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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 993

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 81/21, Beschluss v. 23.06.2021, HRRS 2021 Nr. 993


BGH 2 StR 81/21 - Beschluss vom 23. Juni 2021 (LG Köln)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Gefährlichkeitsprognose: Gesamtwürdigung, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, kein strafrechtliches in-Erscheinung-Treten über längere Zeit trotz Grunderkrankung, frühere Taten; Scheitern der Bestrafung an der mangelnden Schuldfähigkeit; Zusammenhang zwischen Erkrankung und Tat); Verbot der Schlechterstellung (alleinige Revision des Angeklagten: Verhängung einer Strafe anstelle der Unterbringung).

§ 63 StGB; § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. November 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der versuchten Körperverletzung sowie der Bedrohung, der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach § 4 Satz 1 Nr. 1 Gewaltschutzgesetz freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

1. Der mehrfach vorbestrafte Angeklagte bewohnte seit Sommer 2017 eine Wohnung im Souterrain des Gebäudekomplexes R. straße in K. Im Mai 2020 zog er aus und lebt seitdem in einer anderen Wohnung.

Bereits kurz nach dem Einzug des Angeklagten in der R. straße kam es zu verbalen Auseinandersetzungen mit der Nachbarschaft. Mit der Zeit wuchs bei dieser ein Klima von Sorge und Angst vor dem Angeklagten, der in einer Vielzahl von Fällen mit lautstarken Äußerungen wie „ich ficke eure Mütter und Kinder“ oder „ich sprenge das ganze Haus in die Luft“ auffiel. Teils richteten sich die Äußerungen gezielt gegen einzelne Nachbarn. Teilweise erfolgten die Äußerungen allgemein in Richtung des Hauses und seiner Bewohner, die wiederholt die Polizei und auch den sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt K. einschalteten.

Der Angeklagte leidet seit mindestens 2010 an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20). Er ist getrieben von der Vorstellung, dass seine Umwelt, insbesondere seine Nachbarschaft, ihm gegenüber böswillig eingestellt und er deshalb in der von ihm bis Mitte Mai 2020 benutzten Wohnung einer permanenten Bedrohungslage ausgesetzt sei.

a) Vor diesem Hintergrund kam es zu folgenden, anklagegegenständlichen Tatgeschehen:

aa) Am 25. Januar 2018 stritten der Angeklagte und der Zeuge A. lautstark im Innenhof der Liegenschaft. Der Angeklagte holte mit der rechten Faust aus, um A. am Kopf zu treffen und ihn zu verletzen. A. konnte ausweichen und stieß den Angeklagten zurück. Dieser wandte sich zunächst ab, zog ein aufklappbares Messer, ging auf den Zeugen zu und rief: „Beim nächsten Mal steche ich dich ab!“. Zwei Zeuginnen schrien lautstark vom Balkon, dass die Polizei verständigt werde, um den Angeklagten von der weiteren Tatausführung abzuhalten. Der Angeklagte, „der sich ertappt fühlte und die Tat nach seinen Vorstellungen nicht beobachtet vollenden wollte, entfernte sich schnell.“

bb) Am 26. März 2018 rief der Angeklagte A. zu: „Du Hurensohn“, „ich ficke deine Mutter“ und sodann „ich steche dich ab“.

cc) Am 27. März 2019 öffnete der Angeklagte seine Wohnungstür, als die Zeugin N. diese passierte. Er sagte: „Du Hure, du bist sowieso die nächste, die ich umbringen werde“. Ihm war am 21. März 2019 eine einstweilige Anordnung des Familiengerichts zugestellt worden, die ihm untersagte, die Zeugin zu bedrohen und ein Zusammentreffen mit ihr herbeizuführen.

dd) Am 24. April 2019 stieß der Angeklagte den Zeugen A. absichtlich vor der Grünfläche des Wohnhauses an und rief ihm zu: „Ich ficke dich“ und „ich bringe dich um“, obwohl ihm am 2. April 2019 eine einstweilige Anordnung des Familiengerichts zugestellt worden war, die ihm untersagte, den Zeugen zu bedrohen, sich ihm weniger als 20 m zu nähern und ein Zusammentreffen mit ihm herbeizuführen.

ee) Am 13. Mai 2019 äußerte der Angeklagte gegenüber den Zeugen N. und Kl. im Treppenhaus: „Ich ficke eure Mütter, ihr Hurensöhne. Ich hole meine Knarre, ihr seid die nächsten. Ich bringe euch alle um“, obwohl ihm am 5. April 2019 eine einstweilige Anordnung des Familiengerichts zugestellt worden war, die ihm untersagte, Kl. zu bedrohen und ein Zusammentreffen mit ihm herbeizuführen. Die Zeugen nahmen die Drohung ernst und verständigten die Polizei. Die Beamten kannten den Angeklagten aus vorangegangenen Einsätzen und rechneten deshalb nicht mit Widerstandshandlungen. Gleichwohl entschlossen sie sich angesichts der Ankündigung „ich hole meine Knarre“, gewaltsam in die Wohnung einzutreten. Der Angeklagte hatte sich im Badezimmer versteckt. Er ließ sich bereitwillig fesseln und sodann von dem herbeigerufenen Rettungswagen in eine psychiatrische Klinik in K. bringen. Dort wurde eine wahnhafte Störung diagnostiziert. Der Angeklagte wurde auf eigenen Wunsch am nächsten Tag unter der Medikation von Risperidon entlassen. Die Beamten konnten in der Wohnung keine Waffe finden.

ff) Am 13. Juni 2019 äußerte der Angeklagte gegenüber N. und Kl. aus dem geöffneten Wohnungsfenster: „Ich ficke euch, ihr Hurensöhne. Ich ficke eure Kinder und eure Mütter. Ich bringe euch alle um. Ich fackle das ganze Haus ab. Wartet, bis ihr dran seid.“

b) Darüber hinaus hat die Strafkammer folgende, nicht von der Anklage umfasste Sachverhalte festgestellt:

aa) Am 19. August 2018 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und Kl. Kl. hatte den Angeklagten angesprochen, ob dieser sein Fahrrad leiser durch den Hausflur schieben könne. Der Angeklagte ging auf den Zeugen los, um diesen zu schlagen, verfehlte ihn jedoch. Der Zeuge widersetzte sich. Es entstand ein Gerangel mit wechselseitigen Tätlichkeiten, in deren Folge der Angeklagte den Zeugen zweimal mit der Faust am Hinterkopf und am Ohr traf. Er versuchte den Zeugen in den Schwitzkasten zu nehmen und zerriss ihm dabei das T-Shirt. Die Zeugin D. kam hinzu und verständigte die Polizei. Der Angeklagte versuchte, auch diese Zeugin zu schlagen. Das Geschehen verlagerte sich vor die Haustür, wo Sperrmüll lagerte. Der Angeklagte ergriff ein Stuhlbein und schlug mehrfach auf den Zeugen ein, der wiederum eine Holzlatte ergriff und mit dieser mehrfach den Angeklagten traf. Dieser trug eine blutende Wunde im Gesicht und Verletzungen an den Armen davon. Der Zeuge erlitt eine Prellung der linken Schulter und des Ellenbogens sowie Schürfwunden am linken Handgelenk. Zudem litt er unter einer Blockierung der ersten Rippe links und einer Kopfrotationseinschränkung. Der von der Polizei beim Angeklagten gemessenen BAK-Wert lag bei 0,76 mg/l.

bb) Vor Beginn der Hauptverhandlung am 28. August 2018 vor dem Amtsgericht K. in dieser Sache machte der Angeklagte gegenüber den Zeugen A. und E. eine Handbewegung, die zeigte, wie er sich mit dem Finger an der Kehle entlangfuhr.

cc) Am 20. Mai 2020 waren in den frühen Morgenstunden in dem Gebäudekomplex laute Klopfgeräusche zu hören, die sich nicht lokalisieren ließen. Als der Zeuge H. am geöffneten Fenster rauchte, erschien der Angeklagte und stellte den Zeugen zur Rede, was es mit dem Lärm auf sich habe. Dabei hielt er ein Küchenmesser drohend in der Hand. Er versuchte, durch das halbgeöffnete Fenster in die Souterrainwohnung des Zeugen einzusteigen, und schrie: „Wenn du das nochmal tust, bring ich dich um, Hurensohn“. Um ein Eindringen des Angeklagten zu verhindern, ließ der Zeuge den halbgeöffneten Rollladen herunter und verständigte die Polizei, die beim Angeklagten eine Gefährderansprache durchführten. Da der Angeklagte auf die Beamten einen stark verwirrten Eindruck machte, riefen sie einen Notarzt. Mit diesem fuhr der Angeklagte freiwillig in eine psychiatrische Klinik, wo er am selben Vormittag entlassen wurde. Gegen 12.05 Uhr am gleichen Tag schrie der Angeklagte vor der Wohnungsanlage: „Ich fackle das ganze Haus ab.“ Eine Mitbewohnerin verständigte neuerlich die Polizei. Diese rief einen Rettungswagen, mit dem sich der Angeklagte neuerlich freiwillig in die psychiatrische Klinik einliefern ließ. Dort wurde er auf der offenen Station aufgenommen und mit Tabor und Risperidon behandelt. Seine Entlassung erfolgte am nächsten Tag.

dd) Etwa eine Woche später lauerte der Angeklagte dem Zeugen H. auf und drückte diesen gegen die Wand. Er äußerte zu dem Zeugen, dass er die Anzeige fallen lassen solle, „dass er Drogen verticke“.

c) Das nachbarschaftliche Verhältnis ist durch das Verhalten des Angeklagten nachhaltig gestört. Die Mitbewohner sind erheblich belastet. Insbesondere weibliche Bewohner achten darauf, möglichst nicht allein das Haus durch das Treppenhaus zu verlassen, den Innenhof zu passieren oder in den Keller zu gehen. Alle Betroffenen leben unterschwellig mit der Sorge, dass sich der geistige Zustand des Angeklagten drastisch verschlechtern und er eines Tages im Bereich des Hauses eine schwere Gewalttat begehen werde.

2. Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte in allen Fällen nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Der Angeklagte werde durch seine gestörte Wahrnehmung derart stark gequält und getrieben, dass er keine Handlungsalternativen mehr erkenne, als sich permanent verteidigen zu müssen. Die Strafkammer hat ihre Gefährlichkeitsprognose insbesondere darauf gestützt, dass sich die Straftaten des Angeklagten „immer wieder gegen dieselben Geschädigten richten“. Dabei ist sie davon ausgegangen, dass dessen endgültiger Auszug aus der Souterrainwohnung nicht zu erkennen sei; vielmehr stehe „die Rückkehr des Angeklagten nach Abschluss des hiesigen Verfahrens im Raum.“ In ihre Prognose hat sie ferner eingestellt, dass ? wie eine Vorstrafe belege ? auch unbeteiligte Dritte Opfer der Bedrohungen durch den Angeklagten werden könnten.

II.

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt:

„Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln. An die Darlegungen und die vorzunehmende Abwägung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13 -, Rn. 16, juris, m.w.N.). Der Umstand, dass ein Täter trotz bestehender Grunderkrankungen in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, kann dabei ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten sein und ist deshalb regelmäßig zu erörtern (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 1 StR 112/19 -, Rn. 5, juris, m.w.N.).

Daran gemessen erweisen sich die Erwägungen, mit denen das Landgericht seine Gefährlichkeitsprognose begründet hat, als lückenhaft. Denn das Landgericht hätte sich mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte trotz der seit „mindestens 2010“ bestehenden paranoiden Schizophrenie (UA S. 10) während längerer Zeiträume, beispielsweise nach der Verurteilung durch das Amtsgericht K. vom 20. Dezember 2010 bis zum 27. Mai 2015 (UA S. 6), keine vergleichbaren Taten begangen hat. Dies gilt insbesondere auch für den Zeitraum zwischen der Tat vom 13. Juni 2019 (UA S. 12) und dem zum Geschehen am 20. Mai 2020 festgestellten Sachverhalt (UA S. 14 f.), da der Angeklagte währenddessen in der Wohnung in der R. straße gelebt hat, so dass es zu weiteren Kontakten mit seinen Nachbarn gekommen sein muss. Obwohl sich die in den Urteilsgründen geschilderten Taten des Angeklagten seit dem 26. März 2018 ausschließlich gegen Bewohner des Gebäudekomplexes R. straße gerichtet hatten (UA S. 10-15), hat das Landgericht bei seiner Prognoseentscheidung nicht in den Blick genommen, dass es nach dem Auszug des Angeklagten im Sommer 2020 zu keinen weiteren Taten gekommen ist. Veränderungen zwischen den Anlassdelikten und der Hauptverhandlung sind jedoch zu berücksichtigen (vgl. MüKo-StGB/van Gemmeren, 4. Aufl., StGB § 63 Rn. 61). Das Urteil enthält keine Feststellungen zum neuen Wohnumfeld des Angeklagten nach dem Auszug und seinem Verhältnis zu den neuen Nachbarn. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine Rückkehr des Angeklagten in die Wohnung in der R. straße „im Raum“ steht (UA S. 39), denn er lebt nach den Feststellungen nunmehr in einer Wohnung, die - wie die Wohnung in der R. straße - ebenfalls seiner Lebensgefährtin gehört (UA S. 8). Dass der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte weiterhin in der R. straße gemeldet ist, ist für die Annahme des Landgerichts jedenfalls nicht ausreichend. Allein die Möglichkeit, dass der Angeklagte in seine alte Wohnsituation zurückkehren und aufgrund seiner Störung vergleichbare Taten begehen könnte, reicht für die Gefährlichkeitsprognose nicht aus (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., StGB, § 63 Rn. 41).“

III.

Die aufgezeigten Erörterungsmängel führen zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung. Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat ergänzend:

1. Zwar ist die Strafkammer hinsichtlich des Tatgeschehens vom 25. Januar 2018 im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine hierauf gestützte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB nur zulässig ist, wenn eine Bestrafung wegen der rechtswidrigen Tat allein an der mangelnden Schuldfähigkeit des Täters scheitert, nicht jedoch, wenn er mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurückgetreten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. April 2021 - 6 StR 128/21, juris Rn. 6 mwN). Ihre Feststellung zu dem maßgeblichen Vorstellungsbild des Angeklagten, dieser habe „sich ertappt gefühlt und die Tat nach seinen Vorstellungen nicht beobachtet vollenden wollen“, erfährt in den Urteilsgründen jedoch keinen tragfähigen Beleg. Der Angeklagte hat das Geschehen als „normale Diskussion“ beschrieben und „konnte … keine weiteren präzisierenden Angaben machen“. Sonstige Umstände, die einen Rückschluss auf das festgestellte Vorstellungsbild des Angeklagten zuließen, sind nicht dargestellt. Auch die Gesamtheit der Urteilsgründe bietet keine Grundlage auf ein derartiges Vorstellungsbild des Angeklagten zu schließen.

2. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, genauer als bisher - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ebenfalls zutreffend hinweist - den spezifischen Zusammenhang zwischen der bei dem Angeklagten diagnostizierten paranoiden Schizophrenie und den festgestellten Taten aufzuzeigen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. August 2020 - 2 StR 263/20, juris Rn. 8).

3. Er wird ferner zu beachten haben, dass eine Gefährlichkeitsprognose nur dann auf frühere Taten gestützt werden kann, wenn die im Urteil dazu getroffenen Feststellungen belegen, dass auch diese Taten auf der Erkrankung des Täters beruhten (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. September 2019 - 4 StR 24/19, juris Rn. 8 mwN).

4. Sollte der neue Tatrichter wiederum vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB überzeugt sein, wird er genauer als bisher deren Verhältnismäßigkeit zu erörtern haben. Insbesondere wird zu erwägen sein, ob bei dem Angeklagten, der „meistens noch über ausreichend Impulskontrolle und relativ wenig Aggressionspotential“ verfügt, eine Strafaussetzung zur Bewährung unter Auflagen in Betracht kommt.

IV.

Der Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung der Freisprüche. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der neue Tatrichter zu einer anderen Bewertung der Schuldfähigkeit gelangt. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung der Freisprüche nicht entgegen, denn nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es möglich, in einer neuen Hauptverhandlung anstelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Angeklagten schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Januar 2021 - 2 StR 424/20, juris Rn. 23 mwN).

Die Sache bedarf damit insgesamt - naheliegenderweise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen - neuer Verhandlung und Entscheidung.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 993

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 303; StV 2022, 295

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß