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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 665/99, Urteil v. 27.06.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 665/99 - Urteil v. 27. Juni 2000 (LG Heidelberg)

Hinzuziehung eines Dolmetschers bei partieller Kenntnis der deutschen Sprache; Aufklärungspflicht; Beweisantrag; Beweiswürdigung; Geiselnahme mit Todesfolge (Einschränkende Auslegung in Zwei-Personen-Verhältnissen)

§ 338 Nr. 5 StPO; § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG; § 244 Abs. 2 StPO; § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO; § 261 StPO; § 239 b Abs. 1 und 2 i. V. m. § 239 a Abs. 3 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ist ein Beteiligter teilweise der deutschen Sprache mächtig, hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu befinden, in welchem Umfang er bei der Verhandlung einen Dolmetscher zuziehen will (BGHSt 3, 285, 286; BGH NStZ 1984, 328; BGHR StPO § 338 Nr. 5 Dolmetscher 2).

2. Nach der gebotenen einschränkenden Auslegung der Geiselnahme muß jedoch zwischen der Tathandlung und dem angestrebten Verhalten des Opfers ein funktionaler Zusammenhang derart bestehen, daß diesem noch während der Dauer der Zwangslage eine Handlung, Duldung oder Unterlassung abgenötigt werden soll (BGHSt - GS - 40, 350, 355, 359; BGHR StGB § 239 b Entführen 4, Nötigungserfolg 1; § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5, Erpressung 1).

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 21. Juli 1999 wird verworfen.

Die Kosten der Revision und die den Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine vollautomatische Selbstladewaffe und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten Ku. wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine vollautomatische Selbstladewaffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Schließlich hat das Landgericht den Angeklagten D. wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung, Bedrohung, Erwerb und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese sowie wegen Erwerbs in Tateinheit mit Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht ein tödlich verlaufener Überfall vom 29. Dezember 1997 auf den Besitzer einer Boutique in S., Dö., der derart eingeschüchtert werden sollte, daß er künftig die Freundin des Angeklagten D., Frau B., "in Ruhe lasse".

Gegen das landgerichtliche Urteil, soweit es diesen Vorfall betrifft, richtet sich die zum Nachteil der drei Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sie erstrebt die Verurteilung des Angeklagten K. wegen vorsätzlicher Tötung des Tatopfers sowie eine höhere Bestrafung der Angeklagten Ku. und D. wegen Beteiligung an der genannten Tat.

Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

1. Die Revision rügt, das Gericht habe die ihm obliegende Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, weil es die Zeugin N., die mit ihren Angaben die Angeklagten K. und Ku. erheblich belastet hatte, vernahm, ohne einen Dolmetscher für die portugiesische Sprache zuzuziehen. Es handelt sich um eine brasilianische Staatsangehörige, die in Deutschland als Vertreterin tätig ist.

Wie immer diese Rüge zu verstehen ist, kann sie keinen Erfolg haben:

Ist ein Beteiligter teilweise der deutschen Sprache mächtig, hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu befinden, in welchem Umfang er bei der Verhandlung einen Dolmetscher zuziehen will (BGHSt 3, 285, 286; BGH NStZ 1984, 328; BGHR StPO § 338 Nr. 5 Dolmetscher 2). Eine Überschreitung des tatrichterlichen Ermessens ist hier um so weniger ersichtlich, als die Revision selbst vorträgt, bereits in der polizeilichen Vernehmung der Zeugin sei festgehalten, daß sie keine Probleme hatte, die an sie gestellten Fragen zu verstehen; auch dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seien anläßlich der zweimaligen Vernehmung der Zeugin in der Hauptverhandlung keinerlei Verständigungsschwierigkeiten aufgefallen. Im übrigen konnten, wie den Urteilsgründen zu entnehmen ist, zunächst aufgetretene Verständnisprobleme in der Sitzung ausgeräumt werden. Ein Verstoß gegen § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG i. V. m. § 338 Nr. 5 StPO scheidet mithin aus.

Bei ihrem Vorbringen stützt sich die Revision auf verschiedene Stellen des angefochtenen Urteils, in denen die Rede davon ist, die Zeugin habe zwar keinen unglaubwürdigen Eindruck hinterlassen, doch sei deutlich geworden, daß sie Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat. Es sei deshalb - so das Gericht - nicht auszuschließen, daß die Zeugin das ihr in der Tatnacht vom Angeklagten Ku. Erzählte, das auch den Angeklagten K. hätte belasten können, nur unzureichend verstanden und zum Teil mißverstanden hat. Insoweit greift die Staatsanwaltschaft die tatrichterliche Beweiswürdigung an, ohne daß sie eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Aufklärungsrüge erhoben hat.

2. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Fall, daß der Angeklagte K. nicht wegen Mordes verurteilt wird, den Beweisantrag gestellt, zwei Kriminalbeamte als Zeugen zu vernehmen zum Beweis dafür, daß die vorgenannte Zeugin in ihrer auf eigenen Wunsch zustande gekommenen und prozeßordnungsgemäß durchgeführten Vernehmung vom 29. Juni 1999 im Beisein ihres Verteidigers den Angeklagten K. schwer belastet hat, indem sie verschiedene Äußerungen bekundete, die ihr Freund, der Angeklagte Ku., ihr gegenüber gemacht hatte. Diesen Antrag hat das Landgericht in den Urteilsgründen abgelehnt mit der Begründung: Die in das Wissen der beiden Polizeibeamten gestellten Äußerungen der Zeugin N. seien durch diese selbst anläßlich ihrer eigenen Vernehmung in der Hauptverhandlung so wie unter Beweis gestellt wiedergegeben worden und daher als erwiesen anzusehen. Durch die Bestätigung dieser Beamten, daß sie die unter Beweis gestellten Angaben bereits wenige Tage vorher genauso gemacht habe, werde ihre Aussage "weder glaubwürdiger noch unglaubwürdiger". Das Gericht habe die Zeugin als glaubwürdig eingestuft und ihre Angaben nur deshalb einer Verurteilung nicht zugrunde legen können, weil auf Grund von Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten von den ihrer Aussage zu entnehmenden Umständen nicht ausgegangen werden konnte. "Hieran hätten aber auch die beiden Polizeibeamten nichts ändern können, da sie nur das hätten wiedergeben können, was ihnen die Zeugin berichtete, jedoch nicht das, was sie - die Zeugin - sonst noch von dem Mitangeklagten Ku. hätte vernehmen können." Im übrigen sei auch von den dargelegten Umständen der polizeilichen Vernehmung auszugehen.

Die Rüge der Revision, diese Entscheidung verletze § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, ist unbegründet. Das Gericht war nicht gehalten, aus der als erwiesen behandelten Beweisbehauptung den von der Staatsanwaltschaft gewünschten Schluß auf Äußerungen des Angeklagten Ku. zu ziehen, die auf einen Tötungsvorsatz des Angeklagten K. schließen ließen (vgl. W. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 236, 252).

Das Landgericht durfte auch ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Aufklärungspflicht davon ausgehen, daß seine Zweifel daran, ob die Zeugin (in der Tatnacht) den Angeklagten Ku. zutreffend verstanden hat, von den Verständigungsmöglichkeiten bei der polizeilichen Vernehmung unberührt blieben. Das Vorbringen der Revision, die als Zeugen benannten Beamten "hätten gewiß Einzelheiten aus der kriminalpolizeilichen Vernehmung vom 29. Juni 1999 mitteilen können", die die Aussage der Zeugin als verläßlich erscheinen ließen, zeigt nicht auf, daß die Strafkammer zu einer entsprechenden Beweiserhebung gedrängt gewesen wäre.

3. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Fall, daß der Angeklagte D. nicht wegen Anstiftung zum Mord verurteilt wird, den Beweisantrag gestellt, Bü. als Zeugen zu vernehmen zum Beweis dafür, daß der genannte Angeklagte von diesem Zeugen ca. 200. 000 gefälschte US-Dollars ausgehändigt erhielt, um die "Blüten" in Verkehr zu bringen. Damit sollte Beweis erhoben werden "über die Charaktereigenschaften und die Glaubwürdigkeit des Angeklagten D., der durch Offenlegung seines Falschgelddeliktes als Geschäftsmann unverzüglich ruiniert worden wäre". Diesen Antrag hat das Landgericht in den Urteilsgründen abgelehnt mit der Begründung: Die diesem Angeklagten unterstellten Falschgeldgeschäfte seien für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, da die unter Beweis gestellte Tatsache dem Geschädigten nicht bekannt geworden war, wie die Zeugin B. bei ihrer polizeilichen Vernehmung angab. Nur wenn dieser davon gewußt hätte, hätte - so das Gericht - die Gefahr bestanden, daß D. durch die Bekanntgabe der näheren Umstände geschäftlich hätte ruiniert werden können. Soweit aus der Beteiligung an Falschgeldgeschäften auf die Charaktereigenschaften des Angeklagten geschlossen werden soll, fehle es an Erfahrungssätzen, inwieweit Geldfälscher zu wahrheitswidrigen Angaben neigen; insoweit sei im Hinblick auf das Beweisziel die Beweistatsache ungeeignet.

Vergeblich wendet sich die Revision gegen diese Entscheidung, die maßgeblich auf die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abhebt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO; vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 56).

4. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, den amerikanischen Zollbeamten T. als Zeugen zu vernehmen zum Beweis dafür, "daß die Personengruppe R., D. und K. eine Vereinigung mit kriminellen Strukturen darstellt" und insbesondere im vorliegenden Strafverfahren verdunkelt und "daß diese Personen völlig unglaubwürdig sind". Diesen Antrag hat das Landgericht in der Hauptverhandlung abgelehnt mit der Begründung, daß er "lediglich Beweisziele beinhaltet, jedoch keine einem Beweis zugänglichen Tatsachen benannt werden". Auch unter Aufklärungsgesichtspunkten - was näher ausgeführt wurde - sah die Strafkammer keinen Anlaß, den benannten Zeugen zu vernehmen.

Erfolglos rügt die Revision, dieser Beschluß verletze § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, trifft ihre Auffassung, der abgelehnte Beweisantrag sei genügend substantiiert, nicht zu (vgl. BGHSt 37, 162). Die Staatsanwaltschaft meint, der erkennbare Sinn ihres Antrags sei dahin gegangen, "daß der Zeuge eigene Beobachtungen und Mitteilungen Dritter bekunden werde, die den Schluß auf die Unglaubwürdigkeit der Angeklagten K. und D. sowie des Zeugen R. gestattet hätten". Aus diesem Vorbringen ergeben sich indes keine Anhaltspunkte dafür, daß zu erwarten gewesen wäre, eine Vernehmung des Zeugen werde weitere die genannten Angeklagten im Sinne eines vorsätzlichen Tötungsdelikts belastende Erkenntnisse erbringen.

II.

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat weder zugunsten der Angeklagten noch, was gemäß § 301 StPO zu prüfen war, zu ihren Lasten einen Rechtsfehler ergeben.

1. Was den Angeklagten K. angeht, ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß ihm das Landgericht lediglich fahrlässige Tötung des Tatopfers zur Last legt.

Hält das Gericht einen Anklagevorwurf nicht für erwiesen, weil es Zweifel an der Schuld des Angeklagten nicht zu überwinden vermag, so ist das grundsätzlich hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob ihm ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Das ist namentlich der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit zu hohe Anforderungen gestellt worden sind (vgl. BGH StV 1999, 7). Einen solchen Mangel weist das angefochtene Urteil auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Nebenklägers in der Revisionsverhandlung nicht auf.

Nach den Feststellungen diente die Aktion dem Ziel, dem Geschädigten "ordentlich eine aufs Maul" zu schlagen, um diesen zu der Erkenntnis zu bringen, er habe "die Hände" von der Freundin des Mitangeklagten D. zu lassen. Der Angeklagte K. gedachte das Tatopfer dadurch zu beeindrucken, daß er "mit einer bewaffneten und zu allem bereit wirkenden Übermacht" erschien. "Dabei gehörte es zu dem von ihm als normal empfundenen Erscheinungsbild, daß er mit scharfen und auch geladenen Waffen auftrat." Geplant war, nach der Mißhandlung das Tatopfer gefesselt in seiner eigenen Wohnung zurückzulassen. Das sollte nicht nur einen ungehinderten Rückzug der Täter sichern, sondern den Geschädigten auf jeden Fall davon abhalten, sich an die Polizei zu wenden. Wider Erwarten ließ sich dieser jedoch von dem Erscheinen der maskierten und bewaffneten Männer - der Angeklagten K. und Ku. - nicht beeindrucken und begann, sich aus Leibeskräften zur Wehr zu setzen. Sie schlugen deshalb mit ihren Schußwaffen heftig auf ihn ein, fesselten ihn dann und ließen ihn vor seinem Anwesen am Boden liegen; sie wollten ihn anschließend ins Haus bringen. Bevor der Angeklagte K. das Haus betrat, um in dem zur Straße gelegenen Wohnzimmer die Rolläden herunterzulassen, spannte er den Hahn seines Revolvers, "um" - so das Urteil - "auf unvorhergesehene Umstände vorbereitet zu sein". Als der Geschädigte, nachdem zwischenzeitlich Frau B. eingetroffen war, einen Fluchtversuch unternahm, entstand ein Gerangel, in dessen Verlauf der Angeklagte mit seinem Finger an den Abzug des Revolvers kam. Auf Grund eines relativ geringen Abzugsgewichts bei vorgespanntem Hahn "löste sich" aus einer Entfernung von maximal 5 cm in Bauchhöhe "unbeabsichtigt ein Schuß", an dessen Folgen das Tatopfer verstarb.

Die Strafkammer sah sich nicht in der Lage, die in diese Richtung gehenden Einlassungen der Angeklagten zu widerlegen. Die von ihr angestellten Erwägungen verstoßen weder gegen die Denkgesetze noch gegen gesicherte Erfahrungssätze und sind auch nicht lückenhaft. Es liegt im Rahmen tatrichterlicher Beurteilung, wenn das Landgericht unter den festgestellten Umständen annimmt, keinesfalls sei die Tötung oder eine erhebliche Verletzung des Tatopfers vorgesehen gewesen; insbesondere habe der Angeklagte K. ohne Tötungsvorsatz gehandelt, als er bei der Auseinandersetzung mit dem sich wehrenden Geschädigten mit dem Finger an den Abzug seines Revolvers kam, dessen Hahn er bereits früher gespannt hatte. Ersichtlich ist die Strafkammer der Darstellung des Angeklagten K. gefolgt, die Mitnahme schwerer Waffen sei ein "szeneübliches" Vorgehen gewesen. Diesen Umstand brauchte sie deshalb - entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft - nicht als wesentliches Indiz für einen von vornherein bestehenden Tötungsvorsatz zu werten. Angesichts der getroffenen Feststellungen war das Gericht auch nicht verpflichtet, die von der Revision aufgeworfene Frage eines kurzfristig gefaßten bedingten Tötungsvorsatzes ausdrücklich zu erörtern. Den Urteilsgründen zufolge beabsichtigte der Angeklagte K., den Geschädigten festzuhalten, ihn ins Haus zu bringen und ihm eindringlich klar zu machen, "daß er keine Polizei holen solle". Hätte der genannte Angeklagte bei dem Gerangel billigend in Kauf genommen oder sich sogar entschlossen, das Tatopfer zu erschießen, hätte er aber erst recht die Gefahr heraufbeschworen, die Polizei werde den Überfall entdecken, zumal da inzwischen Frau B. eingetroffen war und die Situation erkannte.

2. Bei dieser Sachlage kommt auch eine Beteiligung der Angeklagten Ku. und D. an einem vorsätzlich begangenen Tötungsverbrechen nicht in Betracht.

3. Auch sonst weisen Schuldspruch und Strafausspruch - im Umfang der Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft - bei keinem der Angeklagten einen Rechtsfehler auf.

Was die Angeklagten K. und Ku. angeht, erfaßte § 239 Abs. 3 StGB aF (vgl. § 239 Abs. 4 StGB nF) auch die Todesverursachung im Zusammenhang mit einem Fluchtversuch (BGHSt 19, 382, 386 f.).

Schließlich scheidet eine Verurteilung dieser Angeklagten wegen Geiselnahme mit Todesfolge (§ 239 b Abs. 1 und 2 i. V. m. § 239 a Abs. 3 StGB) aus. Zwar haben sie zumindest versucht, sich des Tatopfers zu bemächtigen, und sie haben dieses - konkludent - mit dem Tod bedroht. Nach der gebotenen einschränkenden Auslegung des genannten Straftatbestands muß jedoch zwischen der Tathandlung und dem angestrebten Verhalten des Opfers ein funktionaler Zusammenhang derart bestehen, daß diesem noch während der Dauer der Zwangslage eine Handlung, Duldung oder Unterlassung abgenötigt werden soll (BGHSt - GS - 40, 350, 355, 359; BGHR StGB § 239 b Entführen 4, Nötigungserfolg 1; § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5, Erpressung 1). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt: Dem angefochtenen Urteil ist nur zu entnehmen, daß durch die Aktion der Angeklagten das Tatopfer genötigt werden sollte, künftig die Beziehungen zu seiner Freundin nicht mehr zu pflegen, "die Hände" von ihr zu lassen. Nicht festgestellt ist hingegen, daß nach dem Vorhaben der Angeklagten der Geschädigte in der Tatsituation das Versprechen abgeben sollte, sein Verhältnis zu Frau B. aufzugeben. Es ist auch nicht zu erwarten, daß in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen in dieser Hinsicht getroffen werden könnten.

Bearbeiter: Karsten Gaede