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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 807

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 461/24, Urteil v. 20.03.2025, HRRS 2025 Nr. 807


BGH 3 StR 461/24 - Urteil vom 20. März 2025 (LG Mönchengladbach)

Strafzumessung (Festsetzung der Einzelstrafe); Reihenfolge der Vollstreckung von Freiheitsstrafe und Maßregel (Berechnung der Dauer des Vorwegvollzugs).

§ 46 StGB; § 67 Abs. 5 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 7. Mai 2024

a) im Strafausspruch dahin ergänzt, dass im Fall II. 5. a) der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren festgesetzt wird;

b) im Ausspruch über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin geändert, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt drei Jahre und zehn Monate der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zu vollziehen sind.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten der besonders schweren Vergewaltigung, der Vergewaltigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit „vorsätzlicher“ Körperverletzung, der gefährlichen Körperverletzung und der „vorsätzlichen“ Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat gegen ihn unter Einbeziehung einer Strafe aus einer Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verhängt. Zudem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Bestimmung eines Teilvorwegvollzugs der Strafe angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf zwei Verfahrensrügen und die ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

1. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen übte der Angeklagte über einen Zeitraum von vielen Jahren wiederholt massive körperliche Gewalt gegenüber der Nebenklägerin - seiner Ehefrau - aus und vergewaltigte sie zudem mehrfach.

2. Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg.

3. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch, zu den Einzelstrafen in allen Fällen bis auf Fall II. 5. a) der Urteilsgründe und zu den Adhäsionsentscheidungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4. Hinsichtlich der Strafzumessung im Fall II. 5. a) der Urteilsgründe gilt: Die schriftlichen Urteilsgründe lassen die Festsetzung einer Einzelstrafe für diese Tat der Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 6 StGB nicht erkennen. Die Strafzumessungserwägungen zu diesem Fall brechen nach einer Darlegung, dass ein Abweichen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht veranlasst sei, und der Benennung bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigter Umstände abrupt ab. Sodann folgen die Begründung der Strafzumessung im Fall II. 5. b) der Urteilsgründe und die Angabe der für diese Tat verhängten Einzelstrafe. Möglicherweise sind ursprünglich vorhandene Textpassagen zum Fall II. 5. a) der Urteilsgründe mit Ausführungen zu schulderhöhenden Umständen und der Einzelstrafe im Zuge der Abfassung der Urteilsgründe versehentlich gelöscht worden.

Daher setzt der Senat die Einzelstrafe für diese Tat auf die gesetzliche Mindeststrafe (§ 177 Abs. 6 Satz 1 StGB) von zwei Jahren Freiheitsstrafe fest, womit jedwede Beschwer des Angeklagten ausgeschlossen ist.

5. Die Gesamtfreiheitsstrafe bleibt davon unberührt. Denn es ist angesichts der Höhe der übrigen Einzelstrafen auszuschließen, dass die Strafkammer eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, wenn sie der Gesamtstrafenbildung die nunmehr festgesetzte Einzelstrafe für den Fall II. 5. a) der Urteilsgründe zu Grunde gelegt hätte.

6. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts belegen die Urteilsgründe jedenfalls in ihrer Gesamtheit, dass bei dem Angeklagten nicht nur im Tatzeitraum, sondern auch noch zum Urteilszeitpunkt, auf den es insoweit ankommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2023 - 4 StR 349/22, juris Rn. 8; vom 8. Juni 2010 - 3 StR 162/10, juris Rn. 9; BeckOK StGB/Ziegler, 64. Ed., § 64 Rn. 2), ein Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke und anderer berauschender Mittel im Sinne des § 64 Satz 1 StGB vorlag.

Denn der Angeklagte konsumierte mehrere Jahrzehnte lang illegale Drogen und Alkohol in erheblichem Umfang. Bisherige Therapiebemühungen blieben ohne längerfristigen Erfolg. Angesichts dessen ist auszuschließen, dass die vom Landgericht festgestellte relativ kurze Abstinenzphase zwischen Ende 2022 und der Urteilsverkündung den Hang des Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum hat entfallen lassen, zumal auch der von der Strafkammer hinzugezogene erfahrene psychiatrische Sachverständige einen fortbestehenden, also zum Urteilszeitpunkt weiterhin gegebenen Hang des Angeklagten im Sinne des § 64 StGB bejaht hat.

7. Der Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf der Änderung dahin, dass diese mit drei Jahren und zehn Monaten statt mit vier Jahren und zehn Monaten zu bemessen ist. Wie die Strafkammer in den Urteilsgründen offengelegt hat, ist ihr ein Rechenfehler unterlaufen. Diesen kann der Senat korrigieren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. März 2024 - 3 StR 23/24, NStZ-RR 2024, 240, 241; vom 8. September 2022 - 3 StR 177/22, juris Rn. 7; vom 8. Februar 2022 - 3 StR 458/21, NStZ-RR 2022, 139, 140; vom 10. August 2021 - 3 StR 250/21, juris Rn. 3).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 807

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede