Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2000
1. Jahrgang
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1. Eine Änderung der in der Anklageschrift angegebenen Tatzeiten, durch die bisher von der Anklage nicht erfaßte Straftaten in die Strafverfolgung einbezogen werden sollen, ist nach Zulassung der Anklage auch dann nicht zulässig, wenn es sich bei den Angaben in der Anklageschrift um ein Versehen der Staatsanwaltschaft gehandelt hat und diese der Änderung zustimmt. (BGHSt)
2. Ist eine nicht angeklagte Tat abgeurteilt worden, so unterliegt auch das freisprechende Urteil auf zulässige Revision der Staatsanwaltschaft der Aufhebung. Das beim Landgericht geführte Verfahren ist einzustellen. Der Grundsatz des "Vorrangs des Freispruchs vor der Einstellung" gilt hier nicht. (BGHSt)
3. Hält der Tatrichter rechtsirrig eine Tat für nicht angeklagt und sieht er daher von einer Entscheidung über diese Tat ab, so ist das Verfahren in diesem Umfang weiterhin bei ihm anhängig; eine Entscheidungsbefugnis des Revisionsgerichts in der Sache besteht insoweit nicht. (BGHSt)
1. Zur Freiwilligkeit (Fehlgeschlagener Versuch) bei zunächst gescheiterter Aufforderung zur Flucht des Mitangeklagten.
2. Eine massive Anpreisung der eigenen Verteidigerqualität, aus welcher der Mandant positive Auswirkungen auf den Verfahrensausgang zu erwarten habe, die zudem auf erlogener Basis erfolgt, ist bei der Inaussichtstellung ihres Entzuges objektiv keine Drohung mit einem empfindlichen Übel. Hierin ist vielmehr lediglich eine von der Drohung abzugrenzende Warnung vor naheliegenden für den Mandanten negativen Konsequenzen für den Weigerungsfall zu sehen.
3. Zu einem Einzelfall, in dem ein Schriftsatz nicht als spontan abgegebene freiwillige Erklärung gewertet werden kann, deren Verwertbarkeit mangels Zusammenhangs mit einer Vernehmung zu erwägen wäre (Angaben, die "aus freien Stücken" und nicht im Bewußtsein ihrer späteren Verwendungsmöglichkeit im Verfahren abgegeben worden sind (vgl. auch BGHR StPO § 252 - Verwertungsverbot 16, zum Abdruck in BGHSt bestimmt).
1. Es bestünden gegen eine Verwertung von Zufallserkenntnissen aus einer in einem anderen Verfahren angeordneten Telefonüberwachung zum Nachweis einer bloßen versuchten Nötigung erhebliche Bedenken, da diese keine Katalogtat gemäß § 100a Satz 1 StPO ist (§ 100b Abs. 5 StPO). Allein der Verdacht einer Katalogtat, der versuchten schweren räuberischen Erpressung, zum Zeitpunkt der Überwachung dürfte jedenfalls dann nicht ausreichen, wenn er, in keinem Zusammenhang mit der Tat stand, die Anlaß für die verwertete, gegen einen Dritten angeordnete Telefonüberwachung war.
2. Bei künftigen Rügen dieser Art wird ein Widerspruch erforderlich und in der Revisionsbegründung darzulegen sein.
Werden in einem Verfahren mehrere Angeklagte abgeurteilt, so können nicht Feststellungen, die nach dem Zweifelssatz zu Gunsten eines Angeklagten getroffen sind, Grundlage für Feststellungen zum Nachteil eines anderen Angeklagten sein (BGH StV 1996, 81; BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8 m. w. N.). Ebensowenig können Feststellungen, die in einem früheren Verfahren gegen den damaligen Angeklagten auf der Grundlage des Zweifelssatzes getroffen wurden, in einem späteren Verfahren Grundlage für Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten dieses Verfahrens sein.
Auch eine möglicherweise unüberlegte und zu voreilige Annahme des Urteils durch den Angeklagten steht der Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts nicht entgegen.
Ein Anfragebeschluß verpflichtet die angefragten Senate nicht dazu, ihrerseits den Großen Senat anzurufen, wenn sie an der bisherigen Rechtsprechung festhalten wollen. Zwar kann die Anfrage den anfragenden Senat gegenüber dem ihm zustimmenden angefragten Senat binden. Eine darüber hinausreichende Sperrwirkung, die alle angefragten, an der bisherigen Rechtsprechung festhaltenden Senate hindern würde, auf dieser Grundlage weiterhin zu entscheiden, sieht aber das Gesetz nicht vor.