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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 396

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 34/25, Beschluss v. 04.03.2025, HRRS 2025 Nr. 396


BGH 1 StR 34/25 - Beschluss vom 4. März 2025 (LG Karlsruhe)

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Erfolgsprognose: erforderliche Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen prognosegünstigen und -ungünstigen Umstände: Therapiebereitschaft des Angeklagten allein nicht ausreichend).

§ 64 Satz 2 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 18. Oktober 2024 im Maßregelausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon wiederum in vier Fällen in weiterer Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Daneben hat das Landgericht die Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe von 10.000 € und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei einem Vorwegvollzug der Strafe im Umfang von einem Jahr und zwei Monaten angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, hat nur zur Maßregel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Wesentlichen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die im Rahmen des § 64 Satz 2, § 67d Abs. 1 Satz 1 oder Satz 3 StGB für die erforderliche Erfolgsaussicht gebotene richterliche Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen prognosegünstigen und -ungünstigen Umstände (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 70) erweist sich bereits deswegen als defizitär, weil das Landgericht seine Anordnung allein auf eine Therapiebereitschaft des Angeklagten stützt, der insoweit zu einer „realistischen Selbsteinschätzung in der Lage“ gewesen sei. Diese Erwägung genügt offensichtlich nicht den nach dem Willen des Gesetzgebers an die erforderliche Gesamtabwägung zu stellenden Anforderungen. Auf eine Therapiemotivation allein kann eine Erfolgsprognose nicht gestützt werden (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2025 - 1 StR 5/25 Rn. 6 und vom 4. Oktober 2023 - 6 StR 405/23 Rn. 7). Vor allem mit der Verfestigung der Heroinsucht als einem prognoseungünstigen Umstand hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Schließlich fehlt es auch an einer genauen Wiedergabe der Angaben des Sachverständigen zur Erfolgsaussicht der Maßregel.

Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Dies zieht den Wegfall der Anordnung eines Vorwegvollzugs nach sich. Der Senat hebt die jeweils zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 396

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede