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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 50

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 407/23, Beschluss v. 20.11.2023, HRRS 2024 Nr. 50


BGH 5 StR 407/23 - Beschluss vom 20. November 2023 (LG Berlin)

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (symptomatischer Zusammenhang zwischen Substanzkonsum und Anlasstat: überwiegende Verursachung).

§ 64 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. April 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten in jeweils drei Fällen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Das gilt namentlich für den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des Täters und der Begehung von Straftaten - die Anlasstat muss nun „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht - gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung - positiv festzustellen (BT-Drucks. 20/5913, S. 69 f.; vgl. hierzu bereits BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 - 5 StR 246/23).

Bei seiner vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens getroffenen Entscheidung hat das Landgericht diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht anwenden können. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte die Betäubungsmittelgeschäfte „auch“ begangen hat, um seine Sucht zu finanzieren. Nach der Wertung des Landgerichts war dies „mitbestimmender Auslöser“ der Taten. Damit ist zwar eine - zum Urteilszeitpunkt für die Unterbringung nach § 64 Satz 1 StGB aF ausreichende - Mitursächlichkeit seines erheblichen Konsums für die Straftaten des Angeklagten belegt, jedoch fehlt eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit letzterer das ausschlaggebende („überwiegende“) Motiv für die verfahrensgegenständlichen Taten war.

Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 50

Bearbeiter: Christian Becker