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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 53

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 236/08, Urteil v. 02.10.2008, HRRS 2009 Nr. 53


BGH 3 StR 236/08 - Urteil vom 2. Oktober 2008 (LG Hannover)

Mittäterschaft (subjektiver Tatbestand; Zurechnung fremder Körperverletzungshandlungen; Vorhersehbarkeit eines tödlichen Ausgangs); Beteiligung an einer Schlägerei (Tateinheit mit Körperverletzungsdelikten und Tötungsdelikten).

§ 25 Abs. 1 StGB; § 224 StGB; § 227 StGB; § 231 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten Artan M. betrifft.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen; jedoch werden die durch das unentschuldigte Ausbleiben des Verteidigers Rechtsanwalt K. in der Revisionshauptverhandlung am 21. August 2008 entstandenen Kosten diesem auferlegt.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hatte nach einer ersten Hauptverhandlung gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hatte der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (BGH, Urt. vom 16. November 2006 - 3 StR 294/06). Dieses hat den Angeklagten nunmehr wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft erhebt die Rüge der Verletzung materiellen Rechts; sie beanstandet namentlich, dass dem Angeklagten die von seinem Bruder - dem Mitangeklagten Armend M. - gegen C. geführten tödlichen Messerstiche in keiner Form zugerechnet worden sind und das Landgericht durch die vom Angeklagten gegen den Türsteher Be. mit einer Teleskopstahlrute geführten Schläge nicht als lebensgefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB angesehen hat. Die Nebenklägerin erstrebte die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zum Nachteil des C.; sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Angeklagte beanstandet das Verfahren und erhebt die Sachrüge, ohne beides näher auszuführen. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg. Die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft

a) Der Senat hatte das erste gegen den Angeklagten in dieser Sache ergangene Urteil auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin aufgehoben und ausgeführt:

"Die Verurteilung des Angeklagten Artan M. hat keinen Bestand, weil sich das Landgericht nicht mit der Frage befasst hat, ob und in welchem Umfang sich dieser Angeklagte die Tat seines Bruders Armend gegen C. nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zurechnen lassen muss. Selbst wenn er keine Kenntnis davon hatte, dass sein Bruder ein Messer bei sich führte, schließt dies nicht aus, dass er im Rahmen des festgestellten Tatplans auch Verletzungshandlungen seines Bruders gegen C. bei dem gemeinschaftlichen, auf seine Initiative zurückgehenden Angriff auf die Türsteher voraussah und billigte. Nach den Feststellungen liegt dies sogar nahe. Dann hätte er sich aber auch zumindest der tateinheitlichen - gefährlichen - Körperverletzung zum Nachteil des C. schuldig gemacht. Ob auch eine Verurteilung nach § 227 StGB in Betracht kommt, hängt in diesem Fall davon ab, ob er den tödlichen Ausgang des Angriffs seines Bruders auf C. voraussehen konnte."

Obwohl das Landgericht aufgrund der neuen Hauptverhandlung keine Feststellungen getroffen hat, die zu dem Tatgeschehen maßgeblich von denjenigen des ersten Urteils abweichen, hat es sich trotz der zitierten tragenden Aufhebungsgründe der Revisionsentscheidung unverständlicherweise wiederum nicht näher mit der Frage auseinandergesetzt, ob und in welchem Umfang der Angeklagte sich die Tat seines Bruders gegen C. zurechnen lassen muss. Das Landgericht hat dem Angeklagten die von seinem Bruder gegen den Türsteher Be. gerichteten Körperverletzungshandlungen zugerechnet (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB), obwohl diese allein in Messerstichen bestanden, der Messereinsatz aber nach - der nicht näher begründeten - Auffassung des Landgerichts sich gerade als Exzess des Bruders darstellte und daher dem Angeklagten nicht angelastet werden kann (UA S. 38); dies ist für sich nicht rechtsfehlerhaft (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 37 f. m. w. N.). Nach denselben Grundsätzen könnten dem Angeklagten jedoch die von seinem Bruder gegen C. geführten Messerstiche zumindest als nicht nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 oder § 227 StGB qualifizierte Körperverletzung zuzurechnen sein. Warum das Landgericht dies allein wegen des im Messereinsatz liegenden Exzess des Bruders ablehnt, erschließt sich nicht. Sein Urteil kann daher erneut keinen Bestand haben.

b) In der neuen Hauptverhandlung wird gegebenenfalls auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlägerei zu prüfen sein. Infolge seines speziellen Rechtsguts (vgl. BGHSt 33, 100, 104) kann § 231 StGB grundsätzlich mit Tötungs- und Körperverletzungsdelikten in Tateinheit stehen (Fischer, StGB 55. Aufl. § 231 Rdn. 11). Darüber hinaus wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer Gelegenheit haben, sich nochmals näher mit der Frage zu befassen, ob die Schläge mit dem Teleskopschlagstock den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllen.

2. Die Revision der Nebenklägerin ist zulässig und mit der Sachrüge begründet. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen unter 1 a). Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.

3. Die von dem Angeklagten erhobene Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig. Im Übrigen ist seine Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StGB, wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat.

4. Die gesonderte Kostenentscheidung beruht auf § 145 Abs. 4 StPO. Rechtsanwalt K. ist trotz Beiordnung als Pflichtverteidiger ohne hinreichende Entschuldigung in der Revisionshauptverhandlung am 21. August 2008 nicht erschienen; diese musste deshalb ausgesetzt werden. Ihm waren die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 145 Rdn. 20 f., 24).

5. Der Senat hat die Sache an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 53

Bearbeiter: Ulf Buermeyer