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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 388

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 349/23, Beschluss v. 10.01.2024, HRRS 2024 Nr. 388


BGH 1 StR 349/23 - Beschluss vom 10. Januar 2024 (LG Mannheim)

Tatrichterliche Beweiswürdigung (erforderliche Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens im Urteil).

§ 261 StPO; § 267 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 2. März 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen.

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Die Entscheidung, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abzusehen, hält hingegen sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen.

Die Strafkammer ist unter Bezugnahme auf das „überzeugende und nachvollziehbare Gutachten“ des Sachverständigen davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Taten aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat und von ihm jedenfalls keine erheblichen Straftaten, sondern allenfalls der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln, zu erwarten sind. Den wesentlichen Inhalt des Gutachtens hat sie jedoch nicht mitgeteilt. Damit ist dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Gründe für das Absehen von der Unterbringung nicht möglich.

Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) - neuer Verhandlung und Entscheidung. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 8. September 2021 - 3 StR 251/21 Rn. 8 mwN); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 388

Bearbeiter: Christoph Henckel