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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 367

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 102/22, Beschluss v. 08.11.2022, HRRS 2023 Nr. 367


BGH 2 StR 102/22 - Beschluss vom 8. November 2022 (LG Aachen)

Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Bande: deliktische Vereinbarung, konkludente Bandenabrede, auf der Verfolgung selbständiger eigener Interessen beruhenden Tatbeteiligung, Würdigung aller Umstände); unerlaubter Besitz einer Schusswaffe (Vorsatz: Beweiswürdigung, Erfahrungssatz, widerlegbares Indiz, Tatbestandsirrtum); Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen.

§ 30a BtMG; § 52 WaffG; § 22a KrWaffKontrG; § 261 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

1. Zum Begriff des Vorsatzes, des bewussten Wollens aller Merkmale des äußeren Tatbestandes, gehört, dass der Täter die nach Gegenstand, Zeit und Ort bestimmte Zuwiderhandlung wenigstens in allen wesentlichen Beziehungen, wenn auch nicht mit allen Einzelheiten der Ausführung in seine Vorstellung und seinen Willen aufgenommen hat. Dabei führt die fehlerhafte Vorstellung über die tatsächliche Funktionalität einer Waffe ? anders als die fehlerhafte normative Einordung der in tatsächlicher Hinsicht zutreffend erkannten Waffenqualität ? zu einem Tatbestandsirrtum.

2. Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung. Ob jemand Mitglied dieser Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede, die auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen und aus dem konkret feststellbaren deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann. Die Abgrenzung zwischen einer auf einer konkludent getroffenen Bandenabrede beruhenden Bandentat und bloßer - auf der Verfolgung selbständiger, ausschließlich eigener Interessen beruhender - Tatbeteiligung kann schwierig sein. Insoweit bedarf es einer sorgfältigen und umfassenden Würdigung aller im konkreten Einzelfall für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22. September 2021

a) im Fall II. 2.a) (Fall 1) der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b) aufgehoben

aa) mit den Feststellungen im Fall II. 2.b) (Fall 2) der Urteilsgründe, jedoch bleiben die objektiven Feststellungen zum Besitz eines funktionsfähigen Revolvers T. Modell „1895“, der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Lauf der Firma „S.“ für ein Maschinengewehr des Modells „MG 74“ und einen unveränderten Verschluss der Firma „R.“ für ein Maschinengewehr Modell „MG 3“ sowie die objektiven und subjektiven Feststellungen zur unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über ein funktionsuntüchtiges vollautomatisches Gewehr „Cetme“ mit funktionsfähigem Verschluss aufrechterhalten,

bb) im gesamten Strafausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen „Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen in Tateinheit mit Besitz einer Schusswaffe“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte bis Ende 2019 eine Gruppierung um den gesondert Verfolgten B. in einer vom Angeklagten vermieteten Halle in dem Objekt W. -Straße 88 in E. ohne dessen Wissen eine Marihuana-Plantage aufgebaut und betrieben. Insoweit hat das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge freigesprochen.

Ab Sommer 2020 vermietete der Angeklagte die Räumlichkeiten an eine Gruppierung um die gesonderten Verfolgten Bi., H. und G., die, wie der Angeklagte wusste, sich zusammengeschlossen hatten, um dort eine Marihuana-Plantage zu betreiben. Die Gruppe ging davon aus, alle sechs Wochen eine Ernte von ca. 40 kg Marihuana zu erzielen. Um der erstrebten Miete willen schloss sich der Angeklagte dauerhaft mit der Gruppierung zusammen. Ob und in welcher Höhe tatsächlich Zahlungen an ihn erbracht wurden, konnte das Landgericht nicht feststellen. Anlässlich der polizeilichen Durchsuchung am 19. Oktober 2020 wurden in zwei Räumen 2.324 nahezu erntereife Cannabispflanzen mit einem erwarteten Ertrag von 58,1 kg Marihuana und einer Mindestwirkstoffmenge von 12,6 % THC sichergestellt. In einer weiteren Halle befanden sich 2.024 kleine Stecklinge in einem Aufzuchtzelt, die für die zweite Ernte vorgesehen waren. Diese hätten zu einem Ertrag von 50,6 kg Marihuana bei einer Mindestwirkstoffmenge von 6,38 kg THC geführt (Fall II. 2.a) der Urteilsgründe).

2. a) Der Angeklagte, der zwei Jahre Militärdienst in der Bundewehr ableistete und seit 1997 einen Verleih von Requisiten für Film- und Fernsehproduktionen betreibt, erwarb am 2. Dezember 2018 auf einer Internetauktionsplattform ein verändertes, nicht mehr schussfähiges vollautomatisches Gewehr der Marke „Cetme“. Der Verschluss dieses Sturmgewehres war, wie vom Angeklagten billigend in Kauf genommen, voll funktionsfähig. Das Gewehr befand sich mit funktionsfähigem Verschluss bis zur polizeilichen Durchsuchung und Sicherstellung am 19. Oktober 2020 im Schlafzimmer des Angeklagten in dessen Wohnhaus in der W. -Straße 86 in E. .

b) Ferner lagerte er in einem Raum im zweiten Obergeschoss eines im Eigentum seiner Mutter stehenden Hauses in K. einen funktionsfähigen Revolver der Waffenfabrik T. „1895“, den er auf einem Flohmarkt erworben hatte. Der Revolver war zerlegt, nach dem Zusammenbau, der ohne Weiteres möglich war, aber funktionsfähig, wobei der Hahn teilweise von Hand korrigiert werden musste. Die Einzelteile des Revolvers, der vormals von der russischen Armee benutzt wurde und der vermutlich aus der Zarenzeit stammte, waren auf einer Kordel aufgewickelt und am Lauf befestigt.

c) Im September 2020 erwarb der Angeklagte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin den Restbestand eines „(Dekorations-) Waffenhändlers“ namens „L. Military“. Bestandteile des aufgekauften Restbestandes waren neben einer Vielzahl von funktionsunfähigen Waffen bzw. Waffenteilen ein Lauf der Firma „S.“ für ein Maschinengewehr des Modells „MG 74“, welchen der Angeklagte im Keller des Objekts W. -Straße 88 in E. lagerte. Des Weiteren befand sich im Restbestand ein unveränderter Verschluss der Firma „R.“ für ein Maschinengewehrmodell „MG 3“. Dieser befand sich im Wohnhaus des Angeklagten in der W. -Straße 86 in E. Beide Waffenteile waren voll funktionsfähig.

d) Der Angeklagte hatte zu sämtlichen Waffen bzw. Waffenteilen jederzeit unmittelbaren Zugang und konnte über diese verfügen; die erforderliche (kriegs-) waffenrechtliche Erlaubnis besaß er nicht. Er nahm billigend in Kauf, dass sich in dem übernommenen Restbestand auch verbotene bzw. erlaubnispflichtige Waffen oder Waffenteile befanden (Fall II.2.b) der Urteilsgründe).

II.

Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.

1. Die Verfahrensrügen versagen aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung führt zur Abänderung des Schuldspruchs im Fall II. 2.a) der Urteilsgründe sowie zu dessen Aufhebung im Fall II. 2.b) der Urteilsgründe. Dies zieht den Wegfall des gesamten Strafausspruchs nach sich.

a) Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 2.a) der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Feststellung, der Angeklagte habe als Mitglied einer Bande gehandelt, ist in den Urteilsgründen nicht tragfähig belegt.

aa) Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung. Ob jemand Mitglied dieser Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 2. Juni 2022 - 2 StR 543/21 mwN), die auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 162) und aus dem konkret feststellbaren deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, juris Rn. 7; vom 26. September 2013 - 2 StR 256/13, juris Rn. 8; Urteil vom 29. September 2021 - 2 StR 313/20, juris Rn. 14). Die Abgrenzung zwischen einer auf einer konkludent getroffenen Bandenabrede beruhenden Bandentat und bloßer - auf der Verfolgung selbständiger, ausschließlich eigener Interessen beruhender (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2021 - 1 StR 131/21, juris Rn. 11 mwN) - Tatbeteiligung kann schwierig sein. Insoweit bedarf es einer sorgfältigen und umfassenden Würdigung aller im konkreten Einzelfall für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände (vgl. Senat, Urteil vom 29. September 2021 - 2 StR 313/20, aaO mwN).

bb) Diesen Maßstäben werden die Urteilsgründe nicht gerecht.

(1) Das Landgericht hat seine Wertung einer konkludenten Bandenabrede mit der Tatsache belegt, dass der Angeklagte „zwecks illegalen Anbau von illegalen Betäubungsmitteln dauerhaft mit seinen Mietern zusammenwirken wollte.“ Ihm sei klar gewesen, dass der Aufwand für Errichtung und Betrieb einer Plantage erst ab einer gewissen Betriebsdauer rentabel sei. Dabei habe ihm die monatliche Miete von 3.600 € einschließlich Nebenkosten vor Augen gestanden. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Gruppe der Betreiber - neben der Person, die die Anmietung vorgenommen habe - aus mindestens zwei weiteren Personen bestanden habe und im Rahmen des Betriebs der Plantage eine Vielzahl von Personen tätig gewesen seien.

(2) Damit ist zwar der Vorsatz des Angeklagten im Hinblick auf die Förderung der Bandentaten seiner Tatgenossen, nicht jedoch seine eigene Bandenmitgliedschaft belegt (§ 28 Abs. 2 StGB). Umstände, die diesen Schluss rechtfertigen, zeigen die Urteilsgründe auch in ihrer Gesamtheit nicht auf. Insbesondere sollte der Angeklagte nicht an den Einnahmen der erwarteten Ernten partizipieren; am wirtschaftlichen Risiko der Taten war er nicht beteiligt. Er überließ die Nutzung der Halle gerade nicht für seine Mitgliedschaft in der Gruppierung, sondern für einen festen Mietzins. Auf der anderen Seite bestand für die Gruppierung keine Notwendigkeit, ihn in die Bandenabrede einzubinden, da fortlaufende Tatbeiträge von ihm nicht erwartet wurden.

cc) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung wegen bandenmäßiger Begehung führen. Er stellt den Schuldspruch auf Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge um. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

b) Der Schuldspruch wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen in Tateinheit mit dem unerlaubten Besitz einer Schusswaffe hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

aa) Zwar hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei belegt, dass der Angeklagte die tatsächliche Gewalt über den voll funktionsfähigen Verschluss (Nr. 35 der Kriegswaffenliste) des Sturmgewehrs „Cetme“ ohne Genehmigung vorsätzlich ausübte, so dass sich insoweit die Verurteilung nach § 22a Abs. 1 Nr. 6 lit. a) Kriegswaffengesetz als rechtsfehlerfrei erweist. Indes ist die weitere Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe „zumindest billigend in Kauf genommen, dass sich unter den Restbeständen auch nicht ordnungsgemäß unbrauchbar gemachte Waffenteile befanden,“ nicht beweiswürdigend unterlegt.

(1) Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe sich darauf verlassen, dass der renommierte Händler, von dem er den Restbestand erworben habe, nur ordnungsgemäß unbrauchbar gemachte Waffen und Waffenteile versende. Das Landgericht hat diese Einlassung als widerlegt betrachtet. Aus seiner Sicht bestehe, „wenn nicht einzelne Waffen, sondern ein ganzer Restbestand bei einem (Dekorations-)Waffenhändler gekauft wird, immer das Risiko, dass sich in diesem Restbestand auch (noch) nicht ordnungsgemäß unbrauchbare Waffen“ befänden. Dieses Risiko habe der Angeklagte „als langjähriger Waffensammler für möglich gehalten und durch die Einlagerung des zuvor nicht gesichteten Restbestandes […] jedenfalls billigend in Kauf genommen.“

(2) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich alleine Aufgabe des Tatgerichts; das Revisionsgericht kann nicht eine eigene Würdigung an dessen Stelle setzen, wenn diese Rechtsfehler nicht erkennen lassen. Solche Rechtsfehler liegen aber vor, wenn die in den Urteilsgründen wiedergegebene Beweiswürdigung des Tatgerichts lückenhaft, unklar, widersprüchlich oder mit den Denkgesetzen nicht vereinbar ist (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 11. Februar 2016 - 3 StR 436/15; vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, 149 jeweils mwN), oder wenn sie sich auf nicht existierende Erfahrungssätze stützt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 15. März 2017 - 2 StR 270/16, juris Rn. 15; vom 18. Juni 2008 - 2 StR 225/08, juris Rn. 5). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

(a) Das Landgericht hat sich bei seiner Beweiswürdigung ausschließlich auf einen Erfahrungssatz gestützt, der weder allgemeingültig (vgl. KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 53 mwN) noch durch eine etwaige dahingehende persönliche Erfahrung des Angeklagten belegt ist.

(b) Zwar ist es durch § 261 StPO nicht gehindert, anzunehmen, dass der Aufkauf eines ganzen Restbestandes bei einem (Dekorations-)Waffenhändler das Risiko birgt, dass sich in diesem auch nicht ordnungsgemäß unbrauchbar gemachte Waffen befinden. Es muss sich jedoch in diesem Fall bewusst sein, dass es sich lediglich auf ein (widerlegbares) Indiz stützt (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2015 - 4 StR 401/14, NJW 2015, 1834, 1835; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 54). Dies lassen die Urteilsgründe vermissen; sie erweisen sich insoweit als lückenhaft. Zwar hat das Landgericht gesehen, dass der Angeklagte eine Vielzahl von „Dekorationswaffen“ zwecks Verleih an Film- und Fernsehproduktionen im Keller des Objekts W. -Straße 88, in seinem Wohnhaus in der W. -Straße 86, beide in E., und in dem Haus seiner Mutter in K. lagerte. Die Urteilsgründe lassen indes offen, warum der Angeklagte, der aus beruflichen Gründen ein Interesse an ordnungsgemäß unbrauchbar gemachten Waffen hatte, die Lieferung funktionsfähiger (Kriegs-)Waffen gebilligt haben sollte. Hinweise zum Inhalt des Kaufvertrages enthalten die Urteilsgründe nicht.

Die Feststellung, der Angeklagte sei langjähriger Waffensammler, wird nicht belegt; sie liegt angesichts des Fehlens jedweder (kriegs-) waffenrechtlicher Erlaubnis auch fern. Zwar könnte für einen Vorsatz des Angeklagten sprechen, dass er den Verschluss des Maschinengewehrs als Kriegswaffe im Wohnzimmer seiner Wohnung in der W. -Straße 86 in E. verwahrte. Selbiges gilt für den Erwerb des ausweislich des Internetangebots unzureichend demilitarisierten Sturmgewehrs „Cetme“. Gegen eine billigende Inkaufnahme könnten die vom Angeklagten befürchteten Friktionen bei einem waffenrechtlichen Verstoß mit seinen öffentlich-rechtlichen Auftraggebern für den von ihm betriebenen Requisitenverleih sprechen. Die insoweit gebotene Gesamtwürdigung hat das Landgericht unterlassen.

bb) Das Landgericht hat auch nicht rechtsfehlerfrei belegt, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass der von ihm im zweiten Obergeschoss des Hauses seiner Mutter eingelagerte Revolver T. Modell „1895“ funktionsfähig war und er damit vorsätzlich gegen waffenrechtliche Bestimmungen verstieß.

(1) Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe den Revolver vor über 30 Jahren auf einem Flohmarkt erstanden und die Waffe für ein bloßes Modell gehalten. Das Landgericht hat ihm diese Einlassung nicht geglaubt, da er über profunde waffenrechtliche Expertise verfüge. Er habe Kenntnis von seinem aktuellen Waffenbestand und zudem von den aktuellen gesetzlichen waffenrechtlichen Bestimmungen gehabt. Dementsprechend habe er angesichts des unkontrollierten Kaufs auf einem Flohmarkt billigend in Kauf genommen, dass der Besitz des Revolvers mit den geltenden waffenrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar sei.

(2) Diese Erwägungen erweisen sich als lückenhaft.

(a) Zum Begriff des Vorsatzes, des bewussten Wollens aller Merkmale des äußeren Tatbestandes, gehört, dass der Täter die nach Gegenstand, Zeit und Ort bestimmte Zuwiderhandlung wenigstens in allen wesentlichen Beziehungen, wenn auch nicht mit allen Einzelheiten der Ausführung in seine Vorstellung und seinen Willen aufgenommen hat (vgl. RG, Urteil vom 10. Juni 1936 - 2 D 343/36, RGSt 70, 257, 258; Steindorf/B. Heinrich, Waffenrecht, 11. Aufl., § 52 Rn. 69). Dabei führt die fehlerhafte Vorstellung über die tatsächliche Funktionalität einer Waffe ? anders als die fehlerhafte normative Einordung der in tatsächlicher Hinsicht zutreffend erkannten Waffenqualität (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 28. Januar 2021 - 5-2 StE 1/20 - 5a - 3/20, juris Rn. 479) ? zu einem Tatbestandsirrtum (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 1 StR 411/93, juris Rn. 5; Steindorf/B. Heinrich, Waffenrecht, 11. Aufl., aaO).

(b) Gemessen hieran ist der Vorsatz des Angeklagten am Besitz einer funktionsfähigen Schusswaffe nicht rechtsfehlerfrei belegt. Es bleibt offen, weshalb der Angeklagte, der den mehr als 100 Jahre alten russischen Revolver nach den Feststellungen vor über 30 Jahren - mithin als junger Mann und rund sechs Jahre vor der Aufnahme seiner Tätigkeit als Verleiher von Requisiten für Film- und Fernsehproduktionen ? im zerlegten Zustand erwarb und einlagerte, Kenntnis von dessen tatsächlicher (eingeschränkter) Funktionsfähigkeit nach einem erfolgten Zusammenbau hatte. Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des zerlegten Revolvers und der technischen Sachkunde des Angeklagten für eine zutreffende Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht lassen die Urteilsgründe ebenso vermissen wie eine Erörterung seines Interesses am Erwerb einer (eingeschränkt) funktionstüchtigen 100 Jahre alten Waffe.

cc) Die aufgezeigten Rechtsfehler zwingen zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe.

(1) Die rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich des Besitzes einer Schusswaffe (Revolver T. Modell „1895“) bedingt die Aufhebung der Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe.

(2) Die lückenhafte Beweiswürdigung zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der tatsächlichen Ausübung der Gewalt über den MG-Verschluss der Firma „R.“ und des MG-Laufs der Firma „S.“ als Kriegswaffen würde für sich genommen die rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt ohne Genehmigung über eine Kriegswaffe (Verschluss des Sturmgewehrs „Cetme“) unberührt lassen. Allerdings zieht der Wegfall des Schuldspruchs wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe nach sich.

(3) Die Feststellungen sind nur insoweit von den Rechtsfehlern betroffen, als diese die subjektive Seite hinsichtlich des unerlaubten Besitzes des Revolvers T. Modell „1895“, des MG-Verschlusses der Firma „R.“ und des MG-Laufs der Firma „S.“ betreffen. Im Übrigen bleiben sie aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Sollte sich das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht bei einer oder mehreren dieser drei Waffen nicht von einer vorsätzlichen Tatbegehung durch den Angeklagten überzeugen können, wird es zu bedenken haben, dass auch die fahrlässige tatsächliche Gewaltausübung über eine Kriegswaffe (§ 22a Abs. 4, Abs. 1 Nr. 2 KrWaffG) und der fahrlässige Besitz einer Schusswaffe (§ 52 Abs. 4, Abs. 3 Nr. 2a) WaffG) strafbewehrt sind.

c) Die Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 2.a) der Urteilsgründe führt zum Wegfall der Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 2.b) der Urteilsgründe bringt auch die weitere Einzelstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Euro zu Fall. Beides bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.

d) Die Feststellungen zur Zumessung der Einzelstrafe im Fall II. 2.a) der Urteilsgründe und der Gesamtstrafe sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 367

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede