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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 63/99, Beschluss v. 21.04.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 63/99 - Beschluß v. 21. April 1999 (LG Frankfurt/Oder)

Beweiswürdigung; Glaubwürdigkeit; Kindliche Zeugen;

§ 261 StPO;

Leitsatz des Bearbeiters

Zu einer ungenügenden Beweiswürdigung einer allein erheblichen Aussage eines Kindes, dem möglichen Opfer der Tat.

Entscheidungstenor

I. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Februar 1998 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

II. Der Nebenklägerin wird Rechtsanwalt K als Beistand für das Revisionsverfahren bestellt.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dreier zwischen Sommer 1991 und Silvester 1992 an seiner leiblichen, damals zwischen acht und zehn Jahre alten Tochter E (der Nebenklägerin) begangener Sexualtaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Zugleich hat das Landgericht den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, zwischen Oktober 1990 und Sommer 1991 zwei weitere Sexualtaten an der Nebenklägerin begangen zu haben; dies ist in der insoweit gemäß § 267 Abs. 5 StPO abgekürzten Urteilsfassung nur damit begründet, daß der Angeklagte "aus tatsächlichen Gründen" freizusprechen gewesen sei.

Die Verurteilung kann keinen Bestand haben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

"Die aufgrund der allgemeinen Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils ergibt, daß die tatrichterliche Beweiswürdigung mit einem durchgreifenden Rechtsmangel behaftet ist. Der Schuldspruch beruht allein auf den Angaben des Kindes, E da andere Tatzeugen nicht vorhanden sind. Die Würdigung der Aussage der Geschädigten durch den sachverständig beratenen Tatrichter ist zwar für sich genommen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Doch hat die Strafkammer den Angeklagten von zwei weiteren erheblichen Tatvorwürfen, die gleichfalls auf früheren Angaben des Kindes beruhen müssen, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (UA S. 17), ohne daß sich das Urteil dazu näher verhält. Es kann deshalb im Revisionsverfahren nicht überprüft werden, ob das Landgericht die belastenden Aussagen der Zeugin in der gebotenen Form umfassend gewürdigt hat (vgl. Senat in NJW 1993, 2451; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13). Dies nötigt zur Aufhebung des Urteils im beantragten Umfang,"

Ergänzend weist der Senat auf die Entscheidungen BGH NJW 1998, 3788 und BGH, Urteil vom 17. November 1998 - 1 StR 450/98 -, jeweils zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, hin.

Die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand der Nebenklägerin für das Revisionsverfahren beruht auf § 397a Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Ein Verbrechen (vgl. § 397a Abs. 1 Satz 1 StPO), wie die als Fälle 1 und 11 der Anklage benannten Vergewaltigungen gemäß § 177 StGB, ist nicht mehr Verfahrensgegenstand, nachdem der Angeklagte von diesen beiden Tatvorwürfen rechtskräftig freigesprochen worden ist. Jedoch hatte die Nebenklägerin "bei Antragstellung" im Sinne von § 397a Abs. 1 Satz 2 StPO das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Dabei kann dahinstehen, ob als "Antragstellung" in dem genannten Sinn der für die Revisionsinstanz gestellte Antrag oder der erstmalig im Verfahren gestellte Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe zu verstehen ist; denn die Nebenklägerin war bei Stellung des Antrags im Revisionsverfahren noch nicht sechzehn Jahre alt.

Bearbeiter: Karsten Gaede