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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 938

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 441/20, Beschluss v. 12.08.2021, HRRS 2021 Nr. 938


BGH 3 StR 441/20 - Beschluss vom 12. August 2021 (OLG München)

Mittäterschaft bei aus einer terroristischen Vereinigung heraus begangenen Taten („NSU“; Tatherrschaft; Interesse an der Tat; Anwesenheit am Tatort; Ausführungsstadium; Vorbereitungshandlungen; Planung; legendierende Maßnahmen; psychische Unterstützung; Förderung der ideologischen Ziele der Vereinigung); Beweiswürdigung; Konkurrenzen bei Deliktsserie (Tateinheit; Tatmehrheit).

§ 25 Abs. 2 StGB; § 211 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Mittäter der von einer terroristischen Gruppierung (hier: sog. „NSU“) begangenen Straftaten kann - allgemeinen Grundsätzen entsprechend - auch sein, wer nicht am jeweiligen Tatort anwesend ist. Eine (Mit-)Täterschaft kann insoweit dadurch begründet werden, dass jemand als gleichberechtigtes Mitglied der Vereinigung an der Tatplanung mitwirkt und außerdem durch legendierende Maßnahmen die ausführenden Vereinigungsmitglieder deckt. Schließlich kann für die Bejahung von Mittäterschaft von Bedeutung sein, dass ein nicht unmittelbar an den Tatausführungen beteiligtes Vereinigungsmitglied Zusagen macht, die für die Erreichung des ideologischen Zwecks der Vereinigung bedeutsam sind (hier u.a.: Veröffentlichung eines Bekennervideos).

2. Auch die psychische Förderung der Tat, insbesondere die Bestärkung des Tatwillens des Handelnden, kann ein relevanter Tatbeitrag im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sein. Um allein die Annahme von Mittäterschaft - in Abgrenzung zur psychischen Beihilfe - zu tragen, muss der psychischen Förderung allerdings ein erhebliches Gewicht zukommen.

3. Für die Annahme eines tatherrschaftsbegründenden Tatbeitrags im Ausführungsstadium genügt es nicht ohne Weiteres, dass Handlungen zeitlich parallel zur Tatausführung erbracht werden. Erforderlich ist vielmehr, dass der Beteiligte in der Lage ist, die Tatausführung in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Die Möglichkeit einer Begründung von Tatherrschaft bzw. Mittäterschaft jenseits eines Tatbeitrags im Ausführungsstadium bleibt hiervon unberührt.

4. Werden Taten aus einer terroristischen Vereinigung heraus begangen, können sie dem einzelnen Vereinigungsmitglied nicht allein aufgrund dessen Zugehörigkeit zu der Organisation als eigene zugerechnet werden. Vielmehr ist eine mögliche Beteiligung für jede Tat nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kriterien, die für das Vorliegen der Vereinigung bedeutsam sind, deswegen für die Qualifizierung der Tatbeteiligung an Gewicht verlören. Vielmehr kann etwa ein weltanschaulich-ideologisches, religiöses oder politisches Ziel der Tatbegehung sowohl den Charakter eines Personenzusammenschlusses bestimmen als auch - unter dem Gesichtspunkt des Interesses an der Tat - in erheblicher Weise für Mittäterschaft sprechen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 11. Juli 2018 im Schuldspruch dahin geändert, dass sie schuldig ist

im Fall 24 unter Buch I Abschnitt III Teil A der Urteilsgründe zweier tateinheitlicher Fälle des Mordes in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie

im Fall 2 unter Buch I Abschnitt III Teil A der Urteilsgründe des versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Oberlandesgericht hat die Angeklagte wegen einer Vielzahl von Fällen des - vollendeten und versuchten - Mordes, des - vollendeten und versuchten - besonders schweren Raubes, der besonders schweren räuberischen Erpressung und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie zahlreicher weiterer in einzelnen der Fälle tateinheitlich verwirklichter Delikte zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Angeklagte wendet sich mit ihrer auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, mit der sie außerdem das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung für einen der abgeurteilten Fälle geltend macht, gegen ihre Verurteilung. Das Rechtsmittel führt mit der Sachbeschwerde zu der aus der Beschlussformel unter Ziffer ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 24 und 2 (unter Buch I Abschnitt III Teil A der Urteilsgründe) sowie zum Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Das Oberlandesgericht hat - soweit für die Revision relevant - folgende Feststellungen getroffen:

Nachdem die Angeklagte gemeinsam mit den mittlerweile verstorbenen Böhnhardt und Mundlos 1996 und 1997 in Jena mehrere rechtsextremistische „Propagandaaktionen“ unter Verwendung von Bombenattrappen durchgeführt hatte, durchsuchten die Ermittlungsbehörden Anfang 1998 die von ihr angemietete, als Bombenwerkstatt genutzte Garage und stellten dort eine Vielzahl im Bau befindlicher Rohrbomben sowie Sprengstoff sicher. Daraufhin gaben die Angeklagte und ihre beiden Komplizen ihre Wohnungen in Jena auf und brachen den Kontakt zu ihrem jeweiligen persönlichen Umfeld nahezu - mit Ausnahme einiger weniger gleichgesinnter Vertrauter - ab. Nach einer Übergangszeit lebten sie jeweils zu dritt in von einer anderen Person oder unter einem Alias-Namen nacheinander angemieteten fünf Wohnungen, ab August 1998 in Chemnitz, ab Dezember 2000 in Zwickau.

Noch 1998 kamen die Angeklagte, Böhnhardt und Mundlos auf der Basis der von ihnen geteilten politisch-ideologischen Einstellung überein, künftig gemeinsam eine Vielzahl willkürlich ausgewählter Menschen wegen deren südländischer - vornehmlich türkischer - Herkunft oder als Repräsentanten des Staates zu töten. Durch die destabilisierende Wirkung dieser Mordanschläge erstrebten sie eine ihren nationalsozialistisch-rassistischen Vorstellungen entsprechende Änderung der Staats- und Gesellschaftsform Deutschlands. Um diese Wirkung deutlich zu vergrößern, planten sie, die Öffentlichkeit zunächst nur den Seriencharakter der Taten erkennen zu lassen und erst später ein noch gemeinschaftlich zu erstellendes Bekennungsdokument zu veröffentlichen, mit dem sich der - von ihnen gebildete - Personenverband „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nachträglich verantwortlich erklärt. Des Weiteren vereinbarten sie, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts Raubüberfälle auf Sparkassenniederlassungen, Postfilialen und Supermärkte zu begehen; hierdurch sollten die zeitlich aufwendige Vorbereitung und Ausführung der Mordanschläge finanziell ermöglicht werden.

Die Angeklagte, Böhnhardt und Mundlos entschlossen sich, zu diesen Zwecken auf längere Zeit unter falscher Identität unerkannt zusammenzuleben, indem sie, im besonderen Umfang die Angeklagte, eine bürgerliche, unverdächtig erscheinende Legende aufbauen und nach außen kommunizieren. Während vorgesehen war, dass Böhnhardt und Mundlos die Straftaten ausführen, übernahm die Angeklagte vor allem folgende Aufgaben: Ihr oblag es, den Personenzusammenschluss abzutarnen (beispielsweise durch Beschaffung von auf fremdem Namen registrierten Kommunikationsmitteln und falschen Identitätspapieren sowie durch vielfältige legendierende Angaben gegenüber dem nachbarschaftlichen Umfeld), die finanziellen Angelegenheiten zu regeln, insbesondere die Beute aus den Überfällen zu verwalten, und erforderlichenfalls dafür zu sorgen, dass sich der NSU, dessen drei Mitglieder anonym bleiben sollten, in der geplanten Weise zu den Taten bekennt (Fall 1).

In Umsetzung dieses Vereinigungskonzepts begingen Böhnhardt und Mundlos von September 2000 bis April 2007 zwölf ideologisch motivierte Mordanschläge. In Nürnberg (Fälle 6, 11, 21), Hamburg (Fall 12), München (Fälle 14, 22), Rostock (Fall 17), Dortmund und Kassel (jeweils Fall 24) töteten sie unter Verwendung derselben Pistole des Herstellers Ceska heimtückisch neun türkisch- bzw. griechischstämmige Männer, die als Kleinunternehmer oder Aushilfskraft eines Kleinunternehmers an der jeweiligen Verkaufsstätte tätig waren. In Heilbronn (Fall 28) schossen sie mit zwei anderen Pistolen hinterrücks auf eine aus zwei Polizeibeamten bestehende Streifenwagenbesatzung; eine Polizistin verstarb, während ihr Kollege schwer verletzt wurde. In Köln (Fälle 8, 20) verübten sie in den Räumlichkeiten eines Lebensmittelgeschäfts und auf offener Straße Bombenattentate, die sich gegen Menschen mit iranischen bzw. vorwiegend türkischen Wurzeln richteten. Hierdurch wurde zwar niemand getötet; jedoch trugen zahlreiche Opfer, teils schwere, Gesundheitsschäden davon. Von Dezember 1998 bis November 2011 begingen Böhnhardt und Mundlos - in einem Fall Böhnhardt allein - in Chemnitz (Fälle 2 bis 4, 7, 16, 18, 19, 23), Zwickau (Fälle 13, 15, 25), Stralsund (Fälle 26, 27), Arnstadt (Fall 29) und Eisenach (Fall 30) 15 Überfälle mit Schusswaffen auf Sparkassenniederlassungen und Postfilialen sowie einen Supermarkt. In zwei Fällen machten sie tatplangemäß mit Tötungsvorsatz von einer Handfeuerwaffe Gebrauch. In einem dieser Fälle traf Böhnhardts Schuss das Opfer, das schwer verletzt wurde (Fall 25); in dem anderen verfehlten die von einem der Tatausführenden abgegebenen Schüsse ihr Ziel (Fall 2).

Die Angeklagte erbrachte nicht nur zahlreiche den Personenverband allgemein fördernde Beiträge (namentlich Fälle 5, 9, 10), sondern war insbesondere an der Planung jedes einzelnen Mordanschlags und Raubüberfalls beteiligt. Zusammen mit Böhnhardt und Mundlos wertete sie die zuvor bei Ausspähmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse aus. Alle drei fassten jeweils den gemeinsamen Entschluss zur Tatbegehung. Hinsichtlich der Mordanschläge einigten sie sich auf das Tatmittel (Schusswaffeneinsatz oder Sprengstoffexplosion) sowie den Tatort (zum Beispiel ein bestimmter Blumenstand oder Kiosk), das oder die Tatopfer (zumeist der am Tatort anwesende „Kleinstgewerbetreibende“, sofern er nach dem äußeren Erscheinungsbild südländischer Abstammung war) und die Tatzeit (etwa die zweite Hälfte eines bestimmten Tages). Hinsichtlich der Raubüberfälle verständigten sie sich auf den Tatort und die Tatopfer (das zu überfallende Objekt sowie - jedenfalls - das dort arbeitende Personal), ebenso auf die Tatzeit.

Während der Ausführung der jeweiligen Tat hielt sich die Angeklagte gemäß der zuvor getroffenen Übereinkunft in oder im Nahbereich der als Zentrale genutzten gemeinsamen Wohnung auf, um die tatbedingte Abwesenheit ihrer Komplizen zu legendieren. Dort sollte sie bei Nachfragen Dritter hierfür unverfängliche Erklärungen geben, die Umgebung sorgfältig beobachten und auf Vorkommnisse, die den Eindruck des bürgerlichen Lebens der drei in Frage stellen könnten, schnell und umsichtig reagieren. Nach Fertigstellung des ersten Bekennervideos im März 2001, ab der siebten Tat der gesamten Deliktserie (Fall 11), sollte die Angeklagte darüber hinaus, falls Böhnhardt und Mundlos die Flucht nicht gelänge und sie zu Tode kämen, den Film in der aktuellen Version verbreiten sowie die in der Wohnung befindlichen Beweismittel vernichten. Die von ihr übernommenen Tätigkeiten dienten dazu, den Tatausführenden eine sichere Rückzugsmöglichkeit zu schaffen und den Erfolg des Vereinigungskonzepts sicherzustellen.

Als nach dem letzten Raubüberfall Böhnhardt und Mundlos auf der Flucht von der Polizei entdeckt wurden und die Festnahme drohte, entzogen sie sich dieser durch Suizid. Nachdem die Angeklagte aus dem Rundfunk vom Tod der beiden erfahren hatte, setzte sie tatplangemäß unter Verwendung von Benzin die zu dieser Zeit genutzte Wohnung in Brand, um die Beweismittel zu vernichten, die Rückschlüsse auf den Personenverband und seine Unterstützer zuließen. Anschließend flüchtete sie und versandte zahlreiche Exemplare des dritten Bekennervideos, die für den nunmehr eingetretenen, bereits bei den Planungen bedachten Fall bereitlagen. Das aufgrund des Brandgeschehens einsturzgefährdete Mehrfamilienhaus, in dem sich die Wohnung befand, musste später abgerissen werden; drei Menschen, deren Tod die Angeklagte bei der Inbrandsetzung in Kauf nahm, blieben unverletzt (Fall 31).

2. Das Oberlandesgericht hat angenommen, für den Fall 1 sowie für einzelne tateinheitlich verwirklichte Straftatbestände in einigen weiteren Fällen sei Verfolgungsverjährung eingetreten, und hat die Strafbarkeit der Angeklagten wie folgt bewertet (hier wiedergegeben unter Außerachtlassung gleichartiger Idealkonkurrenz):

Die Mordanschläge seien in neun Fällen (Anschläge auf türkisch- bzw. griechischstämmige Männer) als Mord (darunter die beiden Tötungen im Fall 24), in einem Fall (Anschlag auf Polizisten) als Mord in Tateinheit mit versuchtem Mord und mit gefährlicher Körperverletzung sowie in zwei Fällen (Bombenattentate) als versuchter Mord in Tateinheit mit Herbeiführen einer schweren Sprengstoffexplosion zu beurteilen, davon in einem dieser Fälle in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die Überfälle seien, abhängig vom Vorliegen einer Wegnahme und/oder Herausgabe der Tatbeute, teils als - versuchter - besonders schwerer Raub, teils als besonders schwere räuberische Erpressung und teils als besonders schwerer Raub in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu werten. In den beiden Fällen, in denen dabei von der Schusswaffe Gebrauch gemacht worden sei, sei zudem eine idealkonkurrierende Strafbarkeit wegen versuchten Mordes gegeben, in einem der Fälle (Fall 2) auch wegen versuchten Raubes mit Todesfolge.

Die Angeklagte sei an sämtlichen Taten als Mittäterin (§ 25 Abs. 2 StGB) beteiligt gewesen. Hinzu trete die Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Denn die Angeklagte habe sich durch die Mordanschläge und Raubüberfälle, aber auch darüber hinaus für die aus ihr, Böhnhardt und Mundlos bestehende Vereinigung betätigt, deren Zwecke und Tätigkeit auf die Begehung von Mord gerichtet gewesen seien. Dieses Delikt stehe mit den seit 2003 begangenen 16 selbständigen Taten jeweils in Tateinheit und, soweit die festgestellten Beteiligungshandlungen gegen kein anderes Strafgesetz als § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 22. Dezember 2003 verstießen, - als verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit - mit allen Taten in Tatmehrheit.

Nach der durch den Tod von Böhnhardt und Mundlos bewirkten Auflösung der Vereinigung habe sich die Angeklagte durch die Inbrandsetzung der Wohnung (Fall 31) - als unmittelbare Täterin im Sinne des § 25 Abs. 1 Alternative 1 StGB - wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und mit besonders schwerer Brandstiftung strafbar gemacht.

II.

1. Anders als die Beschwerdeführerin geltend macht, liegen für alle abgeurteilten Fälle die Verfahrensvoraussetzungen vor. Das Oberlandesgericht war auch für die Verhandlung und Entscheidung über den Vorwurf der Inbrandsetzung der Wohnung (Fall 31) sachlich zuständig (§ 6 StPO). Ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG folgt dies jedenfalls aus einer Annexkompetenz zu § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG; denn die Tat steht mit dem die Bundeszuständigkeit begründenden Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in einem derart engen persönlichen und deliktsspezifisch-sachlichen Zusammenhang, dass eine getrennte Verfolgung und Aburteilung auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern als in hohem Maße sachwidrig erschiene (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, BGHSt 53, 128 Rn. 39 f.; vom 20. September 2012 - 3 StR 314/12, juris Rn. 20; vom 31. März 2021 - AK 16/21, juris Rn. 23 mwN).

2. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen nicht durch.

3. Die Sachbeschwerde führt zur Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 24 und 2.

a) Im Fall 24 hat das Oberlandesgericht die Angeklagte wegen Mordes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Sie ist indes des Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit dem Vereinigungsdelikt schuldig (zur Tenorierung der Konkurrenzen s. KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 260 Rn. 34 mwN).

aa) Nach den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen planten die Angeklagte, Böhnhardt und Mundlos, zunächst am Mittag des 4. April 2004 in einem bestimmten Dortmunder Kiosk und sodann am späten Nachmittag des 6. April 2004 in einem bestimmten Kasseler Internet-Café die dort tätigen Inhaber zu erschießen, sollten diese, wie nach den zuvor durchgeführten Ausspähmaßnahmen zu erwarten war, dem äußeren Erscheinungsbild nach südländischer Abstammung sein. Wie geplant, fuhren Böhnhardt und Mundlos mit einem in Chemnitz angemieteten Wohnmobil nach Dortmund und von dort nach Kassel. Vor Ort verübten sie die beiden Mordanschläge, indem sie ihre Opfer mit Kopfschüssen aus der Pistole des Herstellers Ceska töteten. Absprachegemäß hielt sich die Angeklagte jeweils „während der gesamten Tatausführung und der sich daran anschließenden Flucht der beiden Männer vom Tatort“ (UA S. 184, 187) in oder in der Nähe der gemeinsamen Wohnung in Zwickau auf. Dort entfaltete sie - im nach den tatsächlichen Umständen erforderlichen Umfang - die zugesagte legendierende Tätigkeit und hielt sich bereit, die Handlungen vorzunehmen, die sie für den Fall des Versterbens der Tatausführenden versprochen hatte, nämlich die Verbreitung des Bekennervideos sowie die Vernichtung der Beweismittel.

bb) Danach beging die Angeklagte als Mittäterin die beiden Morde tateinheitlich, nicht tatmehrheitlich.

(1) Sind an einer Deliktserie mehrere mittäterschaftlich handelnde Personen beteiligt, ist bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses für jede von ihnen gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob die einzelnen Straftaten in Tateinheit oder in Tatmehrheit zusammentreffen. Verwirklicht ein Mittäter hinsichtlich aller oder einiger Einzeltaten der Serie selbst sämtliche Tatbestandsmerkmale oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten einen eigenen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, sind ihm die jeweiligen Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatbegehung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die zugleich geförderten einzelnen Taten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, weil sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die anderen Mittäter die Delikte tatmehrheitlich verwirklicht haben (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - 3 StR 529/19, StV 2020, 661 Rn. 9; vom 19. Mai 2020 - 2 StR 398/19, juris Rn. 14).

(2) Gemessen daran ist das Verhalten der Angeklagten als eine einheitliche materiellrechtliche Tat zu bewerten. Die individuelle Mitwirkung der Angeklagten an den zwei Mordanschlägen bestand zum einen darin, dass sie zusammen mit ihren Komplizen nach Auswertung der bei Ausspähmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse die Tatbegehung im Einzelnen plante. Zum anderen nahm sie dadurch Einfluss auf die Deliktsverwirklichung, dass sie bei der Tatplanung bestimmte Zusagen gab, die ihre Präsenz in oder in der Nähe der Wohnung während Böhnhardts und Mundlos' Abwesenheit „im Zusammenhang mit den Fahrten nach Dortmund und Kassel“ zur Grundlage hatten. Nach den zu diesem konkreten Fall getroffenen Feststellungen geschah beides einheitlich für die zwei Morde (UA S. 181 f.). Das Oberlandesgericht hat nicht festgestellt, dass die Angeklagte voneinander abgrenzbare Tatbeiträge erbracht hätte, mit denen sie einerseits die Tötung in Dortmund, andererseits diejenige in Kassel individuell gefördert hätte. Auch die jeweilige Auswertung der im Vorfeld erlangten Erkenntnisse kann insoweit nicht getrennt voneinander beurteilt werden; denn die Urteilsfeststellungen sind dahin zu verstehen, dass diese die weitere Planung vorbereitenden Handlungen in den einheitlichen Tatentschluss einmündeten (vgl. UA S. 181, 1897). Die legendierende Tätigkeit der Angeklagten, die mit dem Aufenthalt im Nahbereich der Wohnung verbunden war, ist ebenso wenig einer derartigen isolierten Betrachtung zugänglich: Selbst wenn diese Tätigkeit - mit dem Staatsschutzsenat - als mittäterschaftliche Förderung der beiden konkreten Delikte im Ausführungsstadium gewertet würde (dazu unten 3. b) bb) (1)), läge nur ein einheitlicher Beitrag vor, weil das nicht weiter konkretisierte Verhalten in der Zeit zwischen den beiden Morden ununterbrochen fortdauerte (s. UA S. 186).

cc) Dementsprechend bedarf es im Fall 24 der Änderung des Schuldspruchs entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung bedingt den Wegfall einer der beiden für die einheitliche materiellrechtliche Tat festgesetzten lebenslangen Einzelfreiheitsstrafen. Die lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe bleibt davon unberührt (§ 54 Abs. 1 Satz 1 StGB).

Auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) beruht nicht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist auszuschließen, dass das Oberlandesgericht die Schuldschwere anders bewertet hätte, wenn es die Konkurrenzen im Fall 24 zutreffend beurteilt hätte. Der Staatsschutzsenat hat für seine Bewertung maßgebend auf „die Vielzahl der ... Mordtaten und ... der weiteren schweren Straftaten“ abgestellt (UA S. 2851). Die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung im Fall 24, die den Unrechts- und Schuldgehalt unberührt lässt (s. BGH, Beschluss vom 29. September 2020 - 3 StR 238/20, juris Rn. 4; Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 StR 289/20, juris Rn. 31), ist für das Ausmaß und die Schwere der gesamten Deliktserie ersichtlich nicht bedeutsam.

b) Im Fall 2 hat das Oberlandesgericht die Angeklagte des versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit versuchtem Raub mit Todesfolge schuldig gesprochen. Sie hat sich indes - idealkonkurrierend - nicht wegen versuchten Raubes mit Todesfolge, vielmehr wegen versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge strafbar gemacht.

Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, die durch diesen Überfall auf einen Supermarkt mittäterschaftlich verwirklichte räuberische Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) sei - der Angeklagten zurechenbar - nicht nur gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 Buchst. b StGB, sondern auch nach §§ 251, 22, 23 Abs. 1 StGB qualifiziert. Denn nach den Urteilsfeststellungen schoss Böhnhardt oder Mundlos nach dem Verlassen der Geschäftsräume tatplangemäß unter billigender Inkaufnahme tödlicher Verletzungen mit einer Handfeuerwaffe dreimal gezielt auf einen nacheilenden Passanten, um die Beute endgültig zu sichern, traf ihn aber nicht. Der Anwendung des § 251 StGB steht nicht entgegen, dass der Täter die Todesfolge erst nach der Verwirklichung des Grundtatbestands verursacht, soweit diese - damit vollendete - Tat noch nicht beendet ist (st. Rspr.; s. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2017 - 2 StR 130/17, NStZ 2017, 638 f.; vom 7. Oktober 2020 - 4 StR 602/19, NStZ-RR 2020, 372; BeckOK StGB/Wittig, 50. Ed., § 251 Rn. 5, jeweils mwN; zur Kritik der Literatur s. MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 251 Rn. 11).

Im Tenor hat das Oberlandesgericht allerdings nicht zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei dem Grunddelikt, dessen Erfolgsqualifikation im Versuchsstadium verwirklicht wurde, um eine räuberische Erpressung handelt. Der Schuldspruch ist dementsprechend zu ändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Auch insoweit steht § 265 StPO nicht entgegen.

4. Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen, wie vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt, keinen der Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

a) Die vom Oberlandesgericht getroffene Feststellung, die Angeklagte sei an der Planung jedes einzelnen Mordanschlags und Raubüberfalls beteiligt gewesen, beruht auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind; das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Anderenfalls hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2020 - 3 StR 322/20, juris).

Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen dabei nicht zwingend zu sein; es genügt vielmehr, dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen allerdings erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 10. April 2019 - 1 StR 646/18, StV 2020, 77 Rn. 11 f.; Beschluss vom 24. März 2021 - 4 StR 416/20, NJW 2021, 1767 Rn. 11).

bb) Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist gegen die in den Urteilsgründen dargelegte Beweiswürdigung zur Beteiligung der Angeklagten an der Planung jeder einzelnen Tat sachlich-rechtlich nichts zu erinnern. Die vom Staatsschutzsenat gewählte Darstellung der Beweiswürdigung, die schrittweise Mitteilung der - im Wesentlichen aufeinander aufbauenden - Überzeugungsbildung zu jeder einzelnen Feststellung und die vielfache Wiederholung der nämlichen Mitteilung für jede einzelne Tat, führt zwar zu einem sachlich nicht gebotenen und der Lesbarkeit abträglichen außergewöhnlichen Umfang der Urteilsgründe. Dies allein macht die Entscheidung indes nicht rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt hat im Einzelnen zutreffend ausgeführt, dass die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler aufweist, namentlich weil sie in den Ergebnissen der Beweisaufnahme eine tragfähige Tatsachengrundlage findet und auf möglichen Schlussfolgerungen beruht, die rational nachvollziehbar und in hohem Maße plausibel sind. Von besonderer Bedeutung für den Nachweis der gemeinsamen Tatplanung unter Mitwirkung der Angeklagten ist dabei:

(1) Dass die Mordanschläge und Raubüberfälle, wie festgestellt, sorgfältig und „gewissenhaft“ vorbereitet wurden, hat das Oberlandesgericht vornehmlich aus den in der zuletzt genutzten gemeinsamen Wohnung sichergestellten zahlreichen Ausspähdokumenten (Dateien und Schriftstücken) geschlossen. Die Dokumente setzen sich hauptsächlich aus Adresslisten (mit mehr als 10.000 Anschriften möglicher Tatopfer und -objekte), Stadtplänen und handschriftlichen Anmerkungen zusammen; das Oberlandesgericht hat dieser umfangreichen Datensammlung rechtsfehlerfrei - und in der Sache überzeugend - detaillierte, auf Ortskenntnis beruhende Beschreibungen und Bewertungen von potentiellen Anschlagszielen sowie Angaben zur örtlichen Lage von für Überfälle in Betracht kommenden Geldinstituten entnommen (UA S. 728 ff.).

(2) Die Urteilsfeststellung, dass für jeden einzelnen Mordanschlag und Raubüberfall Ausspähmaßnahmen vorgenommen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Tatplanung ausgewertet wurden, hat das Oberlandesgericht - in Anbetracht der sichergestellten Dokumente - insbesondere aus dem Interesse der Mitglieder des NSU, bei den einzelnen Taten das Festnahmerisiko zu minimieren, und des ihnen mangels Erwerbstätigkeit zur Verfügung stehenden zeitlichen Freiraums gefolgert, all diese Aktivitäten durchzuführen (beispielsweise UA S. 734 f.). Darüber hinaus hat der Staatsschutzsenat seine Überzeugung auf einen Notizzettel gestützt, der in der gemeinsamen Wohnung aufgefunden worden ist und das Ausforschen des Tatorts des elften Mordanschlags (zweite Tat von Fall 24), des Kasseler Internet-Cafés (s. oben II. 3. a) aa)), belegt (etwa UA S. 735). Dass zu zwei weiteren Mordanschlägen (Fälle 21 und 22) und acht Raubüberfällen (Fälle 15, 16, 19, 23, 25 bis 27 und 29) in der Wohnung und auch dem zuletzt verwendeten Wohnmobil handschriftlich gekennzeichnetes Kartenmaterial hat sichergestellt werden können, legt das Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung zu den betreffenden Einzeltaten dar (UA S. 1293, 1356, 1540, 1692 f., 1763 f., 1834, 1972, 2045, 2107, 2264 f.); Gleiches gilt (UA S. 2264 f., 2331) für die Objektskizze des Innenraums der Sparkassenniederlassung in Arnstadt und die Skizze des Grundrisses der Sparkassenniederlassung in Eisenach mit jeweils auf Ausspähmaßnahmen hinweisenden handschriftlichen Vermerken (Fälle 29 und 30).

(3) Dass die Angeklagte, wie festgestellt, an der Planung der einzelnen Taten auf der Grundlage der bei den Ausspähmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse mitwirkte, hat das Oberlandesgericht namentlich aus dem von den Mitgliedern des NSU entwickelten Vereinigungs- und Tatkonzept geschlossen (etwa UA S. 735 ff.), das von Anfang an darauf ausgerichtet war, die Mordanschläge und Raubüberfälle miteinander zu begehen (insbesondere UA S. 567 ff.). Hinsichtlich der mit der Gründung der Vereinigung beabsichtigten Deliktserie hat das Oberlandesgericht die bestreitende Einlassung der Angeklagten rechtsfehlerfrei als unplausibel und nicht nachvollziehbar beurteilt (UA S. 591 ff.); für seine Überzeugungsbildung sind vor allem die nachfolgend zusammengefassten Erwägungen maßgebend gewesen. Sie betreffen das Verhalten der Angeklagten vor dem Abtauchen in den „Untergrund“, ihre politisch-ideologische Einstellung und Gewaltbereitschaft, die durch die Flucht bewusst herbeigeführten neuen Lebensumstände sowie das Gewicht ihrer allgemeinen Förderungsbeiträge. In den Ergebnissen der Beweisaufnahme finden diese Erwägungen eine hinreichende Stütze:

(a) Schon vor dem Abtauchen in den „Untergrund“ wirkte die Angeklagte an sämtlichen von Böhnhardt und Mundlos durchgeführten strafbaren rechtsextremistischen „Propagandaaktionen“ mit. Sie nahm mitunter Vorbereitungs- und Ausführungshandlungen vor, indem sie - wie von ihr selbst eingestanden (UA S. 502 f., 512) - half, eine mit einem „Judenstern“ versehene Puppe herzustellen, die an einer Autobahnbrücke aufgehängt wurde, und Briefbombenattrappen versandte. Zudem war sie an der Planung einer jeden „Propagandaaktion“ beteiligt. Die Feststellung ist belegt namentlich durch die vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei als glaubhaft gewerteten Angaben eines Zeugen, der bekundet hat, die Angeklagte habe dies ihm gegenüber eingeräumt (UA S. 504 f., 509 f., 512 f.).

Der Staatsschutzsenat hat die von Böhnhardt und Mundlos ausgeführten Mordanschläge und Raubüberfälle nachvollziehbar als „Weiterentwicklung“ dieser „vor der Flucht begangenen 'Aktionen' auf höchstem Gewaltniveau“ gesehen (UA S. 568 ff.). Die Angeklagte hat in ihrer Einlassung für vor und nach dem Abtauchen in den „Untergrund“ begangene Taten das Wort „Aktion“ verwendet (etwa UA S. 500, 502 f., 513, 712 f., 941). Vor der Auflösung des NSU wurden von dessen Mitgliedern jedenfalls Mordanschläge - wie sich beispielsweise aus einem sichergestellten Notizzettel, dem dritten Bekennervideo und einem auf einer Festplatte gesicherten Ordnernamen ergibt (UA S. 712 f., 2220) - ebenso mit „Aktion“ („Aktion Dönerspieß“, „Aktion Polizeipistole“) bezeichnet.

(b) Eine Vielzahl von Beweiserhebungen hat ergeben, dass die Angeklagte, Böhnhardt und Mundlos, die ein enges persönliches Verhältnis verband, eine rassistische, antisemitische und staatsfeindliche Ideologie teilten (insbesondere UA S. 466 ff.). Alle drei zeigten schon vor ihrem Abtauchen in den „Untergrund“ die Bereitschaft, zur Umsetzung ihrer ideologischen Vorstellungen Gewalt anzuwenden (UA S. 489 ff., 573 ff.).

Die Angeklagte selbst war in hohem Maße gewaltbereit (UA S. 512). Diese Feststellung hat das Oberlandesgericht insbesondere auf die als glaubhaft beurteilten Angaben des Mitangeklagten G. gestützt. Er hat sich dahin eingelassen, schon ab etwa 1996 habe sich die Angeklagte wie ihre beiden Komplizen bei sogenannten Richtungsdiskussionen, welche die drei in ihrem engeren rechtsradikalen Umfeld geführt hätten, dafür ausgesprochen, im politischen Kampf zur Anwendung von Waffengewalt zu greifen (UA S. 489 ff.). Der Staatsschutzsenat hat der Einlassung des Mitangeklagten unter anderem deshalb Glauben geschenkt, weil er sich insofern „selbst schwer belastet“ hat, als er angegeben hat, 2000 oder 2001 habe er den dreien eine Pistole geliefert, wobei die Angeklagte daran persönlich maßgeblich mitgewirkt habe (UA S. 330 ff., 494).

(c) Das Oberlandesgericht hat weiter unter anderem darauf abgestellt, dass sich die Gründung eines auf Mordanschläge und Raubüberfälle ausgerichteten Personenverbands „passgenau in die durch die Flucht veränderte Lebenssituation“ eingefügt habe (UA S. 581 ff.). Diese Wertung ist nicht zu beanstanden. Hierdurch wird gleichermaßen zum Ausdruck gebracht, dass die gemeinsame Begehung dieser Delikte ein plausibles Motiv für das - von der Angeklagten eingestandene und einer Vielzahl von Zeugen bestätigte (insbesondere UA S. 526 ff.) - abgeschottete und konspirative Zusammenleben im „Untergrund“ über zirka 13 Jahre hinweg darstellt.

Der Staatsschutzsenat hat daneben in den Blick genommen, dass die den NSU fördernden Beiträge der Angeklagten erhebliches Gewicht hatten, so etwa die - durch Zeugenbeweis belegte (UA S. 603 ff., 634 ff.) - Beschaffung von auf fremdem Namen registrierten Kommunikationsmitteln und falschen Identitätspapieren sowie die - aus Dateien über Fernsehmitschnitte und über eine Wettvereinbarung nicht nur ohne Rechtsfehler, sondern sogar naheliegend gefolgerte (UA S. 668 ff., 684 ff.) - Mitwirkung an der Fertigung der letzten Fassung des Bekennervideos und, wie ausgeführt (s. soeben (b)), an der Beschaffung einer Schusswaffe. Für den Erfolg des Vereinigungskonzepts waren Böhnhardt und Mundlos auf die von der Angeklagten zugesagten Handlungen angewiesen, wie sich insbesondere aus dem - von der Angeklagten so bezeichneten (UA S. 700 f.) - „absoluten Versprechen“ ergibt, das Bekennervideo in der aktuellen Version zu verbreiten und die auf die Vereinigung hinweisenden Beweismittel zu vernichten.

(4) Entgegen dem Vorbringen in der Gegenerklärung der Beschwerdeführerin vom 15. Februar 2021 kann sich die Überzeugungsbildung zur mittäterschaftlichen Beteiligung der Angeklagten an dem Mordanschlag, den Böhnhardt und Mundlos in Heilbronn auf zwei Polizisten verübten (Fall 28), ebenfalls auf eine tragfähige, verstandesmäßig einsehbare Tatsachengrundlage stützen.

(a) Das Oberlandesgericht hat hierzu festgestellt, dass die Angeklagte und ihre Komplizen nach Auswertung der Erkenntnisse aus den Ausspähmaßnahmen planten, am frühen Nachmittag des 25. April 2007 auf der Theresienwiese in Heilbronn, die bei Streifenpolizisten als „Pausenort“ beliebt war, zwei Polizeibeamte zu erschießen. In Umsetzung des Tatplans fuhren Böhnhardt und Mundlos mit einem in Chemnitz angemieteten Wohnmobil nach Heilbronn. Zu der avisierten Zeit begaben sie sich, während sich die Angeklagte im Nahbereich der Zwickauer Wohnung aufhielt, zu der Freifläche, wo zwei Polizeibeamte in ihrem Streifenwagen tatsächlich Pause machten. Sie traten an das Fahrzeug heran und schossen gleichzeitig für die Opfer unerwartet von schräg hinten auf deren Köpfe. Die auf der Fahrerseite sitzende Polizistin verstarb an ihrer Hirnverletzung, wohingegen ihr auf der Beifahrerseite sitzender Kollege den Kopfdurchschuss überlebte.

(b) Diese Feststellungen sind nicht dahin zu verstehen, dass die Angeklagte und ihre Komplizen planten, gerade die späteren Anschlagsopfer zu töten, sondern die Mitglieder einer Streifenbesatzung, die sich zu der in Aussicht genommenen Zeit an dem beliebten „Pausenort“ aufhielten. Für eine solche gemeinsame Tatplanung bestehen neben dem Vereinigungs- und Tatkonzept belastbare Beweisanzeichen.

(aa) Durch Zeugenbeweis ist belegt, dass die Theresienwiese bei der Heilbronner Polizei als „Pausenort“ allgemein bekannt war und auch die späteren Tatopfer wiederholt dorthin fuhren (UA S. 2227).

(bb) Das Oberlandesgericht hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt, die politisch-ideologische Einstellung der drei Mitglieder des NSU habe sich von Anfang an gleichfalls gegen Polizeibeamte und Repräsentanten des Staates gerichtet. Es hat seine Überzeugung darauf gestützt, dass eine staatsfeindliche Einstellung bereits in den 1996 und 1997 durchgeführten „Propagandaaktionen“ zum Ausdruck kam (UA S. 524 f.). So versandte die Angeklagte zwei Briefbombenattrappen an die Polizeidirektion Jena und die Stadtverwaltung Jena. In einem Begleitschreiben wurde der damalige thüringische Innenminister mit dem Tod bedroht. In den Urteilsgründen ist weiterhin hervorgehoben, dass unter den sichergestellten Ausspähdokumenten Adresslisten mit Anschriften der Bundeswehr sowie von Parteien und Abgeordneten waren (UA S. 729). Diese staatsfeindliche Gesinnung steht im Einklang mit dem im Dezember 2007 fertiggestellten dritten Bekennervideo, das nach der Aufforderung an Gleichgesinnte, Nachahmungstaten zu begehen, eine Bildcollage zu dem in Heilbronn verübten Mordanschlag zeigt (UA S. 214, 2252); des Weiteren ist eine Comic-Figur zu sehen, die einem Polizisten in die Schläfe schießt (UA S. 962).

(c) Infolgedessen ist es unschädlich, dass in den Urteilsgründen keine Ausspähdokumente gerade zu dem an den beiden Polizisten verübten Mordanschlag aufgeführt sind. Es kommt mithin nicht darauf an, ob und inwieweit die Bilder, die auf der in der zuletzt genutzten Wohnung sichergestellten Festplatte unter dem Ordnernamen „Aktion Polizeipistole“ gespeichert waren (Bilder vom Tatort und Panoramaaufnahmen von Heilbronn [UA S. 2220]), der Tatvorbereitung dienten.

b) Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten als Mittäterin der von Böhnhardt und Mundlos ausgeführten Taten.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt:

Werden Taten aus einer terroristischen Vereinigung heraus begangen, können sie dem einzelnen Vereinigungsmitglied nicht allein aufgrund dessen Zugehörigkeit zu der Organisation als eigene zugerechnet werden. Vielmehr ist für jede Tat nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, inwieweit sich das betreffende Mitglied daran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt oder ob es insoweit keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet hat (vgl. - allgemein zu Personenzusammenschlüssen - BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252 Rn. 18; Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 521/18, NJW 2020, 1080 Rn. 21; Beschluss vom 23. Januar 2020 - 3 StR 27/19, juris Rn. 10).

Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB ist nach allgemeinen Grundsätzen, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst, ebenso wenig eine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach fremde Tatbeiträge gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen sind, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei sind die maßgeblichen Kriterien der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (s. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, NJW 2019, 1818 Rn. 157; Beschlüsse vom 26. März 2019 - 4 StR 381/18, NStZ-RR 2019, 203, 204; vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, NStZ 2020, 22 Rn. 4 f. mwN).

Auch die psychische Förderung der Tat, insbesondere die Bestärkung des Tatwillens des Handelnden, kann ein relevanter Tatbeitrag im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sein (s. BGH, Beschlüsse vom 23. August 1990 - 5 StR 273/90, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatbeitrag 2; vom 14. Februar 2012 - 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380; vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 12. Dezember 2017 - 2 StR 308/16, NStZ-RR 2018, 178, 180). Um allein die Annahme von Mittäterschaft - in Abgrenzung zur psychischen Beihilfe - zu tragen, muss der psychischen Förderung allerdings ein erhebliches Gewicht zukommen (s. BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - 4 StR 381/18, NStZ-RR 2019, 203, 204).

bb) Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe begegnen der Bewertung des Oberlandesgerichts, die Angeklagte, die in keinem Fall an der Ausführung der Taten unmittelbar beteiligt war, habe diese gleichwohl im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB gemeinschaftlich mit Böhnhardt und Mundlos begangen, im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Revisionsverfahren ein tatrichterlicher Beurteilungsspielraum bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe anzuerkennen ist (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei Harden, NStZ 2021, 193 f.). Denn auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen führt eine Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis, dass die Angeklagte mittäterschaftlich handelte:

(1) Unter dem Gesichtspunkt der Tatherrschaft ist in den Blick zu nehmen, dass die Angeklagte maßgeblichen Einfluss auf die Planung der Taten sowie auf den gemeinsamen Tatentschluss und den weiteren Willen ihrer Komplizen zur Tatbegehung hatte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. April 2018 - 3 StR 638/17, NStZ-RR 2018, 271, 272). Sie selbst hielt sich während der Ausführung der Taten in oder in der Nähe der Wohnung auf und bereit, die zugesagten Handlungen vorzunehmen, ohne die das Ziel der Taten nicht erreicht werde konnte.

(a) Nach den Urteilsfeststellungen wertete die Angeklagte vor jedem Mordanschlag und Raubüberfall zusammen mit Böhnhardt und Mundlos die Erkenntnisse aus den Ausspähmaßnahmen aus und traf zusammen mit ihnen die Entscheidung, die Tat in ihrer konkreten Gestalt zu begehen.

Indem sie als gleichberechtigtes Mitglied der Vereinigung an der Tatplanung mitwirkte (s. UA S. 774, 812, 848 etc.), nahm sie bestimmenden Einfluss darauf, ob, wann, wo und wie die Taten ausgeführt wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2018 - 3 StR 638/17, NStZ-RR 2018, 271, 272 mwN; ferner Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 25 Rn. 67; zum Mitwirken in der Rolle eines gleichrangigen Partners s. BGH, Urteil vom 3. August 2005 - 2 StR 360/04, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 62 mwN; Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 85/20, juris Rn. 6). Denn sie kam mit den beiden anderen Vereinigungsmitgliedern jeweils überein, dass ein Mordanschlag mittels Schusswaffe bzw. Sprengsatzes oder dass ein Raubüberfall verübt wird; des Weiteren verständigte sie sich mit ihnen auf Tatzeit, Tatort und Tatopfer.

Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts bedarf es hinsichtlich des „Ob“, „Wann“, „Wo“ und „Wie“ der Tatbegehung keiner weiteren Differenzierung. In den Urteilsgründen ist im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt, die Angeklagte habe durch ihre Mitwirkung an der Tatplanung gestaltenden Einfluss darauf genommen, wo, wann und wie die Taten ausgeführt worden seien; auf das „Ob“ und - über die Planung hinausgehend - das „Wie“ der Tatbegehung habe sie stets dadurch prägend eingewirkt, dass sie einen wesentlichen Tatbeitrag im Ausführungsstadium, in Form ihrer den Personenverband abtarnenden Präsenz in oder in der Nähe der jeweiligen Wohnung, geleistet habe (UA S. 2779 ff., 2787, 2789 f., 2793, 2797, 2799, 2801, 2803). Nach den Urteilsfeststellungen erfasste der planerische Einfluss der Angeklagten indes ohne Weiteres die Tatentschließung dem Grunde nach (das „Ob“). Dagegen ist auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen nicht erkennbar, dass es sich auf die Begehung der jeweiligen konkreten Tat in irgendeiner Form hätte auswirken können, wenn die Angeklagte abredewidrig nicht im Bereich der Wohnung anwesend gewesen wäre. Zwar waren Böhnhardt und Mundlos nach dem Vereinigungskonzept darauf angewiesen, dass die Angeklagte die Aufgaben erfüllt, die sie bei jeder einzelnen Tat übernommen hatte, um im Fall, dass die zwei Männer zu Tode kämen, das gemeinsame ideologische Ziel des NSU erreichen zu können; zudem hatten beide ein maßgebliches Interesse an der Erhaltung eines sicheren Rückzugsraums. Hätte die Angeklagte die ihr obliegenden Handlungen nicht vorgenommen, wäre dies jedoch den Tatausführenden vor Tatbeendigung naheliegend verborgen geblieben. Dass die von der Angeklagten übernommenen Aufgaben für die Konzeption der Deliktserie notwendig waren, zeigt indes deren Bedeutung für die Tatplanung und machte es erforderlich, jede einzelne Tat mit ihr zu koordinieren (vgl. UA S. 2781).

(b) Die Ansicht des Oberlandesgerichts, wonach die Angeklagte einen tatherrschaftsbegründenden Tatbeitrag im Ausführungsstadium erbrachte, greift daher zu kurz. Zwar hielt sich die Angeklagte während der Tatausführung tatplangemäß in oder in der Nähe der Wohnung auf und war insbesondere bereit, bei bestimmten Ereignissen dem Vereinigungs- und Tatkonzept entsprechend zu handeln. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass - wie dargelegt (s. soeben (a)) - nicht ersichtlich ist, wie ein solches Verhalten die Deliktsverwirklichung noch hätte beeinflussen können. Die Präsenz der Angeklagten im Nahbereich der Wohnung ist nicht vergleichbar mit einem „Schmierestehen“, das es dem in Tatortnähe anwesenden Wachposten ermöglicht, auf die Tatbegehung einzuwirken, indem er den Tatausführenden warnt (vgl. dazu SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 25 Rn. 109; LK/Schünemann/Greco, StGB, 13. Aufl., § 25 Rn. 213 mwN).

(c) Zu Recht hat der Generalbundesanwalt allerdings hinsichtlich der Tatherrschaft auf die Bedeutung der von der Angeklagten gemäß dem Vereinigungskonzept erteilten Zusagen abgestellt. Insbesondere sicherte sie zu, die tatbedingte Abwesenheit ihrer Komplizen zu legendieren, und gab, wie seit der Gründung des NSU vorgesehen war, ab der siebten Tat der gesamten Deliktserie (Fall 11) das Versprechen, das Bekennervideo in der aktuellen Version zu verbreiten und die auf die Vereinigung hinweisenden Beweismittel zu vernichten.

Beides erforderte bei jeder einzelnen Tat die Anwesenheit der Angeklagten im Bereich der als Zentrale genutzten Wohnung.

Die in jedem Einzelfall zugesagten Handlungen waren wesentlicher Bestandteil der Konzeption der gesamten Deliktserie. Die von der Angeklagten arbeitsteilig übernommenen Aufgaben waren entscheidend dafür, dass der von ihr, Böhnhardt und Mundlos erstrebte ideologische Zweck der Mordanschläge und - damit mittelbar auch - der Raubüberfälle realisierbar war. Denn nach der Grundidee der im „Untergrund“ agierenden Vereinigung sollte die Öffentlichkeit zunächst nur den Seriencharakter der Mordanschläge erkennen, während beabsichtigt war, dass die tatverantwortliche Organisation und die Tatmotivation zunächst unentdeckt bleiben. Die nachfolgende Veröffentlichung eines gemeinschaftlich erstellten Bekennungsdokuments über diese Serientaten sollte eine gegenüber dem Bekenntnis zu einer Einzeltat deutlich größere destabilisierende Wirkung entfalten. Die Angeklagte und ihre Komplizen vertraten die Ansicht, erst durch dieses Vorgehen könne eine Staats- und Gesellschaftsform Deutschlands entsprechend ihren nationalsozialistisch-rassistischen Vorstellungen herbeigeführt werden.

Infolgedessen war die Angeklagte entscheidend dafür verantwortlich, dass das über die Deliktsverwirklichung hinausgehende Ziel der Taten erreicht werden konnte; ihre Zusagen waren für ihre Komplizen sinnstiftend und handlungsleitend. Der Zweck der gesamten Deliktserie stand und fiel mit den von der Angeklagten zugesagten Handlungen. Sie übte daher eine wesentliche Funktion aus, von der das Gelingen des Gesamtvorhabens abhing.

(d) Nach alledem waren Durchführung und Ausgang jeder einzelnen Tat maßgeblich auch vom Willen der Angeklagten abhängig. Indem sie mit den Zusagen jeweils psychisch in hohem Maße auf die Deliktsverwirklichung Einfluss nahm, erbrachte sie zusätzlich über die Beteiligung an der Tatplanung hinaus einen bedeutenden objektiven Tatbeitrag. Deshalb schadet es nicht, dass das Oberlandesgericht über die Anwesenheit der Angeklagten in oder in der Nähe der Wohnung sowie die - nicht ohne Weiteres bedeutsame - Beobachtung der Umgebung hinaus keine konkreten Handlungen während der Ausführung einer einzelnen Tat festgestellt hat.

(2) Unter dem Gesichtspunkt des Tatinteresses fällt wesentlich ins Gewicht, dass dasjenige der Angeklagten nicht hinter demjenigen ihrer beiden Komplizen zurückstand. Das Oberlandesgericht hat den Grad ihres eigenen Interesses an den ideologisch motivierten Mordanschlägen ebenso wie an den deren Finanzierung dienenden Raubüberfällen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit Recht als hoch bewertet (s. UA S. 2776 ff.).

Das starke Tatinteresse ist wesentlich in der politisch-ideologischen Einstellung der Angeklagten begründet. Nach den Urteilsfeststellungen wollte sie in gleichem Maße wie Böhnhardt und Mundlos mit den Mordanschlägen auf Menschen südländischer Herkunft die betreffenden Opfergruppen einschüchtern, um sie zur Auswanderung zu bewegen. Bei dem Anschlag auf die Polizisten kam es ihr darauf an, die Behörden als unfähig zur Verhinderung und Aufklärung von Taten zum Nachteil von Repräsentanten des Staates darzustellen. Fernziel war jeweils, in Deutschland eine nationalsozialistisch-völkische Herrschaftsform zu errichten. Die Raubüberfälle dienten mittelbar diesem Ziel; denn hierdurch wurden die aufwendige Vorbereitung und Ausführung der Mordanschläge finanziell ermöglicht. Ungeachtet dessen hatte die Angeklagte gleichermaßen ein unmittelbares Interesse an den Überfällen, weil die von ihr verwalteten Taterträge die Lebensgrundlage für die Vereinigungsmitglieder bildeten. Dass sie zusammen mit Böhnhardt und Mundlos zirka 13 Jahre lang im „Untergrund“ ein weitgehend abgeschottetes und konspiratives Leben führte, um die Deliktserie zu begehen, damit durch die Veröffentlichung des Bekennungsdokuments eine tiefgreifende destabilisierende Wirkung auf staatliche und gesellschaftliche Strukturen eintritt, offenbart das Gewicht ihres Tatinteresses.

Dieses große Tatinteresse hat nicht deshalb eine geringere Bedeutung für eine Beteiligung der Angeklagten als Mittäterin, weil es sich mit den übergeordneten gemeinsamen Zielen aller Mitglieder des NSU deckt (zur Bedeutung solcher Ziele für den - vor dem 24. August 2017 geltenden - Vereinigungsbegriff im Sinne der §§ 129 ff. StGB aF vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 Rn. 40 f.; zum übergeordneten gemeinsamen Interesse gemäß § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB nF s. BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, juris Rn. 21 ff.). Zwar führt - wie dargelegt (s. oben II. 4. b) aa)) - die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung für sich gesehen nicht zur mittäterschaftlichen Zurechnung der Tat an das einzelne Mitglied. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kriterien, die für das Vorliegen der Vereinigung bedeutsam sind, deswegen für die Qualifizierung der Tatbeteiligung an Gewicht verlören. Vielmehr kann etwa ein weltanschaulich-ideologisches, religiöses oder politisches Ziel der Tatbegehung sowohl den Charakter eines Personenzusammenschlusses bestimmen als auch in erheblicher Weise für Mittäterschaft sprechen.

(3) Da die Angeklagte somit gewichtige objektive Tatbeiträge leistete und ein starkes Tatinteresse hatte, war sie Mittäterin im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB.

Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu dem Senatsbeschluss vom 23. Dezember 2009 in der Sache StB 51/09 (NStZ 2010, 445), den die Beschwerdeführerin für ihre abweichende Rechtsmeinung in Anspruch nimmt (ebenso Drenkhahn/Momsen/Diederichs, NJW 2020, 2582 Rn. 29). Denn in den Gründen dieser Haftentscheidung ist ausgeführt, das Verhalten der dortigen Beschuldigten sei insbesondere deshalb nur als Beihilfe zum Mord zu werten, weil - anders als hier - nicht ersichtlich sei, dass der von ihr bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen geleistete Beitrag für die konkrete Ausführung des Mordanschlags auf den damaligen Generalbundesanwalt von wesentlicher Bedeutung gewesen sei (BGH aaO, Rn. 14). Der diesem Beschluss zugrundeliegende Fall ist mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Die dortige Beschuldigte war dringend verdächtig, als Führungsperson der Kerngruppe der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) an der gemeinschaftlichen Absprache zur Durchführung der „Offensive 77" beteiligt gewesen zu sein, zu der das Attentat auf den Generalbundesanwalt gehörte (BGH aaO, Rn. 13). Allerdings hatte die Beschuldigte nach der maßgebenden Verdachtslage weder einen bestimmenden Einfluss auf die Planung der Tat in ihrer konkreten Gestalt, noch übte sie eine Funktion in Bezug auf diesen Anschlag aus, die für das hiermit verfolgte ideologische und/oder politische Ziel von ausschlaggebender Bedeutung war. Vielmehr bestand ihr mutmaßlicher objektiver Beitrag zu dieser Tat darin, dass sie - mit hoher Wahrscheinlichkeit - die unmittelbaren Täter in deren Willen zur Tatbegehung bestärkte, indem sie den Tötungsbefehl der in Stammheim inhaftierten Führungsmitglieder der RAF („Der General muss weg“) offensiv propagierte (BGH aaO, Rn. 6 f.).

c) Entgegen dem ergänzenden Revisionsvorbringen mit Schriftsatz vom 10. August 2021 tragen die zum Fall 31 getroffenen Feststellungen die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten Mordes auch an den beiden - tatsächlich nicht im Brandobjekt anwesenden - Handwerkern. Soweit sich die Beschwerdeführerin für ihre gegenteilige Auffassung auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 12. August 1997 - 1 StR 234/97, BGHSt 43, 177; vom 7. Oktober 1997 - 1 StR 635/96, BGHR StGB § 16 Abs. 1 error in persona 1) beruft, nimmt sie nicht Bedacht darauf, dass diese Rechtsprechung die - hier nicht vorliegende - Fallkonstellation betrifft, in der das Tatopfer gleichsam zum Tatmittler gegen sich selbst wird (vgl. MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 25 Rn. 179 mwN; zu untauglichem Versuch und Eventualvorsatz s. etwa BGH, Beschluss vom 14. April 2020 - 5 StR 93/20, juris Rn. 1, 14; Urteil vom 24. Juni 2020 - 5 StR 671/19, NJW 2020, 2816 Rn. 15).

5. Ohne Erfolg beanstandet die Beschwerdeführerin schließlich, dass ein Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, der als Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts nahezu durchgängig an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung teilgenommen hatte, an dessen Antrag auf Verwerfung der Revision durch Beschluss mitgewirkt hat. Entgegen ihrem Antrag besteht kein Anlass, den Mitverfasser der Zuleitungsschrift um eine dienstliche Stellungnahme zu ersuchen, „für welche Teile“ dieser Schrift „die originäre Urheberschaft bei ihm liegt“.

Die Teilnahme des Oberstaatsanwalts beim Bundesgerichtshof an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung stellt keine Vorbefassung dar, die ihn von Rechts wegen daran gehindert hätte, an dem Verwerfungsantrag mitzuwirken, und mit einem Vorgehen nach § 349 Abs. 2 StPO unvereinbar wäre. Entgegen dem Vorbringen in der Gegenerklärung vom 9. Februar 2021 findet insoweit der Rechtsgedanke des § 22 Nr. 4 StPO keine Anwendung (für die Sitzungsvertretung in der Rechtsmittelinstanz vgl. KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl., Vor § 22 Rn. 4; LR/Siolek, StPO, 27. Aufl., Vor § 22 Rn. 16 mwN).

Darauf, dass der vorliegende Beschluss auf die Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts Bezug nimmt (s. oben II. 2., 4., 4. a) bb) sowie 4. b) bb) (1) (c)), aus der sich bereits die wesentlichen Gründe für die Erfolglosigkeit der Revision ergeben, kommt es dabei nicht an. Das Revisionsgericht trifft über die Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsmittels eine eigenverantwortliche Entscheidung auf der Grundlage der Urteilsurkunde und des gesamten schriftsätzlichen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten. Schon deswegen kann sich eine Vorbefassung des den Verwerfungsantrag stellenden Staatsanwalts nicht auf das Ergebnis der Entscheidung auswirken, wenn das Revisionsgericht - wie hier - die Rechtsausführungen der Staatsanwaltschaft, auf die sie den Antrag stützt, als im Wesentlichen zutreffend erachtet und sich zu eigen macht (zur Bedeutung des Verwerfungsantrags vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563 Rn. 17).

Im Übrigen ist der Beschwerdeführerin nicht darin beizutreten, dass die Ausführungen des Generalbundesanwalts durchweg einen Mangel an gebotener Objektivität erkennen ließen.

6. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, die Angeklagte teilweise von den durch ihr Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 938

Externe Fundstellen: NJW 2021, 2896; NStZ 2021, 663; StV 2022, 87

Bearbeiter: Christian Becker