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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 281

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 470/21, Beschluss v. 25.01.2022, HRRS 2022 Nr. 281


BGH 3 StR 470/21 - Beschluss vom 25. Januar 2022 (LG Düsseldorf)

Beweiswürdigung (tatrichterliche Überzeugungsbildung; Urteilsgründe; einsehbare Tatsachengrundlage).

§ 261 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag. Es genügt nicht, lediglich das Ergebnis der Schlussfolgerungen, nicht aber die Tatsachen, die einen solchen Schluss zulassen können, in den Urteilsgründen mitzuteilen, da andernfalls eine revisionsrechtliche Nachprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung nicht möglich ist.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. Juni 2021 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Ausführung bedarf allein, dass die sich aus den Urteilsgründen ergebende Beweiswürdigung die Feststellungen trägt.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen kamen der Angeklagte und sein mitangeklagter Schwager überein, an zwei Abnehmer mindestens ein Kilogramm Marihuana zu verkaufen. Am Übergabetag trafen sich die Käufer mit dem Schwager auf einem Supermarktparkplatz in D. Sodann erschien auch der Angeklagte in Begleitung eines anderen vor Ort. Ein daraufhin beauftragter Kurier brachte rund drei Kilogramm Marihuana von Do. zu dem Parkplatz. Als der Kurier erschien und aus seinem Fahrzeug ausstieg, ging der Angeklagte sogleich auf ihn zu, um die Tüte mit den Betäubungsmitteln zu übernehmen. Der Angeklagte übergab sie schließlich seinem Schwager, der damit in den Pkw der Abnehmer stieg. Nachdem der Wagen zu einem weiteren Parkplatz gefahren war, griffen Polizeibeamte zu.

2. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind; das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Anderenfalls hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (st. Rspr., etwa BGH, Beschluss vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, NJW 2021, 2896 Rn. 29).

Dabei müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag. Es genügt nicht, lediglich das Ergebnis der Schlussfolgerungen, nicht aber die Tatsachen, die einen solchen Schluss zulassen können, in den Urteilsgründen mitzuteilen, da andernfalls eine revisionsrechtliche Nachprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung nicht möglich ist (s. BGH, Beschlüsse vom 5. März 2002 - 3 StR 514/01, NJW 2002, 2190, 2191; vom 10. Juni 2020 - 4 StR 638/19, juris Rn. 5).

3. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe insgesamt noch gerecht.

Das Landgericht hat mit nicht zu beanstandender Begründung die Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen, er habe lediglich einen ihm Unbekannten zu dem Supermarkt gefahren, sich dann dort mangels anderer Pläne längere Zeit aufgehalten und von einem Mann eine Tüte in die Hand gedrückt bekommen, die er an einen aus dem Hintergrund Rufenden weitergegeben habe. Es hat als abwegig erachtet, dass der Kurier die Tüte im Wissen um deren Inhalt einem ihm völlig Fremden aushändigte und der Angeklagte gerade dann zum Zeitvertreib an dem Parkplatz verweilte, als sein Schwager ein Drogengeschäft abwickelte. Hierbei handelt es sich um mögliche, auf Tatsachen gestützte Schlüsse. Die durch Polizeibeamte beobachtete und vom Angeklagten selbst eingeräumte Entgegennahme der Betäubungsmittel sowie deren Weitergabe haben für die Strafkammer eine wesentliche und tragfähige Grundlage gebildet, um auf eine Einbindung des Angeklagten in das Betäubungsmittelgeschäft zu schließen.

Nach den hier gegebenen Umständen stellt es keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht überdies zu dem Ergebnis gelangt ist, der Angeklagte sei als Verkäufer des Cannabis tätig geworden, ohne eine etwaige Gehilfentätigkeit ausdrücklich in den Blick zu nehmen (vgl. in anderem Zusammenhang BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 - 5 StR 529/19, juris Rn. 5 mwN). Insoweit ist der von der Strafkammer angeführte Gesichtspunkt von Belang, dass der mit der Übergabe der Drogen an die Abnehmer befasste Schwager direkt vor Ort war. Nach dessen Einlassung sei er von einem der Käufer vorab um Hilfe beim Ankauf von Marihuana gebeten worden. Er habe daher Kontakt mit dem Verkäufer aufgenommen und sich mit diesem über den Kaufpreis sowie seine Vermittlungsprovision geeinigt. Danach ist es ein dem Tatgericht zuzubilligender und noch ausreichend dargelegter Schluss, den Angeklagten, der tatsächlich die Drogen von dem Kurier in Empfang nahm und sodann an seinen Schwager zur Übergabe an die Käufer weiterreichte, als eigennützigen Verkäufer anzusehen. Dass er in eine vorangegangene Planung der Übergabe einbezogen war, erschließt sich ohne weiteres aus den Erwägungen, mit denen das Landgericht die Einlassung des Angeklagten zu einer zufälligen Anwesenheit am Tatort entkräftet hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 281

Bearbeiter: Christian Becker