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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 290/99, Beschluss v. 17.11.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 290/99 - Beschluß v. 17. November 1999 (LG Stuttgart)

Versuch der Beteiligung am Mord; Strafklageverbrauch; Ne bis in idem; Begriff der Tat; Hinweispflicht; Besorgnis der Befangenheit

§ 211 StGB; § 264 StPO; § 265 StPO; § 338 Nr. 3 StPO; § 24 Abs. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zum Begriff der Tat im prozessualen Sinne.

2. Eine Strafanklageverbrauch liegt nicht vor, wenn in dem früheren Verfahren hinsichtlich der jetzt abgeurteilten Tat ein Strafverfolgungswille von Staatsanwaltschaft oder Tatgericht nicht hervorgetreten ist. Der Strafverfolgungswille geht nicht schon daraus hervor, daß das jetzt abgeurteilte Geschehen in der früheren Anklageschrift als Vorgeschichte ersichtlich zum besseren Verständnis der Gesamtumstände angesprochen worden ist (vgl. dazu BGHSt 43, 96, 99 f.; BGH NStZ 1995, 510).

3. Der Ablehnung einer identischen Tat im prozessualen Sinne steht nicht entgegen, daß konkurrenzrechtlich zwischen einer versuchten Anstiftung und der eigenhändigen Vollendung der Haupttat Subsidiarität bestehen soll (vgl. BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3).

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23. Dezember 1998 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Ergänzend bemerkt der Senat

1. Die Strafklage gegen den Angeklagten K. - ist nicht verbraucht.

Der rechtskräftige Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der eigenhändigen Ermordung seiner vormaligen Ehefrau in einem früheren Verfahren steht der Ahndung der hier abgeurteilten versuchten Bestimmung eines Dritten zur Tötung des Opfers nicht entgegen. Denn diese verfahrensgegenständliche Tat unterlag nicht der Kognitionspflicht des Tatrichters in jenem anderen Verfahren.

Bei den beiden Beschuldigungen handelt es sich um verschiedene Taten im prozessualen Sinne (§ 264 StPO). Jene Tat ist von der hier in Rede stehenden nach Tatbild, Tatzeit und Tatort bei natürlicher Betrachtung derart abgrenzbar, daß beide Vorkommnisse sich nicht als einheitlicher geschichtlicher Vorgang darstellen. Nach dem Fehlschlag der Anstiftung des F. durch den Angeklagten K. am 29. August 1986 wäre eine Zäsur eingetreten, die dem Angeklagten für eine etwaige eigenhändige Tatbegehung einen neuen Willensentschluß und eine neue Tatplanung abverlangt hätten (siehe dazu BGHSt 44, 91, 94; vgl. auch BGHSt 13, 21, 26; 29, 288, 292 f.; 36, 151, 154; BGHR StPO § 264 Tatidentität 29). Zudem ist in dem früheren Verfahren hinsichtlich der jetzt abgeurteilten Tat ein Strafverfolgungswille von Staatsanwaltschaft oder Tatgericht nicht hervorgetreten. Dieses Geschehen war dort im konkreten Angeklagesatz nicht erwähnt und in der Anklageschrift im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen lediglich als Vorgeschichte ersichtlich zum besseren Verständnis der Gesamtumstände angesprochen worden (vgl. dazu BGHSt 43, 96, 99 f.; BGH NStZ 1995, 510).

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß konkurrenzrechtlich zwischen einer versuchten Anstiftung (hier § 30 Abs. 1, § 211 StGB) und der eigenhändigen Vollendung der Haupttat nach der Rechtsprechung - u.a. des: 3. Strafsenats - Subsidiarität bestehen soll (vgl. BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3). Ein solches Subsidiaritätsverhältnis schließt die Annahme verschiedener Taten im prozessualen Sinne nicht aus (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 264 Rdn. 8; vgl. auch BGH NStZ 1986, 565, 566).

2. Die Rüge der Revision des Angeklagten K., das Landgericht habe auf das festgestellte, insoweit aber von der zugelassenen Anklage abweichende Tatmotiv des "verletzten männlichen Stolzes" zuvor hinweisen müssen, kann keinen Erfolg haben (§ 265 Abs. 1, 2 und 4 StPO). Dabei handelt es sich nicht um einen äußeren Tatumstand; ein unmittelbarer Bezug zu einem gesetzlichen Merkmal des Tatbestandes ist nicht gegeben, und das Landgericht hat daneben auch auf den Beweggrund abgehoben, der Angeklagte K. habe die Frage, bei wem der gemeinsame Sohn aufwachsen solle, von vornherein für sich entscheiden wollen (vgl. dazu Anklageschrift S. 13, siehe ebenso UA S. 21/22; vgl. BGH, Beschl. vom 15. September 1999 - 2 StR 530/98). Soweit die Beanstandung auch auf eine Verletzung des § 261 StPO zielen mag, steht ihr schon das Verbot der Rekonstruktion der tatrichterlichen Hauptverhandlung entgegen (BGHR StPO § 261, Inbegriff der Verhandlung 34; Engelhardt in KK StPO 4. Aufl. § 261 Rdn. 53).

Im übrigen ergeben die Urteilsgründe, daß dem Gang der Hauptverhandlung durch die Angaben der Zeugen J. und KOK Z. sowie einen eingeführten Brief des Mitangeklagten B. die Grundlagen einer entsprechenden Beweiswürdigung entnommen werden und die Verfahrensbeteiligten deshalb insoweit nicht überrascht werden konnten (vgl. UA S. 71, 73, 74). Zu Inhalt und Ergebnissen einzelner Beweiserhebungen muß sich der Tatrichter aber grundsätzlich nicht vorab erklären (BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht 14). Darüber hinaus schließt der Senat im Blick auf das Geständnis der Angeklagten K. und B. zum äußeren Tatrahmen sowie die im übrigen dichte Beweiskette, namentlich die Ergebnisse der Telefonüberwachung, aus, daß ein etwaiger ausdrücklicher Hinweis des Landgerichts zu einer erfolgreicheren Verteidigung des Angeklagten K. hätte führen können; das gilt angesichts der milden Strafe auch für den Strafausspruch (siehe dazu BGHSt 2, 250; BGHR StPO § 265 Abs. 4 Hinweispflicht 4).

3. Der Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer ist im Ergebnis mit Recht verworfen worden. Die Nichtunterrichtung der Verteidigung von zwischenzeitlichen Nachermittlungen der Staatsanwaltschaft, die der Strafkammer ohne deren Zutun vorgelegt worden waren, sowie die spontane Bemerkung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung bieten noch keine Rechtfertigung für ein begründetes Mißtrauen gegen diese Richter (§ 338 Nr. 3, § 24 Abs. 2 StPO). Die nachgereichten Vorgänge wurden -wie der Zusammenhang ergibt - der Verteidigung unverzüglich zugänglich gemacht, als sich die Beteiligten des Problems bewußt wurden; auch haben diejenigen Verfahrensbeteiligten, die bereits früher Kenntnis von der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung der Zeugin S. hatten, ihr "überlegenes Wissen" ersichtlich nicht ausgenutzt, zumal sie diese - aus ihrer Sicht - als im vorliegenden Verfahren nicht bedeutsam erachtet hatten (vgl. dazu und zum Fall gerichtsveranlaßter verfahrensbezogener Ermittlungen während der Hauptverhandlung BGHSt 36, 305, 308 f.; BGH StV 1995, 396).

Externe Fundstellen: NStZ 2000, 216

Bearbeiter: Karsten Gaede