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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 14/96, Urteil v. 18.04.1996, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 14/96 - Urteil vom 18. April 1996 (LG Stuttgart)

BGHSt 42, 135; Beihilfe zum Betrug (Anforderungen an die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes; wesentliche Einzelheiten des Tatplanes, die dessen Ausführung wahrscheinlich werden lassen); Vorsatz des Anstifters.

§ 263 StGB; § 27 StGB; § 15 StGB; § 26 StGB

Leitsätze

1. Beihilfe zum Betrug kann schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel (hier: ein inhaltlich falsches Wertgutachten) willentlich an die Hand gibt und damit bewußt das Risiko erhöht, daß durch den Einsatz gerade dieses Mittels eine mittels Täuschung gegen fremdes Vermögen gerichtete Haupttat verübt wird. Opfer, Tatzeit oder nähere Details der konkreten Begehungsweise müssen dem Gehilfen nicht bekannt sein. (BGHSt)

2. Dem Erfordernis der Bestimmtheit des Teilnehmervorsatzes liegt letztlich die Annahme zugrunde, daß nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplanes kennt: Diejenigen Tatumstände sind als wesentlich für den Vorsatz des Teilnehmers anzusehen, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden läßt. (Bearbeiter)

3. Die unterschiedlichen Teilnahmestrukturen, die verschiedene Nähe zur Tat und die differenzierten Strafdrohungen gebieten es, an den Gehilfenvorsatz andere Maßstäbe anzulegen als an den Vorsatz des Anstifters (vgl. hierzu insbesondere BGHSt 34, 63, 64 ff.). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 31. Juli 1995 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen Beihilfe zum Betrug zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos.

Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, ein vereidigter Sachverständiger für geschliffene Edelsteine, Diamanten und Perlen, im November 1989 von dem Mitangeklagten M. beauftragt, den Wert mehrerer hundert Edelsteine (Rubine, Saphire und Smaragde) zu begutachten. Dabei herrschte stillschweigende Einigkeit darüber, daß die als "Schätzung" bezeichneten Gutachten einen überhöhten Wert ausweisen und späteren betrügerischen Handlungen dienen sollten. Der Angeklagte erkannte, daß mit Hilfe der falschen Wertangaben die Steine entweder zu einem überhöhten Wert veräußert oder beliehen werden sollten, beides nahm er billigend in Kauf. Obwohl die Steine einen "Wiederbeschaffungswert" von lediglich 36.538,59 DM hatten, wegen ihrer schlechten Qualität jedoch praktisch unverkäuflich waren, bescheinigte der Angeklagte ihnen wider besseres Wissen einen Gesamtwert von 294.988,20 DM.

In der Folgezeit überzog der Mitangeklagte sein laufendes Geschäftskonto um insgesamt 266.199,99 DM, ohne in der Lage zu sein, das Geld zurückzuzahlen. Die kreditgebende Sparkasse hatte auf diesem Konto nur deshalb eine Kreditlinie eingeräumt und die weitere Überziehung des Kontos bis zu diesem Betrag geduldet, weil jener ihr zur Sicherheit die genannten Edelsteine verpfändet und sich dabei auf die vom Angeklagten wahrheitswidrig bescheinigten Wertangaben gestützt hatte. Der Sparkasse gelang es nicht, die verpfändeten Steine zu veräußern.

I. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Betrug. Die vom Angeklagten vorgenommene Schätzung war objektiv geeignet, die Betrugstat des Mitangeklagten zu fördern. Der Angeklagte handelte dabei auch vorsätzlich.

1. Der Angeklagte wußte, daß mit Hilfe seiner dokumentierten Schätzung Dritte durch seinen Auftraggeber über den Wert der Edelsteine getäuscht und so zu einer Vermögensverfügung veranlaßt werden sollten. Ihm war klar, daß Verfügungen, die im Vertrauen auf die bescheinigten Werte erfolgen würden, zu einer Schädigung eines potentiellen Tatopfers führen und seine Schätzungen den Erfolg der gegen fremdes Vermögen gerichteten Haupttat fördern konnten und sollten.

2. Bedingter Vorsatz reicht für die subjektive Tatseite der Beihilfe aus (BGH wistra 1993, 181, 182; BGHSt 2, 279, 281, 282; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7; Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 46 m.w.Nachw.; Cramer in Schönke/ Schröder StGB 24. Aufl. § 27 Rdn. 19 m.w.Nachw.). Der Annahme eines Gehilfenvorsatzes steht nicht entgegen, daß der Angeklagte nicht wußte, ob der Betrug des Haupttäters durch Veräußerung oder lediglich durch Beleihung der Edelsteine geschehen sollte, denn er hat nach den Feststellungen beide Möglichkeiten erkannt und gleichermaßen billigend in Kauf genommen.

3. Die Vorstellungen des Angeklagten über die Haupttat genügen den Erfordernissen, die an die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes zu stellen sind.

a) Der Vorsatz eines Teilnehmers - sei er Anstifter, sei er Gehilfe - muß sich danach auf die Ausführung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richten (vgl. für die Anstiftung BGHSt 34, 63, 64 = BGH JZ 1986, 906, 907 m. Anm. Roxin; RGSt 1, 110; für die Beihilfe BGHSt 11, 66, 67; BGH GA 1967, 115, 116; 1981, 133; BayObLG JR 1992, 427 m. Anm. Wolf; Cramer aaO). Welche Tatumstände dabei als die jeweils wesentlichen Merkmale der Haupttat anzusehen sind, ist bisher von Fall zu Fall unterschiedlich beantwortet worden, ohne daß allgemeingültige Kriterien entwickelt worden wären (RGSt 67, 343, 344; OLG Köln GA 1959, 185; BGHSt 34, 63, 64 m. Anm. Roxin in JZ 1986, 908; Rogall GA 1979, 11, 13; BayObLG JR 1992, 427 ff. m. Anm. Wolf; Herzberg JuS 1987, 617, 618; Wild JuS 1992, 911, 912 f.).

Gegen diese Rechtsprechung sind durchgreifende Bedenken vorgetragen worden (Herzberg aaO; Roxin aaO; Wild aaO; Wolf aaO). Insbesondere wird auch beanstandet, daß bisher eine tragfähige Begründung für das nur vage Bestimmtheitserfordernis fehle.

b) Diese Erwägungen greift der Senat auf. Da ein Teilnehmer - anders als der Täter - es meist nicht in der Hand hat, ob, wann und wie eine Straftat verübt wird, war und ist es zunächst Ziel der Rechtsprechung, diejenigen Fälle aus dem Bereich strafbarer Teilnahme auszuscheiden, in denen Teilnehmer sich trotz objektiver Eignung ihres Tatbeitrages nicht des Umstandes bewußt waren, daß sie damit ein von einem Haupttäter konkret ins Auge gefaßtes strafbares Verhalten initiierten oder förderten und dadurch das Risiko vergrößerten, daß eine Haupttat tatsächlich verübt wurde (vgl. zum letztgenannten Gesichtspunkt zusammenfassend Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 5, 29).

Dem Erfordernis der Bestimmtheit des Teilnehmervorsatzes liegt letztlich die Annahme zugrunde, daß nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplanes kennt. Diejenigen Tatumstände sind als wesentlich für den Vorsatz des Teilnehmers anzusehen, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden läßt.

c) Die unterschiedlichen Teilnahmestrukturen, die verschiedene Nähe zur Tat und die differenzierten Strafdrohungen (für den Anstifter gleich dem Täter, für den Gehilfen zwingende Strafmilderung) gebieten es, an den Gehilfenvorsatz andere Maßstäbe anzulegen als an den Vorsatz des Anstifters (vgl. hierzu insbesondere BGHSt 34, 63, 64 ff.). Der Anstifter hat eine bestimmte Tat, insbesondere einen bestimmten Taterfolg vor Augen. Der Gehilfe hingegen erbringt einen von der Haupttat losgelösten Beitrag. Er strebt diese nicht notwendigerweise an, weiß aber und nimmt jedenfalls billigend in Kauf, daß sich sein Handeln auch ohne sein weiteres Zutun als unterstützender Bestandteil einer Straftat manifestieren kann. Beihilfe durch Tat kann danach schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewußt das Risiko erhöht, daß eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischerweise geförderte Haupttat verübt wird.

d) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so war der Vorsatz des Angeklagten hier hinreichend bestimmt. Er wußte, daß eine Betrugstat zum Nachteil eines Kreditgebers oder eines Erwerbers der Edelsteine erfolgen und seine Schätzung hierfür das entscheidende Täuschungsmittel sein sollte. Durch die in der Schätzung enthaltene falsche Wertangabe war zudem der Umfang des angestrebten Vermögensvorteils einerseits und des zu besorgenden Schadens andererseits ausreichend eingegrenzt, um die "Dimension des Unrechts der ins Auge gefaßten Tat" (Roxin JZ 1986, 908) zu beschreiben. Schon der Umstand, daß der Mitangeklagte bereit war, die (auf der Basis der falschen Wertangaben sogar überhöht) berechneten Schätzkosten zu tragen, zeigte dem Angeklagten, daß eine mittels Täuschung gegen fremdes Vermögen gerichtete Haupttat beabsichtigt war. Es war weder erforderlich, daß der Angeklagte das konkrete Tatopfer oder die Tatzeit kannte, noch mußte er wissen, für welche der wahlweise ins Auge gefaßten Tatvarianten sich der Haupttäter schließlich entscheiden würde.

II. Der Einwand der Revision, der Angeklagte habe seine Wertangaben lediglich als "Schätzungen" bezeichnet, ist unerheblich. Bei den Bewertungen eines vereidigten Sachverständigen handelt es sich nicht nur um unverbindliche Meinungsäußerungen, vielmehr spricht die in den Dokumenten ausdrücklich hervorgehobene Sachkunde des Verfassers für einen erhöhten Beweiswert, auf den sich der Leser verläßt. Daß das Landgericht die Schätzungen mehrfach auch als Gutachten bezeichnet hat, ist daher nicht zu beanstanden.

Aus der auffälligen Wertdifferenz und den im Urteil näher ausgeführten Schätzungsmängeln einerseits, der Sachkunde des Angeklagten andererseits sowie schließlich aus dem Umstand, daß sich der ansonsten aussagebereite Mitangeklagte nicht dazu äußern wollte, weshalb er gerade den Angeklagten mit der Schätzung seiner Edelsteine beauftragt hatte, durfte das Landgericht folgern, daß beide zumindest stillschweigend übereingekommen waren, es solle die dokumentierte überhöhte Bewertung als Tatmittel für betrügerische Handlungen dienen.

Zwar meint die Strafkammer ergänzend, eine "lebensnahe Betrachtung" des Schätzungsauftrages lasse allein den Schluß zu, daß entweder die Veräußerung der Edelsteine an gutgläubige Abnehmer oder eine überhöhte Beleihung - und damit ein Betrug gemäß § 263 StGB - geplant gewesen seien. Sie übersieht dabei zwar die nicht fernliegende Möglichkeit, mit den Falschbewertungen (nur) einen Kreditbetrug gemäß § 265 b StGB (vgl. dort insbesondere Abs. 1 Nr. 1 b) zu verüben oder illegale Vorsteuererstattungen (§ 370 AO) zu bewirken. Auch dabei hätte es sich jedoch um Manipulationen gehandelt, bei denen ein rechtswidriger Vermögensvorteil durch Täuschung über den Wert der Edelsteine erstrebt worden wäre.

III. Bei der Strafzumessung durfte das Landgericht dem Angeklagten die volle Höhe des entstandenen Betrugsschadens straferschwerend mit der Begründung anlasten, es sei für ihn vorhersehbar gewesen, daß ein entsprechend hoher Schaden verursacht werden würde.

Selbst wenn man - was das Landgericht nicht erörtert hat - zugunsten des Angeklagten annähme, er habe für den Fall der Beleihung damit gerechnet, ein möglicher Kreditgeber werde entsprechend allgemeinen Gepflogenheiten der Kreditsicherung einen erheblichen Sicherheitsabschlag vornehmen und Kredit allenfalls bis zur Hälfte des bescheinigten (Pfand-)Wertes gewähren, so stellt die höhere und zuletzt nahe an die bescheinigten Werte heranreichende Beleihung eine verschuldete und damit vorwerfbare Auswirkung der Tat dar (Dreher/Tröndle StGB 47. Aufl. § 46 Rdn. 23 m.w.Nachw.).

Die kreditgebende Sparkasse hatte allein im Vertrauen auf die Werthaltigkeit der Sicherheit weitere Kontoüberziehungen geduldet. Der Angeklagte konnte eine Ausweitung der Beleihungsgrenzen bis nahe an den bescheinigten Wert der Edelsteine voraussehen, denn es lag nach den Feststellungen nahe, daß der Haupttäter nach Wegen suchen würde, den vom Angeklagten wahrheitswidrig bescheinigten Wert der Edelsteine, das von ihm gesetzte Risiko, auch im Falle einer Beleihung weitestmöglich auszuschöpfen.

Externe Fundstellen: BGHSt 42, 135; NJW 1996, 2517; NStZ 1997, 272; NStZ 1997, 272; StV 1997, 411

Bearbeiter: Rocco Beck