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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 25

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 368/16, Beschluss v. 15.11.2016, HRRS 2017 Nr. 25


BGH 3 StR 368/16 - Beschluss vom 15. November 2016 (LG Koblenz)

Verabredung zur ungenehmigten Vermittlung eines Vertrages über den Erwerb von Kriegswaffen (Abgrenzung zum Versuchsstadium; kein bindendes Vertragsangebot); Mittäterschaft trotz Zusammenwirken von Veräußerer und Erwerber bei gleichlaufendem Interesse.

§ 4a Abs. 1 KrWaffKontrK; § 22a Abs. 1 Nr. 7 KrWaffKontrK, § 30 Abs. 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei Handlungen, die auf die Vermittlung eines nicht genehmigten Auslandsgeschäfts über Kriegswaffen zielen (§§ § 4a Abs. 1, § 22a Abs. 1 Nr. 7 KrWaffKontrK), ist das Versuchsstadium i.d.R. nicht erreicht, wenn noch kein bindendes Vertragsangebot über die Lieferung vorliegt, das alle wesentlichen für einen Vertragsschluss notwendigen Angaben enthält. Für eine Verbrechensverabredung (§ 30 Abs. 2 StGB) genügt demgegenüber der in stillschweigender Übereinkunft gefasste unbedingte Entschluss, als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) den in den wesentlichen Grundzügen bereits konkretisierten Kaufvertrag zu vermitteln.

2. Dem Entschluss zu einer mittäterschaftlichen Tatbegehung steht dabei nicht ohne Weiteres entgegen, dass ein Beteiligter mehr im Lager der Verkäufer, der andere eher im Lager der Käufer stand. Zwar ist für den Betäubungsmittelhandel anerkannt, dass sich das Zusammenwirken des Veräußerers und des Erwerbers nicht als Mittäterschaft, sondern als selbständige Täterschaft darstellt, soweit beide sich als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegensätzliche Interessen verfolgen. Eine Mittäterschaft kommt aber jedenfalls dann in Betracht, wenn das Tätigwerden auf den unterschiedlichen Seiten von einem gleichlaufenden Provisionsinteresse getragen ist.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16. März 2016 - auch soweit es den Angeklagten E. betrifft - im jeweiligen Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. und den nichtrevidierenden Angeklagten E. jeweils wegen Verabredung zu der ungenehmigten Vermittlung eines Vertrages über den Erwerb von Kriegswaffen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten B. hat - gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Angeklagten E. - den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten B. unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrügen bleiben, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, erfolglos.

2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen, wohingegen der Schuldspruch Bestand hat.

a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bemühten sich die Angeklagten vom 24. Juni 2014 bis Januar 2015 im Einvernehmen miteinander, ein Waffengeschäft zu vermitteln, bei dem mindestens 14 in Ungarn befindliche Kampfflugzeuge des Typs MIG 29 an den Irak geliefert werden sollten. Bei den Vertragsverhandlungen handelten auf der Käuferseite für die irakische Regierung, die selbst nicht in Erscheinung trat, Verantwortliche zweier Firmen mit Sitz in Bagdad und Moskau; auf der Verkäuferseite waren Vertreter einer bosnischen Firma und - später auch - einer ungarischen Firma beteiligt. Die Angeklagten waren in den E-Mail-Verkehr zwischen den Verhandlungsparteien eingebunden. Der Angeklagte B. hielt außerdem mündlichen Kontakt zur Verkäuferseite. Er war Ansprechpartner und Mittelsmann für sie, während der Angeklagte E. den Kontakt zur Käuferseite pflegte und/oder als Vertreter für sie handelte. Die Angeklagten versprachen sich eine erhebliche Provisionszahlung. Am 17. September 2014 kam es „durch die stetige Mitwirkung der Angeklagten“ zu dem Entwurf eines Vorvertrages über den Verkauf von - nunmehr - 24 Kampfflugzeugen des Typs MIG 29 nebst Zubehör zu einem Preis von 66 Mio. USD; der Vorvertrag wurde allerdings nicht geschlossen. Da das beabsichtigte Geschäft an Kapitalbeschaffungsschwierigkeiten auf der Käuferseite scheiterte, blieben die Bemühungen der Angeklagten letztlich erfolglos.

- b) Die Feststellungen rechtfertigen die Verurteilung wegen Verabredung zu der ungenehmigten Vermittlung eines Vertrages über den Erwerb von Kriegswaffen nach § 4a Abs. 1, § 22a Abs. 1 Nr. 7 KWKG, § 30 Abs. 2 StGB. Näheren Ausführungen bedarf es nur zu Folgendem:

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Handlungen der Angeklagten, die auf die Vermittlung eines Auslandsgeschäfts über Kriegswaffen zielten, das Versuchsstadium noch nicht erreicht hatten; denn es lag noch kein bindendes Vertragsangebot über die Lieferung vor, das alle wesentlichen für einen Vertragsschluss notwendigen Angaben enthielt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1993 - 1 StR 339/93, NStZ 1994, 135, 136; Beschluss vom 17. Februar 1989 - 3 StR 468/88, BGHR KWKG § 16 Abs. 1 Nr. 7 Versuch 2). Ebenso rechtsfehlerfrei ist die vom Landgericht vorgenommene Beurteilung, dass sich die Angeklagten im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB verabredeten, dieses Verbrechen zu begehen. Sie hatten in zumindest stillschweigender Übereinkunft den unbedingten Entschluss gefasst, als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) den in den wesentlichen Grundzügen bereits konkretisierten Kaufvertrag über die Kampfflugzeuge zu vermitteln (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 27. Juni 1993 - 1 StR 339/93, aaO; vom 13. November 2008 - 3 StR 403/08, BGHR KWKG § 22a Abs. 1 Nr. 7 Vermitteln 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - III-1 Ws 391/06, NStZ 2007, 647, 648; MüKoStGB/Heinrich, 2. Aufl., § 22a KWKG Rn. 87).

Dem Entschluss zu einer mittäterschaftlichen Tatbegehung steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen der Angeklagte B. mehr dem Lager der Verkäufer zuzuordnen war, während der Angeklagte E. im Lager der Käufer stand. Zwar ist für den Betäubungsmittelhandel in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich das Zusammenwirken des Veräußerers und des Erwerbers nicht als Mittäterschaft, sondern als selbständige Täterschaft darstellt. Diese Beurteilung ist darin begründet, dass beide sich als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegensätzliche Interessen verfolgen, so dass ihr gemeinsames Tätigwerden allein durch die Art der Deliktsverwirklichung vorgegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2002 - 2 ARs 164/02, NJW 2002, 3486, 3487; Urteil vom 30. September 2008 - 5 StR 215/08, NStZ 2009, 221, 222; Beschlüsse vom 31. März 2011 - 3 StR 400/10, BGHR StGB § 9 Abs. 1 Teilnahme 1; vom 14. Juli 2011 - 4 StR 139/11, StraFo 2011, 391).

Auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation kann dieser Rechtsgedanke indes nicht übertragen werden. Die beiden Angeklagten verfolgten gerade keine gegensätzlichen Interessen; vielmehr war ihr gemeinschaftliches Handeln von einem gleichlaufenden Provisionsinteresse bestimmt. Es „stand“ eine Provision von 1,8 bis 2 Mio. USD „im Raum“, die zwischen den Angeklagten und den weiteren auf der Verkäuferseite tätigen Beteiligten „aufgeteilt werden sollte“ (UA S. 43). Des Weiteren ist den Urteilsgründen hinreichend sicher zu entnehmen, dass die Angeklagten nicht fest in die Unternehmensstrukturen der auf den beiden Seiten beteiligten Firmen eingebunden waren, sondern ihnen Vermittlung und Koordination des beabsichtigten Auslandsgeschäfts zur eigenverantwortlichen Erledigung überlassen wurden (vgl. insbesondere UA S. 8 f., 38, 40). Verbleibende geringfügige Unklarheiten, etwa dergestalt, inwieweit der Angeklagte E. lediglich den Kontakt zur Käuferseite pflegte (UA S. 36) oder als Vertreter für sie handelte (UA S. 9), schaden daher nicht.

c) Die Strafzumessung hält indes revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Strafkammer hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, einen minder schweren Fall nach § 22a Abs. 3 KWKG zu prüfen, und die festgesetzte Strafe dem nach § 30 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 22a Abs. 1 KWKG entnommen. Unter den gegebenen Umständen war indes zu erörtern, ob ein minder schwerer Fall gegeben ist, weil dessen Annahme infolge des Vorliegens des gesetzlich vertypten Milderungsgrundes nach § 30 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB jedenfalls nicht fern lag. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist zugleich ein vertypter Milderungsgrund gegeben, so ist vorrangig der minder schwere Fall zu prüfen. Im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände kann auch der vertypte Milderungsgrund - zu festgestellten sonstigen Milderungsgründen hinzutretend oder auch für sich - einen minder schweren Fall begründen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den nur wegen dieses Milderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 - 1 StR 629/14, NStZ 2015, 696; vom 3. März 2015 - 3 StR 612/14, juris Rn. 7; MüKoStGB/Miebach/Maier, 3. Aufl., § 46 Rn. 104 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1107 ff.).

Der Strafausspruch kann daher keinen Bestand haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn sie einen minder schweren Fall nach § 22a Abs. 3 KWKG geprüft hätte, weil der hierfür vorgesehene Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) nicht unerheblich hinter dem nach § 30 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 22a Abs. 1 KWKG (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren und neun Monaten) zurückbleibt.

3. Die Aufhebung des Strafausspruchs ist gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten E. zu erstrecken, weil der dargelegte Rechtsfehler ihn gleichermaßen betrifft.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 25

Bearbeiter: Christian Becker