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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 458

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 5/25, Beschluss v. 18.02.2025, HRRS 2025 Nr. 458


BGH 3 StR 5/25 - Beschluss vom 18. Februar 2025 (LG Kleve)

Gewerbsmäßige Einfuhr eines neuen psychoaktiven Stoffes (Urteilstenor); Einziehung des Wertes von Taterträgen (Abgrenzung von Taterträgen und Tatmitteln).

§ 4 NpSG; § 73 StGB; § 73c StGB; § 74 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 14. Oktober 2024 dahin geändert

a) im Schuldspruch, dass der Angeklagte der gewerbsmäßigen Einfuhr eines neuen psychoaktiven Stoffes in 21 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum gewerbsmäßigen Handeltreiben mit einem neuen psychoaktiven Stoff, schuldig ist;

b) im Einziehungsausspruch, dass die Einziehung sichergestellter 83.448,6 Gramm Ketamin sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.100 € angeordnet wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr eines neuen psychoaktiven Stoffes in 21 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit einem neuen psychoaktiven Stoff, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung sichergestellter „ca. 83 kg“ Ketamin und von 4.200 € angeordnet sowie den Anrechnungsmaßstab für in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft bestimmt. Der Angeklagte erhebt mit seiner Revision die allgemeine Sachrüge. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte für Hinterleute in 21 Fällen Pakete mit jeweils mehreren Kilogramm kristallinen Ketamins aus den Niederlanden nach Deutschland und gab die Pakete an Postfilialen auf. Wie er wusste, war das Ketamin zur gewinnbringenden Weiterveräußerung an die Adressaten bestimmt. Pro Kurierfahrt erhielt er mindestens 100 € Entgelt und jeweils 100 € Unkostenerstattung für Benzin sowie Porto. Dadurch wollte er sich eine Einkunftsquelle von einiger Dauer verschaffen. Das Ketamin hatte einen Wirkstoffgehalt von jedenfalls 60 Prozent Ketaminhydrochlorid.

2. Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung führt zu einer Änderung des Schuld- und des Einziehungsausspruchs. Im Übrigen hat sich kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

a) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind durch die Beweiswürdigung belegt und tragen die rechtliche Wertung, der Angeklagte habe sich in 21 Fällen jeweils wegen gewerbsmäßiger Einfuhr eines neuen psychoaktiven Stoffes in Tateinheit mit Beihilfe zum gewerbsmäßigen Handeltreiben mit einem neuen psychoaktiven Stoff gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Variante 1, Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 NpSG, §§ 27, 52, 53 StGB strafbar gemacht (vgl. zu den Konkurrenzen BGH, Beschluss vom 18. Juli 2024 - 5 StR 623/23, juris Rn. 25 zu § 34 KCanG). Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich des Neuepsychoaktive-Stoffe-Gesetzes eröffnet ist und es sich bei dem konkret in Rede stehenden Ketamin nicht um Arzneimittel oder Tierarzneimittel handelte (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NpSG; vgl. auch BR-Drucks. 403/21 S. 27). Allerdings ist die von der Strafkammer zutreffend angenommene gewerbsmäßige Tatbegehung in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen, da diese ein Qualifikationsmerkmal ist (s. entsprechend zu § 146 Abs. 2 StGB BGH, Beschluss vom 16. Mai 2018 - 1 StR 151/18, BGHR StGB § 146 Abs. 2 Gewerbsmäßig 3 Rn. 5).

b) Im Rechtsfolgenausspruch hat zwar die Strafe Bestand, die Anordnung der Einziehung jedoch nur teilweise.

aa) Der Strafausspruch enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (vgl. allgemein zu den Maßstäben BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 - 3 StR 412/21, NStZ-RR 2022, 290, 292 mwN). Soweit das Landgericht für Ketamin einen Grenzwert für eine „nicht geringe Menge“ ermittelt und bei seiner Strafzumessung herangezogen hat, ist zwar zweifelhaft, ob ein solches Vorgehen erforderlich ist (in diesem Sinne aber BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 - 6 StR 461/21, BGHSt 67, 1); denn der Gesetzeswortlaut des § 4 NpSG nennt - anders als etwa § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG oder § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG - ein solches Merkmal nicht (kritisch Patzak, NStZ 2022, 370; s. auch BT-Drucks. 18/8964 S. 4). Jedoch liegt ein entsprechendes Vorgehen jedenfalls im Rahmen einer zulässigen tatgerichtlichen Bestimmung der schuldangemessenen Strafe.

bb) Die auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützte Einziehung des Wertes von Taterträgen ist von 4.200 € auf einen Betrag von 2.100 € zu reduzieren, weil der Angeklagte nach den Feststellungen als Entgelt für die Taten lediglich jeweils 100 € pro Kurierfahrt erhielt. Bei den zusätzlich gezahlten 100 € für „Spritgeld“ und Porto handelt es sich nicht um Tatertrag, sondern um zur Begehung der Tat bestimmte Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB. Die Einziehung des Wertes dieser Mittel ist nur unter den gegenüber § 73c StGB engeren Voraussetzungen des § 74c Abs. 1 StGB möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022 - 3 StR 193/22, juris Rn. 9 mwN). Dazu müsste der Täter die Einziehung des ursprünglichen Einziehungsgegenstandes nach der Tatbegehung vereitelt haben. Die bestimmungsgemäße Verwendung erlangter Tatmittel stellt gerade keine solche Vereitelungshandlung dar (s. BGH, Urteil vom 18. November 2021 - 3 StR 131/21, juris Rn. 17 mwN). Da nach den Urteilsgründen ausgeschlossen ist, dass sich noch ergänzende Feststellungen treffen lassen, die hier eine Einziehung des Wertes überlassener Tatmittel begründen könnten, setzt der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Einziehungsbetrag auf verbleibende 2.100 € herab.

cc) Die Einziehung des sichergestellten Ketamins nach § 5 NpSG, § 74 Abs. 2 StGB weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf (vgl. entsprechend zu § 33 BtMG BGH, Urteil vom 18. Oktober 2018 - 3 StR 330/18, juris Rn. 5 mwN; zur Bezeichnung etwa BGH, Urteil vom 23. Oktober 2024 - 2 StR 186/24, juris Rn. 17 mwN).

3. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 458

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede