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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 117

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 515/14, Beschluss v. 16.12.2014, HRRS 2015 Nr. 117


BGH 1 StR 515/14 - Beschluss vom 16. Dezember 2014 (LG Regensburg)

Begründung des Hangs bei der Sicherungsverwahrung (zulässiges Verteidigungsverhalten; Ermessensausübung; Annahme oder Ablehnung von Therapieangeboten)

§ 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB aF

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 7. Februar 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Zwar darf auch nach Rechtskraft des Schuld- und Strafausspruchs zulässiges Verteidigungsverhalten weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit gewertet werden (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01; NStZ 2001, 595, 596; vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 271; vom 21. August 2014 - 1 StR 320/14). Dies hat das Landgericht auch beachtet. Es hat dementsprechend das Vorliegen eines Hangs des Angeklagten und seiner daraus resultierenden erhöhten Gefährlichkeit mit einer sorgfältigen Würdigung der individuell bedeutsamen und weiter wirksamen Bedingungsfaktoren für die Delinquenz begründet, ohne an das Verteidigungsverhalten des Angeklagten anzuknüpfen.

Im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB aF hat es sodann geprüft, ob die individuelle Entwicklung während der Strafhaft eine Verringerung der Gefährlichkeit aufgrund des Hinzutretens protektiv wirkender Umstände erwarten lässt. Als solche hat es unter anderem mögliche Therapien und deren Erfolgsaussichten erörtert. Im Anschluss an zwei Sachverständige hat es sich davon überzeugt, dass es beim Angeklagten eines komplexen Therapieansatzes bedarf, der jedoch nur bei "echtem" Therapiewillen und damit verbundener Einsicht in die Taten Erfolg verspreche. Da es daran beim Angeklagten fehle, könnten zum "aktuellen Zeitpunkt" die nötigen Voraussetzungen für eine Therapie nicht festgestellt werden, so dass der Erfolg etwaiger therapeutischer Maßnahmen "gegenwärtig völlig offen" sei.

Dies zeigt keine Rechtsfehler auf. Die Wirkungen von im Strafvollzug (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten können im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 421/10, StV 2011, 276). Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 und 3 StGB eingeräumten Ermessens aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, so dass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann (BGH, Urteil vom 28. März 2012 - 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272 [Ls.]; Beschluss vom 11. August 2011 - 3 StR 221/11).

Danach hat das Landgericht für seine Ermessensausübung den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt und geprüft, ob zumindest konkrete Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg (vgl. auch BGH, Urteile vom 19. Juli 2005 - 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337, 338 und vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172; Beschluss vom 28. März 2011 - 2 StR 592/11) vorliegen, dies aber wegen der derzeit schlechten Ausgangsbedingungen für eine Therapie zutreffend verneint.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 117

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2015, 73

Bearbeiter: Karsten Gaede