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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 428

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 295/21, Urteil v. 02.02.2022, HRRS 2022 Nr. 428


BGH 2 StR 295/21 - Urteil vom 2. Februar 2022 (LG Kassel)

Revision (beschränkte Revisibilität der Verhängung von Jugendstrafen: beachtliche Lücken oder Wertungsfehler); Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafen (Schwere der Schuld: besonders schwere Straftaten, Abstellen auf das einzelfallbezogene konkrete Tatbild, Verwirklichung weiterer Straftatbestände, Alter eines Heranwachsenden, Gewichtung der für die Schuldbemessung maßgeblichen jugendspezifischen Gesichtspunkte, Vor- und Nachtatverhalten, lediglich Mitverursacher einer Schädigung des Opfers bei § 176 Abs. 2 StGB a.F., keine konkrete Zuordnung möglich; kein Erziehungsbedarf feststellbar: Verhängung von Jugendstrafe, Schuldausgleich, Heranwachsender zur Tatzeit, Erwachsener im Urteilszeitpunkt, Erforderlichkeit einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld, schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes); Revisionsbegründung (Beschränkung der Revision auf bestimmte Beschwerdepunkte).

§ 17 JGG; § 176a StGB a.F.; § 176 StGB a.F.; § 344 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe ist Sache des Tatgerichts; ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die für die Rechtsfolgenentscheidung wesentlichen Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Rechtsfehlerhaft ist eine solche Rechtsfolgenentscheidung allerdings, wenn sie beachtliche Lücken oder Wertungsfehler aufweist.

2. Besonders schwere Straftaten, zu denen neben schweren Gewaltdelikten auch gravierende Sexualdelikte gehören können, begründen regelmäßig die Schwere der Schuld. Auch insoweit ist jedoch nicht auf die abstrakte rechtliche Einordnung des verwirklichten Straftatbestands, sondern einzelfallbezogen auf das konkrete Tatbild - einschließlich des Vor- und Nachtatverhaltens - abzustellen, um Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Angeklagten und das Maß seiner persönlichen Schuld zu ziehen. Bedeutung entfaltet auch, ob die Tatbegehung mit der Verwirklichung weiterer Straftatbestände einhergeht. Die Schwere der Schuld ist dabei mit zunehmendem Alter eines Heranwachsenden differenziert zu beurteilen, so bei der Gewichtung der für die - auf den Tatzeitpunkt bezogenen - Schuldbemessung maßgeblichen jugendspezifischen Gesichtspunkte wie Persönlichkeitsentwicklung und Reifegrad des Täters.

3. Das Vor- und Nachtatverhalten stellt auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht einen rechtsfolgenbestimmenden Umstand dar, der in den Urteilsgründen zwingend zu erörtern ist, wenn es Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulässt.

4. Es handelt sich bei § 176a Abs. 2 StGB aF um eine Qualifikation des abstrakten Gefährdungsdeliktes § 176 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. Insoweit vermag es einen Täter nicht zu entlasten, wenn er „lediglich“ als Mitverursacher einer Schädigung des Opfers in Betracht kommt.

5. Ist bei dem Missbrauch eines Kindes durch mehrere Täter eine konkrete Zuordnung der damit einhergehenden Folgen für das Kind nicht möglich, trägt jeder der Täter Verantwortung für die dem Opfer erwachsenen Schäden, mag auch der individuelle Anteil nicht konkret bestimmbar sein.

6. Der Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld steht nicht entgegen, dass bei einem Angeklagten ein Erziehungsbedarf nicht (mehr) festgestellt werden kann. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen in der Regel miteinander im Einklang; bei Kapitalverbrechen und anderen besonders schweren Taten darf der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs jedoch nicht völlig hinter den Erziehungsgedanken zurücktreten. Auf die Möglichkeit der Bestrafung besonders schwerer Straftaten durch Verhängung einer Jugendstrafe kann auch in Fällen nicht verzichtet werden, in denen ein zur Tatzeit Jugendlicher oder Heranwachsender nicht (mehr) erziehungsbedürftig oder erziehungsfähig ist.

7. Dies gilt erst recht, wenn ein Angeklagter zur Tatzeit gerade noch Heranwachsender war und im Urteilszeitpunkt bereits Erwachsener ist. In solchen Fällen schwindet das Gewicht spezialpräventiver Gesichtspunkte der Jugendstrafe. Dass ein Erziehungsbedarf des jetzt Erwachsenen nicht mehr festgestellt werden kann, hat zwar Einfluss auf die Frage, wie auf die festgestellte Gesetzesverletzung nunmehr zu reagieren ist, bestimmt aber nicht abschließend, welches Unrecht der damals Heranwachsende verwirklicht und welche Schuld er auf sich geladen hat.

8. Zwar sind nicht alle gewichtigen Straftaten besonders schwere, die unter dem Gesichtspunkt des gerechten Schuldausgleichs die Verhängung von Jugendstrafe erfordern. Der schwere sexuelle Missbrauch eines Kindes ist angesichts des schon nach seiner Strafandrohung hohen Unrechtsgehalts und der für das Tatopfer oftmals gravierenden Auswirkungen als eine solche besonders schwere Straftat zu bewerten, die die Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld erfordert.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 3. März 2021 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes sowie des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig gesprochen und ihn deshalb verwarnt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision, die sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der am 13. April 1998 geborene Angeklagte, der in seiner Kindheit selbst sexuell missbraucht worden war, hat die Fachhochschulreife erlangt und eine Ausbildung zum Forstwirt abgeschlossen. Spätestens 2018 vertraute er dem gesondert verfolgten O., den er im Internet kennengelernt hatte und der für ihn „wie ein bester Freund“ und „verständnisvoller Vater“ war, seine Unsicherheiten in der sexuellen Orientierung an. Er offenbarte unter anderem, dass er nicht wisse, ob er bi- oder homosexuell sei, und erhielt daraufhin von O. Abbildungen von Kindern mit sexuellen Inhalten zugesandt.

Auf Vermittlung von O. begann der Angeklagte im März 2019 in einem unter fiktiven Namen geführten Chat mit dem gesondert verurteilten V., dem Stiefvater des damals neunjährigen A. K., zu kommunizieren. Dabei bezog dieser den Angeklagten alsbald „gedanklich in seine schweren sexuellen Misshandlungen“ an A. mit ein und wies ihn auch auf das Alter des Kindes hin. Am 11. und 13. März 2019 erhielt der Angeklagte von V. jeweils eine Bilddatei übersandt, die sexuelle Handlungen zwischen V. und seinem Stiefsohn zeigte, und am 12. März 2019 ein Bild von A. mit entblößtem Glied. Der Angeklagte bedankte sich für die Bilder und „kommentierte diese positiv“. Auf V. s Äußerung, dass der Angeklagte einmal den Analverkehr an A. vollziehen solle, machte dieser das - auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen - von der Zustimmung des Kindes abhängig.

Als O. und V. ein persönliches Treffen zwischen dem Angeklagten und V. sowie dessen Stiefsohn planten, tauschten sich der Angeklagte und V. näher über ihre sexuellen Vorlieben aus. Dabei sah der Angeklagte V. s Vorschlag zu einem „Zusammenspiel“ auch mit A. aufgrund seiner sexuellen Unsicherheiten „als Experiment“ an und erhielt von O. den Eindruck vermittelt, als sei „alles in Ordnung, allerdings würde die Gesellschaft dies anders sehen“. Der damalige Lebensgefährte des Angeklagten bewertete dessen Kontakte zu O. hingegen „skeptisch“, weshalb es zu einer Trennung kam.

Ende März 2019 begab sich der nunmehr 20 Jahre und elf Monate alte Angeklagte nach D., um O. zu besuchen und auch V. sowie dessen Stiefsohn zur Vornahme gemeinsamer sexueller Handlungen zu treffen. Nachdem ein für den 4. April 2019 geplantes Kennenlernen zunächst gescheitert war, fuhr der Angeklagte noch am Abend desselben Tages mit O. zu einem eigens angemieteten Ferienhaus in P., wo sich V. bereits mit seinem Stiefsohn aufhielt. Weil ihm „nun doch Bedenken im Hinblick auf die in Aussicht genommenen sexuellen Kontakte zu V. und vor allem A.“ kamen, versuchte der Angeklagte noch während der Fahrt wiederholt das Treffen abzusagen. O. verwies jedoch darauf, dass er alles bezahlt und bei V. „die Hand für ihn ins Feuer gelegt habe“. Er nutzte nach beider Ankunft in dem Ferienhaus eine kurze Abwesenheit des Angeklagten, um alleine wieder davonzufahren.

Gegen 23:00 Uhr begaben sich V. und sein Stiefsohn unbekleidet in das Obergeschoss des Ferienhauses. Erst nach mehrfacher Aufforderung durch V. folgte ihnen auch der Angeklagte. Während V. an dem Kind, das schon fast geschlafen hatte, den Oralverkehr ausführte, forderte er den Angeklagten auf, es ihm gleichzutun. Das lehnte dieser zunächst ab und schlug stattdessen vor, an V. den Oralverkehr durchzuführen, wozu es dann auch kam. Weil der Angeklagte auch auf die erneute Aufforderung zum Oralverkehr an A. nicht reagierte, wies V. ihn darauf hin, dass er „den Test bestehen“ müsse und wegen der Gefahr eines Verrats jetzt nicht das Ferienhaus verlassen könne. „Dadurch sah der Angeklagte keine andere Möglichkeit als mitzumachen“. Nachdem sich der Angeklagte bei A. erkundigt hatte, ob es diesem gutgehe, nahm er den Penis des Kindes in den Mund; dabei spürte er die Hand von V. in seinem Nacken und am Hinterkopf. Als ihm nach wenigen Sekunden in das Bewusstsein drang, dass „er selbst so etwas schon erlebt hatte“, ließ er von A. ab und lief in das Badezimmer, wo er sich übergab.

Am 5. April 2019 um 0:41 Uhr entschuldigte sich V. bei dem Angeklagten in dem von beiden weiter unter fiktiven Namen geführten Chat, dass er ihn so bedrängt habe. Der Angeklagte erwiderte, dass er ja mitgemacht habe, aber er „absolut keine gefestigte Persönlichkeit“ sei und das mit „so einem kleinen Kerl“ einfach nicht könne. Es sei aber etwas, das er „unbedingt mal erleben wollte“ und wofür er V. und A. sehr dankbar sei. Auf die Frage, ob seine „Grenze 12“ sei, antwortete er „Ja oder älter… Ich habe meist ein gutes Gespür darin was ich machen kann und will und was nicht“. Am Morgen holte O. den Angeklagten und V. mit seinem Stiefsohn aus dem Ferienhaus ab, bevor man am Abend noch einmal zusammenfand und Brettspiele spielte.

Am 11. April 2019 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen dem Angeklagten und V. in K., in dessen Folge V. in den weiterhin betriebenen Chat schrieb, dass er „mit ein bisschen Glück“ für den Angeklagten „bald einen 13-15 Jährigen“ habe. Anfang Mai 2019 trafen sich beide ein letztes Mal im Beisein von A. Nach einem Telefonat, in dem V. dem Angeklagten vorwarf, dieser sei „kein richtiger Boylover“, sondern eine Gefahr für ihn und O., brach der Kontakt ab. Als der Angeklagte, der sich aufgrund des Geschehenen Vorwürfe machte und Depressionen entwickelte, „im Frühjahr/Sommer 2020“ angesichts bekanntgewordener Durchsuchungen anwaltlichen Rat suchen wollte und dies O. mitteilte, brach auch der Kontakt zu diesem ab.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB (in der bis zum 12. März 2020 geltenden Fassung) und des Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 3 StGB (in der bis zum 12. März 2020 geltenden Fassung) schuldig gesprochen und ihn deshalb verwarnt. Die Verhängung von Jugendstrafe war nach Auffassung der Jugendkammer ausgeschlossen. Der Angeklagte, auf den gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden sei, weise keine schädlichen Neigungen auf und eine Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG sei nicht feststellbar. Dies gelte „insbesondere vor dem Hintergrund“, dass im Jugendstrafrecht entsprechend § 2 Abs. 1 JGG der Erziehungsgedanke vorherrschend sei und es der Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld nicht bedürfe, um den Angeklagten von weiteren Straftaten abzuhalten.

Für eine Schwere der Schuld sprächen zwar insbesondere „die allgemeinen Schuldschwerekriterien“ wie der Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB aF von zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe und der Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit schon fast 21 Jahre alt war. Dagegen wäre angesichts fehlender Vorstrafen und eines umfassenden und von tiefer Reue getragenen Geständnisses bei einer Beurteilung nach Erwachsenenstrafrecht „an einen minder schweren Fall gemäß § 176a Abs. 4 StGB [aF] zu denken“, zumal die gemeinschaftliche Tatbegehung dazu gedient habe, „den Angeklagten und nicht das Opfer gefügig zu machen“. Das konkrete Tatgeschehen tendiere unter Berücksichtigung des sehr kurzen und für das Kind passiven Eindringens „eher in Richtung einer geringen Eingriffsschwere“.

Hinsichtlich der Tatbegehung selbst falle außerdem ins Gewicht, dass der Angeklagte mehrfach versucht habe, sich der Tat zu entziehen und ihm keine konkreten Tatfolgen zurechenbar seien. Das Kind habe unzählige Missbrauchshandlungen durch den Stiefvater und Dritte erfahren, so dass nicht feststellbar sei, ob und welche Folgen die Tat des Angeklagten verursacht habe. „Auch wenn der Angeklagte wusste, dass sich O. bereits an dem Kind vergangen hatte, liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass dem Angeklagten bewusst war, das V. das Kind in der Bundesrepublik herumreicht und er, der Angeklagte, somit zu dem erheblichen Leid von A. beiträgt“.

Nichts anderes ergebe sich aufgrund des zum schweren sexuellen Missbrauch hinzutretenden Besitzes einiger kinderpornographischer Schriften. Der enge situative Zusammenhang zwischen diesem Besitz und dem Missbrauch gerade jenes dort abgebildeten Kindes sei vielmehr ein weiterer Beleg dafür, dass dem Angeklagten „auch eine Opferrolle in der Weise zukommt, dass er als noch junger Mensch mit sexuell unklarer Orientierung zum Missbrauch durch O. und V. verleitet, wenn nicht gar letztlich gedrängt wurde“.

II.

Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich ausschließlich gegen diesen.

Allgemein erfolgt die Beschränkung der Revision auf bestimmte Beschwerdepunkte durch ausdrückliche Erklärung, wobei die Auslegung der Revisionsbegründung auch ergeben kann, dass eine Rechtsmittelbeschränkung nicht gewollt ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 344 Rn. 6 mwN). Das Aufhebungsbegehren ist hier ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Soweit die Staatsanwaltschaft zur Begründung - unter anderem - anführt, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass sich der Angeklagte auf Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht nur wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB aF, sondern tateinheitlich auch wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes durch Vornahme sexueller Handlungen vor dem Kind gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB (in der bis zum 12. März 2020 geltenden Fassung) strafbar gemacht habe, ergibt sich nichts anderes. Das Revisionsvorbringen zielt nicht auf eine Ergänzung des Schuldspruchs, sondern einzig auf die vollständige Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat des Angeklagten bei der Rechtsfolgenentscheidung ab.

III.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch. Die Entscheidung des Landgerichts, gegen den Angeklagten nicht auf Jugendstrafe zu erkennen, hält materiellrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Die Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe ist Sache des Tatgerichts; ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die für die Rechtsfolgenentscheidung wesentlichen Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 29. August 2018 - 5 StR 214/18, NStZ-RR 2018, 358; vom 13. Dezember 2021 - 5 StR 115/21, juris Rn. 12). Rechtsfehlerhaft ist eine solche Rechtsfolgenentscheidung allerdings, wenn sie beachtliche Lücken oder Wertungsfehler aufweist (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728, 729; BGH, Urteile vom 9. August 2000 - 3 StR 176/00, NStZ-RR 2001, 215, 216; vom 13. Dezember 2021 - 5 StR 115/21, juris Rn. 15 mwN).

2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Annahme des Landgerichts, eine Schwere der Schuld des Angeklagten sei nicht feststellbar, als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Die Jugendkammer hat für die Schuldbeurteilung maßgebliche Umstände nicht erkennbar im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung berücksichtigt. Darüber hinaus sind die Erwägungen zur Bestimmung der Schwere der Schuld auch in Bezug auf solche Umstände rechtsfehlerhaft, die die Jugendkammer in ihre Abwägung eingestellt hat.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Schuldgehalt einer Tat bei der Begehung durch einen Jugendlichen oder Heranwachsenden jugendspezifisch zu bestimmen ist. Die Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG bemisst sich daher nicht vorrangig nach dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einordnung nach dem allgemeinen Strafrecht; in erster Linie ist auf die innere Tatseite abzustellen, also darauf, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit des Täters sowie dessen Tatmotivation in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der Unrechtsgehalt der Tat, der auch in der gesetzlichen Strafandrohung zum Ausdruck kommt, ist aber insofern von Belang, als hieraus Schlüsse auf die innere Tatseite und damit die Schwere der Schuld gezogen werden können (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteile vom 19. Februar 2014 - 2 StR 413/13, NStZ 2014, 407, 408; vom 20. April 2016 - 2 StR 320/15, BGHSt 61, 188, 191 f.; BGH, Urteile vom 29. August 2018 - 5 StR 214/18, NStZ-RR 2018, 358; vom 13. Dezember 2021 - 5 StR 115/21, juris Rn. 13; Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281 je mwN).

Besonders schwere Straftaten, zu denen neben schweren Gewaltdelikten auch gravierende Sexualdelikte gehören können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 457/14, NStZ 2016, 102; Beschluss vom 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 5), begründen regelmäßig die Schwere der Schuld. Auch insoweit ist jedoch nicht auf die abstrakte rechtliche Einordnung des verwirklichten Straftatbestands, sondern einzelfallbezogen auf das konkrete Tatbild - einschließlich des Vor- und Nachtatverhaltens - abzustellen, um Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Angeklagten und das Maß seiner persönlichen Schuld zu ziehen (vgl. BGH, Urteile vom 29. August 2018 - 5 StR 214/18, NStZ-RR 2018, 358, 359; vom 15. Juli 2021 - 3 StR 481/20, juris Rn. 25). Bedeutung entfaltet auch, ob die Tatbegehung mit der Verwirklichung weiterer Straftatbestände einhergeht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 457/14, NStZ 2016, 102, 103). Die Schwere der Schuld ist dabei mit zunehmendem Alter eines Heranwachsenden differenziert zu beurteilen (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728, 729), so bei der Gewichtung der für die - auf den Tatzeitpunkt bezogenen - Schuldbemessung maßgeblichen jugendspezifischen Gesichtspunkte wie Persönlichkeitsentwicklung und Reifegrad des Täters (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 22. Aufl., § 17 Rn. 49; MüKo-StGB/Radtke/Scholze, 4. Aufl., § 17 JGG Rn. 65).

b) Gemessen daran sind die Erwägungen des Landgerichts zur Bestimmung des Ausmaßes des verschuldeten Unrechts des Angeklagten, der nur neun Tage nach dem schweren sexuellen Kindesmissbrauch 21 Jahre alt wurde, lückenhaft. Zudem weisen sie Wertungsfehler auf.

aa) Die Jugendkammer hat bereits den Unrechtsgehalt des Tatgeschehens vom 4. April 2019 nicht vollständig ausgeschöpft. Die Revision rügt insoweit zu Recht, dass unberücksichtigt geblieben ist, dass sich der Angeklagte durch Vornahme des Oralverkehrs an V. in Gegenwart dessen Stiefsohnes tateinheitlich zum schweren sexuellen Kindesmissbrauch auch nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF strafbar gemacht hat. Diese weitere sexuelle Handlung zum Nachteil des Kindes steigert das Tatunrecht und kann bei der Schuldbeurteilung selbst dann nicht gänzlich außer Betracht bleiben, wenn sie im Sinne der getroffenen Feststellungen in dem Bemühen des Angeklagten erfolgte, einen Oralverkehr an dem Kind abzuwenden.

bb) Die von dem Angeklagten verwirklichten Tatbestandsvarianten des § 176a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB aF sind auch bereits als solche nicht schlichtweg von unterdurchschnittlichem Gewicht. Insbesondere ist es zwar auch im Erwachsenenstrafrecht möglich, einen gemeinschaftlich begangenen sexuellen Missbrauch als minder schweren Fall zu bewerten (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., § 176a StGB Rn. 14: „in Ausnahmefällen“). Die Erwägung des Landgerichts, dass die gemeinschaftliche Begehungsweise durch den Angeklagten weniger schwer wiege, weil sie dazu gedient habe, ihn gefügig zu machen, versteht sich jedoch vor dem Hintergrund der festgestellten Verabredung zur Vornahme gemeinsamer sexueller Handlungen - V. hatte bereits vorab „ein Zusammenspiel zwischen ihm, dem Angeklagten und A.“ in Aussicht gestellt - nicht von selbst. Die Bewertung des Tatgeschehens als in Richtung „niedrigerer Eingriffsschwere“ tendierend berücksichtigt überdies nicht erkennbar, dass der Angeklagte kumulativ zwei Tatbestandsvarianten des § 176a Abs. 2 StGB aF verwirklicht hat.

cc) Bei der Bestimmung des verschuldeten Unrechts lässt die Jugendkammer zudem insbesondere das Vor- und Nachtatverhalten des Angeklagten außer Betracht, obwohl solches, wenn es Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulässt, auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht einen rechtsfolgenbestimmenden Umstand darstellt, der in den Urteilsgründen zwingend zu erörtern ist (vgl. BeckOK-JGG/Kunkel, 24. Ed., § 54 Rn. 52; MüKo-StPO/Wenske, § 267 Rn. 332 und Rn. 339; vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 29. August 2018 - 5 StR 214/18, NStZ-RR 2018, 358, 359).

Bei dem schweren sexuellen Kindesmissbrauch handelte es sich nicht um eine Spontantat, sondern um ein bereits mehrere Wochen zuvor in Aussicht genommenes Geschehen, zu dem der Angeklagte eigens angereist war; von der Tatbegehung ließ er sich auch durch das Scheitern eines ersten Treffens zum Kennenlernen nicht abhalten. Nach der Tat unterhielt der Angeklagte weiterhin Kontakt zu V., erörterte mit diesem einen weiteren Kindesmissbrauch und traf sich auch persönlich noch mit ihm und dem Geschädigten. Dabei handelt es sich um Umstände, die ein Persönlichkeitsbild und eine charakterliche Haltung zum Ausdruck bringen, die bei der Schuldbeurteilung nicht unerörtert bleiben durften. Dies gilt umso mehr, als auch insoweit das Alter des zur Tatzeit nahezu 21-jährigen Angeklagten zu berücksichtigen ist, bei dem jugendspezifischen Gesichtspunkten - wie einer Tatverleitung durch andere - abnehmendes Gewicht zukommt (vgl. MüKo-StGB/Radtke/Scholze, 4. Aufl., § 17 JGG Rn. 65).

dd) Soweit die Jugendkammer zu Gunsten des Angeklagten annimmt, dass diesem „keine konkreten Tatfolgen“ zurechenbar seien, übersieht sie zum einen, dass es sich bei § 176a Abs. 2 StGB aF um eine Qualifikation des abstrakten Gefährdungsdeliktes § 176 Abs. 1 und Abs. 2 StGB aF handelt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2020 - 2 StR 501/19, NStZ 2020, 408 mwN; zu Rechtsnatur und Schutzgut des § 176 StGB aF, s. BGH, Urteile vom 13. Januar 1987 - 1 StR 654/86, NJW 1987, 2450; vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 69; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 176 Rn. 1a mwN). Insoweit vermag es einen Täter nicht zu entlasten, wenn er „lediglich“ als Mitverursacher einer Schädigung des Opfers in Betracht kommt. Zum anderen geht die Überlegung fehl, dass bei dem Missbrauch eines Kindes durch mehrere Täter keinem der Täter die damit einhergehenden Folgen für das Kind angelastet werden dürften, nur weil eine konkrete Zuordnung nicht möglich sei. Vielmehr trägt in diesen Fällen jeder der Täter Verantwortung für die dem Opfer erwachsenen Schäden, mag auch der individuelle Anteil nicht konkret bestimmbar sein. Demgemäß handelt es sich auch nicht - wie es die Ausführungen des Landgerichts nahelegen - um einen Umstand, der maßgeblich zu Gunsten des jeweiligen Täters zu berücksichtigen ist.

ee) Wenn zur Tatmotivation zu Gunsten des Angeklagten in Rechnung gestellt wird, dass dieser aus „Angst“ handelte, seinen „vermeintlich väterlichen Freund O. zu verlieren, der das Handeln des V. unterstützte“, gerät außerdem aus dem Blick, dass den Angeklagten auf Grundlage der getroffenen Feststellungen auch sexuelle Neugier antrieb und er für ein von ihm „als Experiment“ bezeichnetes Unterfangen, das er „unbedingt mal erleben wollte“, schwerwiegende Rechtsgutsverletzungen in Kauf nahm.

ff) Darüber hinaus liegt die ersichtlich die Einlassung des Angeklagten widerspiegelnde Erwägung der Jugendkammer, dass dieser angenommen haben könnte, sexuelle Handlungen an einem neunjährigen Kind seien „mit dessen Zustimmung in Ordnung“, bereits für sich genommen gänzlich fern. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist ein bedeutsames Defizit in der Unrechtseinsicht bei dem zur Tatzeit wenige Tage vor seinem 21. Geburtstag stehenden und über das Fachabitur sowie eine abgeschlossene Ausbildung verfügenden Angeklagten, der zudem vor Kontakten zu O. durch seinen damaligen Lebensgefährten gewarnt worden war und hinsichtlich der Tatbegehung schließlich selbst durchgreifende Bedenken hegte, auch unter Berücksichtigung eines eigenen Missbrauchs in der Kindheit auszuschließen. Insoweit ist auch dem in den Urteilsgründen in Bezug genommenen „Verdacht einer asthenischen Persönlichkeitsstörung“, der zur Überzeugung der Jugendkammer die leichte Manipulierbarkeit des Angeklagten „untermauert“, bei der Schuldbeurteilung keine eigenständige Bedeutung zuzumessen.

3. Rechtlichen Bedenken begegnen überdies die abschließenden Erwägungen des Landgerichts, nach denen eine Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG „insbesondere vor dem Hintergrund“ nicht festzustellen sei, dass „die Verhängung einer Jugendstrafe erzieherisch nicht notwendig ist, um den Angeklagten von weiteren Straftaten abzuhalten“. Insoweit steht zu besorgen, dass die Jugendkammer von einem fehlerhaften Prüfungsmaßstab ausgegangen ist.

a) Der Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld steht nicht entgegen, dass bei einem Angeklagten ein Erziehungsbedarf nicht (mehr) festgestellt werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 13. November 2019 - 2 StR 217/19, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 8; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. August 2018 - 5 StR 214/18, NStZ-RR 2018, 358, 359; Beschluss vom 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 5). Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen in der Regel miteinander im Einklang; bei Kapitalverbrechen und anderen besonders schweren Taten darf der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs jedoch nicht völlig hinter den Erziehungsgedanken zurücktreten (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728, 729; BGH, Urteile vom 4. August 2016 - 4 StR 142/16, NStZ 2017, 648, 649; Beschluss vom 29. August 2018 - 5 StR 214/18, NStZ-RR 2018, 358, 359; Beschluss vom 11. Juli 2017 - 3 StR 107/17, StV 2017, 710, 711). Auf die Möglichkeit der Bestrafung besonders schwerer Straftaten durch Verhängung einer Jugendstrafe kann auch in Fällen nicht verzichtet werden, in denen ein zur Tatzeit Jugendlicher oder Heranwachsender nicht (mehr) erziehungsbedürftig oder erziehungsfähig ist (Senat, Urteil vom 13. November 2019 - 2 StR 217/19, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 8; vgl. auch BT-Drucks. 1/3264, S. 40 f.; Senat, Urteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728, 729).

Dies gilt erst recht, wenn ein Angeklagter - wie hier - zur Tatzeit gerade noch Heranwachsender war und im Urteilszeitpunkt bereits Erwachsener ist (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728, 729; vgl. auch Senat, Urteil vom 13. November 2019 - 2 StR 217/19, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 8). In solchen Fällen schwindet das Gewicht spezialpräventiver Gesichtspunkte der Jugendstrafe (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2018 - 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728, 729; vgl. dazu auch Eisenberg, JR 2019, 38, 42; Ostendorf, JGG, 11. Aufl., § 17 Rn. 5). Dass ein Erziehungsbedarf des jetzt Erwachsenen nicht mehr festgestellt werden kann, hat zwar Einfluss auf die Frage, wie auf die festgestellte Gesetzesverletzung nunmehr zu reagieren ist, bestimmt aber nicht abschließend, welches Unrecht der damals Heranwachsende verwirklicht und welche Schuld er auf sich geladen hat (vgl. Senat, Urteil vom 13. November 2019 - 2 StR 217/19, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 8).

b) Der schwere sexuelle Missbrauch eines Kindes nach § 176a Abs. 2 StGB aF ist im Erwachsenenstrafrecht mit Freiheitsstrafe von zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert; selbst minder schwere Fälle, die die Neufassung des Gesetzes als Ausdruck der besonderen Schwere des Unrechts der Tat nicht mehr vorsieht (vgl. BT-Drucks. 19/23707, S. 40), waren gemäß § 176a Abs. 4 StGB aF mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zehn Jahren zu ahnden. Auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht behalten die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts insoweit ihre Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt, auf das sich die Bestimmung der Schuldschwere des Jugendlichen oder Heranwachsenden bezieht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155, 156; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 3 StR 136/04, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 3).

Zwar sind nicht alle gewichtigen Straftaten besonders schwere, die unter dem Gesichtspunkt des gerechten Schuldausgleichs die Verhängung von Jugendstrafe erfordern. Der schwere sexuelle Missbrauch eines Kindes ist angesichts des schon nach seiner Strafandrohung hohen Unrechtsgehalts und der für das Tatopfer oftmals gravierenden Auswirkungen - jedenfalls jenseits einer „Verführungssituation“ (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 4 StR 543/08, NStZ 2009, 450) oder einer „Liebesbeziehung“ zwischen Täter und Opfer (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291), mithin wenn das Gewicht der Tat auch konkret schwer wiegt und auf die innere Haltung des Täters schließen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 353/11, NStZ-RR 2012, 92; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 - 5 StR 202/11, NStZ-RR 2011, 305) - als eine solche besonders schwere Straftat zu bewerten, die die Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld erfordert.

IV.

Da die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch aufgrund von Bewertungsversäumnissen und Wertungsfehlern erfolgt, bedarf es der Aufhebung getroffener Feststellungen gemäß § 353 Abs. 2 StPO nicht (vgl. nur Senat, Urteil vom 29. September 1993 - 2 StR 403/93, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 8 mwN). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

V.

Für die Abfassung des neuen Urteils weist der Senat darauf hin, dass die Urteilsgründe sachlich zu halten sind. Zu unterbleiben haben insbesondere gefühlsbetonte Beschreibungen (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 435/08, NStZ-RR 2009, 103, 104; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 240); solche können den Anschein erwecken, das Gericht habe sich maßgeblich auch von Emotionen leiten lassen und dem Angeklagten unzutreffend eine Opferrolle zugeschrieben.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 428

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß