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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1216

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 91/19, Beschluss v. 22.10.2019, HRRS 2019 Nr. 1216


BGH 1 StR 91/19 - Beschluss vom 22. Oktober 2019 (LG München I)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (gescheiterter Verschaffungsversuch: Versuch der Tat).

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 22 StGB; § 23 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Scheitert der Täter dabei, sich die zum Verkauf bestimmten Betäubungsmittel zu verschaffen, liegt nur ein Versuch des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 11. Dezember 2018, soweit es ihn betrifft, aufgehoben,

a) soweit er wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrecht erhalten;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand.

I.

Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der nicht revidierende Mitangeklagte M. lagerte spätestens ab dem 4. Januar 2018 in der Putzkammer einer Spielothek ca. 830 Gramm eines Kokaingemischs mit einem Wirkstoffgehalt von 89,4 % Kokainhydrochlorid zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Die Betäubungsmittel wurden am 5. Januar 2018 sichergestellt. Der Mitangeklagte M. ging irrtümlich davon aus, der Zeuge Ab. habe das Rauschgift an sich genommen. In der Folgezeit unterstützte der Angeklagte den Mitangeklagten bei dem Versuch, das Kokain von dem Zeugen Ab. zurückzuerlangen. So ließ er sich am 6. Januar 2018 von dem Zeugen das polizeiliche Sicherstellungsprotokoll zeigen, dessen Echtheit der Mitangeklagte M. bezweifelte. In der Nacht vom 7. auf den 8. Januar 2018 begaben sich der Mitangeklagte M. und der Angeklagte zur Wohnung des Zeugen Ab., stellten diesen zur Rede und wollten ihn unter Druck setzen, um ihn zur Herausgabe des Rauschgifts zu bewegen. Dabei äußerte der Angeklagte, dass er und M. „das alles nicht glauben“ und man „eine Lösung finden“ müsse.

Das Landgericht hat hinsichtlich des Mitangeklagten M. ein einheitliches unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen. Diese Haupttat sei trotz polizeilicher Sicherstellung der Betäubungsmittel noch nicht beendet, so dass eine Beihilfe des Angeklagten daran möglich sei.

II.

Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.

1. Die Haupttat des Mitangeklagten M., zu der der Angeklagte Hilfe geleistet hat, erweist sich lediglich als versuchtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Zwar liegt - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - in dem Lagern der Betäubungsmittel in der Spielothek mit dem Ziel des späteren gewinnbringenden Verkaufs ein vollendetes unerlaubtes Handeltreiben durch den Mitangeklagten M. vor. Durch den Umstand, dass dieser davon ausgegangen ist, der Zeuge Ab. habe das Rauschgift an sich genommen, ist es jedoch zu einer tatbestandsrelevanten Zäsur gekommen, da aus der Sicht des Mitangeklagten ein Verkauf der gegenständlichen Betäubungsmittel nicht mehr möglich war, vielmehr nunmehr zunächst der Besitz an dem Rauschgift wiedererlangt werden musste (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - 4 StR 92/15). Damit liegt aber nach der Zäsur ein - infolge der Sicherstellung der Betäubungsmittel untauglicher - (erneuter) Versuch des unerlaubten Handeltreibens vor. Für eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung, dass ein Täter sich die von ihm zum Verkauf bestimmten Betäubungsmittel durch Diebstahl beschaffen will, hierzu ansetzt, aber bereits vor Besitzerlangung des Rauschgifts scheitert, ist anerkannt, dass lediglich ein versuchtes Handeltreiben in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - 3 StR 182/15 Rn. 7 f.). Durch den Umstand, dass der Mitangeklagte M. davon ausging, der Zeuge habe das tatsächlich sichergestellte Rauschgift an sich genommen, unterscheidet sich die vorliegende Konstellation auch maßgeblich von den Fällen, in denen die Betäubungsmittel sichergestellt wurden, dem Täter dies nicht bekannt ist, er aber sein weiterhin auf Betäubungsmittelumsatz gerichtetes Tun fortsetzt (vgl. dazu Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 285 ff. mwN). Denn hier fehlt es nach der Zäsur an einer entsprechenden, auf Betäubungsmittelumsatz gerichteten Tätigkeit des Mitangeklagten M. .

2. Sind damit ein versuchtes Handeltreiben des Mitangeklagten M. und eine Beihilfe des Angeklagten zu dieser Haupttat gegeben, wäre weitergehend zu prüfen, ob beide gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB durch einverständliches Nichtweiterhandeln strafbefreiend von dem Versuch des Handeltreibens zurückgetreten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11 Rn. 8 mwN; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 24 Rn. 40a). Die - bisherigen - Feststellungen ermöglichen eine entsprechende Prüfung eines Rücktritts nicht.

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des - tatmehrheitlichen - Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Dies entzieht ohne Weiteres der für diesen Fall verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe die Grundlage.

Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

III.

Die Aufhebung ist nicht gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken. Zwar liegt bezogen auf dessen Strafbarkeit derselbe Rechtsfehler vor, der sich jedoch nicht auswirken würde, weil es sich bei ihm möglicherweise um eine mitbestrafte Nachtat handelte, durch die im Blick auf dieselbe Handelsmenge kein zusätzliches Tatunrecht verwirklicht wurde. Zudem ist vor dem Hintergrund, dass - vor der Zäsur - ein vollendetes Handeltreiben durch den Mitangeklagten vorliegt und dieser auch nur wegen dieser Straftat verurteilt worden ist, unter den besonderen Umständen des Falls auszuschließen, dass sich die Aufhebungserstreckung zu Gunsten des Mitangeklagten auswirken könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01 Rn. 5 und vom 3. Mai 1991 - 3 StR 112/91 Rn. 6; KK/Gericke, StPO, 8. Aufl., § 357 Rn. 17).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1216

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede