der Haushaltsuntreue während der Aufbauphase in den neuen Ländern. (BGHR)

2. Allein der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Grundsätze begründet nicht den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB. Hierfür muß ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB hinzukommen, der nicht allein darin begründet sein kann, daß der Täter gegen die sachliche oder zeitliche Bindung der haushaltsmäßigen Mittel verstößt oder das Gebot außer Acht läßt, Ausgaben nur insoweit und nicht eher zu leisten, als sie zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung erforderlich sind (BGHSt 40, 287, 294). (Bearbeiter)

3. Da die Untreue nur das Vermögen, nicht aber allgemein die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn schützt, muß die jeweils pflichtwidrige Handlung darauf untersucht werden, ob sie im konkreten Fall zu einem Vermögensnachteil geführt hat, weil sie zweckwidrig oder sonst dem betreuten Vermögen nachteilig war (BGHSt 43, 293, 297). Ein Nachteil kann in Gestalt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung allerdings bereits dann eintreten, wenn öffentliche Gelder einer haushaltsrechtlichen Kontrolle entzogen werden und damit letztlich der freien Verfügung des Disponierenden unterliegen. Unter dem Gesichtspunkt der Vermögensgefährdung ist gleichfalls in der Bildung sogenannter "schwarzer Kassen" ein Vermögensnachteil zu sehen (BGH NStZ 1986, 455). (Bearbeiter)

4. Abgesehen von diesen speziellen Sachverhaltsgestaltungen sind zur Feststellung eines Nachteils grundsätzlich die Leistung und die empfangene Gegenleistung im Wege einer Gesamtbetrachtung zu gewichten. Deshalb fehlt es an einem Nachteil, falls wertmindernde oder werterhöhende Faktoren sich gegenseitig aufheben (BGH NStZ 1986, 455, 456). (Bearbeiter)

5. Ungeachtet der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung kommt Haushaltsuntreue in Betracht, wenn durch eine Haushaltsüberziehung eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich wird, wenn die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den Mittelaufwand insbesondere in seiner politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird (BGHSt 43, 293, 299). (Bearbeiter)

6. Durch Zweckverfehlung sinnlose Leistungen begründen den Nachteil im Sinne des § 266 StGB. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 4 StR 327/00 - Urteil v. 14. Dezember 2000 (LG Essen)

Abgrenzung von Strafzumessungsvorschrift und Qualifikationstatbestand; Vorsatz (Wissentlichkeit); Schwere Körperverletzung; Sehvermögen; Schwerkriminalität; Gesetzesverletzung (Zulässigkeit der Revision der Nebenklage)

§ 226 Abs. 2 StGB (1998); § 223 StGB; § 400 StPO

1. § 226 Abs. 2 StGB ist nicht Strafzumessungsvorschrift, sondern Qualifikationstatbestand. (BGHR)

2. Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 226 Abs. 2 StGB reicht es aus, daß der Täter die schwere Körperverletzung als sichere Folge seines Handelns voraussieht. Die Vorschrift ist - etwa nach strafbefreiendem Rücktritt vom Tötungsversuch - auch bei direktem Tötungsvorsatz anwendbar; die entgegenstehende frühere Rechtsprechung (BGH NStZ 1997, 233, 234) ist überholt. (BGHR)

3. Der Tötungsvorsatz ist stets mit dem Körperverletzungsvorsatz verbunden ist (st. Rspr., s. nur BGHSt 16, 122, 123; 44, 196, 199). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 4 StR 464/00 - Beschluß v. 12. Dezember 2000 (LG Stendal)

Erfolgsqualifiziertes Delikt; Vorsatz; Gefahr; Verwenden eines gefährlichen Werkzeuges; Fahrlässigkeit; Fehlende Therapiebereitschaft; Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; Doppelverwertungsverbot

§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB; § 177 StGB; § 64 StGB; § 46 Abs. 3 StGB

1. § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB ist kein erfolgsqualifiziertes Delikt, sondern setzt auch hinsichtlich des Eintritts der Gefahr Vorsatz voraus. (BGHSt)

2. Der Täter verwendet ein gefährliches Werkzeug gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB auch dann, wenn er es ausschließlich zur Vornahme der sexuellen Handlung einsetzt. (BGHSt)


Entscheidung

BGH 1 StR 438/00 - Beschluß v. 21. November 2000 (LG Waldshut - Tiengen)

Verhältnis von Brandstiftung und schwerer Brandstiftung nach der Reform durch das 6. StrRG

§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Fassung: 13. November 1998); § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Fassung: 13. November 1998)

Beim Inbrandsetzen ein und desselben fremden Gebäudes wird der Tatbestand der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (i.d.F. des 6. StrRG) durch denjenigen der schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 (hier: Inbrandsetzen eines Gebäudes, das der Wohnung von Menschen dient) verdrängt. (BGHR)


Entscheidung

BGH 3 StR 360/00 - Urteil v. 8. November 2000 (LG Hildesheim)

Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs; Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer; Angriff auf die Entschlußfreiheit des Opfers; Unternehmensdelikt; Tätigkeitsdelikt; Erfolgsdelikt; Vollendung

§ 316a Abs. 1 StGB

1. Durch die Neufassung des § 316 a Abs. 1 StGB durch das 6. StrRG wird der Regelungsgehalt des Tatbestandsmerkmals des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs nicht berührt. (BGHR)

2. Das Merkmal des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ist erfüllt, wenn der Täter sich eine Gefahrenlage zunutze macht, die dem fließenden Verkehr eigentümlich ist. Die Gefahrenlage wird in erster Linie begründet durch die Beanspruchung des Fahrers infolge des Lenkens eines Kraftfahrzeugs und die damit verbundene Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung sowie durch die hieraus folgende Erschwerung einer Gegenwehr. Auf dieser Grundlage ist ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer bei einem Überfall auf den Fahrer eines verkehrsbedingt im fließenden Verkehr haltenden Kraftfahrzeugs anzunehmen (BGHSt 25, 315, 317; 38, 196, 197). (Bearbeiter)

3. Auch die durch die Fahrt bewirkte "Vereinzelung des Fahrers" und die damit verbundene Nichterreichbarkeit fremder Hilfe ist zu den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs zu rechnen (BGHSt 5, 280, 282; 13, 27, 30). Eine erhebliche Entfernung von fremder Hilfe ist dabei nicht gefordert. Das Opfer ist auch dann isoliert, wenn in unmittelbarer Nähe des Tatortes der Verkehr vorbeiflutet (BGHSt 15, 322). Die Voraussetzungen des § 316 a Abs. 1 StGB sind auch dann zu bejahen oder möglicherweise erfüllt, wenn der beabsichtigte Überfall von einem Fahrzeuginsassen erst nach dem planmäßig herbeigeführten Anhalten des Fahrzeugs begangen wurde (BGHSt 18, 170; 38, 196). Erforderlich ist aber eine nahe Beziehung der Tat zum Straßenverkehr, zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrs- und Transportmittel (BGH NJW 1971, 765, 766). (Bearbeiter)

4. Der Tatbestand des § 316 a StGB ist zu verneinen, wenn der Angriff auf den Fahrer oder Beifahrer im ruhenden Verkehr stattfand, also erst, nach dem das Fahrzeug auf einem Parkplatz, am Fahrtziel oder einem Zwischenziel angekommen und die Fahrt damit zunächst beendet war. (Bearbeiter)

5. Zur Begründung des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs kann darauf abgestellt werden, daß der Angeklagte den Umstand ausnutzt, daß dem Opfer als Führer des PKW aufgrund der räumlichen Enge nur erheblich eingeschränkte Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. BGHR StGB § 316 a 1 Straßenverkehr 7). Dies gilt aber nicht, soweit der Entschluß zum Raub erst gefaßt und der Angriff unternommen worden ist, nachdem das Fahrzeug zum Stillstand gekommen war. Zur Tatbestandserfüllung des § 316 a Abs. 1 StGB genügt es nicht, daß lediglich die Abwehrmöglichkeiten des Kraftfahrzeugführers durch die Enge im Fahrzeug eingeschränkt sind. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 4 StR 375/00 - Urteil v. 14. Dezember 2000 (LG Zweibrücken)

Mord aus niedrigen Beweggründen ("Sippenhaft", Tötung des Intimpartners); Motivbündel; Rache; Feststellung der subjektiven Tatseite bei Mordmerkmalen; Affekt (Affektiver Ausnahmezustand); Besondere Schuldschwere (Beschränkter Prüfungsmaßstab); Tiefgreifende Bewußtseinsstörung (Affektdurchbruch); Bedeutung des Sachverständigen; Zu fordernde Affektbeherrschung

§ 211 Abs. 2 StGB; § 212 StGB; § 16 StGB; § 21 StGB; § 57 a StGB; § 72 StPO

1. Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Haß und Rachsucht kommen allerdings nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen. Hierbei ist zu bedenken, daß nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Intimpartner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, deshalb zwangsläufig schon auf niedrigen Beweggründen beruht. Vielmehr können in einem solchen Fall tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als "niedrig" im Sinne der Mordqualifikation zumal dann als fraglich erscheinen lassen können (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 32), wenn die Trennung von dem Tatopfer ausgegangen war und sich der Angeklagte nicht nur in seiner Lebensplanung enttäuscht, sondern er sich durch seine frühere Ehefrau - namentlich wegen des "untergeschobenen" Kindes - getäuscht und "betrogen" fühlte.

2. Subjektive Tatseite des mordqualifizierenden Merkmals niedrige Beweggründe - Spielen bei der Tat gefühlsmäßige Regungen eine Rolle, so muß sich der Tatrichter mit der Frage auseinandersetzen, ob der Angeklagte in der Lage war, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (BGHSt 28, 210, 212: BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 2). Nach dem normativen Maßstab der Rechtsprechung sind die Anforderungen für die Annahme, der Täter habe seine Antriebe zur Tat nicht mehr gedanklich beherrschen und gewollt steuern können, regelmäßig um so höher, je schwerwiegender die Tötungstat nach ihren - vom Vorsatz des Täters umfaßten und ihm vorwerfbaren - konkreten Umständen und Folgen ist (BGH NJW 1993, 3210, 3211).

3. Es obliegt dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57 a StGB zu gewichten. Das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen, sondern hat nur zu prüfen, ob dieser alle maßgeblichen Umstände bedacht hat (st. Rspr.; BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 11, 18 jew. m.w.N.).

4. Schon eine längere Zeit vor der Tat bestehende ambivalente Täter-Opfer-Beziehung mit chronischen Affektspannungen kann auch die Annahme begründen, daß das Persönlichkeitsgefüge des Täters bei der Tatausführung schwer erschüttert war (BGHR StGB § 21 Affekt 61). Unter solchen Umständen einer für eine Partnertötung im Affekt typischen Konfliktentwicklung, deren Opfer im Einzelfall auch Dritte werden können (vgl. BGH NStZ 1988, 268), können auch sogenannte "Vorgestalten" der Tat in der Phantasie, mit einem tatauslösenden affektiven Durchbruch als einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung im Sinne des § 21 StGB vereinbar sein; das erfaßt auch die Ankündigung der Tat bis hin zu Vorbereitungshandlungen - mithin Umstände, die üblicherweise gegen einen rechtlich relevanten Affekt gewertet werden.

5. Bei der Frage, ob eine Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB "erheblich" ist, handelt es sich um eine nach normativen Maßstäben und deshalb vom Richter ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage (BGHSt 43, 66, 77). Es ist auch nicht Aufgabe des psychiatrischen Sachverständigen, sich zu der rechtlichen Einordnung der von ihm erhobenen Befunde zu äußern. Schweigt der Sachverständige dazu, so bedeutet dies zwar nicht, daß es deshalb an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme einer "erheblichen" Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit fehlt. Allerdings gebietet es der hohe Rang des durch §§ 211, 212 StGB geschützten Rechtsguts, die Anforderungen an die schuldmindernde Bewertung der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Beziehung zwischen Täter und Opfer nicht gering anzusetzen (vgl. BGH NJW 1993, 3210, 3211; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 6 und 8), zumal grundsätzlich zu verlangen ist, daß der geistig gesunde Mensch seine Affekte und sich beherrscht (vgl. BGHR StGB § 20 Ursachen, mehrere 4).


Entscheidung

BGH 4 StR 493/00 - Beschluß v. 30. November 2000 (LG Rostock)

Schwerer Raub; Verwendung einer Waffe; Gefährliches Werkzeug; Schreckschußpistole; Feststellung und Darlegung bei der Annahme der objektiven Gefährlichkeit

§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB; § 249 StGB

1. Der Anwendung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB steht nicht bereits entgegen, daß eine eingesetzte Schreckschußpistole (noch) nicht durchgeladen war (vgl. BGHSt 45, 249, 251). Jedoch setzt eine "Waffe" im Sinne dieser Vorschrift voraus, daß sie nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach der Art ihrer Verwendung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen (st. Rspr.). Dies kann bei Verwendung einer Schreckschußpistole dann der Fall sein, wenn sie dem Opfer (unmittelbar) an den Körper gehalten wird, da ein aufgesetzter Schuß mit einer Platzpatrone aufgrund der austretenden Explosionsgase und der mitgerissenen Munitionspartikel regelmäßig zu erheblichen Verletzungen führt (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; BGH NStZ-RR 1999, 102 jeweils m.w.N.).

2. Wird eine geladene Schreckschußwaffe dem Opfer aus einer Entfernung von zwei Metern vorgehalten, so versteht sich die objektive Gefährlichkeit nicht von selbst, vielmehr bedarf dann die objektive Gefährlichkeit näherer Darlegung.


Entscheidung

BGH 1 StR 414/00 - Beschluß v. 7. Dezember 2000 (LG Ravensburg)

Verhältnis der Mordmerkmale Habgier und Verdeckung einer Straftat, bei vorausgegangenen vollendeten schweren Raub; Besondere Schwere der Schuld; Motivbündel (Bewußtseinsdominanz)

§§ 211 Abs. 2, 250 Abs. 2 Nr. 1; 57a StGB

1. Zum Verhältnis der Mordmerkmale Habgier und Verdeckung einer anderen Straftat bei einem der Tötung des Tatopfers vorausgegangenen vollendeten, aber noch nicht beendeten Raub. (Leitsatz des BGH)

2. Handelt der Täter aus einem "Motivbündel" heraus, so muß, zur Annahme von Habgier, eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen Motive ergeben, daß das Gewinnstreben tatbeherrschend und damit bewußtseinsdominant war. (Leitsatz des Bearbeiters)

3. Habgier liegt bei einem Raub mit anschließender Tötung des Raubopfers in der Regel nahe, wenn es dem am Tatort befindlichen Täter bei der Tötungshandlung auch um die Sicherung und die ungestörte Verwertung der Beute geht. (Leitsatz des Bearbeiters)

4. Der Annahme von Habgier steht nicht entgegengestanden, daß die Angeklagten erst mit der Tötungshandlung begonnen hatten, als die Raubhandlung bereits vollendet, aber noch nicht beendet war. Die Habgier kann dabei nämlich mitbestimmend sein, sich mit der Tötung des Geschädigten den noch gefährdeten Besitz an der Beute endgültig zu sichern. (Leitsatz des Bearbeiters)