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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 517/92, Beschluss v. 27.10.1992, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 517/92 - Beschluss vom 27. Oktober 1992 (LG Hanau)

BGHSt 38, 366; Möglichkeit der Erweiterung einer beschränkt eingelegten Revision; Einlegung eines beschränkten Rechtsmittels auch ohne besondere Ermächtigung für den Verteidiger; Strafbarkeit der mitbestraften Nachtat bei Verjährung der Vortat.

§ 52 StGB; § 78 StGB; § 302 Abs. 2 StPO; § 318 StPO; § 341 Abs. 1 StPO; § 344 Abs. 1 StPO

Leitsätze

1. Eine Erweiterung der beschränkt eingelegten Revision ist nur bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist zulässig (Fortentwicklung BGH, 11. Juni 1991, 5 StR 180/91, BGHSt 38, 4). (BGHSt)

2. Strafbarkeit der mitbestraften Nachtat bei Verjährung der Vortat. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 20. Mai 1992 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf nur folgendes:

1. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist wirksam darauf beschränkt worden, daß dem Angeklagten keine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung gewährt worden ist. Nur in diesem Umfang hat der bestellte Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt B., am 21. Mai 1992 Revision eingelegt. Die nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist erfolgte Erweiterung des Rechtsmittels durch den gewählten Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Z. in der Revisionsbegründung vom 30. Juli 1992, mit der er die Überprüfung des Schuldspruchs in vollem Umfang erstrebt, ist nicht wirksam.

a) Entgegen der Auffassung der Revision war der bestellte Verteidiger auch ohne ausdrückliche Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO befugt, ein beschränktes Rechtsmittel einzulegen. Die Ansicht, in der Teilanfechtung liege notwendigerweise auch stets ein der Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO bedürftiger Teilverzicht (RGSt 42, 241, 242; BGHSt 3, 46; 10, 320, 321; Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG § 302 StPO Rdn. 6), hat der Bundesgerichtshof in dem Beschluß vom 13. Juni 1991, der den Fall der Konkretisierung einer unbeschränkt eingelegten Revision in der Revisionsbegründung betrifft, ausdrücklich aufgegeben (BGHSt 38, 4, 5). Bei einer Rechtsmittelbeschränkung macht der Verteidiger von seinem Recht auf Teilanfechtung Gebrauch, das ihm auch ohne besondere Ermächtigung ebenso zusteht wie das Recht, ein Urteil durch Nichtanfechtung insgesamt rechtskräftig werden zu lassen (Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 344 Rdn. 11; Meyer in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 344 Rdn. 7; Kleinknecht/Meyer, StPO 40. Aufl. § 302 Rdn. 31; § 344 Rdn. 5; Paulus in KMR, StPO 8. Aufl. § 318 Rdn. 10; Frisch in SK-StPO § 318 Rdn. 20; aA Eberhard Schmidt aaO § 302 StPO Rdn. 13). In der Beschränkung liegt kein Verzicht auf weitergehende Rechtsmittel, soweit sich aus der Erklärung nichts anderes ergibt. Einen solchen weitergehenden Teilverzicht hat der bestellte Verteidiger hier nicht erklärt.

b) Da in der bloßen Teilanfechtung kein Teilverzicht zu sehen ist, tritt hinsichtlich der nicht angefochtenen Teile des Urteils zunächst keine Rechtskraft ein. Das hat zur Folge, daß der Beschwerdeführer sein bislang beschränktes Rechtsmittel erweitern kann. Dies gilt aber entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Hanack aaO § 344 Rdn. 7; Steindorf in KK, OWiG § 79 Rdn. 76; Frisch aaO § 318 Rdn. 14, 20; Grünwald, Die Teilrechtskraft im Strafverfahren, 1964 S. 72; ausdrücklich offengelassen in BGHSt 38, 4, 6 f) nur bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist des § 341 Abs. 1 StPO (RG JW 1912, 1070; BayObLG JR 1968, 106; Kleinknecht/Meyer aaO § 344 Rdn. 4; § 302 Rdn. 31; Meyer aaO § 344 Rdn. 7; Ruß in KK, StPO 2. Aufl. § 302 Rdn. 21; Paulus aaO § 318 Rdn. 14; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen 5. Aufl. Rdn. 79); denn durch das beschränkt eingelegte Rechtsmittel wird der Eintritt der Rechtskraft nur so weit gehemmt, wie die Anfechtung erklärt ist (§ 343 Abs. 1 StPO). Daher liegt der Fall anders als in der Entscheidung BGHSt 38, 4. Dort war innerhalb der Revisionseinlegungsfrist lediglich erklärt worden, es werde Revision eingelegt. Durch die ohne Einschränkung erfolgte Einlegung der Revision wird aber die Rechtskraft des Urteils nach § 343 Abs. 1 StPO zunächst in vollem Umfang gehemmt. Erst durch die innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO abzugebende Erklärung nach § 344 Abs. 1 StPO wird der Umfang der Anfechtung des bis dahin noch nicht rechtskräftigen Urteils konkretisiert. Verbindet aber der Beschwerdeführer die Erklärung nach § 344 Abs. 1 StPO mit der Revisionseinlegung, tritt mit Ablauf der Frist des § 341 Abs. 1 StPO Teilrechtskraft ein, soweit das Urteil nicht angefochten ist.

2. Die Umsatzsteuerhinterziehung für 1980 ist nicht verjährt. Der Angeklagte gab für 1980 keine Umsatzsteuervoranmeldungen und eine - unrichtige - Umsatzsteuerjahreserklärung erst am 13. September 1982 ab. Die Verfolgungsverjährung ist frühestens am 4. November 1986 durch die Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens unterbrochen worden (§ 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die Revision ist der Ansicht, daß die Tat mit dem Fristablauf für die Abgabe der Jahreserklärung, d.h. am 31. Mai 1981, beendet gewesen und somit die Verjährung nicht rechtzeitig unterbrochen worden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist der Zeitpunkt des § 149 Abs. 2 AO für die Abgabe der Jahreserklärung auch für die Beendigung der durch Unterlassen begangenen Umsatzsteuerhinterziehung maßgeblich (vgl. Urteil des Senats vom 11. Dezember 1990 - BGHR AO § 370 Verjährung 3 - für den Fall, daß weder Voranmeldungen noch eine Jahreserklärung abgegeben wurden, und Urteil des Senats vom 10. Dezember 1991 - BGHSt 38, 165, 169 - für den Fall, daß unrichtige Voranmeldungen, aber keine Umsatzsteuerjahreserklärung abgegeben wurden). Die vom Angeklagten durch Unterlassen begangene Umsatzsteuerhinterziehung war folglich am 31. Mai 1981 beendet; ein Fortsetzungszusammenhang mit der späteren Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung scheidet hier schon aufgrund des langen zeitlichen Abstandes aus. Die spätere Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung ist aber nicht rechtlich bedeutungslos. Es handelt sich um eine Nachtat, durch die die bereits erlangten Vorteile der durch Unterlassen begangenen Tat gesichert werden sollten; diese Nachtat ist hier wegen der Verjährung der Vortat strafbar.

Der Senat hält an seiner Auffassung, daß die Nachtat nur dann und deshalb "straflos" gelassen wird, wenn und weil sie durch die Strafe für die Haupttat schon hinreichend gesühnt wird, fest (BGH bei Dallinger, MDR 1955, 269; BGH NJW 1968, 2115; offengelassen für die Frage der Verjährung vom 3. Strafsenat GA 1971, 83). Bei der (mitbestraften) Nachtat geht es um die Bewertung einer selbständigen, tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung unter dem Gesichtspunkt der Strafbedürftigkeit. Der Unrechtsgehalt der (mitbestraften) Nachtat wird durch die Bestrafung der in erster Linie strafwürdigen Haupttat abgegolten. Kann eine Bestrafung der Haupttat nicht erfolgen, entfällt der Grund für die Straflosigkeit der Nachtat, ohne daß es darauf ankommt, weshalb die Haupttat straffrei bleibt (so zutr. Vogler in LK 10. Aufl. vor § 52 Rdn. 146; aA Stree in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. vor §§ 52 ff. Rdn. 116; jeweils m.w.N.).

Externe Fundstellen: BGHSt 38, 366; NJW 1993, 476; NStZ 1993, 96

Bearbeiter: Rocco Beck