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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 387/96, Urteil v. 09.04.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 387/96 - Urteil vom 9. April 1997 (LG Nürnberg-Fürth)

BGHSt 43, 41; Verstoß gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot durch Veröffentlichung von fremden Texten in der Presse (Bedeutung der Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Pressefreiheit; Möglichkeit der Beihilfe in diesen Fällen).

§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG; Art 5 Abs. 1, 2 GG; § 27 StGB

Leitsätze

1. Zur Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot durch die Veröffentlichung fremder Textbeiträge in Presserzeugnissen. (BGHSt)

2. In den Fällen einer Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot durch die Veröffentlichung fremder Textbeiträge in Presseerzeugnissen ist Beihilfe rechtlich möglich. (BGHSt)

Entscheidungstenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Mai 1996 wie folgt abgeändert und neu gefaßt:

1. Der Angeklagte ist in sieben Fällen der Beihilfe zur Zuwiderhandlung gegen ein vollziehbares Verbot nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz schuldig; von Bestrafung wird abgesehen.

2. Im übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme derjenigen Kosten und notwendigen Auslagen, die durch den Teilfreispruch erwachsen sind; diese fallen der Staatskasse zur Last.

II. Die weitergehende Revision wird verworfen.

III. Die vom Teilfreispruch nicht berührten Kosten des Revisionsverfahrens sind vom Angeklagten zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen, in zehn Fällen einem vollziehbaren vereinsrechtlichen Betätigungsverbot (§ 18 Satz 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG) zuwidergehandelt zu haben. Zugleich hat es gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG von einer "Verurteilung" (richtig: Bestrafung) abgesehen. Der Schuldspruch ist darauf gestützt, daß der Angeklagte an der Veröffentlichung von Erklärungen der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) und der "Volksbefreiungsarmee Kurdistans" (ARGK) in einer lokalen, periodisch erscheinenden Druckschrift mitwirkte. Der PKK ist einschließlich ihrer Teilorganisation ERNK durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 (veröffentlicht im BAnz vom 26. November 1993, BAnz 1993 S. 10313 f.) gemäß § 18 Satz 2 VereinsG unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung verboten worden, sich im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes zu betätigen. Das seit 26. März 1994 unanfechtbare Betätigungsverbot ist damit begründet, daß die Tätigkeit der PKK/ERNK gegen die Strafgesetze verstößt, sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.

Mit seiner gegen den beschwerenden Schuldspruch gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg.

In den Fällen B I 1, 2 a, 3 b, 5, 6, 8 und 10 tragen die Urteilsfeststellungen insgesamt die Beurteilung, daß die Veröffentlichungen strafbare Zuwiderhandlungen gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG bedeuteten, in den übrigen Fällen hingegen nicht (im folgenden unter 1.). Der im Urteil wiedergegebene Sachverhalt reicht ferner auch seinem Zusammenhang nach nicht aus, um die Wertung zu rechtfertigen, daß dem Angeklagten die in einzelnen Veröffentlichungen zu sehende Zuwiderhandlung als (mit-)täterschaftlich begangen zugerechnet werden kann; die Feststellungen lassen jedoch einen Schuldspruch wegen Beihilfe zu (im folgenden unter 2.).

