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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 430

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 467/20, Beschluss v. 14.01.2021, HRRS 2021 Nr. 430


BGH 1 StR 467/20 - Beschluss vom 14. Januar 2021 (LG Heidelberg)

Beihilfe (keine psychische Beihilfe durch Anwesenheit am Tatort; Beihilfevorsatz: erforderliche Beweiswürdigung).

§ 27 Abs. 1 StGB; § 261 StPO; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Strafbare Beteiligung kann auch in Form der psychischen Beihilfe verwirklicht werden. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht dazu allerdings selbst bei deren Billigung nicht aus.

2. Zwar ist ein Beihilfevorsatz auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Gehilfe den Erfolg der Haupttat nicht gewünscht hat und ihn lieber vermieden hätte. Anders kann dies aber dann sein, wenn der Hilfeleistende davon ausgegangen ist, dass aufgrund seines Tuns der Taterfolg verhindert wird.

3. Eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite setzt voraus, dass im Rahmen der Gesamtwürdigung der für einen Tatvorsatz sprechenden Umstände auch vorsatzkritische Gesichtspunkte erörtert werden. Selbst Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, müssen einbezogen werden. Bei der Würdigung indizieller Beweisergebnisse ist es in der Regel erforderlich, in den Urteilsgründen die tatsächlichen Anknüpfungsergebnisse der Würdigung so mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung möglich ist; den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen dürfen nicht auf Vermutungen oder bloße Möglichkeiten gestützt werden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 29. Juli 2020, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung und mit Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die nicht revidierenden Mitangeklagten N. und E. hat es wegen erpresserischen Menschenraubs u.a. bzw. Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren und zehn Monaten bzw. einem Jahr und neun Monaten, letztere mit Strafaussetzung zur Bewährung, verurteilt. Die allgemein auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt am oder vor dem 11. Oktober 2019 fasste der Mitangeklagte N., Vizepräsident des Motorradclubs G. in H., den Entschluss, den ihm flüchtig bekannten Geschädigten unter Androhung und Ausübung von Gewalt zu der Zahlung von 10.000 Euro an den Motorradclub zu veranlassen. Hintergrund war, dass der Geschädigte zuvor im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Dritten wahrheitswidrig behauptet hatte, dass er dem Motorradclub G. angehöre oder dass dieser hinter ihm stehe. Der Mitangeklagte N. und seine Komplizen waren nicht bereit, das Verwenden des Namens „G.“ für eigene Zwecke durch eine Person, die dem Motorradclub weder angehört noch nahesteht, folgenlos hinzunehmen. Sie beschlossen deshalb, dass der Geschädigte eine Strafe in Höhe von 10.000 Euro zu zahlen habe.

Am 11. Oktober 2019 ließ N. den Geschädigten von einer Gaststätte zum Clubhaus des Motorradclubs bringen. Dort wurde er im Keller geschlagen, getreten und aufgefordert, innerhalb von zehn Tagen 10.000 Euro an den Motorradclub zu zahlen, damit sich die vorangegangenen Gewalthandlungen nicht wiederholten. Am Folgetag berichtete der Geschädigte dem Angeklagten von den Geschehnissen. Aus Angst vor dem Motorradclub traute er sich zwar nicht, zur Polizei zu gehen. Er bat aber den Angeklagten, von dem er wusste, dass er gute Kontakte zu den Mitgliedern des Motorradclubs hatte, diesen auszurichten, dass er beabsichtige, zur Polizei zu gehen, wenn man ihn nicht in Ruhe lasse. Der Angeklagte gab diese Information weiter.

Bei einem dann gleichwohl an einer Tankstelle in Anwesenheit des Angeklagten stattfindenden Treffen betonten Personen aus dem Umfeld des Motorradclubs gegenüber dem Geschädigten nochmals, dass er 10.000 Euro an den Motorradclub zu zahlen habe. Es mache keinen Sinn, zur Polizei zu gehen. Er müsse den Geldbetrag auf jeden Fall zahlen, sonst sei es „zu Ende mit ihm“. Aus Angst vor weiteren Übergriffen zahlte der Geschädigte in kleineren Raten in der Folgezeit insgesamt 1.400 Euro.

Nachdem der Mitangeklagte N. den Geschädigten bei einem weiteren Versuch, Geld einzutreiben, mehrfach geschlagen hatte, erstattete der Geschädigte am Abend des 14. Dezember 2019 in Begleitung seines besten Freundes S. nunmehr doch Anzeige bei der Polizei. Diese riet ihm, sich ruhig zu verhalten und nicht auf weitere Treffen einzulassen. Der Geschädigte versetzte deshalb sein Mobiltelefon nach der Anzeigeerstattung in den Flugmodus, um nicht mehr erreichbar zu sein. Unmittelbar nach dem Verlassen des Polizeireviers informierte S. den Angeklagten über die Anzeigeerstattung. Diese Information gab der Angeklagte an den Mitangeklagten N. weiter. Unmittelbar danach versuchte der Angeklagte den Geschädigten zu erreichen, um diesen zu warnen, dass N. von der Anzeigeerstattung wisse. Wegen des in den Flugmodus versetzten Mobiltelefons konnte er den Geschädigten jedoch nicht erreichen.

Auf die Aufforderung N. s hin gab der Angeklagte diesem dann am Nachmittag des 16. Dezember 2019 die Wohnanschrift des Geschädigten bekannt. Er nahm dabei in Kauf, hierdurch ein erneutes Treffen, bei dem der Geschädigte von N. zur Durchsetzung der Geldforderung wieder verschleppt und erheblich verletzt werden könnte, überhaupt erst zu ermöglichen. Er wollte aber bei dem Motorradclub dazugehören und deshalb bei N. in einem guten Licht dastehen, weshalb er die angefragten Informationen ohne weiteres an diesen weitergab. N. ließ sich sofort zur Wohnanschrift des Geschädigten fahren, um diesen - erforderlichenfalls unter Verschleppung und Gewalteinwirkung - zur Zahlung weiterer Geldbeträge aufzufordern. Der Angeklagte versuchte, den Geschädigten anzurufen, um ihn vorzuwarnen, erreichte ihn jedoch nicht. Da er sich Sorgen um den Geschädigten machte, bat er den Mitangeklagten E., mit ihm hinter N. herzufahren. Während der Fahrt erklärte der Angeklagte gegenüber E., dass es sein könne, dass der Geschädigte „auf die Fresse“ bekomme, und bat ihn zu helfen, damit so etwas nicht passiere.

Vor dem Hauseingang brachte der Angeklagte N. davon ab, selbst nach oben zu der im 2. Obergeschoss gelegene Wohnung des Geschädigten zu gehen, indem er anbot, den Geschädigten abzuholen und herunterzubringen. An der Wohnungstür angekommen erklärte der Angeklagte dem Geschädigten, dass N. unten warte und das Geld wolle. Er könne nun entweder zahlen oder, da er sie ja ohnehin schon eingeschaltet habe, die Polizei anrufen. Darauf wählte der Geschädigte von seinem Mobiltelefon aus den polizeilichen Notruf an und schilderte unter Angabe seiner Adresse in knappen Worten die Situation. Nachdem N. nochmals geklingelt hatte, begab er sich dann aber mit dem Angeklagten über die Treppe nach unten, weil er nicht wollte, dass seine Familie in die Auseinandersetzung hineingezogen wird. Vor dem Hauseingang wurde der Geschädigte von N. geschlagen und gegen seinen Willen in einem Pkw an einen anderen Ort gebracht. N. wollte den Geschädigten dort zur Herausgabe des geforderten Geldbetrages bringen. Der Angeklagte griff nicht ein und fuhr mit einem anderen Fahrzeug hinterher, um bei dem weiteren Geschehen dabei zu sein. Hierbei nahm der Angeklagte billigend in Kauf, dass N. davon ausging, er werde diesem erforderlichenfalls unterstützend zur Seite stehen.

Nachdem er den Geschädigten erneut geschlagen hatte, verlangte N., dass der Geschädigte jemanden anrufen solle, der ihm 2.000 Euro vorbeibringe. Der Angeklagte schlug vor, der Geschädigte könne doch seinen Freund S. anrufen. Dabei nahm er zumindest billigend in Kauf, dass S. das Geld tatsächlich bringen würde. In dem dann folgenden Telefonat mit S. fügte der Geschädigte der Aufforderung, das Geld zu bringen, in sehr leisem Ton in türkischer Sprache hinzu, dass S. die Polizei rufen solle. Dadurch erkannte S., dass der Geschädigte offenbar festgehalten und zu dem Anruf gezwungen wurde. Er verständigte sofort die Polizei und bat diese, zum vereinbarten Übergabeort zu fahren. Anders als N. hatte der Angeklagte mitbekommen, dass der Geschädigte S. heimlich darum gebeten hatte, die Polizei zu rufen. Er wusste aber nicht, ob S. dies auch richtig verstanden hatte. Auf Aufforderung N. s telefonierte der Angeklagte dann noch selbst mit S., um sicherzustellen, dass dieser den Treffpunkt richtig verstanden hatte. Danach versetzte N. dem Geschädigten weitere Schläge, um seiner Forderung nach 2.000 Euro Nachdruck zu verleihen. Zudem forderte er den Geschädigten auf, seine bei der Polizei erstattete Anzeige zurückzunehmen. Auch hierbei nahm der Angeklagte billigend in Kauf, dass seine unmittelbare Anwesenheit N. in seinem Tun bestärkte. Als die Polizei eintraf, ergriff allein N. die Flucht.

b) Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung und mit Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung gewertet. Nach ihrer Ansicht steht der Umstand, dass der Angeklagte den Geschädigten während des Tatgeschehens in mancherlei Hinsicht heimlich unterstützte, einem bedingten Gehilfenvorsatz nicht entgegen.

2. Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite der Beihilfe rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

a) Wegen Beihilfe gemäß § 27 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet.

Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. September 2018 - 3 StR 195/18 Rn. 37 mwN). Strafbare Beteiligung kann auch in Form der psychischen Beihilfe verwirklicht werden. Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht dazu allerdings selbst bei deren Billigung nicht aus (vgl. BGH aaO). Der Gehilfenvorsatz setzt voraus, dass der Gehilfe in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 1995 - 3 StR 30/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 9 und vom 26. Mai 1988 - 1 StR 111/88, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 2; RG, Urteil vom 30. November 1937 - 1 D 322/37, RGSt 72, 20, 24; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 60). Insbesondere muss der Gehilfe auch die Tatvollendung der Haupttat wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 3 StR 68/13, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 11). Zwar ist ein Beihilfevorsatz auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Gehilfe den Erfolg der Haupttat nicht gewünscht hat und ihn lieber vermieden hätte (vgl. BGH, Urteile vom 10. September 1986 - 3 StR 292/86, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 1 und vom 25. Oktober 1989 - 3 StR 148/89, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 5 mwN). Anders kann dies aber dann sein, wenn der Hilfeleistende davon ausgegangen ist, dass aufgrund seines Tuns der Taterfolg verhindert wird.

b) Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht seine Annahme begründet, der Angeklagte habe den Erfolgseintritt der vom Mitangeklagten N. begangenen Taten des erpresserischen Menschenraubs (§ 239a Abs. 1 StGB) und der besonders schweren räuberischen Erpressung (§§ 253, 255 StGB) billigend in Kauf genommen, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt (vgl. § 337 StPO). Ein sachlichrechtlicher Fehler kann dann vorliegen, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. Februar 2015 - 2 StR 278/14 Rn. 5; Urteile vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04 Rn. 8 und vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 Rn. 6). Die Beweiswürdigung muss auch erschöpfend sein (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - 4 StR 622/19 Rn. 10). Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist ebenso rechtsfehlerhaft wie eine solche, die gewichtige Umstände nicht mit in Betracht zieht, welche die Überzeugung des Tatrichters von der Täterschaft eines Angeklagten in Frage zu stellen geeignet sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2020 - 2 StR 552/19 Rn. 13).

Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2003 - 1 StR 524/02 Rn. 6). Eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite setzt dabei voraus, dass im Rahmen der Gesamtwürdigung der für einen Tatvorsatz sprechenden Umstände auch vorsatzkritische Gesichtspunkte erörtert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2018 - 1 StR 441/18 Rn. 8 mwN). Selbst Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, müssen einbezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 172/17 Rn. 14). Bei der Würdigung indizieller Beweisergebnisse ist es in der Regel erforderlich, in den Urteilsgründen die tatsächlichen Anknüpfungsergebnisse der Würdigung so mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung möglich ist; den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen dürfen nicht auf Vermutungen oder bloße Möglichkeiten gestützt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 2006 - 2 StR 417/06 Rn. 5 und vom 27. Mai 2020 - 2 StR 552/19 Rn. 13 mwN).

bb) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird die Beweiswürdigung der Strafkammer hinsichtlich der Billigung der Entführung des Geschädigten (§ 239 Abs. 1 StGB) und der Herbeiführung eines Vermögensnachteils (§§ 253, 255 StGB) nicht gerecht.

Das Landgericht setzt sich im Rahmen der Beweiswürdigung zwar eingehend mit der Frage auseinander, ob der Angeklagte billigend in Kauf genommen hat, dass er aus Sicht des Mitangeklagten N. jederzeit bereit war, helfend einzugreifen. Es fehlt jedoch an einer tragfähigen Gesamtwürdigung zum Tatvorsatz des Angeklagten im Hinblick auf den Eintritt des Taterfolgs der Haupttaten unter Einbeziehung der beim Angeklagten vorhandenen vorsatzkritischen Gesichtspunkte. Das Landgericht nimmt insoweit lediglich in den Blick, dass der Angeklagte nicht sicher gewusst habe, ob S. die leise und undeutlich ausgesprochene Aufforderung des Geschädigten, die Polizei zu rufen, überhaupt verstanden hatte, und dass der Angeklagte trotzdem in dem kurz danach auf Aufforderung des N. von ihm selbst mit S. geführten Telefonat diesem nicht zu verstehen gegeben habe, dass er das Geld nicht vorbeibringen solle. Es setzt sich dabei aber nicht mit der Frage auseinander, ob dieser Hinweis aus der Sicht des Angeklagten überhaupt möglich gewesen wäre, ohne dass N. diesen mitbekommen hätte. Dieser Umstand war aber bedeutsam, da N., wenn er den Hinweis gehört hätte, einen möglichen Zugriff der Polizei und eine Befreiung des Geschädigten am vereinbarten Übergabeort hätte vereiteln können. Denn N. hatte die heimliche Bitte des Geschädigten an S. die Polizei zu rufen, nicht wahrgenommen.

Auch die vielfältigen Versuche des Angeklagten im Laufe des Tatgeschehens, den Geschädigten zu warnen und die Polizei zu informieren, bezieht die Strafkammer nicht als vorsatzkritische Umstände in die Beweiswürdigung zum Beihilfevorsatz hinsichtlich des Taterfolgs der Haupttaten ein. Die bloße Feststellung im Rahmen der rechtlichen Würdigung, die heimliche Unterstützung des Geschädigten stehe einem bedingten Gehilfenvorsatz des Angeklagten nicht entgegen, kann die gebotene Gesamtwürdigung zum Vorstellungsbild des Angeklagten in Bezug auf eine mögliche Vollendung der Haupttaten im Rahmen der Beweiswürdigung nicht ersetzen. Maßgeblich bleibt, dass der Angeklagte weit jedenfalls bedingtem Vorsatz den Eintritt des materiellen Vollendungs-Erfolgs erstrebt haben muss (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 27 Rn. 27; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 3 StR 392/06 Rn. 12). Dieser Rechtsfehler entzieht den Feststellungen zur subjektiven Tatseite und damit dem Schuldspruch insgesamt die Grundlage.

3. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei und haben daher Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 430

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede