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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1269

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 156/24, Beschluss v. 04.06.2025, HRRS 2025 Nr. 1269


BGH 2 StR 156/24 - Beschluss vom 4. Juni 2025 (LG Erfurt)

Einziehung des Wertes von Taterträgen (Mitverfügungsgewalt: Mittäterschaft, Finanzierung einer Bande durch einen Angeklagten); Handeltreiben mit Cannabis (Meistbegünstigungsgrundsatz); Überlassen der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (tatsächliche Gewalt des Täters); nicht genehmigte Beförderung von Kriegswaffen im Bundesgebiet (Beförderung: jede Form des Transports); Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Hang: dauernde schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit, Mitursächlichkeit; symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstat: Mitursächlichkeit, quantitatives Überwiegen des Hangs als Verursachungsbeitrag).

§ 2 Abs. 3 StGB; § 2 Abs. 6 StGB; § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 30a Abs. 1 BtMG; § 34 KCanG; § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffG; § 22a Abs. 1 Nr. 3 KrWaffG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Die bloße Feststellung eines mittäterschaftlichen Zusammenwirkens belegt dabei nicht, dass der jeweilige Mittäter Mitverfügungsmacht erlangt hat; eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB kommt nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über den Taterlös zukommen sollte, und er diese auch tatsächlich hatte. Soll der Erlös aus Drogengeschäften abgeschöpft werden, sind daher regelmäßig Feststellungen zur Entgegennahme der Verkaufserlöse oder Provisionen und deren Verbleib erforderlich. Die Stellung eines Angeklagten als „Finanzier der Bande“ belegt nicht dessen tatsächliche Mitverfügungsgewalt über sämtliche Taterträge.

2. Nach § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffG setzt das Überlassen der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen voraus, dass der Täter zuvor die tatsächliche Gewalt über die Waffen ausgeübt hat.

3. Nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 KrWaffG macht sich strafbar, wer im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 3 Abs. 1 oder 2 KrWaffG befördern lässt oder selbst befördert, wenn es sich nicht nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 KrWaffG um eine Selbstbeförderung in den Fällen des § 12 Abs. 6 Nr. 1 KrWaffG oder eine Beförderung im Rahmen von Umzugshandlungen durch den Inhaber einer Waffenbesitzkarte für Kriegswaffen gemäß § 59 Abs. 4 WaffG 1972 handelt. Unter einer Beförderung im Sinne von § 3 Abs. 1 KrWaffG ist dabei jede Form des Transports der Kriegswaffe zu verstehen.

4. Die Annahme eines Hangs erfordert nach der (gem. § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle maßgeblichen) Neufassung des § 64 StGB eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Zudem muss die Anlasstat „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht - gegebenenfalls mit sachverständiger Unterstützung - positiv festzustellen.

5. Ein symptomatischer Zusammenhang im Sinne des § 64 StGB liegt vor, wenn der Hang alleine oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist; mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Die hangbedingte Gefährlichkeit muss sich in der konkreten Tat äußern. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei einem unveränderten Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist. Diese Grundsätze, wonach auch bei (bloßer) Mitursächlichkeit des Hangs für die Anlasstaten der symptomatische Zusammenhang i. S. d. § 64 StGB zu bejahen sein kann, gelten im Ausgangspunkt auch für die neue Gesetzesfassung ab 1. Oktober 2023. Gleichwohl hat das Tatgericht nunmehr darüberhinausgehend positiv festzustellen, dass der Hang im Verhältnis aller Umstände, auf die die Anlasstaten zurückgehen, überwiegt. Im Zusammenspiel der Ursachen muss er jedenfalls vorrangig sein, mithin quantitativ überwiegen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 16. Mai 2023, soweit es ihn betrifft,

a) geändert

aa) im Schuldspruch

(1) in den Fällen II.B.3.7 bis II.B.3.9 und II.D.3.1 bis II.D.3.4 der Urteilsgründe dahin, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in sieben Fällen schuldig ist,

(2) in den Fällen II.C.1 und II.C.2 der Urteilsgründe dahin, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist, und

(3) im Fall II.E.1 der Urteilsgründe dahin, dass der Angeklagte der nicht genehmigten Beförderung von Kriegswaffen im Bundesgebiet schuldig ist,

bb) in der Einziehungsentscheidung dahin, dass gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.402.623,75 Euro, davon in Höhe von 2.750 Euro gesamtschuldnerisch haftend, angeordnet wird; die weitergehende Einziehungsentscheidung entfällt;

b) aufgehoben

aa) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.B.3.7. bis II.B.3.9., II.C.1. und II.C.2. und II.D.3.1. bis II.D.3.4. der Urteilsgründe,

bb) im Gesamtstrafenausspruch und

cc) im Maßregelausspruch; die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünfzehn Fällen, des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen sowie des unerlaubten Überlassens von Kriegswaffen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Es hat die Einziehung von zwei Mobiltelefonen, eines GPS-Detektors und eines GPS-Jammers, Bargeld in Höhe von 3.000 Euro und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.911.173,75 Euro, davon in Höhe von 5.500 Euro als Gesamtschuldner haftend, angeordnet.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts.

2. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

a) Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht durchgängig stand.

aa) In den Fällen II.B.3.7 bis II.B.3.9, II.C.1 und II.C.2 sowie II.D.3.1 bis II.D.3.4 der Urteilsgründe, die den Handel mit Marihuana zum Gegenstand haben, bedarf der Schuldspruch der Korrektur. Das Landgericht hat den Handel mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz abgeurteilt. Allerdings ist am 1. April 2024 das Konsumcannabisgesetz vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Danach unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem hier milderen Konsumcannabisgesetz. Dies ist nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO vom Senat bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen.

In den Fällen II.B.3.7 bis II.B.3.9 sowie II.D.3.1 bis II.D.3.4 der Urteilsgründe ist der Angeklagte deshalb nicht des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG, sondern des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG und in den Fällen II.C.1 sowie II.C.2 der Urteilsgründe nicht des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, sondern des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig. Während die nicht geringe Menge im Betäubungsmittelrecht ein Qualifikationsmerkmal darstellt, ist sie bei Cannabis nach § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG nur noch ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall und als solches nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2024 - 5 StR 84/24, Rn. 2).

Der Senat ändert den Schuldspruch in den genannten Fällen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Das Konsumcannabisgesetz erweist sich nach dem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2024 - 2 StR 279/24, Rn. 9) als das mildere Recht, da das Landgericht jeweils die Annahme minder schwerer Fälle verneint hat und die Strafrahmen nach § 34 Abs. 4 KCanG beziehungsweise § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG in jedem Falle milder sind. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2024 - 2 StR 327/24, Rn. 3 ff.).

bb) Der Schuldspruch im Fall II.E.1 der Urteilsgründe wegen „unerlaubten Überlassens von Kriegswaffen“ ist nicht frei von Rechtsfehlern.

(1) Nach den Feststellungen verkaufte der Mitangeklagte C.U. Ende April 2020 aufgrund eines zuvor gemeinsam mit dem Angeklagten gefassten Tatentschlusses zwei funktionstüchtige vollautomatische Maschinenpistolen S. 26 an den gesondert Verfolgten B. zum Kaufpreis von insgesamt 5.500 Euro. Die Übergabe erfolgte, indem von dem Angeklagten beauftragte Boten am 1. Mai 2020 die Waffen im unverschlossenen Fahrzeug des Schwiegervaters von B. deponierten, während B. kurz darauf den Kaufpreis an C.U. zahlte.

(2) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen Überlassens der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen nicht. Nach § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffG setzt das Überlassen der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen voraus, dass der Täter zuvor die tatsächliche Gewalt über die Waffen ausgeübt hat (BGH, Urteil vom 7. Februar 1979 - 2 StR 523/78, BGHSt 28, 294; MüKo-StGB/Heinrich, 4. Aufl., KrWaffG § 22a Rn. 42 mwN). Nach den Feststellungen wurden indes die Waffen durch unbekannte Dritte im Fahrzeug deponiert. Die Ausübung der tatsächlichen Gewalt durch den Angeklagten ist nicht festgestellt.

(3) Der Angeklagte ist indes wegen der nicht genehmigten Beförderung von Kriegswaffen im Bundesgebiet nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 KrWaffG schuldig.

Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 3 Abs. 1 oder 2 KrWaffG befördern lässt oder selbst befördert, wenn es sich nicht nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 KrWaffG um eine Selbstbeförderung in den Fällen des § 12 Abs. 6 Nr. 1 KrWaffG oder eine Beförderung im Rahmen von Umzugshandlungen durch den Inhaber einer Waffenbesitzkarte für Kriegswaffen gemäß § 59 Abs. 4 WaffG 1972 handelt. Unter einer Beförderung im Sinne von § 3 Abs. 1 KrWaffG ist dabei jede Form des Transports der Kriegswaffe zu verstehen (vgl. Lampe/Lutz, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 256. EL, § 3 KrWaffG, Rn. 1).

Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Angeklagte und der Mitangeklagte C.U. haben die Kriegswaffen mittäterschaftlich durch die unbekannten Boten im öffentlichen Raum des Bundesgebiets befördern lassen. Die Ausnahmetatbestände nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 KrWaffG finden ersichtlich keine Anwendung.

(4) Der Senat ändert auch hier den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

b) Im Übrigen hat die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs sowie die Kompensationsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt auch für das Konkurrenzverhältnis der Fälle II.B.3.13 und II.D.3.4 der Urteilsgründe. Der Umstand, dass der Mitangeklagte We. anlässlich der Bezahlung der Drogenlieferung im Fall II.B.3.13 d), der mit dem der Verurteilung des Angeklagten zugrundeliegenden Fall II.B.3.13 b) tateinheitlich verknüpft ist, einen Betrag von 20.000 Euro für den Angeklagten zur Zahlung einer Restschuld aus der Lieferung im Fall II.D.3.4 der Urteilsgründe verauslagte, begründet für den Angeklagten keine Überschneidungen der Ausführungshandlungen. Indes führt die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II.B.3.7 bis II.B.3.9, II.C.1 und II.C.2 sowie II.D.3.1 bis II.D.3.4 der Urteilsgründe zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafaussprüche sowie des Gesamtstrafenausspruchs. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall II.E.1 der Urteilsgründe lässt die dort zugemessene Einzelstrafe angesichts des unveränderten Strafrahmens unberührt.

c) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist nur in Höhe von 1.402.623,75 Euro gerechtfertigt.

aa) In den Fällen II.D.3.1. bis II.D.3.4. der Urteilsgründe ist der Einziehungsbetrag lediglich in Höhe von 358.123,75 Euro tragfähig belegt.

(1) Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte gemeinsam mit den gesondert Verfolgten A. und G. einen bandenmäßigen Handel mit Cannabis. Während der Angeklagte die Bestellungen der Betäubungsmittel vornahm und auch einen Teil der Abnehmer der Gruppierung betreute, übernahm A. „in der Regel die Betäubungsmittellieferungen von den Kurierfahrern der Lieferanten“ und brachte diese zu G., dem überwiegend die Aufgaben der Prüfung, Zählung und Wägung sowie der Verwahrung zukam. G. war auch für die „Herausgabe der Betäubungsmittel an andere Bandenmitglieder sowie an Betäubungsmittelabnehmer“ zuständig. Aus den erzielten Erlösen vereinnahmte der Angeklagte jeweils mindestens einen hälftigen Anteil. Das Landgericht hat in diesen vier Fällen die gesamten Erlöse in Höhe von 716.247,50 Euro eingezogen, da der Angeklagte „als Finanzier der Bande […] die faktische Verfügungsgewalt über sämtliche aus dem Betäubungsmittelhandel erlangten Geldbeträge“ gehabt habe.

(2) Diese Feststellungen tragen die Einziehung des Wertes von Taterträgen in diesen vier Fällen lediglich in Höhe von 358.123,75 Euro. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Die bloße Feststellung eines mittäterschaftlichen Zusammenwirkens belegt dabei nicht, dass der jeweilige Mittäter Mitverfügungsmacht erlangt hat; eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB kommt nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über den Taterlös zukommen sollte, und er diese auch tatsächlich hatte (vgl. BGH, Urteile vom 26. März 2009 ‒ 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87, und vom 7. Juni 2018 ‒ 4 StR 63/18, BGHR StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes 1 Rn. 12 mwN; Beschluss vom 20. Dezember 2023 - 4 StR 188/23, NZWiSt 2024, 328 Rn. 10). Soll der Erlös aus Drogengeschäften abgeschöpft werden, sind daher regelmäßig Feststellungen zur Entgegennahme der Verkaufserlöse oder Provisionen und deren Verbleib erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2023 - 4 StR 188/23, NZWiSt 2024, 328 Rn. 11, und vom 15. Mai 2024 - 2 StR 458/23, StV 2024, 592, 593). Die Stellung des Angeklagten als „Finanzier der Bande“ belegt nicht dessen tatsächliche Mitverfügungsgewalt über sämtliche Taterträge. Der Einziehung unterliegt mithin nur sein hälftiger Anteil.

bb) Im Fall II.E.1 der Urteilsgründe hat das Landgericht nur eine Zahlung des Kaufpreises an den Mitangeklagten C.U. und dessen anschließende hälftige Teilung mit dem Angeklagten festgestellt, so dass der Einziehungsbetrag, soweit er den Angeklagten betrifft, insoweit auf 2.750 Euro zu reduzieren ist.

cc) Demnach sind zu den rechtsfehlerfrei ermittelten Beträgen in den Fällen II.B.3.1 bis II.B.3.4, II.B.3.6 bis II.B.3.9, II.B.3.11, II.B.3.13 der Urteilsgründe in Höhe von insgesamt 795.250 Euro und in den Fällen II.C.1 und II.C.2 der Urteilsgründe in Höhe von 249.500 Euro lediglich 358.123,75 Euro für die Fälle II.D.1 bis II.D.4 der Urteilsgründe und 2.750 Euro für Fall II.E.1 der Urteilsgründe hinzuzurechnen, so dass sich - nach Abzug des sichergestellten Bargeldes - ein Einziehungsbetrag von 1.402.623,75 Euro errechnet, wobei der Angeklagte in Höhe von 2.750 Euro gesamtschuldnerisch haftet. Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. Er schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen möglich sind, und lässt die darüberhinausgehende Einziehungsentscheidung entfallen. Im Übrigen hat die Überprüfung der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

d) Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat keinen Bestand.

aa) Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 2 Abs. 6 StGB in Verbindung mit § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden für den Angeklagten durch die Feststellungen des Urteils nicht belegt. Das gilt namentlich für den von der Strafkammer angenommenen Hang sowie den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des Täters und der Begehung von Straftaten.

bb) Die Anordnung der Maßregel ist von der Neufassung des § 64 StGB nicht gedeckt.

(1) Die Annahme eines Hangs erfordert nunmehr eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Zudem muss die Anlasstat „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht - gegebenenfalls mit sachverständiger Unterstützung - positiv festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2023 - 5 StR 407/23, StV 2024, 249, 250 Rn. 2 mwN).

Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausführt, tragen die Feststellungen nicht die Annahme, dass die bei dem Angeklagten bestehende Abhängigkeitserkrankung eine dauernde schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit mit sich gebracht hat und daher die Voraussetzungen eines Hangs nach § 64 Satz 1 Halbs. 2 StGB zum Urteilszeitpunkt erfüllt waren.

(2) Unabhängig davon fehlt es an einem symptomatischen Zusammenhang zwischen dem - unterstellten - Hang des Angeklagten und den verfahrensgegenständlichen Straftaten. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt:

„Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang alleine oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist; mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Die hangbedingte Gefährlichkeit muss sich in der konkreten Tat äußern. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei einem unveränderten Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (Senat, Beschluss vom 20. Juli 2023 - 2 StR 75/23 -, juris Rn. 11 mwN noch zu § 64 StGB a. F.; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 9 - mitursächlich Rn. 6). Diese Grundsätze, wonach auch bei (bloßer) Mitursächlichkeit des Hangs für die Anlasstaten der symptomatische Zusammenhang i. S. d. § 64 StGB zu bejahen sein kann, gelten im Ausgangspunkt auch für die neue Gesetzesfassung ab 1. Oktober 2023. Gleichwohl hat das Tatgericht nunmehr darüberhinausgehend positiv festzustellen, dass der Hang im Verhältnis aller Umstände, auf die die Anlasstaten zurückgeh[en], überwiegt. Im Zusammenspiel der Ursachen muss er jedenfalls vorrangig (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 - 4 StR 364/23 -, juris Rn. 7) sein, mithin quantitativ überwiegen (BGH, Beschluss vom 2. Januar 2024 - 5 StR 545/23 -, juris Rn. 2 mwN).

Bei seiner vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens getroffenen Entscheidung hat das Landgericht diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht vor Augen gehabt […]. Es hat festgestellt, dass der erwerbslose Angeklagte durch die abgeurteilten Taten seinen gehobenen Lebensstil finanzieren wollte und daneben ‚auch‘ zur Finanzierung seines Drogenkonsums handelte […]. Damit ist aber lediglich eine Mitursächlichkeit des Substanzkonsums des Angeklagten für die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelstraftaten belegt. Zur entscheidenden Frage des quantitativen Verursachungsbeitrags hat die Strafkammer vielmehr festgehalten, dass die Taten des Angeklagten - mit Blick auf die in kurzer Zeit vereinnahmten Gewinne nachvollziehbar - ‚im Wesentlichen‘ zur Finanzierung seines allgemeinen Lebensbedarfs von Luxusgütern bestimmt waren […]. Mit dieser Feststellung ist auszuschließen, dass die Anlasstaten überwiegend auf einen etwaigen Hang des Angeklagten zurückzuführen sind.“

cc) Der Senat schließt aufgrund der getroffenen Feststellungen zum persönlichen Werdegang und zum Konsumverhalten des Angeklagten aus, dass in einer erneuten Hauptverhandlung Feststellungen möglich sind, aufgrund derer sich ein Hang des Angeklagten und der symptomatische Zusammenhang im Sinne des § 64 StGB mit der erforderlichen Sicherheit begründen ließen. Der Senat lässt die Maßregelanordnung daher in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO - und damit auch die Anordnung des Vorwegvollzuges - entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2024 - 6 StR 577/23, Rn. 9).

3. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind von der Aufhebung nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1269

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede