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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1193

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 236/25, Beschluss v. 15.07.2025, HRRS 2025 Nr. 1193


BGH 4 StR 236/25 - Beschluss vom 15. Juli 2025 (LG Zweibrücken)

Verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge (bedingter Gefährdungsvorsatz: Alleinrennen, vorsatzkritische Umstände, Eigengefährdung, Alkoholisierung, lückenhafte Feststellungen, Beweiswürdigung; Zusammenhang zwischen Tathandlung und konkreter Gefahr: renntypische Gefahr, Verletzung des Rechtsfahrgebots auf schmaler unübersichtlicher Straße, gleichgelagertes Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer, kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang erforderlich, Mitverschulden anderer Verkehrsteilnehmer).

§ 15 StGB; § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB; § 315d Abs. 2 StGB; § 315d Abs. 5 StGB; § 261 StPO; § 2 Abs. 2 StVO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein bedingter Gefährdungsvorsatz liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet. Wie konkret die Vorstellung des Täters sein muss und in welchem Umfang das Tatgericht dazu Feststellungen treffen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

2. Die Vorstellung des Täters muss sich nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen (z.B. Nichteinhaltenkönnen der rechten Spur in anstehenden Kurven bei Gegenverkehr, Querverkehr an Kreuzungen, haltende Fahrzeug etc.) dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht. Dabei können die Kenntnis des Täters von der Fahrtstrecke und den sich dabei ergebenden Gefahrenstellen, sein vorangegangenes Fahrverhalten, Erfahrungen des Täters aus dem bisherigen Fahrtverlauf, aber auch die Nähe des drohenden Unfalls Indizien für eine hinreichend konkrete Vorstellung des Täters von der drohenden Gefahr und deren Billigung sein.

3. Zwischen der Tathandlung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und der eingetretenen konkreten Gefahr im Sinne von § 315d Abs. 2 StGB („Beinaheunfall“) muss ein - vom Gefährdungsvorsatz umfasster - innerer Zusammenhang bestehen. Das Verbot des Alleinrennens soll die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch die Auswirkungen jenes Fahrverhaltens verhindern, das ein Kraftfahrer mit gesteigerter Risikobereitschaft und unter Missachtung der Fahr- und Verkehrssicherheit an den Tag legt, weil er „objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt“. An einer solchen renntypischen Gefahr, die sich im Gefährdungserfolg verwirklicht hat, kann es fehlen, wenn es sich lediglich um eine Verletzung des Rechtsfahrgebots (§ 2 Abs. 2 StVO) auf schmaler unübersichtlicher Straße handelt und andere Verkehrsteilnehmer ein gleichgelagertes Fahrverhalten zeigen.

4. Eine tatbestandsspezifische Gefahr für die geschützten Rechtsgüter setzt allerdings nicht notwendig voraus, dass bei pflichtgemäßem Verhalten ein „Beinaheunfall“ ausgeblieben wäre, wenn dies auch in der Regel der Fall und nicht weiter erörterungsbedürftig sein wird. Eine derartige Gefahr kann vielmehr auch (schon) zu bejahen sein, wenn sie infolge des Alleinrennens ein gesteigertes Maß aufweist. Der Gefahrerfolg in seiner jeweiligen Gestalt muss durch die Tathandlung lediglich mitverursacht werden. Er kann daher auch in einem konkret drohenden (oder eingetretenen) höheren Schadensumfang liegen. Ein Mitverschulden anderer Verkehrsteilnehmer schließt dabei den inneren Zusammenhang nicht aus.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 20. Dezember 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit zweifacher Todesfolge in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen und mit Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Am Nachmittag des 10. September 2023 bewegte der Angeklagte seinen Pkw Audi RS5 im öffentlichen Straßenverkehr, um nach Hause zu fahren. Auf Landstraßen befuhr er unter anderem in zwei Linkskurven trotz Gegenverkehrs mit hoher Geschwindigkeit die Gegenfahrbahn, wobei zur Vermeidung einer Kollision in einem Fall der andere Fahrzeugführer halb in das angrenzende Bankett fuhr und in dem anderen Fall der Angeklagte im letzten Moment das Lenkrad nach rechts riss.

Spätestens gegen 17.26 Uhr fasste der Angeklagte, der eine Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille aufwies, den Entschluss, seiner Beifahrerin - die ihn in der Folge mit ihrem Smartphone filmte - durch Ausreizung des Potentials seines Fahrzeugs und Zurschaustellung seines fahrerischen Könnens zu imponieren. Hierzu wollte er mit dem Pkw über einen längeren Streckenverlauf hinweg die situativ höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen und sich auf der „Ideallinie“ fortbewegen. In einer Ortschaft fuhr er sodann bis ca. 127 km/h. Nach dem Ortsausgang beschleunigte er sein Fahrzeug auf etwa 177 km/h. In einer Linkskurve, die er schnitt, kam ihm ein Pkw entgegen, der selbst nicht äußerst weit rechts fuhr.

Der Angeklagte war sich aufgrund der eingangs geschilderten Beinahe-Kollisionen sowie des wiederholten Auftauchens von Gegenverkehr der besonderen Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst. Es war ihm egal, dass es auch in der Folge - vor allem in Kurvenbereichen - zu hochgefährlichen Begegnungen mit dem Gegenverkehr kommen könnte. Um 17.28 Uhr befuhr er einen Abschnitt der Landstraße 487, auf dem die Geschwindigkeit nicht durch Verkehrszeichen geregelt und keine Mittelstreifenmarkierung vorhanden war, nahezu durchgängig auf der „Ideallinie“ und mit bis zu ca. 231 km/h. Im Streckenverlauf schnitt er eine Linkskurve. Die sodann folgende langgezogene Rechtskurve war aufgrund einer rechts angrenzenden Böschung und dortigen Baumbewuchses nicht vollständig einsehbar. Bei Einfahrt in die Kurve mit der ihm angezeigten Geschwindigkeit von 164 km/h, wodurch er das Fahrzeug im Grenzbereich des dort Möglichen bewegte, betrug für den Angeklagten die Sichtweite zum rechten und zum linken Fahrbahnbereich zwischen 60 bis 90 Meter. Um innerhalb seiner Sichtweite ohne eine Vollbremsung anhalten zu können, hätte er mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h in die Kurve einfahren müssen.

In der Rechtskurve kamen drei Fahrzeuge entgegen, voraus ein Pkw Mazda. Mit diesem kollidierte das Fahrzeug des Angeklagten 1,3 bis 1,4 Sekunden, nachdem insbesondere die fremden Scheinwerfer für ihn erstmals sichtbar geworden waren. Er hatte eine Sekunde vor der Kollision leicht und eine halbe Sekunde davor stärker nach rechts gelenkt, aber keine Bremsung eingeleitet. Der Pkw Mazda überschritt die gedachte Mittellinie der Fahrbahn, die innerhalb der Randmarkierungen 5,3 bis 5,4 Meter breit war, um maximal 0,7 Meter. Dies war für den Angeklagten spätestens 0,2 Sekunden vor der sich auf seiner Fahrbahnseite ereignenden Streifkollision eindeutig erkennbar. Für den ohne Seitenspiegel etwa 1,87 Meter breiten Audi waren dabei bis zum rechten Rand der geteerten Fahrbahn noch zumindest zwei Meter Platz. Mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h und erst recht mit 80 km/h hätte der Angeklagte zudem den ebenerdigen und 50 Zentimeter breiten Grünstreifen mitbefahren können. Bei der Streifkollision betrug die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs mindestens 149 km/h, jene des Pkw Mazda 55 bis 80 km/h.

Infolge der Erstkollision geriet der Pkw des Angeklagten teilweise auf die andere Fahrbahnseite, wo es zu einer Streifkollision mit dem zweiten Fahrzeug des Gegenverkehrs kam. Danach befand sich der Pkw des Angeklagten weiterhin auf der Gegenfahrbahn und kollidierte dort frontal mit dem nachfolgenden Pkw Seat, dessen Kollisionsgeschwindigkeit 43 bis 48 km/h sowie kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung 90 km/h betrug. Dieses Fahrzeug geriet in eine Rotationsbewegung, schleuderte in den rechts an die befahrene Fahrbahnseite angrenzenden Abhang und kollidierte mit Bäumen. Beide Insassen des Pkw Seat erlitten multiple Verletzungen und verstarben am Unfallort. Die Fahrerin und der Beifahrer des von der zweiten Steifkollision betroffenen Fahrzeugs trugen Schleudertraumata und psychische Folgen davon. Die Beifahrerin des Angeklagten, der selbst lebensgefährlich verletzt wurde, erlitt eine Kopfplatzwunde sowie Frakturen des Schlüsselbeins und eines Lendenwirbels.

2. Der Schuldspruch wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge nach § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 5 StGB hat keinen Bestand. Das Landgericht hat einen zumindest bedingten Gefährdungsvorsatz des Angeklagten weder hinreichend konkret festgestellt noch rechtsfehlerfrei belegt.

a) Ein bedingter Gefährdungsvorsatz liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2024 - 4 StR 246/24 Rn. 13; Urteil vom 29. Februar 2024 - 4 StR 350/23 Rn. 17; Urteil vom 16. Februar 2023 - 4 StR 211/22 Rn. 28 mwN). Wie konkret die Vorstellung des Täters sein muss und in welchem Umfang das Tatgericht dazu Feststellungen treffen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Die Vorstellung des Täters muss sich nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen (z.B. Nichteinhaltenkönnen der rechten Spur in anstehenden Kurven bei Gegenverkehr, Querverkehr an Kreuzungen, haltende Fahrzeug etc.) dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht. Dabei können die Kenntnis des Täters von der Fahrtstrecke und den sich dabei ergebenden Gefahrenstellen, sein vorangegangenes Fahrverhalten, Erfahrungen des Täters aus dem bisherigen Fahrtverlauf, aber auch die Nähe des drohenden Unfalls Indizien für eine hinreichend konkrete Vorstellung des Täters von der drohenden Gefahr und deren Billigung sein (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2024 - 4 StR 246/24 Rn. 13; Urteil vom 29. Februar 2024 - 4 StR 350/23 Rn. 17; Urteil vom 18. August 2022 - 4 StR 377/21, BGHR StGB § 315d Abs. 2 Vorsatz 1 Rn. 11 mwN).

b) Diesen Maßgaben genügen die Urteilsgründe nicht.

aa) Bereits die Feststellungen sind defizitär. Worin der Angeklagte die „besondere Gefährlichkeit seiner Fahrweise“ erblickte und wie sich die von ihm hingenommenen „hoch gefährlichen Begegnungen mit dem Gegenverkehr“ seiner Vorstellung nach darstellten, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Unter den hier festgestellten weiteren Umständen wäre dies jedoch erforderlich gewesen. Vor der Erstkollision nahm der Angeklagte zwei Lenkbewegungen vor, durch die er sein Fahrzeug unter Berücksichtigung der festgestellten Fahrbahnbreite dem rechten Fahrbahnrand annäherte. Ob er für die Tatsituation darüber hinaus insbesondere den hier wesentlichen gefahrbegründenden Umstand, dass ein Fahrzeug des Gegenverkehrs über die gedachte Mittellinie hinaus auf seiner Fahrbahnseite bewegt werden könnte, in sein Vorstellungsbild aufgenommen hatte, bleibt nach den Urteilsgründen unklar. Gleiches gilt im Hinblick auf etwaige sonst - ggf. auf eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf zu untersuchende - vorgestellte Gefahrenszenarien bis hin zu womöglich (ebenfalls) betroffenen nachfolgenden Fahrzeugen des Gegenverkehrs.

bb) Ferner lassen die Urteilsgründe die erforderliche Beweiswürdigung zu einem Gefährdungsvorsatz vermissen. Die Strafkammer hat zunächst die Absicht des Angeklagten belegt, eine höchstmögliche Geschwindigkeit im Sinne von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu erzielen. Hieran schließt sich lediglich ein Satz in den Urteilsgründen an, mit dem ein Tötungsvorsatz verneint wird. Zum konkreten Gefährdungsvorsatz finden sich in den der Beweiswürdigung gewidmeten Urteilsabschnitten keine Ausführungen. Dies ist rechtsfehlerhaft. Der in den Feststellungen zum Tatgeschehen enthaltene Hinweis auf vorausgegangene - anders gelagerte - Beinaheunfälle und wiederholten Gegenverkehr genügt insoweit den Anforderungen nicht. Unmaßgeblich bleibt zudem, dass zuvor ein Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn „nicht äußerst weit rechts“ bewegt worden war. Denn ob und inwieweit der Angeklagte aus diesen Erfahrungen Schlüsse zog, legt die Strafkammer nicht dar. Darüber hinaus hätte das Landgericht bei der Prüfung des Gefährdungsvorsatzes des Angeklagten in der konkreten Tatsituation auch vorsatzkritische Umstände wie die womöglich erkannte Eigengefährdung und seine festgestellte Alkoholisierung bedenken müssen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. November 2021 - 4 StR 511/20 Rn. 42, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 66, 294).

c) Der Rechtsfehler, der ebenso die Verurteilung des Angeklagten wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB betrifft, zieht die Aufhebung des Urteils nach sich. Auch der Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung kann schon wegen der vorliegenden Tateinheit keinen Bestand haben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2019 - 4 StR 514/18 Rn. 21 mwN).

Der Senat hebt nicht nur die Feststellungen zum inneren Tatgeschehen, sondern alle Urteilsfeststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Hierdurch ist zum einen gewährleistet, dass das neue Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu dem Tatgeschehen treffen kann. Zum anderen führt die Revision mit Recht aus, dass die festgestellte Vermeidbarkeit einer Kollision für den Angeklagten bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h nicht belegt ist. Denn der unfallanalytische Sachverständige hat für diesen Fall zwar die technische Möglichkeit bejaht, die Erstkollision durch Ausweichen bis über den Grünstreifen abzuwenden. Ob bei der geringeren Geschwindigkeit aber auch eine rechtzeitige Reaktionsaufforderung an den Angeklagten herangetragen worden wäre, die ihm ein solches Manöver - bei einer vom Sachverständigen auf 0,6 bis 0,8 Sekunden bezifferten Reaktionszeit - gestattet hätte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Zwischen der Tathandlung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und der eingetretenen konkreten Gefahr im Sinne von § 315d Abs. 2 StGB („Beinaheunfall“) muss ein - vom Gefährdungsvorsatz umfasster - innerer Zusammenhang bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2021 - 4 StR 511/20, BGHSt 66, 294 Rn. 31 mwN). Das Verbot des Alleinrennens soll die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch die Auswirkungen jenes Fahrverhaltens verhindern, das ein Kraftfahrer mit gesteigerter Risikobereitschaft und unter Missachtung der Fahr- und Verkehrssicherheit an den Tag legt, weil er „objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt“ (BT-Drucks. 18/12964, S. 5 f.; vgl. BVerfGE 160, 284 Rn. 116). Die von der Strafkammer bemühte Verletzung des Rechtsfahrgebots (§ 2 Abs. 2 StVO; vgl. zum Fahren „äußerst rechts“ auf schmaler unübersichtlicher Straße BGH, Urteil vom 9. Juli 1996 - VI ZR 299/95; König in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl., § 2 StVO Rn. 35 mwN) wird daher hier - angesichts des gleichgelagerten Fahrverhaltens anderer Verkehrsteilnehmer - allein noch keine renntypische Gefahr begründen können.

Eine tatbestandsspezifische Gefahr für die geschützten Rechtsgüter setzt allerdings nicht notwendig voraus, dass bei pflichtgemäßem Verhalten ein „Beinaheunfall“ ausgeblieben wäre, wenn dies auch in der Regel der Fall und nicht weiter erörterungsbedürftig sein wird. Eine derartige Gefahr kann vielmehr auch (schon) zu bejahen sein, wenn sie infolge des Alleinrennens ein gesteigertes Maß aufweist. Der Gefahrerfolg in seiner jeweiligen Gestalt muss durch die Tathandlung lediglich mitverursacht werden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 124; BayObLG, NZV 1989, 359; König in LK-StGB, 13. Aufl., § 315c Rn. 171). Er kann daher auch in einem konkret drohenden (oder eingetretenen) höheren Schadensumfang liegen. Denn hierin drückt sich die geschwindigkeitsbedingt „gesteigerte Gefährdungs- und Zerstörungskraft“ (vgl. BT-Drucks. 18/10145, S. 9; BT-Drucks. 18/12964, S. 6) als renntypische Folge aus. Ein Mitverschulden anderer Verkehrsteilnehmer schließt dabei den inneren Zusammenhang nicht aus (vgl. bereits BGH, Urteil vom 15. Mai 1959 - 4 StR 91/59, VRS 17, 21, 24).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1193

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede