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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 580

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 549/19, Beschluss v. 24.03.2020, HRRS 2020 Nr. 580


BGH 4 StR 549/19 - Beschluss vom 24. März 2020 (LG Dortmund)

Konkurrenzen (vollendete qualifizierte sexuelle Nötigung und versuchte Vergewaltigung).

§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB; § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Neben dem bereits vollendeten Qualifikationstatbestand der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB ist für eine Verurteilung wegen Versuchs des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB kein Raum. Dies gilt auch nach der Neufassung der Norm durch Gesetz zur Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016, nach der die „Vergewaltigung“ weiterhin als Strafzumessungsregel ausgestaltet ist.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 8. April 2019 im Fall II. 3. der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Übergriffs mit Nötigungsmitteln in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Die Überprüfung des Urteils führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruches im Fall II. 3. der Urteilsgründe (Geschädigte S.). Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Schuldspruch im Fall II.3. der Urteilsgründe hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Angeklagte mit der Zeugin S. gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr vollziehen. Er versetzte ihr einen Schlag in den Rücken und nahm sie in einen Würgegriff. Die Zeugin wehrte sich beherzt, beide gerieten zu Boden. Der Angeklagte griff sodann von hinten unter dem Arm der Zeugin hindurch und berührte oberhalb der Kleidung ihre Brüste mit beiden Händen. Der Zeugin gelang es unter Auferbietung aller Kräfte, sich loszureißen, den Angeklagten gegen den Mund zu treten und zu flüchten.

Neben dem durch den Griff an die Brust des Tatopfers bereits vollendeten Qualifikationstatbestand der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB war für eine Verurteilung wegen Versuchs des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB kein Raum (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 1998 - 3 StR 204/98, NStZ 1998, 510 f.; vom 12. Oktober 2000 - 3 StR 185/00, juris; Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 439/05, Rn. 15, juris). Dies gilt auch nach der Neufassung der Norm durch Gesetz zur Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I, S. 2460), nach der die „Vergewaltigung“ weiterhin als Strafzumessungsregel ausgestaltet ist (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2018 - 2 StR 170/18, Rn. 5, juris; BTDrucks. 18/9097, S. 28; vgl. auch Fischer, StGB, 67. Aufl., § 177 Rn. 147). Der Senat ändert den Schuldspruch selbst entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht hätte anders als geschehen verteidigen können.

Der Strafausspruch hat trotz des durch das Landgericht auf der Grundlage des Schuldspruchs wegen versuchter Vergewaltigung angewandten Strafrahmens Bestand. Denn die Strafrahmenwahl erweist sich im Ergebnis für den Angeklagten als nicht nachteilig. Der durch das Landgericht herangezogene Strafrahmen ist für den Angeklagten günstiger als der zutreffend anzuwendende Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4 StPO. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 580

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 211

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner