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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 530/95, Urteil v. 24.01.1996, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 530/95 - Urteil vom 24. Januar 1996 (LG Köln)

BGHSt 42, 30; Verwendung oder Verbreitung von Kennzeichen eines von einem vollziehbaren Betätigungsverbots betroffenen Vereins; Verstoß gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot durch einen nicht in den Verein einbezogenen Dritten (PKK).

§ 18 S. 2 VereinsG; § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG; § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG

Leitsätze

1. Die bloße Verwendung oder Verbreitung von Kennzeichen eines von einem vollziehbaren Betätigungsverbot nach § 18 S. 2 VereinsG betroffenen Vereins ist nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG strafbar. Solche Fälle werden von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG erfaßt, wenn durch die Kennzeichenverwendung oder Kennzeichenverbreitung zugleich gegen das Betätigungsverbot verstoßen wird. (BGHSt)

2. Im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG handelt dem Betätigungsverbot nach § 18 S. 2 VereinsG auch ein nicht mitgliedschaftlich und sonst nicht organisatorisch eingebundener Dritter zuwider, wenn sein Verhalten auf die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und dafür förderlich ist. Auf die Feststellung eines tatsächlich eingetretenen meßbaren Nutzens kommt es nicht an; es genügt, daß das Täterhandeln konkret geeignet ist, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 14. Juni 1995 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf des Vergehens nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 18 Satz 2 Vereinsgesetz aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der auf die Sachrüge gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel ist begründet.

Zum äußeren Tatgeschehen hat das Landgericht, im wesentlichen übereinstimmend mit dem Anklagevorwurf, festgestellt:

Die Angeklagten, zwei türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, erklärten sich im März 1994 gegenüber einem Landsmann auf dessen Bitten bereit, 20 bis 30 ihnen übergebene Plakate aus Anlaß des Newroz-Festes, des traditionellen Frühlingsfestes der Kurden, an verschiedenen Orten in der Innenstadt von B. anzukleben. Auf diesen Plakaten wurde auf die "Arbeiterpartei Kurdistan" (Partiya Karkeren Kurdistan, PKK) und deren Teilorganisation, die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) u.a. durch die Abbildung Abdullah Öcalans, des Führers der PKK, sowie des - halbverdeckten - Symbols der ERNK (roter Stern auf gelbem Grund im grünen Kreis) und durch den ausgeschriebenen Namenszug der ERNK hingewiesen. Kurz vor Mitternacht des 21. März 1994 klebten die Angeklagten fünf bis sechs dieser Plakate in B. an, bis Polizeibeamte, denen sie aufgefallen waren, sie überprüften und die restlichen Plakate sicherstellten.

Durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 (veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 26. November 1993, BAnz. S. 10313 f.) wurde der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) einschließlich ihrer Teilorganisation "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK) gemäß § 18 Satz 2 Vereinsgesetz unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung verboten, sich im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes zu betätigen. Die Verbotsverfügung ist seit 26. März 1994 unanfechtbar und damit bestandskräftig.

Das Landgericht hat eine Strafbarkeit der Angeklagten nach der seiner Meinung allein in Betracht kommenden Strafbestimmung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz verneint. Nach dieser Strafnorm ist die Zuwiderhandlung gegen ein vollziehbares Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz unter Strafe gestellt. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit deshalb nicht für gegeben erachtet, weil die Plakatierungsaktion der Angeklagten nicht, wie dies die Strafnorm voraussetze, ursächlich dafür gewesen sei, daß der vom Verbot betroffene ausländische Verein, die PKK/ERNK, im Inland weiterhin tätig wurde. Vom gesamten Eindruck der Plakate her werde - so das Landgericht - nicht für die ERNK geworben, sondern für einen erfolgreichen Kampf um die Autonomie für die Kurden. Der Hinweis auf die ERNK sei gering und halte sich im Hintergrund. Eine derartige Werbewirksamkeit der Plakate, daß das Organisationsgefüge der ERNK in meßbarer Weise stabilisiert und gestärkt werden konnte, sei nicht festzustellen, zumal die "Außenwirkung" der fünf angeklebten Plakate unter den örtlichen Verhältnissen einer kleinen Stadt wie B. ohnehin als sehr gering anzusehen sei.

Die dem Freispruch zugrundeliegenden Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Zutreffend ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, daß die Frage der Strafbarkeit der Angeklagten nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz (in der zur Tatzeit und damit vor Inkrafttreten der Änderung durch Art. 14 Nr. 7 des Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 <BGBl I S. 3186> geltenden Fassung) und nicht nach der Strafvorschrift über die verbotene Kennzeichenverwendung in § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz zu beurteilen ist (vgl. auch BayObLG, Beschluß vom 6. November 1995 - 3 St ObWs 2/95; OLG Köln, Beschluß vom 3. November 1995 - 2 Ws 463/95 -). Dies gilt schon deshalb, weil das Verhalten der Angeklagten nicht auf die Verwendung von Kennzeichen der von der Verbotsverfügung betroffenen ausländischen Vereinigung (PKK/ERNK) beschränkt war. Aber auch unabhängig davon ist für eine Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz kein Raum. Fälle von Kennzeichenverwendung (Kennzeichenverbreitung) werden bei ausländischen Vereinen, die mit einem Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz belegt sind, durch § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz selbst erfaßt, wenn dadurch zugleich gegen das Betätigungsverbot verstoßen wird (weitergehend wohl BayObLG, Beschluß vom 6. November 1995 - 3 St ObWs 2/95; vgl. auch OLG Köln, Beschluß vom 3. November 1995 - 2 Ws 463/95 -). Werden die Kennzeichen hingegen ohne Verwirklichung der weitergehenden Anforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz verbreitet oder verwendet, ist dies nicht strafbar. Die bloße Verbreitung oder Verwendung von Kennzeichen eines von einem Betätigungsverbot betroffenen ausländischen Vereins fällt nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz (a.A. Köbler NStZ 1995, 531 ff.). Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist nur der Gebrauch von Kennzeichen derjenigen Vereine (Parteien oder Ersatzorganisationen) mit Strafe bedroht, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Vereinsgesetz bezeichnet sind. Dabei handelt es sich um Vereine (Parteien, Ersatzorganisationen), die im Inland ihren Sitz haben oder hier zumindest über eine Teilorganisation verfügen und deshalb von einem in der Wirkung auf das Inland beschränkten Vereinsverbot und einer damit verbundenen Auflösungsanordnung nach § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Vereinsgesetz (sog. Organisationsverbot, vgl. BVerwGE 55, 175, 181) betroffen sein können. Nur auf eine im Inland vorhandene Organisation beziehen sich die Aufrechterhaltung des Zusammenhalts, die mitgliedschaftliche Betätigung und die Unterstützung, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Vereinsgesetz unter Strafe gestellt sind. Zu solchen Vereinigungen gehören die - von Ausländern dominierten - Vereine mit Sitz im Ausland, die sog. ausländischen Vereine nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Vereinsgesetz, ohne mindestens eine Teilorganisation im Inland nicht. Gegen sie ergeht nicht ein Organisationsverbot, sondern ein Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz (vgl. BGSt 20, 45, 47; Wagner MDR 1966, 19/20). Sie werden von § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz als der abschließenden Regelung der Verstöße gegen ein vollziehbares - aber auch ein bestandskräftiges (vgl. Dreher/Tröndle StGB 47. Aufl. § 85 Rdn. 6; BT-Drucksache IV/2145 <neu> S. 5) - Betätigungsverbot erfaßt. Auf diese Vorschrift nimmt § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz jedoch nicht Bezug. Damit steht im Einklang, daß auch § 9 Vereinsgesetz, der ein verwaltungsrechtliches Kennzeichenverbot vorsieht, seiner systematischen Stellung nach für die von einem Organisationsverbot betroffenen Vereinigungen gilt, mithin für diejenigen, die zugleich auch Gegenstand der Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Vereinsgesetz sind.

Angesichts der sachlichen Gleichwertigkeit des Betätigungsverbots mit dem Organisationsverbot (vgl. Köbler NStZ 1995, 531, 532) erscheint freilich die innere Rechtfertigung dafür fraglich, daß die Verbreitung und Verwendung der Kennzeichen im Falle von Vereinen oder Parteien im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Vereinsgesetz ohne weiteres, im Falle der mit einem Betätigungsverbot belegten ausländischen Vereine aber nur unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz strafbar sind. Eine danach mögliche Strafbarkeitslücke kann jedoch wegen des eindeutigen Wortlauts in § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz und wegen des systematischen Regelungszusammenhangs der Strafvorschriften in § 20 Abs. 1 Vereinsgesetz nicht im Wege ausdehnender Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz geschlossen werden. Darin läge eine die Wortlautschranke durchbrechende analoge Normanwendung zum Nachteil des Täters, die unzulässig ist. Daran ändert nichts, daß der Entstehungsgeschichte dieser Strafbestimmungen Hinweise auf die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz auch im Falle des Betätigungsverbots nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz zu entnehmen sein mögen (vgl. Köbler aaO). Entscheidend ist, daß solche Vorstellungen keinen hinreichenden Ausdruck im Wortlaut und in der Regelungssystematik des § 20 Abs. 1 Vereinsgesetz gefunden haben.

Zugleich mit dem Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz gegen die PKK und als deren Teilorganisation gegen die ERNK hat der Bundesminister des Innern auch eine Verlagsgesellschaft einschließlich ihrer Nachrichtenagentur mit Sitz im Inland als Teilorganisation der PKK verboten und aufgelöst (zur Zulässigkeit der Verbindung eines Organisationsverbots gegen im Inland bestehende Teilorganisationen mit einem Betätigungsverbot für auswärtige Organisationsteile vgl. Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze Bd. IV 1. bis 5. Aufl. § 18 Vereinsgesetz Rdn. 3; Willms JZ 1965, 86, 88 Fn. 21). Die gleichen Maßnahmen hat er gegen eine größere Anzahl strukturell mit der Tätigkeit der PKK/ERNK in Deutschland verflochtener Ausländervereine getroffen. Die gegen diese Vereinigungen im Inland erlassenen (vollziehbaren) Organisationsverbote haben jedoch nicht zur Folge, daß damit Tätigkeiten für die PKK/ERNK im Inland generell unter die Regelungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Vereinsgesetz fielen und eine sie betreffende Kennzeichenverwendung nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz strafbar wäre. Nur insoweit, als es um die Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts dieser aufgelösten inländischen Vereinigungen, um die mitgliedschaftliche Betätigung in diesen, um deren Unterstützung und um die Verbreitung oder Verwendung von deren Kennzeichen geht, sind die Strafvorschriften in § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5 Vereinsgesetz (oder im Falle der Unanfechtbarkeit des Organisationsverbots u.U. die §§ 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 86 Abs. 1 Nr. 2, 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) anwendbar.

2. a) Nicht zu folgen ist hingegen den vom Landgericht als maßgeblich erachteten Anwendungsgrundsätzen für § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz.

Da das Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz, auf das § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz bezogen ist, begrifflich keine (Teil-) Organisation auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland voraussetzt, sondern unabhängig davon besteht, ist es nicht sachgerecht, die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz im konkreten Fall davon abhängig zu machen, ob das "Organisationsgefüge" der PKK/ERNK durch das Täterhandeln in meßbarer Weise stabilisiert und gestärkt wurde. Ausgangspunkt für die nähere Bestimmung des Verhaltens, das vom Begriff der Zuwiderhandlung in § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz umfaßt wird, muß vielmehr das Betätigungsverbot selbst sein. Im verwaltungsrechtlichen Sinne richtet sich dieses Verbot an den davon betroffenen ausländischen Verein. Nach strafrechtlicher Betrachtung kann dieser jedoch nicht Adressat der akzessorischen Strafnorm in § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz sein. Adressaten sind vielmehr alle Personen, durch die der selbst nicht handlungsfähige Verein im Inland tätig wird. Von der Strafnorm werden daher außer den Vereinsmitgliedern auch Dritte erfaßt, die, ohne mitgliedschaftlich oder sonst organisatorisch eingebunden zu sein, für den Verein in der Weise aktiv werden, daß ihr Handeln als Tätigkeit des mit dem Verbot belegten Vereins erscheint. Was im einzelnen Gegenstand des Betätigungsverbots ist, wird zwar weder in § 18 Satz 2 Vereinsgesetz noch in der Verbotsverfügung näher gekennzeichnet. Eine inhaltliche Konkretisierung ergibt sich jedoch aus dem durch die Verbotsgründe (§ 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Vereinsgesetz) verdeutlichten Sinn und Zweck des Betätigungsverbots. Erfaßt werden danach alle Tätigkeiten für den verbotenen Verein, die unter dem Gesichtspunkt der Verbotsgründe erheblich sein können. Dazu gehört insbesondere auch die Propagandatätigkeit.

Notwendiger Bestandteil des Betätigungsverbots ist das Verbot, eine derartige Tätigkeit des Vereins im Inland zu unterstützen (vgl. BVerfGE 25, 44, 53 zur Zuwiderhandlung gegen ein Parteiverbot nach den durch § 28 Vereinsgesetz aufgehobenen Regelungen in den §§ 42, 47 a.F. BVerfGG). Soweit ein solches unterstützendes Handeln Dritter in Frage steht, genügt zur Erfüllung des äußeren Straftatbestandes nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz jedes Verhalten, das auf die verbotene inländische Tätigkeit des betroffenen Vereins bezogen und dafür förderlich ist. Ursächlich im Sinne der Bedingungstheorie braucht es für die verbotene Vereinstätigkeit im Inland dagegen nicht zu sein (vgl. BayObLG, Beschluß vom 6. November 1995 - 3 St ObWs 2/95; mißverständlich: Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze Band IV 1. bis 5. Aufl. § 20 Vereinsgesetz Rdn. 19). Es reicht aus, daß die Handlungsweise des Täters konkret geeignet ist, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen. Auf die Feststellung eines tatsächlich eingetretenen meßbaren Nutzens kommt es nicht an. Dafür fehlt es ohnehin an einem handhabbaren Maßstab. Insoweit können, unbeschadet der Tatsache, daß Bezugspunkt des Täterhandelns die inländische Tätigkeit und nicht die Organisation der vom Betätigungsverbot betroffenen ausländischen Vereinigungen ist, der Sache nach und im Grundsatz jedenfalls keine strengeren Regeln gelten, als sie für den Begriff der Unterstützung einer verbotenen (kriminellen oder terroristischen) Vereinigung im Rahmen der Organisationsdelikte entwickelt worden sind. Auch dafür reicht aber ein der Vereinigung vorteilhaftes Tun ohne Feststellung eines meßbaren Nutzens aus (vgl. BGHSt 29, 99, 101; 32, 243, 244; 33, 16, 17; BGHR StGB § 129 a III Unterstützen 1).

b) Verfassungsrechtliche Zweifel an der Geltung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz (vgl. Copic, Grundgesetz und politisches Strafrecht neuer Art, 1967, S. 174 ff.; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 20 <a.F.> Vereinsgesetz Rdn. 2 mit weiteren Nachweisen) sind nicht begründet. Sie lassen sich insbesonders nicht daraus ableiten, daß § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz (auch) die Zuwiderhandlung gegen ein noch nicht unanfechtbares, aber vollziehbares Betätigungsverbot erfaßt. Das hat das Bundesverfassungsgericht für § 20 Abs. 1 Nr. 1 Vereinsgesetz und das noch nicht bestandskräftige Organisationsverbot in BVerfGE 80, 244 näher ausgeführt; die dafür maßgeblichen Erwägungen gelten für § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz entsprechend. Bei Beachtung der dargelegten Anwendungsgrundsätze, insbesondere des Erfordernisses, daß das fördernde Dritthandeln auf eine im Hinblick auf die Verbotsgründe erhebliche Vereinstätigkeit bezogen sein muß, bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz (vgl. BVerfGE 25, 44, 55 zum vergleichbaren Fall der §§ 42, 47 a.F. BVerfGG). Aus gleichem Grunde sind Geltung und Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz auch nicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in Frage zu stellen (vgl. BVerfGE 25, 44, 57 f., 61). Strafgrund ist nicht die im Täterhandeln u.U. zu sehende Meinungsäußerung als solche, sondern der Bezug auf die verbotene Tätigkeit des Vereins und die sich daraus ergebende Förderung des verbotenen Wirkens.

c) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht nach dem festgestellten Sachverhalt zu Unrecht verneint, daß die Angeklagten den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz zur äußeren Tatseite verwirklichten. Die Plakatklebeaktion der Angeklagten war auf die vom Betätigungsverbot erfaßte Propagandatätigkeit der PKK/ERNK im Bundesgebiet bezogen, wenn nicht gar in sie eingegliedert. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Verwendung von Plakaten, die nach Inhalt und Herstellungsart offensichtlich von der PKK/ERNK stammten. Die Annahme des Landgerichts, daß vom gesamten Eindruck der Plakate her nicht für die ERNK, sondern für einen erfolgreichen Kampf um Autonomie der Kurden geworben werde, der Hinweis auf die ERNK gering sei und sich im Hintergrund halte, trifft so nicht zu. An diese wertende Feststellung des Tatrichters ist der Senat nicht gebunden, weil sie den rechtlichen Regeln über die Ermittlung des Aussagegehalts schriftlicher und bildlicher Äußerungen widerspricht. Allenfalls bei jeweils isolierter Betrachtung der einzelnen Hinweise auf die PKK/ERNK kann man zu der vom Landgericht für richtig gehaltenen Beurteilung der inhaltlichen Aussage und Bedeutung der Plakate gelangen. Ein solches Vorgehen ist jedoch rechtsfehlerhaft. Entscheidend für die Ermittlung des Aussagegehalts ist das Zusammenspiel der einzelnen Aussagen und Hinweise auf den Plakaten. Danach kann aber kaum zweifelhaft sein, daß durch die im zentralen Vordergrund stehende Symbolfigur des Abdullah Öcalan als Führer der PKK, des weiteren durch das Emblem der ERNK, die Abbildung der Bewaffneten und schließlich durch den ausdrücklich auf die ERNK hinweisenden Schriftzug für die PKK/ERNK und ihre führende Rolle im bewaffneten Befreiungskampf geworben und damit die Propagandatätigkeit dieser vom Betätigungsverbot betroffenen Vereinigung gefördert werden sollte. Diese Förderung war entgegen der Meinung des Landgerichts nicht wegen der örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen. Auch insoweit darf sich die Beurteilung nicht auf eine isolierte Betrachtung beschränken. Nach Sachlage drängt sich auf, daß die Plakatklebeaktion der Angeklagten Teil einer weitergehenden, überörtlich angelegten Propagandamaßnahme aus Anlaß des Newroz-Festes war. Dies hätte das Landgericht prüfen und berücksichtigen müssen. Aus dem Zusammenwirken der einzelnen örtlichen Klebeaktionen kann sich eine sogar noch verstärkte Förderung der verbotenen Propagandatätigkeit der PKK/ERNK ergeben.

3. Eine abschließende Entscheidung zum Schuldspruch ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen hat.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß für die Feststellung objektiv tatbestandsmäßigen Verhaltens nicht maßgeblich ist, ob einschreitende Polizeibeamte nichts zur Entfernung bereits geklebter Plakate veranlaßten.

Externe Fundstellen: BGHSt 42, 30; NJW 1996, 1906; NStZ 1996, 340; NStZ 1996, 602; StV 1996, 433

Bearbeiter: Rocco Beck