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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 2/01, Beschluss v. 06.02.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 2/01 - Beschluß v. 6. Februar 2001 (LG Halle)

Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung; Strafzumessung; Doppelverwertungsverbot

§ 177 StGB; § 46 Abs. 3 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 9. Mai 2000

a) im Schuldspruch dahin klargestellt, daß der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist;

b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "sexueller Nötigung (Vergewaltigung)" zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen bedrängte der Angeklagte die mit ihm nachmittags im Abteil eines Intercity-Zuges mitfahrende Stefanie E. sexuell. Er zog die zum Gang gelegenen Vorhänge des Abteils zu, griff die überraschte Frau an den Beinen und zog sie zu sich heran, so daß sie "mit ausgestreckten Beinen auf den Sitzen zum Liegen kam". Sodann hielt er ihre Arme fest, küsste sie, schob - als ihr Widerstand nachließ - ihre Oberkörperbekleidung hoch und begann, "ihre Brüste mit seinen Händen zu kneten, an den Brustwarzen zu saugen und in diese zu beißen". Nach etwa zwei bis drei Minuten kniete er sich über sie, zog ihre Unterkörperbekleidung herab, rieb mit der Hand ihren Genitalbereich und führte einen Finger in ihre Scheide ein, den er dort etwa eine Minute lang hin und her bewegte. Nachdem er seine eigene Unterkörperbekleidung etwas heruntergezogen hatte, begann er, vor der Frau zu onanieren. und versuchte anschließend, gewaltsam mit ihr den Beischlaf durchzuführen. was ihm jedoch nicht gelang. Bei der Einfahrt des Zuges in einen Bahnhof konnte die Geschädigte schließlich aus dem Abteil flüchten.

2. Das Landgericht hat das Geschehen rechtlich zutreffend als "sexuelle Nötigung in Form des Regelbeispiels der Vergewaltigung" (UA 8) gewürdigt (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 [i.d.F. 6. StrRG] Vergewaltigung 1). Allerdings hat der Schuldspruch (nur) wegen Vergewaltigung zu ergehen (vgl. BGH NStZ 1998, 510, 511; BGH, Beschluß vom 30. März 2000 - 4 StR 94/00): dies stellt der Senat klar.

3. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben.

Die Strafkammer hat zu Lasten des Angeklagten gewertet, daß er sich "durch den fortwirkenden Widerstand der Geschädigten nicht von der weiteren Tatausführung (hat) abhalten" lassen und daß eine "im Vergleich zu anderen Sexualdelikten leicht überdurchschnittliche Dauer der Tatausführung und Intensität der Gewaltanwendung" vorliege. Beide Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die erste läßt besorgen, daß die Strafkammer dem Angeklagten strafschärfend anlastet, daß er die aus mehreren Einzelhandlungen bestehende Tat begangen hat (Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB), die zweite ist - wie die Revision zu Recht beanstandet - durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die - im Hinblick auf die festgestellten gewichtigen Strafmilderungsgründe (Spontantat, keine Vorstrafen, (Teil-) Geständnis, Reue) schuldunangemessen hohe - Strafe auf den Strafzumessungsfehlern beruht. Sie muß daher neu festgesetzt werden.

Bearbeiter: Karsten Gaede