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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 646

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 313/21, Urteil v. 14.04.2022, HRRS 2022 Nr. 646


BGH 5 StR 313/21 - Urteil vom 14. April 2022 (LG Dresden)

Strafzumessung (Zuständigkeit des Tatgerichts; Spielraum; begrenzte Revisibilität; Vertretbarkeitskontrolle; untere Grenze des Strafrahmens); Aussetzung zur Bewährung.

§ 46 StGB; § 56 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe so weit von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen.

2. Das Tatgericht ist lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Die Bewertungsrichtung und das Gewicht der Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet ist

3. Der gesetzliche Strafrahmen erfasst sowohl die denkbar leichtesten als auch die denkbar schwersten Fälle. Dies bedeutet nicht, dass die Mindeststrafe des der Bestimmung der Strafe zugrunde gelegten Strafrahmens nur festgesetzt werden kann, wenn sich ein leichterer Fall als der abzuurteilende nicht mehr denken ließe; dies gilt umso mehr, wenn das Gesetz wie hier mit § 244 Abs. 3 StGB einen milderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vorsieht. Trotz straferschwerender Gesichtspunkte kann deshalb auch dann die Mindeststrafe verhängt werden, wenn das Tatgericht in einer umfassenden Würdigung den strafmildernden Gesichtspunkten ein solches Gewicht beimisst, dass ihm die niedrigere Strafe dennoch angemessen erscheint.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 9. April 2021 werden verworfen.

Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Diebstahls und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten und die Angeklagte B. wegen Diebstahls mit Waffen und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es ein Tatmittel eingezogen. Die Staatsanwaltschaft greift mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen den jeweiligen Strafausspruch an. Die Rechtsmittel sind unbegründet.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

1. Die beiden Angeklagten gingen am 14. Dezember 2018 in einen Einkaufsmarkt, um dort gemeinsam Verkaufsware zu entwenden. Sie legten die Gegenstände zunächst in ihren Einkaufswagen und verstauten sie nach und nach in ihren Rucksäcken. An der Kasse bezahlten sie lediglich zwei Dosen Bier. Anschließend passierten sie die Kassenzone, ohne die in ihren Rucksäcken steckenden Waren in einem Gesamtwert von knapp 90 Euro zu bezahlen. Die Angeklagte B. führte ein Tierabwehrspray mit sich; der Angeklagte S. wusste das nicht.

2. Nach dem Verlassen der Kassenzone wurden die Angeklagten von dem Ladendetektiv, der sie bei dem Diebstahl beobachtet hatte, aufgefordert, ihm in seinen Büroraum zu folgen. Da sie sich weigerten, ihre Rucksäcke zu öffnen, sagte der Detektiv zu der Angeklagten B., sie solle „die Hosen runterlassen“, dann sei „die Sache vom Tisch“. Damit wollte er - umgangssprachlich - zum Ausdruck bringen, dass die Angeklagten ihre Rucksäcke öffnen und die Tat zugeben sollten. Aufgrund eines vermeidbaren Irrtums meinten diese aber, dass der Ladendetektiv die Angeklagte B. zum Geschlechtsverkehr zwingen wollte. Um den vermeintlichen Übergriff abzuwehren, schlug der Angeklagte S. den Detektiv mit den Fäusten ins Gesicht und auf die Brust, wodurch dieser Schmerzen erlitt. Die Angeklagte B. holte ihr Tierabwehrspray heraus und sprühte damit in Richtung des Detektivs, der hierdurch ein kurzzeitiges Augenbrennen spürte.

II.

Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

1. Die Revisionen sind wirksam auf den jeweiligen Strafausspruch beschränkt.

Zwar hat die Staatsanwaltschaft mit der Revisionseinlegung die allgemeine Sachrüge erhoben und dort wie auch in der Revisionsbegründung beantragt, das Urteil insgesamt aufzuheben. Damit steht der übrige Inhalt der Revisionsrechtfertigung aber nicht im Einklang. Danach hat die Staatsanwaltschaft die Rechtsmittel „ergänzend“ wie folgt begründet: „1. Strafzumessung betreffend die Angeklagte S. B. (…). 2. Strafzumessung betreffend den Angeklagten L. S. (…). 3. Bewährungsaussetzung betreffend den Angeklagten L. S. (…).“ Trotz des sich daran anschließenden Satzes („Ungeachtet dieser Ausführungen bleibt die Sachrüge allgemein erhoben“) ergibt sich aus den einzelnen Beanstandungen, dass die Staatsanwaltschaft das Urteil nur hinsichtlich der Strafaussprüche für rechtsfehlerhaft hält. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts widersprechen sich somit Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88 f. mwN).

Hinsichtlich des Angriffsziels einer Revision ist der Sinn der Rechtsmittelbegründung maßgeblich. Für Revisionen der Staatsanwaltschaft ist hierbei Nr. 156 RiStBV in den Blick zu nehmen. Nach Absatz 1 ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel zu begründen. Darüber hinaus soll die Staatsanwaltschaft ihre Revision stets so rechtfertigen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (Nr. 156 Abs. 2 RiStBV). Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift des § 345 Abs. 2 StPO, die der sachkundigen Zusammenfassung der von der Revision erstrebten rechtlichen Angriffe dient (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1956 - 3 StR 473/55, NJW 1956, 756, 757).

Angesichts dessen sind nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft allein die Strafaussprüche angefochten. Soweit die Staatsanwaltschaft die Rechtsmittel ungeachtet ihrer konkreten Ausführungen auf die allgemeine Sachrüge stützt, versteht der Senat dies in der Gesamtschau des Revisionsvorbringens dahin, dass die Staatsanwaltschaft die von ihr erstrebte sachlich-rechtliche Nachprüfung der Strafaussprüche nicht auf die von ihr insoweit ausdrücklich vorgebrachten Beanstandungen begrenzt wissen will (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 9; vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3, insoweit in BGHSt 36, 167 nicht abgedruckt).

2. Die Strafaussprüche halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe so weit von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen. Das Tatgericht ist lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Die Bewertungsrichtung und das Gewicht der Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 - 5 StR 545/20 mwN).

b) Daran gemessen zeigt die Beschwerdeführerin durchgreifende Rechtsfehler weder zugunsten noch zulasten (§ 301 StPO) der Angeklagten auf.

aa) Entgegen der Revision ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den von der Angeklagten B. begangenen Diebstahl mit Waffen mit der von § 244 Abs. 1 StGB vorgesehenen Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe geahndet hat. Ein offensichtlich grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe ist allein deswegen nicht gegeben. Der gesetzliche Strafrahmen erfasst sowohl die denkbar leichtesten als auch die denkbar schwersten Fälle. Dies bedeutet nicht, dass die Mindeststrafe des der Bestimmung der Strafe zugrunde gelegten Strafrahmens nur festgesetzt werden kann, wenn sich ein leichterer Fall als der abzuurteilende nicht mehr denken ließe; dies gilt umso mehr, wenn das Gesetz wie hier mit § 244 Abs. 3 StGB einen milderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vorsieht. Trotz straferschwerender Gesichtspunkte kann deshalb auch dann die Mindeststrafe verhängt werden, wenn das Tatgericht in einer umfassenden Würdigung den strafmildernden Gesichtspunkten ein solches Gewicht beimisst, dass ihm die niedrigere Strafe dennoch angemessen erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2000 - 2 StR 573/99, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 14).

Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat die wesentlichen Strafzumessungsgesichtspunkte erörtert. Es ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die in der geplanten und gemeinschaftlichen („organisierten“) Tatausführung zum Ausdruck gekommene erhöhte kriminelle Energie und der nicht unerhebliche Wert des Diebesgutes durch die Wahl des Regelstrafrahmens (§ 244 Abs. 1 StGB) statt der Annahme eines minder schweren Falls (§ 244 Abs. 3 StGB) ausreichend Berücksichtigung gefunden haben. Anders als die Revision meint, hat das Landgericht auch keinen wesentlichen Strafschärfungsgrund außer Betracht gelassen. Insbesondere hat es berücksichtigt, dass gegen die - ansonsten unbestrafte - Angeklagte nur wenige Tage vor der Tat im Strafbefehlsweg eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 15 Euro wegen Diebstahls verhängt worden war; ein Erörterungsmangel liegt nicht vor. Dass es dennoch auf die Mindeststrafe erkannt hat, ist - eingedenk des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Revisionsgerichts - insbesondere angesichts des langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil rechtlich nicht zu beanstanden.

Die auf die Revision der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO veranlasste umfassende rechtliche Nachprüfung des Urteils weist indes einen Rechtsfehler zuungunsten der Angeklagten B. auf. Denn das Landgericht hat weder mitgeteilt, ob der am 4. Dezember 2018 gegen sie erlassene Strafbefehl vor der hiesigen Tat bereits zugestellt, noch ob er bereits rechtskräftig geworden war. Das Urteil beruht indes nicht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil der Senat ausschließen kann, dass das Landgericht ohne die Berücksichtigung der Vorstrafe eine niedrigere Einzel- oder Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, zumal die Begehung früherer Taten sogar dann strafschärfend berücksichtigt werden kann, wenn diese noch nicht abgeurteilt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 234/13; LKSchneider, StGB, 13. Aufl., § 46 Rn. 159; Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 653).

bb) Hinsichtlich des Angeklagten S. hat das Landgericht ebenfalls die wesentlichen ent- und belastenden Umstände in den Blick genommen und jedenfalls vertretbar gewürdigt. Zwar hat es - worauf die Revision zu Recht hinweist - im Widerspruch zu den im Rahmen der persönlichen Verhältnisse festgestellten (gesamtstrafenfähigen) Verurteilungen zu Freiheitsstrafen vom 28. Januar 2016 und 4. September 2017 bei der Strafzumessung ausgeführt, der Angeklagte sei zuletzt im Jahr 2015 bestraft worden. Das Urteil beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten (§ 337 Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat vor allem die erheblichen Vorstrafen und die Tatbegehung während laufender Bewährung zulasten herangezogen. Dass es dabei die letzte Verurteilung in zeitlicher Hinsicht unzutreffend im Jahr 2015 verortet hat, fällt angesichts des Umstandes, dass die der letzten Vorstrafe zugrundeliegende Tat spätestens Anfang 2016 begangen worden war, nicht entscheidend ins Gewicht. Der Senat schließt angesichts dessen aus, dass das Landgericht insbesondere mit Blick auf den langen Zeitablauf zwischen der Begehung der abgeurteilten Taten im Dezember 2018 und deren Ahndung durch das verfahrensgegenständliche Urteil im April 2021 bei einer zutreffenden Beurteilung der Vorstrafenlage höhere Einzelstrafen oder eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

Die nach § 301 StPO veranlasste umfassende rechtliche Nachprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zuungunsten des Angeklagten ergeben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem „doppelten Bewährungsbruch“ ausgegangen ist. Das Urteil beruht jedoch auch nicht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn das Landgericht hat bei der Strafbemessung strafschärfend in erster Linie die „massiven, auch einschlägigen Vorstrafen“ des Angeklagten herangezogen. Der Senat kann angesichts dessen und mit Blick darauf, dass das Landgericht zutreffend von einer Tatbegehung während laufender Bewährung ausgegangen ist, ausschließen, dass es noch mildere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

c) Die den Angeklagten gewährte Strafaussetzung gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr wird gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Bei der insoweit anzustellenden Gesamtwürdigung, insbesondere der in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Umstände, kommt dem Tatgericht ein weiter Bewertungsspielraum zu; dessen Entscheidung ist daher vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2018 - 2 StR 516/17; vom 12. Mai 2021 - 5 StR 120/20).

bb) Gemessen daran liegt ein durchgreifender Rechtsfehler, der allein dem Revisionsgericht ein Einschreiten ermöglichen würde, nicht vor.

(1) Zwar ist dem Generalbundesanwalt zuzugeben, dass die Begründung der Bewährungsentscheidung hinsichtlich der Angeklagten B. äußerst knapp gehalten ist. Ein Erörterungsmangel liegt aber nicht vor. Das Landgericht hat mit dem Strafbefehl vom 4. Dezember 2018 den einzigen gewichtigen Umstand erörtert, der einer günstigen Kriminalprognose hätte entgegenstehen können. Dass es danach zu der Annahme gelangt ist, dass sich die seit geraumer Zeit drogenabstinente Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(2) Aspekte im Sinne des § 56 Abs. 3 StGB, die der Aussetzung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

(3) Die dem Angeklagten S. gewährte Strafaussetzung zur Bewährung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis ebenfalls stand. Der Bewährungsbruch, den das Landgericht bei der Strafzumessung hervorgehoben und mithin auch bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB nicht aus dem Blick verloren hat, schließt eine günstige Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht von vornherein aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2012 - 1 StR 100/12, NStZ-RR 2012, 201; vom 23. Juni 1983 - 1 StR 376/83, NStZ 1983, 454). Dass das Landgericht die Strafaussetzung zur Bewährung wesentlich darauf gestützt hat, dass der geständige Angeklagte seit den hier abgeurteilten Taten im Dezember 2018 bis zu deren Ahndung im April 2021 nicht mehr straffällig geworden ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - 5 StR 204/10, NStZ-RR 2010, 306, 307; Beschluss vom 8. Februar 2012 - 2 StR 136/11, NStZ-RR 2012, 170, 171). Demgegenüber fallen 20 21 22 23 die von der Revision zu Recht vorgetragenen Beanstandungen (fehlerhafte zeitliche Beurteilung der Vorstrafenlage, fehlende ausdrückliche Relativierung der Erkrankung) nicht maßgeblich ins Gewicht. Der Senat kann daher ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Einordnung dieser Umstände zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (§ 337 Abs. 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 646

Bearbeiter: Christian Becker