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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 79

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 245/16, Beschluss v. 22.09.2016, HRRS 2017 Nr. 79


BGH 1 StR 245/16 - Beschluss vom 22. September 2016 (LG Hamburg)

Beihilfe (doppelter Gehilfenvorsatz; einheitliche Beihilfehandlung); Insolvenzverschleppung; Steuerhinterziehung; Kompensationsentscheidung.

§ 27 StGB; 15a InsO; 370 Abs. 1 AO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe erkennt und billigend in Kauf nimmt, dass sich sein Beitrag als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird.

2. Fehlen Feststellungen die einen Schluss auf den Gehilfenvorsatz in Bezug auf die Haupttaten „Steuerhinterziehung“ zu tragen vermögen, kann dies zur Aufhebung auch einer für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung führen, wenn naheliegt, dass eine einheitliche Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zur Steuerhinterziehung gegeben wäre. Für beide Haupttaten hätte der Angeklagte dann dieselben Gehilfenbeiträge erbracht. Wegen der dann gebotenen tateinheitlichen Verurteilung kann der isolierte Schuldspruch wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Aufhebung der Schuldsprüche bedingt dann den Wegfall des gesamten Strafausspruchs.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2015 aufgehoben, soweit es den Angeklagten A. betrifft; aufrechterhalten bleiben jedoch die Feststellungen sowie der Ausspruch über die Kompensation.

2. Im Übrigen wird die Revision verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ihn im Übrigen freigesprochen. Außerdem hat das Landgericht eine Entscheidung über die Kompensation für eine eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und auf eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hält indes der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil das Urteil keine ausreichenden Feststellungen zum Gehilfenvorsatz in Bezug auf die Steuerhinterziehungen der beiden Haupttäter enthält.

Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe erkennt und billigend in Kauf nimmt, dass sich sein Beitrag als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird (BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137 f.; Beschluss vom 14. Oktober 2014 - 3 StR 167/14, wistra 2015, 148, 150 jeweils mwN).

An einer hinreichend konkreten Feststellung, dass der Angeklagte wusste oder für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass die von dem faktischen Geschäftsführer der (insolventen) C. GmbH (CSH) eigens für die Hinterziehung von Umsatzsteuern gefertigten Rechnungen der W. UG zur Einreichung unberechtigter Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar 2006 und März 2006 genutzt werden sollten, um Vorsteuern aus Rechnungen zu vereinnahmen, die nie bezahlt werden sollten, fehlt es.

Soweit die Strafkammer zur subjektiven Tatseite ausgeführt hat, der Angeklagte habe die Steuerhinterziehungen unterstützt und gebilligt, er habe gewusst, dass die Rechnungen nur dazu dienten „Geld vom Finanzamt zu beschaffen“ und habe erkannt, dass „die Vereinnahmung von Vorsteuern aus Rechnungen, die die CSH nicht würde bezahlen können, nicht rechtens sein konnte und dass deswegen entsprechende Vorsteuern eigentlich nicht hätten erklärt werden dürfen“ (UA S. 57, 117), fehlen Feststellungen, die einen solchen Schluss auf den Gehilfenvorsatz in Bezug auf die Haupttaten „Steuerhinterziehung“ zu tragen vermögen.

3. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung auch der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung. Es liegt nahe, dass - soweit sich eine ausreichende Kenntnis des Angeklagten von der unberechtigten Geltendmachung der Vorsteuern nachweisen lassen sollte - eine einheitliche Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zur Steuerhinterziehung gegeben wäre (vgl. Antrag des Generalbundesanwalts). Für beide Haupttaten hätte der Angeklagte dann dieselben Gehilfenbeiträge erbracht. Wegen der dann gebotenen tateinheitlichen Verurteilung kann der isolierte Schuldspruch wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Aufhebung der Schuldsprüche bedingt den Wegfall des gesamten Strafausspruchs.

Mit der getroffenen Kompensationsentscheidung, die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, hat es - bezogen auf den bisherigen Verfahrensablauf - sein Bewenden. Dass der Schuldspruch hier - im Hinblick auf die Möglichkeit einer tateinheitlichen Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung - aufgehoben wurde, berührt die Kompensationsenscheidung nicht, da für sie weder das Gewicht der Tat noch das Maß der Schuld eine Rolle spielen (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, Rn. 8, BGHSt 54, 135).

4. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Insoweit besteht nur eine den Gehilfenvorsatz betreffende Lücke, die durch zusätzliche Feststellungen ergänzt werden kann. Auch im Übrigen können zusätzliche Feststellungen getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 79

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner