HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 419
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 489/24, Beschluss v. 01.04.2025, HRRS 2025 Nr. 419
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 13. Juni 2024 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen und Fälschung technischer Aufzeichnungen in 939 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen in 939 Fällen. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen hat demgegenüber keinen Bestand, weil das Urteil insoweit nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt. Die Urteilsgründe müssen stets eine in sich geschlossene, aus sich heraus verständliche Darstellung der Feststellungen und der sie tragenden Beweiserwägungen enthalten, was hier nicht der Fall ist.
a) Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung müssen die steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sein. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. April 2024 - 1 StR 14/24 Rn. 2 und vom 7. Februar 2019 - 1 StR 484/18, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 3 Rn. 3 ff.; jeweils mwN). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil zur Berechnung der Steuerverkürzung auf das „eingeführte Selbstlesekonvolut 10“ (UA S. 57) Bezug genommen wird, das nicht Bestandteil der Urteilsurkunde ist. Bezugnahmen oder Verweisungen auf Urkunden, Aktenbestandteile oder sonstige Erkenntnisse sind aber - abgesehen von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, der in den Akten befindliche Abbildungen wie Fotos, Bilddateien u.a. betrifft (vgl. § 11 Abs. 3 StGB; BGH, Beschluss vom 20. August 2024 - 6 StR 221/24 Rn. 2 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 267 Rn. 8 ff. mwN und Fischer, StGB, 72. Aufl., § 11 Rn. 34 ff. mwN) - unzulässig. Soweit die erforderlichen Urteilsfeststellungen durch eine solche unzulässige Bezugnahme ersetzt worden sind, fehlt es verfahrensrechtlich an einer Urteilsbegründung (BGH, Urteil vom 10. August 2022 - 6 StR 519/21 Rn. 42; Beschluss vom 9. Mai 2019 - 1 StR 167/19 Rn. 4; jeweils mwN).
b) Die Darstellung des Landgerichts zu den Rohgewinnaufschlagsätzen der amtlichen Richtsatzsammlung des Bundesministeriums für Finanzen (UA S. 54 bis 56) enthält den gleichen Fehler. Auch hier hat das Landgericht auf Selbstlesekonvolute Bezug genommen und dann den auf den Wareneinkauf des Angeklagten im Rahmen eines äußeren Betriebsvergleichs hinzugeschätzten Rohgewinnaufschlag auf 300 % veranschlagt (zur Zulässigkeit eines äußeren Betriebsvergleichs in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen: BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2022 - X R 19/21, BFHE 278, 428; zur steuerstrafrechtlichen Verprobung und Schätzung von Besteuerungsgrundlagen anhand der amtlichen Richtsatzsammlung eingehend BGH, Beschluss vom 11. März 2021 - 1 StR 521/20, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 6 Rn. 13 ff. mwN).
2. Darüber hinaus weisen die Urteilsgründe auch einen Erörterungsmangel auf.
Nach den Urteilsfeststellungen wurden die Gewinne aus den vom Angeklagten als eigenes Gewerbe angemeldeten Restaurants, wie vor Aufnahme des Betriebs mit weiteren Personen abgesprochen, regelmäßig gemäß der Vereinbarung verteilt. Das Landgericht hätte sich deshalb bei der Verkürzung von Einkommensteuer mit den Grundsätzen der Mitunternehmerschaft (hierzu BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 - 1 StR 6/20 Rn. 11 mwN) befassen und prüfen müssen, ob die Einkünfte aus den Restaurants allein dem Angeklagten (als Einzelunternehmer) zuzurechnen oder auf die einzelnen Mitunternehmer aufzuteilen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 EStG); (zur Verpflichtung des Unternehmers zur fristgemäßen Abgabe einer Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen: § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a, § 181 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1b AO; zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO als nicht gerechtfertigter Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO, vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08 Rn. 21 f., BGHSt 53, 99 ff. und vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12 Rn. 5, BGHSt 58, 50 ff.; zur Bewertungseinheit mit der nachfolgenden Einkommensteuerverkürzung auf Ebene der einzelnen Mitunternehmer, vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2024 - 1 StR 218/23 Rn. 19 mwN). Insoweit müssten konkrete Feststellungen getroffen werden.
3. Der Feststellungs- und Erörterungsmangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen mit den zugehörigen Feststellungen, der insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
4. Der Schuldspruch wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, Abs. 2 StGB) in 939 Fällen hat Bestand, weil er von dem Rechtsfehler nicht berührt wird (§ 353 Abs. 1 StPO). Die in diesen Fällen rechtsfehlerfrei gemäß § 268 Abs. 5, § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB nach Entkräftung der Indizwirkung des Regelbeispiels gegen den geständigen Angeklagten verhängten milden Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 40 € haben ebenfalls Bestand.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 419
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede