HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 750
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 4/25, Beschluss v. 07.05.2025, HRRS 2025 Nr. 750
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 31. Juli 2024, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen 8 und 9 der Urteilsgründe der Beihilfe zur versuchten Hehlerei in Tateinheit mit Beihilfe zur Hehlerei schuldig ist,
b) aufgehoben
aa) im Ausspruch zu den Einzelstrafen in den Fällen 8 und 9 der Urteilsgründe,
bb) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen (Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe) sowie wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei (Fall 9 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte zwischen dem 13. März 2023 und dem 12. April 2023 mindestens vier Fahrräder bzw. Pedelecs, die zuvor durch Unbekannte, wie er billigend in Kauf nahm, entwendet worden waren, um diese gewinnbringend zu veräußern und sich aus wiederholten Hehlereitaten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen (Fall 7 der Urteilsgründe).
Am 12. April 2023 lud er die in Folie verpackten Fahrräder bzw. Pedelecs in einen angemieteten Transporter und begab sich mit dem Fahrzeug zu dem Mitangeklagten S.. Dort verbrachten beide vier weitere Fahrräder bzw. Pedelecs, die ebenfalls in Folie verpackt waren, in den Transporter. Die vier zugeladenen Fahrräder bzw. Pedelecs hatte sich S. zwischen dem 13. März 2023 und dem 12. April 2023 entweder von Unbekannten gewerbsmäßig verschafft, die diese, wie er billigend in Kauf nahm, zuvor gestohlen hatten, oder S. hatte diese selbst gestohlen. Der Angeklagte sollte alle acht Fahrräder bzw. Pedelecs absprachegemäß an einen anderen Ort verbringen, um sie dort gewinnbringend zu veräußern. Der Erlös für die vier zugeladenen und im unmittelbaren Anschluss polizeilich sichergestellten Fahrräder bzw. Pedelecs sollte S. erhalten (Fall 8 der Urteilsgründe).
Während des Ladevorgangs näherte sich ein Unbekannter mit einem am Vortag entwendeten Rennrad. Er ging in der Absicht, dieses zu veräußern, auf den Angeklagten zu. Dieser verwies ihn mit einer Handbewegung an S., der das Fahrrad an sich nehmen werde. Der Unbekannte übergab das Rennrad an S., der es in einen nahe gelegenen, von ihm genutzten Keller verbrachte, um es später gewinnbringend zu veräußern. Beide Angeklagten nahmen in Kauf, dass das Rennrad zuvor gestohlen worden war (Fall 9 der Urteilsgründe).
Das Rechtsmittel ist teilweise begründet. Während die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs im Fall 7 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, hat die tatmehrheitliche Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei sowie Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei in den Fällen 8 und 9 der Urteilsgründe keinen Bestand.
1. Die Verurteilung im Fall 8 der Urteilsgründe wegen gewerbsmäßiger Hehlerei erweist sich als rechtsfehlerhaft.
a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift hierzu zutreffend ausgeführt:
„Das Landgericht hat im Rahmen der rechtlichen Bewertung ausgeführt, der Angeklagte habe ‚eigene Verfügungsgewalt an den vier weiteren Fahrrädern, die in den Transporter aus dem Keller eingeladen wurden, erlangt und sich damit diese ebenfalls verschafft, um zumindest den Angeklagten S. durch Erlösweiterleitung zu bereichern […]. Dies ist nicht belegt. Das Sichverschaffen setzt voraus, dass der Hehler selbständig, also unabhängig vom Vorbesitzer oder vom Vortäter, bei dem es sich auch um einen Zwischenhehler handeln kann (vgl. Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 259 Rn. 3a mwN), über die Sache verfügen kann, auch wenn dieser daneben ebenfalls noch eine Verfügungsgewalt behalten hat (vgl. MüKoStGB/Maier, 4. Aufl., § 259 Rn. 78). In Fällen, in denen der Vortäter dem Täter den Mitbesitz und die Mitverfügungsbefugnis über die Sache einräumt, ist nach der dem Vortäter verbleibenden Möglichkeit einer Einflussnahme zu unterscheiden: Besteht die gemeinsame Berechtigung darin, dass beide nur gemeinschaftlich über die Sache verfügen können, scheidet ein Sich-Verschaffen aus, da sich der Vortäter der Sache nicht im eigentlichen Sinne entäußert und der Täter sie nicht zu eigener Verfügungsgewalt erlangt hat. Es fehlt an der Perpetuierung eines rechtswidrigen Vermögenszustandes. Diese liegt vielmehr nur dann vor, wenn beide Teile übereinkommen, dass der Erwerber allein, also unabhängig vom Willen des Vortäters, über die Sache verfügen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2004 - 2 StR 423/03 -, juris Rn. 7; Maier, aaO, Rn. 79). Da die Aufgabe des Revisionsführers darin bestand, die Fahrräder ‚absprachegemäß an einen anderen Ort zu verbringen, um sie von dort aus anschließend gewinnbringend weiter zu veräußern‘, und der Mitangeklagte S. ‚absprachegemäß den Veräußerungserlös erhalten sollte‘ […], ist eine selbständige Verfügungsgewalt des Revisionsführers nicht belegt. Es bleibt vielmehr offen, wer von beiden Angeklagten in welchem Umfang die Verkaufsgespräche führen oder Einfluss darauf nehmen sollte. Beide haben sich im Übrigen dahingehend eingelassen, dass - so der Revisionsführer - ‚es sich um einen Sammeltransport gehandelt habe‘ […] bzw. - so der Mitangeklagte S. - ‚der Mitangeklagte L. sein eigenes Ding gemacht habe und sie lediglich den Transport gemeinsam gemacht hätten‘ […].“
b) Der Angeklagte ist im Fall 8 der Urteilsgründe jedoch der Beihilfe zur versuchten Hehlerei schuldig, indem er S. bei dessen versuchtem Absatz der vier zugeladenen Fahrräder bzw. Pedelecs unterstützte. Dies ergibt sich aus Folgendem:
aa) S. hatte sich die vier Fahrräder bzw. Pedelecs entweder im Wege einer gewerbsmäßigen Hehlerei verschafft oder diese (gewerbsmäßig) gestohlen und sich daher des Diebstahls oder der gewerbsmäßigen Hehlerei schuldig gemacht. Sein Versuch des Absatzes durch das Verladen der vier verpackten Fahrräder bzw. Pedelecs in den vom Angeklagten beschafften Transporter mit dem Ziel der Veräußerung auf seine Rechnung stellt sich für ihn entweder als straflose Absatzhandlung dar, wenn die Fahrräder bzw. Pedelecs durch einen von ihm begangenen Diebstahl in seinen Besitz gelangten, oder als weitere versuchte Hehlerei in Form des versuchten Absetzens (vgl. zum unmittelbaren Ansetzen BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 - 2 StR 281/18, BGHSt 63, 228, 232 ff.; kritisch Mitsch, NJW 2019, 1258 ff.), insoweit mitbestrafte Nachtat einer vollendeten Hehlerei durch ein vorheriges - beendetes − Sichverschaffen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 - 2 StR 287/90, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 4). Im ersten Fall hätte sich der Angeklagte durch seine Unterstützungshandlung der (täterschaftlichen) versuchten Absatzhilfe, im zweiten Fall der Beihilfe zur versuchten Hehlerei schuldig gemacht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2004 - 1 StR 165/03, wistra 2004, 422, 424, und vom 4. Dezember 2007 - 3 StR 402/07, NStZ 2008, 215 f.). Angesichts des Stufenverhältnisses zwischen Täterschaft und Teilnahme (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1969 - 1 StR 339/69, BGHSt 23, 203 ff.; vom 28. Oktober 1982 - 4 StR 480/82, BGHSt 31, 136, 138, und vom 9. April 1997 - 3 StR 387/96, BGHSt 43, 41, 53) ist er daher der Beihilfe zur versuchten Hehlerei schuldig.
bb) Ein Schuldspruch wegen Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei kommt hingegen nicht in Betracht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt:
„Die den Qualifikationstatbestand des § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Maier, aaO, § 260 Rn. 1) begründende Gewerbsmäßigkeit ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB, so dass der Gehilfe nur wegen Beihilfe zur einfachen Hehlerei zu bestrafen ist, falls ein Erschwerungsgrund bei ihm nicht vorliegt (Maier, aaO, § 260 Rn. 18 mwN; allgemein zur Tatbestandsverschiebung gemäß § 28 Abs. 2 StGB BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - 5 StR 253/07 -, juris Rn. 10). Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch die wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. […]. Daran gemessen ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte gewerbsmäßig handelte, denn ein (ihm in Aussicht gestellter) materieller Vorteil ist nicht ersichtlich. Dass den Urteilsgründen […] enge Verbindungen des Angeklagten zum Milieu der Fahrraddiebe und Fahrradhehler in A. und Umgebung zu entnehmen sind und (deshalb) bei allen Taten eine Zusammenarbeit des Revisionsführers mit dem Mitangeklagten S. naheliegt, ändert daran nichts.“ 2. Der - tatmehrheitliche − Schuldspruch wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei im Fall 9 der Urteilsgründe bedarf ebenfalls der Korrektur. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt:
„Da die Tat ‚während der in Fall 8 genannten Beladung des Lieferfahrzeugs‘ […] erfolgte, sind die Voraussetzungen natürlicher Tateinheit erfüllt. Eine natürliche Handlungseinheit ist dann anzunehmen, wenn zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich bedeutsamer Betätigungen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint und die einzelnen Betätigungsakte auch durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 29. August 2024 - 2 StR 90/24 -, juris Rn. 9). Das ist hier der Fall, wobei das subjektive Element in dem Interesse beider Angeklagten am Erwerb gestohlener und daher preiswert zu erlangender Fahrräder von beträchtlichem Wert zu sehen ist. Der Angeklagte handelte nach den Feststellungen auch im Fall 9 der Urteilsgründe nicht gewerbsmäßig, denn ein (in Aussicht gestellter) materieller Vorteil ist nicht ersichtlich; er ist daher lediglich der Beihilfe zur Hehlerei schuldig.“
3. Der Senat schließt aus, dass dem Landgericht ergänzende Feststellungen möglich sind. Er ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 8 und 9 der Urteilsgründe hat die Aufhebung der diesbezüglichen Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zur Folge. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum Strafausspruch haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 750
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede