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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 234

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 296/21, Beschluss v. 08.12.2021, HRRS 2022 Nr. 234


BGH 5 StR 296/21 - Beschluss vom 8. Dezember 2021 (LG Berlin)

Einziehung von Taterträgen (Kausalzusammenhang zwischen Tat und erlangtem Etwas; Zufluss aufgrund nicht tatbestandsmäßiger Handlungen); Kostenentscheidung bei Verringerung des Einziehungsbetrages).

§ 73 StGB; § 473 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt. Zwischen der Tat und dem Erlangen des einzuziehenden „Etwas“ muss mithin ein Kausalzusammenhang bestehen. Dieser ist dann gegeben, wenn der Vermögenszufluss auf der Verwirklichung des Tatbestandes beruht. Daran fehlt es bei solchen Vermögenswerten, die dem Täter erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte oder als Ersatzgegenstände im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB zufließen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Februar 2021 wird von der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro abgesehen, in Höhe von weiteren 50 Euro wird das Urteil insoweit aufgehoben; damit ist gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.250 Euro angeordnet; die darüber hinausgehende Einziehung entfällt.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die besonderen gerichtlichen Kosten des Adhäsionsverfahrens und die dem Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes (Fall 1) und erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, gefährlicher Körperverletzung und Computerbetrug (Fall 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt, gegen ihn die „Einziehung eines Geldbetrages im Wert von 4.800 Euro“ angeordnet und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Zudem hat es ausgesprochen, dass die in Rumänien erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 angerechnet wird. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat allein betreffend den Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat sieht mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen von der Einziehung von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro im Fall 1 ab. Das Landgericht hat den Wert der entwendeten Gegenstände pauschal auf diese Höhe beziffert, dabei aber die später an den Geschädigten T. zurückgelangten sechs Gemälde, die Teil der Beute waren, nicht in Abzug gebracht (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB). Der festgestellte Verkauf der Bilder nach der Tat auf einem Flohmarkt spricht dafür, dass sie nicht lediglich einen ideellen (so die Annahme des Generalbundesanwalts), sondern auch einen Verkehrswert hatten. Da der Wert der Bilder nicht bestimmt worden ist, sieht der Senat für den nicht aufgeschlüsselten Gesamtwert der Beute von der Einziehung ab, um jegliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen. Eine Teilbeschränkung innerhalb der Einziehungsentscheidung ist zulässig (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 - 3 StR 349/19, NStZ-RR 2020, 181 mwN).

2. Darüber hinaus kann die Wertersatzeinziehung in Höhe von weiteren 50 Euro keinen Bestand haben (§ 349 Abs. 4 StPO). Ausweislich der Urteilsgründe wurde dieser Betrag im Anschluss an die Tat 1 mit einer dem Geschädigten gehörenden, vom Angeklagten und dem unbekannten Mittäter beim Raub erlangten Kreditkarte etwa eine Stunde nach Beendigung der Tat an einem Geldautomaten abgehoben.

Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, der Einziehung. Durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 2 StR 476/19 Rn. 13; Urteile vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, wistra 2019, 96, 97; vom 7. März 2019 - 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272). Zwischen der Tat und dem Erlangen des einzuziehenden „Etwas“ muss mithin ein Kausalzusammenhang bestehen (BT-Drucks. 18/11640, S. 78). Dieser ist dann gegeben, wenn der Vermögenszufluss auf der Verwirklichung des Tatbestandes beruht (Köhler, NStZ 2017, 497, 503). Daran fehlt es bei solchen Vermögenswerten, die dem Täter erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte (vgl. SSWStGB/Heine, 5. Aufl., § 73 Rn. 45; Rübenstahl in Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl., § 73 Rn. 23 ff.) oder als Ersatzgegenstände im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB zufließen (BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2020 - 5 StR 229/19 Rn. 3; vom 11. August 2021 - 1 StR 253/21 Rn. 7).

Ein derartiger Kausalzusammenhang zwischen der Tat 1 und dem Erlangen bestand hier nicht. Denn erlangt wurden die 50 Euro erst durch weitere Handlungen, nämlich den nicht zum Tatbestand des schweren Raubes gehörenden Einsatz der Kreditkarte am Automaten. Dieser Einsatz war jedoch nicht Gegenstand der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage (vom 30. Oktober 2019), auch das Tatgericht hat den Angeklagten weder wegen Computerbetrugs verurteilt noch Feststellungen zur Abhebung durch ihn getroffen. Da eine Einziehung der 50 Euro mithin ausscheidet, hat der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Einziehungsbetrag herabgesetzt.

3. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils hinsichtlich des Schuld- und des Rechtsfolgenausspruchs keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich noch hinreichend, dass die Strafkammer, die ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf von ihm stammende DNA-Spuren an den Tatorten und dort sichergestellten Gegenständen gestützt hat, den insoweit freigesprochenen mitangeklagten Bruder des Angeklagten als verwandten Spurenleger ausgeschlossen hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO; angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (zur Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO bei vollständigem oder teilweisem Absehen von der Einziehungsentscheidung nach § 421 Abs. 1 StPO vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2021 - 5 StR 458/20, NStZ-RR 2021, 229 f. mwN).

Rechtsprechung anderer Senate steht dem nicht entgegen. Der 1. und der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs haben allerdings entschieden, dass sich bei Verringerung des Einziehungsbetrages durch das Revisionsgericht in analoger Anwendung von § 465 Abs. 2 iVm § 464d StPO dieser Teilerfolg in der Kostenentscheidung in Bezug auf die Nebenfolge der Einziehung niederschlagen müsse (Beschlüsse vom 25. Februar 2021 - 1 StR 423/20 und - in Bezug auf die notwendigen Auslagen - vom 13. Oktober 2021 - 4 StR 270/21). Der Senat sieht gleichwohl keine Veranlassung, eine gesonderte Entscheidung über die lediglich die Einziehungsentscheidung betreffenden Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten zu treffen. Soweit von der Einziehung nach § 421 StPO abgesehen wird, betreffen die zitierten Entscheidungen diesen Fall nicht. Im Übrigen, hinsichtlich der Herabsetzung des Einziehungsbetrages um weitere 50 Euro, wäre eine kostenmäßige Berücksichtigung des insoweit nur geringfügigen Teilerfolgs der Revision hier auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des 1. und 4. Strafsenats schon deshalb nicht veranlasst, weil die Verringerung des Einziehungsbetrages einen Gebührensprung bei den vom Gegenstandswert abhängigen Rechtsanwaltsgebühren nicht bewirkt (§ 49 RVG iVm Nr. 4142 der Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 zum RVG). Eine Reduzierung der Festgebühr bei den Gerichtskosten nach dem GKG (Teil 3 Hauptabschnitt 4 Vorbemerkung 3.4 Abs. 1, Abschnitt 4 Nr. 3440 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) wäre im vorliegenden Einzelfall auch aus Billigkeitsgründen nicht geboten.

Die das Adhäsionsverfahren betreffende Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus § 472a Abs. 1 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 234

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2022, 160

Bearbeiter: Christian Becker