1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts arbeitete der Angeklagte seit Juni 1994 unentgeltlich bei der "Kurdistan Solidarität N.-E." mit, welche die wöchentlich in E. erscheinende Druckschrift "Biji, Informationen aus Kurdistan" herausgab. Im Jahre 1995 hatte er die Stellung des "presserechtlich Verantwortlichen" für diese Druckschrift inne. In insgesamt zehn Ausgaben von Biji, die in der Zeit von Januar bis Juli 1995 erschienen und u.a. im Treffpunkt "E-Werk" in E. jeweils zur Mitnahme für interessierte Personen auslagen, waren Presseerklärungen der ARGK sowie Aufrufe und Erklärungen von Vertretern der PKK und der ERNK - auch als Wiedergabe von Hintergrundgesprächen und Interviews - abgedruckt. Die Verlautbarungen der ARGK befaßten sich überwiegend in der äußeren Form zusammenfassender Kriegsberichterstattung aus der Sicht der ARGK mit Ereignissen des Guerillakriegs der PKK gegen das türkische Militär und die türkische Polizei. Sie enthielten aber auch eine ausdrückliche Warnung an "die europäische Öffentlichkeit", Urlaub in der Türkei zu verbringen; denn in einem Gebiet, in dem ein Krieg stattfinde, bestehe keine Überlebenssicherheit (Ausgabe vom 23. Januar 1995). In derselben Erklärung des "ARGK-Pressebüros" wird Deutschland der Beteiligung an der gegen die Kurden gerichteten "Vernichtungs- und Zerstörungspolitik" der Türkei beschuldigt, und es werden "Selbstmordaktionen" gegen deutsche Ziele in der "Türkei und Kurdistan" angekündigt. Die in den Ausgaben von Biji abgedruckten Erklärungen der ERNK gingen auf die revolutionären Ziele der PKK, ihre innere Organisation, ihre strategischen Bündnisse mit kommunistischen und sozialistischen Bewegungen auf internationaler Ebene ein, behandelten aber auch Aktivitäten der ERNK in Deutschland (Ausgabe vom 20. März 1995) und betonten, daß "der Imperialismus und die deutsche Bourgeoisie" bloßgestellt werden müßten (Ausgabe vom 27. Februar 1995); polizeiliches Einschreiten gegen demonstrierende Kurden aus Anlaß des kurdischen Newroz-Festes wurde als die Übernahme der (türkischen) Gewaltpolitik gegen die Kurden in Deutschland bezeichnet (Ausgabe vom 20. März 1995), und Verbote gegen kurdische Informationseinrichtungen und kurdische Vereine im Bundesgebiet wurden als "Fortsetzung der gemeinsamen Kampagne" hingestellt, "die der deutsche Staat mit dem türkischen Staat gegen den nationalen Befreiungskampf Kurdistans führt" (Ausgabe vom 6. März 1995). Die deutsch-türkische "Kollaboration" gegen das kurdische Volk war auch Thema einer veröffentlichten Erklärung der "ERNK-Europaorganisation", die mit einem Aufruf an alle "fortschrittlichen und demokratischen Kreise" endete, "diese faschistoide Politik, die Deutschland gegen unser Volk betreibt, anzuprangern und sich gegen eine solche Politik zu stellen" (Ausgabe vom 24. Juli 1995). Des weiteren war in einer Ausgabe eine Erklärung des "Vorsitzenden" der PKK Abdullah Öcalan abgedruckt, mit der er sich an die Bundesregierung gewandt und die Einstellung von Waffenlieferungen an die Türkei sowie die Aufhebung des PKK-Verbots verlangt und zugleich "Verhandlungsangebote" gemacht hatte (Ausgabe vom 16. April 1995).

b) Wie der Senat in seinem Urteil vom 24. Januar 1996 - 3 StR 530/95 (BGHSt 42, 30) - dargelegt hat, werden vom Begriff des nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG strafbaren Zuwiderhandelns nicht nur die mitgliedschaftliche Betätigung für die mit einem Betätigungsverbot belegte Vereinigung und das Handeln in deren Auftrag erfaßt, sondern auch die unterstützende Tätigkeit eines von der Vereinigung unabhängigen, außenstehenden Dritten. Dabei reicht zur Tatbestandserfüllung durch ein solches "Dritthandeln" aus, daß es auf die verbotene Tätigkeit der Vereinigung bezogen und konkret geeignet ist, diese zu fördern. Denn mangels eines handhabbaren Maßstabs für einen im Sinne eines Kausalzusammenhangs zu ermittelnden Nutzen muß zur Gewährleistung eines effektiven Schutzes der durch die Verbotsgründe gekennzeichneten Allgemeininteressen bereits die Gefahrerhöhung erfaßt werden, die von einem zur Förderung der verbotenen Vereinstätigkeit konkret geeigneten Dritthandeln ausgeht. Daraus folgt aber zugleich, daß nur ein Verhalten betroffen ist, das unter dem Blickwinkel der zum Betätigungsverbot führende Gründe in der Weise erheblich ist, daß es zur Verstärkung der Gefahren beitragen kann, denen durch das Betätigungsverbot vorgebeugt werden soll. Dazu gehört grundsätzlich auch die Propagandatätigkeit im Sinne der sogenannten Sympathiewerbung für die vom Verbot betroffene Vereinigung.

aa) Im Fall der Verbreitung von Texten in Presseerzeugnissen bedürfen diese Grundsätze indes näherer Bestimmung. Die grundlegende Bedeutung der grundrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und die daraus folgende Notwendigkeit, die sie beschränkenden allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), zu denen auch § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG gehört, im Lichte dieses Grundrechts einschränkend auszulegen (vgl. BVerfGE 7, 198, 210 f.; 71, 206, 214; 85, 1, 16 st.Rspr.; vgl. Schulze-Fielitz in Dreier <Hrsg.> GG, 1996, Art. 5 Rdn. 126 m.w.Nachw.), verlangen für diesen Bereich eine konkretisierende Eingrenzung des Begriffs der Verbotszuwiderhandlung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG. Sie kann durch die entsprechende Übernahme der Grundsätze erreicht werden, die in der Rechtsprechung zur selben Frage bei der Anwendung der §§ 129, 129 a StGB entwickelt worden sind (BGHSt 33, 16, 18 f.; BGHR StGB § 129 a III Werben 3 - insoweit in BGHSt 36, 363 nicht abgedruckt -, Werben 5 und Unterstützen 1; BGH NJW 1988, 1677/1678, NJW 1988, 1679; BGH NStZ 1988, 263; OLG Schleswig NJW 1988, 352/353; KG StV 1990, 210/211). Die Unterschiede, die nach dem in den Strafdrohungen zum Ausdruck kommenden Gewicht der Straftatbestände und nach ihrer verschiedenen Struktur gegeben sind, stehen dem angesichts der gleichen Zielsetzung der Einschränkung nicht entgegen. Danach muß ein Text, um dessen fördernde Wirkung für die verbotene Tätigkeit der Vereinigung es geht, objektiv geeignet sein, von den angesprochenen Adressaten als Werbung oder Unterstützung der Vereinstätigkeit aufgefaßt zu werden (BGHSt 33, 16, 18 f.). Ferner muß die Zielrichtung auf Unterstützung der verbotenen Vereinstätigkeit eindeutig erkennbar sein (BGH aaO). Dafür reicht es noch nicht aus, wenn lediglich ohne Bezug auf die vom Verbot betroffene Vereinigung inhaltlich die gleichen Ziele wie von dieser vertreten werden. Im hier gegebenen Fall der Verbreitung fremder Texte muß hinzukommen, daß die Wiedergabe der die Vereinstätigkeit eindeutig unterstützenden (Dritt-)Aussagen vom angesprochenen Leserkreis als eine sich die unterstützende Tendenz zu eigen machende Meinungsäußerung der Publizierenden zu verstehen ist (vgl. BGHSt 36, 363, 371; v. Bubnoff in LK-StGB 11. Aufl. § 129 Rdn. 57). Maßgebend für die Beurteilung ist neben der Aufmachung und Hervorhebung sowie etwaigen zustimmenden Erläuterungen insbesondere auch der redaktionelle und journalistische Zusammenhang, in dem die Veröffentlichungen stehen. Dabei kommt es im Falle periodisch erscheinender Presseerzeugnisse entscheidend auf die einzelne Ausgabe ("Tatausgabe") an, in welcher der fremde Text veröffentlicht wird (BGHSt 36, 363, 371). Allerdings wird auch die sich aus der Gesamtschau einer Vielzahl von Ausgaben ergebende und für die Leser offensichtliche Tendenz der periodisch erscheinenden Druckschrift ergänzende Berücksichtigung finden müssen. Bei unkommentierter Wiedergabe fremder unterstützender und werbender Texte kann sich aus der Art der einseitig ausgerichteten Zusammenstellung der Beiträge und aus der dabei offenbar werdenden eindeutigen propagandistischen Zielrichtung ergeben, daß sich die Publizierenden die Sache der vom Verbot betroffenen Vereinigung zu eigen machen, indem sie sich mit der Veröffentlichung gleichsam als Sprachrohr in deren Dienst stellen. In einem solchen Fall kann es für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG nach dem Sinn und Zweck dieser Strafnorm keinen Unterschied machen, ob die verbotene Vereinigung sich selbst propagandistisch betätigt oder ob Dritte dies für sie als verlängerter Arm tun. Hingegen reicht für die Tatbestandserfüllung nicht aus, wenn die Wiedergabe der fremden Texte im Darstellungszusammenhang mit distanzierter, kritischer Berichterstattung steht oder Teil einer bewertungsfreien Dokumentation ist. Solche Dokumentationen dienen der umfassenden Information über das Zeitgeschehen und sind vom verfassungsrechtlich abgesicherten Zweck der Pressefreiheit auch dann gedeckt, wenn sie Äußerungen von verbotenen oder mit einem Betätigungsverbot belegten Vereinigungen zum Inhalt haben (BGH NJW 1995, 3395, 3396; vgl. auch § 86 Abs. 3, § 130 Abs. 5, § 130 a Abs. 3 StGB). Die Grenze zur Strafbarkeit ist aber überschritten, wenn die Information der Öffentlichkeit über Propagandatexte verbotener Vereinigungen nur ein Vorwand ist, um in Wahrheit die mit den Texten angestrebte propagandistische Wirkung für die dem Verbot unterliegende Vereinigung zu erzielen.

Im Rahmen derart begrenzter Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG auf Presseerzeugnisse muß bei der nach Art. 5 Abs. 1 und 2 GG gebotenen Abwägung, ob und in welchem Umfang der Meinungs- und Pressefreiheit durch diese Strafvorschrift Schranken gesetzt sind, den durch die Verbotsgründe gekennzeichneten und durch § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG geschützten Allgemeininteressen selbst bei Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit der Vorrang zukommen. Den Strafgerichten steht es dabei nicht zu, die materielle Berechtigung der einzelnen Verbotsgründe in Zweifel zu ziehen oder sie in ihrer Bedeutung zu relativieren. Wesentlich ist, daß sich § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG nicht gegen die Meinungsäußerung als solche richtet, sondern gegen die gezielte Förderung, die von ihr auf die zum Schutz des demokratischen Rechtsstaats verbotene Vereinstätigkeit ausgeht. Der Einzelne wird daher nicht betroffen, soweit er sich selbst für bestimmte politische Ziele einsetzt; es ist ihm lediglich verwehrt, dies durch die Unterstützung der Aktivitäten einer mit einem Betätigungsverbot belegten Vereinigung zu tun. Gleiche Erwägungen hat das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 42, 47 BVerfGG a.F. über die strafbare Zuwiderhandlung gegen ein Parteienverbot angestellt (BVerfGE 25, 44, 57); sie haben ihre Berechtigung auch für § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG.

bb) Die dargelegten engeren Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG hat das Landgericht der Sache nach festgestellt, ohne daß dem unter Beachtung des Gebots, die Meinungs- und Pressefreiheit bereits bei der Auslegung und Deutung von Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. u.a. BVerfGE 85, 1, 13 f.; 94, 1 bis 12), in den unmittelbar die PKK/ERNK betreffenden Fällen (B I 2 a, 3 b, 5, 6, 8, 10) rechtliche Bedenken entgegenstehen. Die propagandistische Ausrichtung der veröffentlichten Beiträge zugunsten der PKK/ERNK liegt schon angesichts der Herkunft der Texte auf der Hand. Die einseitig zugunsten der PKK/ERNK vorgenommene Auswahl der Erklärungen und der Zusammenhang mit den übrigen die Sache und die Ziele der PKK/ERNK vertretenden Textbeiträge, die im Urteil wiedergegeben sind, macht die mit den Veröffentlichungen verfolgte Zielsetzung der daran mitwirkenden Mitglieder des Redaktionsteams offenbar, die Druckschrift Biji gleichsam als Sprachrohr für die Propaganda der PKK/ERNK für einen lokalen Bereich in Deutschland einzusetzen. Die damit betriebene Sympathiewerbung war konkret geeignet, das Ansehen der PKK/ERNK in Deutschland und ihren Rückhalt bei den hier lebenden Türken kurdischer Volkszugehörigkeit mit dem Ziel zu stärken, daß die Bereitschaft zur Beteiligung an ihren Aktionen in Deutschland, sei es auch nur in Gestalt finanzieller Zuwendungen, erhöht wird. Eine derartige Propaganda ist darüber hinaus geeignet, auch in der deutschen Öffentlichkeit ein Klima zu schaffen, daß die Durchsetzung der Ziele der PKK/ERNK in Deutschland begünstigt oder doch weniger behindert wird. Unter dem Blickwinkel der Verbotsgründe ist ein solches propagandistisches Vorgehen als durchaus erheblich anzusehen.

cc) Soweit das Landgericht eine Verwirklichung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG auch in den Fällen bejaht hat, in denen Erklärungen der ARGK und nicht unmittelbar der PKK/ERNK veröffentlicht worden sind, hält diese Wertung mit einer Ausnahme rechtlicher Prüfung hingegen nicht stand. Unter Berufung auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in NStZ-RR 1996, 121 ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß die ARGK, obwohl im verfügenden Teil der Verbotsverfügung vom 23. November 1993 nicht genannt, von dem gegen die PKK/ERNK gerichteten Betätigungsverbot mit umfaßt sei. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht beizutreten. Zwar ist die ARGK nach Sachlage als Teilorganisation der PKK anzusehen. Richtig ist auch, daß sich nach der - unmittelbar die sogenannten Organisationsverbote betreffenden - Regelung in § 3 Abs. 3 VereinsG das Verbot, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen erstreckt, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses verbotenen Vereins erscheinen (Teilorganisation). Jedoch ist die Besonderheit des für ausländische Vereine geltenden Betätigungsverbots nach § 18 Satz 2 VereinsG zu beachten, daß es eine von einem Organisationsverbot mit entsprechender Auflösungsanordnung zu treffende Organisation im Inland gerade nicht voraussetzt, begrifflich aber auf das Bundesgebiet als Geltungsbereich des Vereinsgesetzes beschränkt ist und nur die Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland, nicht aber die im Ausland tätigen Teilorganisationen der PKK/ERNK als solche erfassen kann (Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze <Stand nach der 121. Ergänzungslieferung> § 18 VereinsG Rdn. 4; vgl. auch BGHSt 20, 45, 47, 49). Daß die ARGK in Deutschland tätig ist oder war, hat das Landgericht nicht festgestellt. Aus der Verbreitung ihrer Presseerklärungen im Bundesgebiet folgt noch nicht, daß dies notwendig auf eine Tätigkeit gerade der ARGK in der Bundesrepublik zurückzuführen ist. Zu berücksichtigen ist ferner, daß im verfügenden Teil der Verbotsverfügung vom 22. November 1993, der im Bundesanzeiger allein veröffentlicht wird (§ 3 Abs. 4 Satz 2 VereinsG), beim Betätigungsverbot gegen die PKK, aber auch bei den Organisationsverboten die vom Verbot erfaßten Teilorganisationen, nämlich u.a. die ERNK, ausdrücklich genannt sind. Diese Art der Verbotsformulierung legt den Schluß nahe, daß damit im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG eine Beschränkung mit der Folge zum Ausdruck gebracht werden soll, daß andere nicht genannte Teilorganisationen und damit auch die ARGK vom Betätigungsverbot nicht erfaßt werden. Gerade bei der Struktur des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG als sog. Ungehorsamstatbestand verlangt der für das Strafrecht wesentliche Grundsatz der Normklarheit und Normbestimmtheit, daß eindeutig erkennbar gemacht wird, auf welche Organisationen und Teilorganisationen sich das Betätigungsverbot erstreckt. Dies muß in dem zur Veröffentlichung bestimmten verfügenden Teil der Verbotsverfügung geschehen.

Gleichwohl kann im Einzelfall die Veröffentlichung von Verlautbarungen der ARGK im Inland eine Zuwiderhandlung gegen das die PKK/ERNK betreffende Betätigungsverbot darstellen. Denn auch die Verbreitung von Erklärungen nicht verbotener Organisationsteile kann ebenso wie die Verbreitung von Erklärungen unbeteiligter Dritter, je nach ihrem Inhalt, geeignet sein, eine die verbotene Tätigkeit der PKK/ERNK fördernde Wirkung zu erzielen (in diesem Sinn wohl auch BayObLG NStZ-RR 1996, 121). Diese Voraussetzung ist jedoch in den Fällen B I 2 b, 3 a, 4, 7 und 9 bei Zugrundelegung der Feststellungen des Landgerichts nicht erfüllt. Gegenstand dieser Veröffentlichungen waren im wesentlichen nur Gefechtsberichte der ARGK über den Guerillakrieg in der Türkei mit Erfolgs- und Verlustmeldungen. Daß von der Verbreitung solcher Verlautbarungen eine unter dem Blickwinkel der Verbotsgründe erhebliche fördernde Wirkung für die verbotene Tätigkeit der PKK/ERNK im Inland ausgehen könnte, kann der Senat unter den gegebenen Umständen ausschließen. Der Angeklagte ist daher in den Fällen B I 4, 7 und 9 freizusprechen. In den Fällen B I 2 und 3 ergibt sich wegen der noch andere, unmittelbar die PKK/ERNK betreffenden Teile der Veröffentlichungen lediglich eine Einschränkung des Schuldumfangs, die wegen des Absehens von Strafe ohne Auswirkungen bleibt.

Anders liegen die Dinge jedoch im Fall B I 1. Die in der Ausgabe von Biji vom 23. Januar 1995 veröffentlichte Boykottaufforderung der ARGK war ausdrücklich (auch) an die deutsche "Öffentlichkeit" gerichtet und dazu bestimmt, durch Einschüchterung Wirkung auf die öffentliche Meinung in Deutschland zu erzielen. Diese Verlautbarung diente offensichtlich dem Zweck, Propagandaziele zu erreichen, die von der PKK/ERNK durch ihre dem Betätigungsverbot unterliegende werbende und einflußnehmende Tätigkeit in Deutschland angestrebt werden. Die konkrete Eignung der Veröffentlichung, diese Propagandatätigkeit der PKK/ERNK im Inland zu fördern, und die darauf gerichtete Tendenz liegen auf der Hand.

2. In den vom Teilfreispruch nicht erfaßten Fällen bestehen insofern durchgreifende Bedenken gegen die rechtliche Wertung des Landgerichts, als die Urteilsfeststellungen die Annahme, der Angeklagte habe die Zuwiderhandlungen gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot als (Mit-)Täter begangen, von den Urteilsfeststellungen nicht getragen wird.

Im Rahmen der Tatschilderung wird in soweit nur die bereits in der Darstellung der persönlichen Verhältnisse enthaltene Feststellung wiederholt, daß der Angeklagte bei der "Kurdistan Solidarität N.-E." in nicht näher beschriebener Weise mitarbeitete und im Jahre 1995 für die von dieser herausgegebenen Druckschrift Biji der "Verantwortliche" im Sinne des Pressegesetzes war. Lediglich bei den Ausführungen zur Beweiswürdigung wird mitgeteilt, daß der Angeklagte angegeben hat, er habe "innerhalb eines gleichberechtigten Teams" gearbeitet, jedoch seien die türkischen Texte von einer Mitarbeiterin des Teams übersetzt und meistens auch zur Veröffentlichung ausgewählt worden; "in einigen Fällen" sei die Auswahl auch von ihm getroffen worden, er habe die übersetzten Artikel meist nur überflogen. Erst die Ausführungen zur Strafzumessung machen deutlich, daß das Landgericht diese Schilderung des Angeklagten als zutreffend gewertet hat. Die darin zu sehenden Feststellungen genügen jedoch nicht für die täterschaftliche Zurechnung. Insbesondere reicht dafür die formale Übernahme der Stellung als "presserechtlich Verantwortlicher" noch nicht aus. Gemeint ist damit wohl die Stellung als verantwortlicher Redakteur (§ 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und 2, § 11 Abs. 2 BayPrG), der vom Verleger tatsächlich beauftragt ist und kraft dieser Stellung im Sinne eines Vetorechts darüber verfügen kann, ob ein Beitrag veröffentlicht wird oder eine Publikation wegen ihres strafbaren Inhalts unterbleibt (vgl. für viele BayObLG NStZ 1983, 126, 127; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts 3. Aufl. § 13 Rdn. 23 a, 24 m.Nachw.). Zweifel daran, ob der Angeklagte diese Stellung tatsächlich innehatte, bestehen deswegen, weil das Landgericht dem Angeklagten bei der Strafzumessung ausdrücklich zugute gehalten hat, daß er keine "alleinigen Entscheidungsbefugnisse" besaß, und damit möglicherweise auch ein "Vetorecht" des Angeklagten gegen die Veröffentlichung von strafrechtlich erheblichen Texten verneinen wollte. Die Regelung in § 11 Abs. 2 BayPrG, nach der zu Lasten des verantwortlichen Redakteurs vermutet wird, daß er den Inhalt eines unter seiner Verantwortung erschienenen Textes gekannt und den Abdruck gebilligt hat, führt schon deshalb nicht weiter, weil sie die - hier zweifelhafte - einwandfreie Feststellung der Stellung als verantwortlicher Redakteur voraussetzt. Zudem begründet sie weder eine Täterschaftsvermutung noch eine Last, den Entlastungsbeweis zu führen, und ändert an der Verpflichtung der Strafgerichte nichts, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. BayObLG NStZ 1983, 126, 127; Löffler, Presserecht Bd. I 3. Aufl. § 20 LPG Rdn. 146). Die Täterschaft oder Teilnahme an den durch die Veröffentlichung begangenen allgemeinen Straftaten bestimmt sich vielmehr nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen (§ 11 Abs. 1 BayPrG; vgl. BGHSt 36, 363, 367, 371). Für die Annahme von Mittäterschaft bedarf es daher der Feststellung, daß der Angeklagte den jeweiligen strafbaren Inhalt der einzelnen Ausgabe als eigene Meinungsäußerung bewußt mitgetragen und bei der Erstellung der jeweiligen "Tatausgabe" arbeitsteilig mitgewirkt hat. Dies läßt sich zwar für "einige Fälle" bejahen, in denen der Angeklagte die Beiträge ausgewählt hat; unklar ist jedoch, um welche Fälle unter den abgeurteilten es sich handelt. Hat der Angeklagte sich - was nach dem Urteil offen bleibt - in den übrigen Fällen nicht an der Herstellung der Ausgabe beteiligt, sondern sich auf eine formal nach außen hin eingenommene Stellung des presserechtlich verantwortlichen Redakteurs zurückgezogen und die übrigen Mitglieder des "Teams" gewähren lassen, kommt Beihilfe zu der von den übrigen Team-Mitgliedern begangenen Zuwiderhandlungen gegen das Betätigungsverbot in Betracht (vgl. BGHSt 36, 363, 368, 371 für einen vergleichbaren Fall nach § 129 a StGB). Zwar werden - materiell gesehen - durch § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG, soweit es um unterstützende Handlungen von außenstehenden Dritten geht, zur Täterschaft erhobene Beihilfehandlungen erfaßt, so daß daneben für eine Beihilfe grundsätzlich kein Raum ist. Anders ist dies jedoch in den Fällen, in denen es um die Unterstützung der verbotenen Vereinstätigkeit durch die Verbreitung fremder Texte in Presseerzeugnissen geht, weil die Annahme täterschaftlicher Zuwiderhandlung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG durch Dritte in diesen Fällen von den dargelegten einschränkenden Voraussetzungen abhängt. Bei solchen Sachverhaltsgestaltungen ist ebenso wie bei werbender und unterstützender Tätigkeit im Bereich der §§ 129, 129 a StGB Beihilfe rechtlich möglich (vgl. BGHSt 36, 363, 368, 371; v. Bubnoff in LK-StGB 11. Aufl. § 129 Rdn. 57; offen gelassen für die § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG vergleichbare Bestimmung in §§ 42, 47 BVerfGG a.F.: BGH NJW 1960, 1772, 1773; BGH, Urteil vom 4. Juni 1964 - 3 StR 13/64 - insoweit in NJW 1964, 1681 nicht abgedruckt). Allerdings hat der Senat zu § 84 StGB in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Schrifttum die Auffassung vertreten, daß neben den zur Täterschaft verselbständigten materiellen Beihilfehandlungen der Unterstützung einer verbotenen Partei (vgl. BGHSt 20, 89 f.) die Möglichkeit strafbarer Beihilfe ausgeschlossen ist (BGHSt 26, 258, 260/261; ebenso Laufhütte in LK-StGB 11. Aufl. § 84 Rdn. 15 und § 85 Rdn. 8; Rudolphi in SK-StGB 5. Aufl., Stand August 1996, § 84 Rdn. 14; Sonnen in AK-StGB § 84 Rdn. 37; Lackner StGB 21. Aufl. § 84 Rdn. 3; Dreher/Tröndle StGB 47. Aufl. § 84 Rdn. 8; Wache in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze <Stand nach der 121. Ergänzungslieferung> § 20 VereinsG Rdn. 28 <zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2>; Sommer JR 1981, 490, 491, 495; vgl. auch BGHSt 6, 159, 160 zu § 90 a StGB a.F.; a.A. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 84 Rdn. 17). Ob daran für die Organisationsdelikte nach den §§ 84, 85 StGB, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VereinsG ausnahmslos festzuhalten ist, kann dahinstehen. Jedenfalls für die nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu beurteilenden Sachverhalte der vorliegenden Art treffen die auf die Entstehungsgeschichte des § 84 StGB bezogenen Gründe (vgl. BT-Drucks. V/2860 S. 6), die für den vom Senat damals eingenommenen Standpunkt maßgebend waren, so nicht zu. Infolge der dargelegten restriktiven Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG auf Fälle der Verbreitung fremder Texte durch Presseerzeugnisse ist der Kreis der zur Täterschaft erhobenen Beihilfehandlungen zur verbotenen Vereinstätigkeit so eng gezogen, daß in diesem Bereich von einer weitgehenden Gleichsetzung materieller Beihilfe in Gestalt fördernden Dritthandelns mit der Täterschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG nicht die Rede sein kann. Es geht in solchen Fällen auch nicht darum, ob eine Unterstützung, die für die verbotene Vereinstätigkeit selbst erbracht wird, als eigenständige Beihilfe gewertet werden darf. In Frage steht vielmehr, ob die Hilfeleistung zu einem als Täterschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu beurteilenden Dritthandeln straflos bleiben soll oder als Beihilfe erfaßt werden kann. Weder aus dem Sinn des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG noch aus der Berücksichtigung der Meinungs- und Pressefreiheit ergeben sich einleuchtende Gründe, weshalb in solchen Fällen die allgemeinen Grundsätze strafrechtlicher Teilnahme nicht gelten sollen (vgl. auch Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 84 Rdn. 17).

Zumindest dadurch, daß der Angeklagte die Stellung des presserechtlich Verantwortlichen nach außen übernahm, hat er zugleich den jeweils über die Veröffentlichung entscheidenden Mitgliedern des Redaktionsteams, die nach den dargelegten Grundsätzen Zuwiderhandlungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG täterschaftlich begangen haben, bewußt Hilfe geleistet. Nach Lage der Dinge kann der Senat ausschließen, daß bei einer neuerlichen tatrichterlichen Prüfung geklärt würde, ob und in welchen vom Teilfreispruch nicht erfaßten Fällen der Angeklagte an der Veröffentlichung in einer die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigenden Weise beteiligt war. Da die Feststellungen jedoch jeweils die Bewertung als Beihilfe zum Vergehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG tragen, war der Angeklagte nach dem insoweit entsprechend anwendbaren Zweifelssatz (BGHSt 23, 203, 206) in sieben Fällen der Beihilfe schuldig zu sprechen. § 265 StPO steht nicht entgegen.

Externe Fundstellen: BGHSt 43, 41; NJW 1997, 2248; NStZ 1997, 393

Bearbeiter: Rocco Beck