HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1151
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 258/25, Beschluss v. 30.07.2025, HRRS 2025 Nr. 1151
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29. November 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Führen einer Schusswaffe, der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl mit Waffen und mit Führen einer Schusswaffe, des versuchten Raubes und des Betruges in 29 Fällen, davon in einem Fall im Versuch, schuldig ist,
b) aufgehoben
aa) im Einzelstrafausspruch im Fall II.30 der Urteilsgründe,
bb) im Gesamtstrafenausspruch und
cc) im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit „vorsätzlicher“ Körperverletzung und „vorsätzlichem“ Führen einer Schusswaffe „im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1“, wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl mit Waffen und „vorsätzlichem“ Führen einer Schusswaffe „im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.1“, wegen versuchten Raubes sowie wegen Betruges in 29 Fällen, davon in einem Fall im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Es hat zudem eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes in Fall II.30 der Urteilsgründe weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Das Landgericht hat bei seiner rechtlichen Würdigung der Tat seine rechtsfehlerfrei getroffene Feststellung aus den Augen verloren, dass die vom Angeklagten zur Bedrohung der Geschädigten verwendete Federdruckpistole nicht geladen war. Eine ungeladene Schusswaffe bzw. Gas- oder Schreckschusspistole, die vom Täter als Drohmittel zur Verhinderung oder Überwindung von Widerstand einer anderen Person eingesetzt wird, unterfällt nicht dem Tatbestand des besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, sondern (lediglich) dem des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 - 1 StR 429/99, BGHSt 45, 249, 250 f.; Beschluss vom 24. Oktober 2018 - 1 StR 517/18, Rn. 5, jew. mwN). Der Senat ändert den Schuldspruch in Fall II.30 der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
b) Der Senat lässt zugleich auf die Anregung des Generalbundesanwalts die entbehrlichen Zusätze zur Einordnung der Schusswaffendelikte in das Normensystem des Waffengesetzes samt dessen Anlage 1 und die gleichfalls entbehrlichen Bezeichnungen der Schuldform als „vorsätzlich“ entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 - 3 StR 120/23, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 5 Rn. 15 und 17).
2. Der Rechtsfehler im Fall II.30 der Urteilsgründe führt wegen der gegenüber § 250 Abs. 2 StGB niedrigeren Strafrahmenuntergrenze des § 250 Abs. 1 StGB zur Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafe. Die Aufhebung der Einsatzstrafe von sechs Jahren entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
3. Schließlich zieht der Rechtsfehler die Aufhebung der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach sich. Zwar liegen angesichts der in Rechtskraft erwachsenen Verurteilungen in den Fällen II.31 und II.32 der Urteilsgründe zu Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie von drei Jahren und der nicht rückfallverjährten Tat vom 27. Juli 2015, die das Landgericht Aachen mit dem Urteil vom 18. Januar 2016 mit einer Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren ahndete, die formellen Voraussetzungen der Anordnung sowohl nach § 66 Abs. 2 StGB als auch nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB ohne die Verurteilung zu Fall II.30 der Urteilsgründe vor. Der Senat kann jedoch nicht gänzlich ausschließen, dass das Landgericht im Falle der Zumessung einer geringeren Einzelfreiheitsstrafe in Fall II.30 der Urteilsgründe in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens von der Anordnung der Maßregel abgesehen hätte.
4. Die Feststellungen werden von dem Subsumtionsfehler nicht berührt; sie bleiben bestehen. Der neue Tatrichter kann bei der erneuten Rechtsfolgenbestimmung wie stets neue Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
5. In den Fällen II.1 bis 29 und II.31 bis 32 der Urteilsgründe hat die Überprüfung des Urteils im Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Einziehungsentscheidung hält aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1151
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede