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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 397

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 264/17, Beschluss v. 25.01.2018, HRRS 2018 Nr. 397


BGH 1 StR 264/17 - Beschluss vom 25. Januar 2018 (LG Koblenz)

Steuerhinterziehung (Vollendung durch Steuerverkürzung; Vollendung im Falle der Umsatzsteuer).

§ 168 Satz 1 und 2 AO; § 370 Abs. 1 AO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei der Straftat der Steuerhinterziehung, bei der es sich nicht lediglich um ein Erklärungsdelikt, sondern auch um ein Erfolgsdelikt handelt, tritt Vollendung erst dann ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 AO).

2. Betreffen die Taten die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe inhaltlich unzutreffender Steuererklärungen, hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar steht eine Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt allerdings die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies erst dann, wenn die Finanzbehörde zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 AO). Das Tatgericht muss daher Feststellungen dazu treffen, ob die jeweilige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Steuervergütung zum Inhalt hatte und - im Falle der Steuervergütung - ob die Finanzbehörden dieser zugestimmt haben.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15. Februar 2017 aufgehoben

a) soweit der Angeklagte in den Fällen II.5. Nr. 1 bis 7 der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt worden ist,

b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen sowie wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 45 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO aF getroffen.

Die Revision des Beschwerdeführers, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Fällen II.5. Nr. 1 bis 7 der Urteilsgründe (UA S. 17 f.) hat keinen Bestand.

a) Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist das Landgericht der Ansicht, der Angeklagte habe dadurch, dass er in der Umsatzsteuerjahreserklärung für die Einzelfirma F. betreffend das Jahr 2008, in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die F. GmbH betreffend die Jahre 2009 bis 2012 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Monate April und Juni 2013 für die F. GmbH jeweils zu Unrecht Vorsteuerbeträge geltend gemacht habe, Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 92.503,52 Euro hinterzogen. Die Urteilsfeststellungen lassen jedoch nicht erkennen, ob in den einzelnen Fällen jeweils Tatvollendung eingetreten oder nur Versuch gegeben ist. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in sieben Fällen.

aa) Bei der Straftat der Steuerhinterziehung, bei der es sich nicht lediglich um ein Erklärungsdelikt, sondern auch um ein Erfolgsdelikt handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2017 - 1 StR 217/17, Rn. 2), tritt Vollendung erst dann ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 AO). Betreffen die Taten - wie hier - die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe inhaltlich unzutreffender Steuererklärungen, hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen - sei es Umsatzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz AO i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) - zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar steht eine Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt allerdings die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies erst dann, wenn die Finanzbehörde zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 AO). Das Tatgericht muss daher Feststellungen dazu treffen, ob die jeweilige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Steuervergütung zum Inhalt hatte und - im Falle der Steuervergütung - ob die Finanzbehörden dieser zugestimmt haben (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 24. August 2017 - 1 StR 625/16, Rn. 22). Daran fehlt es hier.

bb) Zwar belegen die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass es sich bei den zugrunde liegenden Rechnungen um Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) sowie um Rechnungen von in Wirklichkeit als Arbeitnehmer tätigen „scheinselbständigen“ Personen handelte, bei denen die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht gegeben sind. Auch hat das Landgericht Feststellungen zu den Abgabezeitpunkten der verfahrensgegenständlichen Steueranmeldungen und zur Höhe der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge getroffen. Die Feststellungen beschränken sich jedoch auf die bloße Addition der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge. Demgegenüber fehlen Feststellungen dazu, ob in den einzelnen Steueranmeldungen eine Zahllast oder ein Vergütungsbetrag angemeldet wurde. Die erforderlichen Feststellungen lassen sich auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Daher kann der Senat anhand der Urteilsfeststellungen in keinem der Fälle der Hinterziehung von Umsatzsteuer nachprüfen, ob Tatvollendung eingetreten ist.

b) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.5. Nr. 1 bis 7 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen nach sich.

2. Angesichts der Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.5. Nr. 1 bis 7 der Urteilsgründe kann auch der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diese Einzelstrafen eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

3. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler, der zur Teilaufhebung des Urteils führt, nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter wird allerdings zum Inhalt der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Auch darüber hinaus kann er weitergehende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

4. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

5. Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:

Ausgehend von den noch zu treffenden ergänzenden Feststellungen im Fall II.5. Nr. 1 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2008) wird der neue Tatrichter auch zu prüfen haben, ob insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB). Bislang ist weder den Urteilsgründen noch den insoweit heranzuziehenden Verfahrensakten zu entnehmen, ob mit der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für das Jahr 2008 ein Steuervergütungsbetrag geltend gemacht worden ist und ob die Finanzbehörden diesem gegebenenfalls zugestimmt haben. Da hiervon aber der Zeitpunkt der Tatbeendigung abhängt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 222; Jäger in Klein, AO, 13. Aufl., § 376 Rn. 36), ist dem Senat eine abschließende Prüfung der Frage der Verjährung nicht möglich.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 397

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 141 ; StV 2019, 48

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner