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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1110

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 512/17, Beschluss v. 20.09.2018, HRRS 2018 Nr. 1110


BGH 1 StR 512/17 - Beschluss vom 20. September 2018 (LG Koblenz)

Umsatzsteuerhinterziehung (Erfolgsdelikt: Erfolgseintritt bei Steueranmeldung).

§ 370 Abs. 1 AO; § 168 AO

Leitsatz des Bearbeiters

Bei der Straftat der Steuerhinterziehung, bei der es sich nicht lediglich um ein Erklärungsdelikt, sondern auch um ein Erfolgsdelikt handelt, tritt Vollendung erst dann ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 AO). Betreffen die Taten die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe inhaltlich unzutreffender Steuererklärungen, hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen - seien es Umsatzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen - zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar steht eine Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt allerdings die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies erst dann, wenn die Finanzbehörde zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 AO). Das Tatgericht muss daher Feststellungen dazu treffen, ob die jeweilige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Steuervergütung zum Inhalt hatte und - im Falle der Steuervergütung - ob die Finanzbehörden dieser zugestimmt haben (st. Rspr.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 26. Juni 2017 aufgehoben

a) in den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe im Schuldspruch und Strafausspruch,

b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte u.a. Geschäftsführer der H. GmbH, deren Name im Januar 2011 in B. GmbH abgeändert wurde. Diese Gesellschaft erzielte in den Jahren 2009 bis 2011 mit der S. AG mit offiziellem Sitz in der Schweiz Umsätze mit Dienstleistungen in Form von Marketing- und Werbeleistungen. Obwohl der Angeklagte wusste, dass es sich bei der S. AG um ein tatsächlich in Deutschland ansässiges Unternehmen handelte, erfasste er die Umsätze mit der S. AG jeweils in der Anlage UR der Umsatzsteuerjahreserklärungen der H. GmbH bzw. B. GmbH für die Jahre 2009 und 2010 sowie der Umsatzsteuervoranmeldungen dieser Gesellschaft für die Monate Januar und Mai 2011 wahrheitswidrig als nicht steuerbare Auslandsumsätze.

b) Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeter Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Beantwortung der Frage enthalten, ob Tatvollendung eingetreten ist.

Bei der Straftat der Steuerhinterziehung, bei der es sich nicht lediglich um ein Erklärungsdelikt, sondern auch um ein Erfolgsdelikt handelt, tritt Vollendung erst dann ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 AO). Betreffen die Taten - wie hier - die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe inhaltlich unzutreffender Steuererklärungen, hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen - seien es Umsatzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) - zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar steht eine Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt allerdings die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies erst dann, wenn die Finanzbehörde zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 AO). Das Tatgericht muss daher Feststellungen dazu treffen, ob die jeweilige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Steuervergütung zum Inhalt hatte und - im Falle der Steuervergütung - ob die Finanzbehörden dieser zugestimmt haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. August 2017 - 1 StR 625/16 Rn. 22, wistra 2018, 257 und vom 25. Januar 2018 - 1 StR 264/17 Rn. 4, NStZ-RR 2018, 141). Daran fehlt es hier.

Zwar hat das Landgericht die Höhe der zu Unrecht als steuerfrei angemeldeten Umsätze mit der S. AG rechtsfehlerfrei festgestellt. Demgegenüber fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob in den einzelnen Steueranmeldungen insgesamt eine Zahllast oder ein Vergütungsbetrag angemeldet wurde und ob das Finanzamt gegebenenfalls einer angemeldeten Steuervergütung zugestimmt hat. Die erforderlichen Feststellungen lassen sich auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Daher kann der Senat in den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe jeweils nicht nachprüfen, ob Tatvollendung eingetreten ist. Der Schuldspruch ist mithin in diesen Fällen aufzuheben.

c) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

2. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler, der zur Teilaufhebung des Urteils führt, nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter wird allerdings in den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe zum Inhalt der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Auch darüber hinaus kann er weitergehende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

3. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1110

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 153

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede