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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 315

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 564/19, Urteil v. 28.01.2021, HRRS 2021 Nr. 315


BGH 3 StR 564/19 - Urteil vom 28. Januar 2021 (OLG München)

BGHSt 65, 286; regelmäßig kein Verfahrenshindernis der funktionellen Immunität bei von einem ausländischen nachrangigen Hoheitsträger in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit im Ausland zum Nachteil von nicht inländischen Personen begangen Kriegsverbrechen (deutsche Gerichtsbarkeit; funktionelle und personelle Immunität); allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts (Ermittlung der Staatenpraxis; Entscheidung des BVerfG); Kriegsverbrechen der grausamen oder unmenschlichen Behandlung einer zu schützenden Person (Erheblichkeit; Folter; Konkurrenzen mit Körperverletzung und Nötigung nach nationalem Strafrecht).

Art. 25 GG; § 20 Abs. 2 GVG; § 8 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 9 VStGB; Art. 100 Abs. 2 GG; § 224 StGB; § 240 StGB; § 52 StGB; Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut

Leitsätze

1. Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist die strafrechtliche Ahndung von Kriegsverbrechen der Folter und der in schwerwiegender Weise entwürdigenden oder erniedrigenden Behandlung sowie wegen damit zugleich verwirklichter allgemeiner Straftatbestände wie gefährlicher Körperverletzung und Nötigung durch ein inländisches Gericht nicht wegen des Verfahrenshindernisses der funktionellen Immunität ausgeschlossen, wenn die Taten von einem ausländischen nachrangigen Hoheitsträger in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit im Ausland zum Nachteil von nicht inländischen Personen begangen wurden. (BGHSt)

2. Zu den Voraussetzungen des Kriegsverbrechens der Folter. (BGHSt)

3. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung; ihr Bestehen sowie ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Soweit eine völkergewohnheitsrechtliche Immunität gegeben ist, ist eine solche generell beachtlich, unabhängig davon, ob sich dies aus § 20 Abs. 2 GVG oder direkt aus Art. 25 GG ergibt. (Bearbeiter)

4. Ein Staat ist angesichts der souveränen Gleichheit der Staaten zumindest in Bezug auf Hoheitsakte (acta iure imperii) grundsätzlich keiner fremden staatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen. Daraus kann sich auch eine funktionelle Immunität für natürliche Personen als Ausfluss der Staatenimmunität ergeben, da ein Staat regelmäßig nur durch solche handeln kann. Eine andere Beurteilung ergibt sich bei der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit einer natürlichen Person für Kriegsverbrechen, die sie als in der Staatsorganisation nicht besonders herausgehobener Hoheitsträger eines fremden Staates begangen haben soll. Eine in einem solchen Fall zu erwägende funktionelle Immunität ist von anderen Immunitäten, insbesondere der personellen (ratione personae), zu unterscheiden. (Bearbeiter)

5. Eine allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Buchst. b IGH-Statut ist eine Regel, die von einer gefestigten Praxis zahlreicher, aber nicht notwendigerweise aller Staaten („consuetudo“ oder „usus“) in der Überzeugung einer völkerrechtlichen Verpflichtung („opinio iuris sive necessitatis“) getragen wird. An ihre Feststellung sind wegen der darin zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Verpflichtung aller Staaten hohe Anforderungen zu stellen. Insofern gilt:

a) Zur Ermittlung der Staatenpraxis kann auf das Verhalten der für den völkerrechtlichen Verkehr nach internationalem oder nationalem Recht zuständigen Staatsorgane, regelmäßig die Regierung oder das Staatsoberhaupt, abzustellen sein. Die Staatenpraxis kann sich daneben aber auch aus den Akten anderer Staatsorgane wie solchen des Gesetzgebers oder der Gerichte ergeben, soweit ihr Verhalten unmittelbar völkerrechtlich erheblich ist.

b) Bei der Ermittlung der Staatenpraxis ist den neueren Rechtsentwicklungen auf internationaler Ebene Rechnung zu tragen, die durch fortschreitende Differenzierung und eine Zunahme der anerkannten Völkerrechtssubjekte gekennzeichnet sind. Deshalb verdienen die Handlungen von Organen internationaler Organisationen (vor allem internationaler Gerichte) besondere Aufmerksamkeit. Zudem können die Entscheidungen nationaler Gerichte insbesondere dort berücksichtigt werden, wo, wie im Bereich der gerichtlichen Immunität fremder Staaten, das innerstaatliche Recht den nationalen Gerichten die unmittelbare Anwendung von Völkerrecht gestattet. Ferner können die Arbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen Indiz für das Bestehen einer Rechtsüberzeugung sein. (Bearbeiter)

6. Gemäß Art. 100 Abs. 2 GG ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Insofern gilt:

a) Der Begriff des Rechtsstreites im Sinne der Vorschrift ist weit auszulegen und umfasst jedes gerichtliche Verfahren. Ihrer Gewährleistungsfunktion zugunsten der allgemeinen Regeln des Völkerrechts wäre nicht Genüge getan, wenn der Begriff „Rechtsstreit“ eng gefasst, beispielsweise auf kontradiktorische Verfahren begrenzt würde. Vorlagen sind selbst dann zulässig, wenn die völkerrechtliche Regel ihrem Inhalt nach nicht geeignet ist, unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen zu erzeugen, sondern sich nur an Staaten oder ihre Organe als Normadressaten wendet.

b) Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG ist regelmäßig bereits geboten, wenn das erkennende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht selbst auch keine Zweifel haben. Nicht das erkennende Gericht, sondern nur das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnis, vorhandene Zweifel selbst aufzuklären. Ernstzunehmende Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abwiche.

c) Derartige Zweifel sind zudem dann anzunehmen, wenn es keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den vorgelegten Fragen gibt und die Judikatur internationaler Gerichte dazu nicht in entscheidender Weise Stellung nimmt. Ferner sind über den Wortlaut hinaus Fragen statthaft, die sich nicht auf die Existenz, sondern nur auf die Tragweite einer Völkerrechtsregel beziehen; die Bedeutung, die Art. 25 GG den allgemeinen Regeln des Völkerrechts beimisst, fordert eine einheitliche Rechtsprechung auch über ihre Tragweite. Dies bedeutet, dass das Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG auch der Auslegung und Konkretisierung allgemeiner Regeln des Völkerrechts mit ihrer regelmäßig geringen Regelungsdichte dienen kann. (Bearbeiter)

7. Die Erheblichkeit, die das Kriegsverbrechen der grausamen oder unmenschlichen Behandlung einer zu schützenden Person gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB voraussetzt, verlangt ein hinreichend großes Maß der durch die Tathandlung verursachten Beeinträchtigung und dient nicht allein dazu, Bagatellfälle aus dem Anwendungsbereich auszuscheiden. Sie ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, insbesondere der Art der Handlung sowie ihres Kontextes. Bezugspunkt der Erheblichkeitsprüfung sind die körperlichen oder seelischen Schäden oder Leiden. (Bearbeiter)

8. Verwirklicht ein Täter durch sein Verhalten sowohl Tatbestände des allgemeinen Strafrechts als auch einen Tatbestand des Völkerstrafgesetzbuchs, so gelten die allgemeinen Konkurrenzregeln. Wird durch eine Handlung neben einer (gefährlichen) Körperverletzung und einer (versuchten) Nötigung das Kriegsverbrechen der Folter begangen, steht dieses zu den genannten Delikten des nationalen Strafrechts regelmäßig im Verhältnis der Tateinheit. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Generalbundesanwalts wird das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26. Juli 2019

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Kriegsverbrechens gegen Personen durch Folter in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Nötigung und mit versuchter Nötigung sowie des Kriegsverbrechens gegen Personen durch entwürdigende oder erniedrigende Behandlung schuldig ist;

aufgehoben im Ausspruch über die Einzelstrafen im Fall II. B. 1 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Generalbundesanwalts, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Generalbundesanwalts und die Revision des Angeklagten werden verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung, sowie wegen eines Kriegsverbrechens gegen Personen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte und zu dessen Lasten der Generalbundesanwalt wenden sich mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen gegen das Urteil. Das Rechtsmittel des Generalbundesanwalts, der eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen des Kriegsverbrechens der Folter und die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs erstrebt, hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es ebenso wie die Revision des Angeklagten unbegründet.

A.

Das Oberlandesgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I. Der Angeklagte war als Oberleutnant der afghanischen Armee auf einem ihrer Stützpunkte tätig. Er bemerkte Ende 2013/Anfang 2014, dass drei Gefangene, deren Hände gefesselt und deren Augen mit Tüchern verbunden waren, zu der Kaserne gebracht wurden. In deren Nähe hatten Aufständische am Vortag eine Gruppe von Soldaten beschossen. Der Angeklagte hörte Schreie aus dem Büro des stellvertretenden Kommandeurs, in das die Gefangenen geleitet worden waren, und begab sich dorthin. Als er eintrat, schlug der stellvertretende Kommandeur mit einem etwa ein Meter langen, zolldicken Stück eines Wasserschlauchs auf die in landestypischer Weise auf dem Boden sitzenden - weiterhin mit Fesseln und Augenbinden versehenen - Gefangenen ein. Auf dessen Bitten schrieb der Angeklagte die folgende, durch einen weiteren Soldaten gefilmte Vernehmung mit. Ihr Ziel war es, Informationen über einen Anführer und Waffenverstecke der Taliban zu erhalten. Bei der Befragung wirkten der Angeklagte und der stellvertretende Kommandeur aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses zusammen, mittels Drohungen und leichter bis mittelgradiger Gewaltanwendung Aussagen der Gefangenen zu erlangen.

Der Mittäter drohte dem ersten Gefangenen, er werde ihn „zerreißen“. Der Angeklagte sagte zu diesem auf Dari, er werde ihn „an Strom anschließen“, was der Mittäter den Paschtu sprechenden Gefangenen übersetzte. Der Angeklagte zog dem an die Zimmerwand gelehnten Gefangenen an den Haaren und schlug dessen Kopf in schneller Folge vier Mal gegen die Holzwand. Der andere Offizier versetzte ihm mit den losen Enden eines mittig gefalteten Wasserschlauchs zwei Schläge von oben auf den Kopf.

Dem zweiten Gefangenen zog der Angeklagte darauf rund dreißig Sekunden an den Haaren und forderte ihn zu einem Eingeständnis auf. Als ein weiterer im Raum befindlicher Soldat erklärte, er habe den Gefangenen in dem Haus festgenommen, von dem die Raketen abgeschossen worden seien, schluchzte der Gefangene. Der Angeklagte versetzte diesem einen leichten Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht und wies ihn an, das Weinen zu beenden.

Der stellvertretende Kommandeur schlug sodann dem dritten Gefangenen jeweils zwei Mal mit dem Handrücken gegen den Stirnbereich, zog ihn an der Schulter zu Boden und schlug ihm mit der Faust von oben auf den Kopf. Nachdem der Angegangene eine Frage beantwortet und sich wiederaufgerichtet hatte, wurde er schließlich mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Anders als die beiden anderen Gefangenen machte er daraufhin wegen der Misshandlungen Angaben zum Aufenthaltsort von Taliban und Waffen.

Als ein Sicherheitsoffizier hinzukam und die Gefangenen abholte, endete die über vierminütige Befragung. Die Schläge wurden insgesamt mit leichter bis mittlerer Intensität ausgeführt und waren geeignet, leichte bis mittelgradige Schmerzen hervorzurufen. Die Misshandlungen mit dem Wasserschlauch waren allenfalls geeignet, Hautrötungen auf der Kopfoberseite und leichte Schmerzen zu erzeugen. Äußere Verletzungen oder psychische Folgeschäden waren nicht festzustellen.

II. Im ersten Quartal des Jahres 2014 fand der Angeklagte nach einem Feuergefecht den Leichnam eines gesuchten, hochrangigen Talibankommandeurs. Er sollte den Körper auf Befehl seines Vorgesetzten zu einem Metzger bringen und ordnete den Abtransport mit einem Militärfahrzeug an. Dabei wurde die Leiche so auf das Heck des Fahrzeugs vom Typ Humvee gelegt, dass Arme und Beine nach unten baumelten. Die anschließende Fahrt wurde in Kenntnis des Angeklagten gefilmt. Vor Fahrtbeginn versetzte ein Polizist dem Toten drei Faustschläge; mit dessen Arm führte der Angeklagte eine winkende Geste aus. Während der Fahrt schlugen der Polizist und ein auf dem Fahrzeugdach sitzender Soldat mehrfach mit einem Sturmgewehr auf die Leiche ein. Bei einem kurzen Stopp hielt der Angeklagte einen Fleischerhaken an die Leiche.

Letztlich ließ er sie zu einem rund drei Meter hohen Schutzwall fahren und zog ihr eine Seilschlinge um den Hals, an der sie auf sein Geheiß sowie mit seiner Unterstützung hinaufgezogen und an einem Metallgitter befestigt wurde. Sodann erklärte er in einer gefilmten Ansprache, sie hätten die Leiche „wie die von einem Esel mitgenommen und hier erhängt"; wenn sie wieder solche Leute ertappten, die ihre Leute attackierten, würden sie sie töten. Bei dem Aufhängen an dem Schutzwall kam es ihm und den von ihm Befehligten darauf an, den Getöteten wie eine Trophäe zu präsentieren und in seiner über den Tod hinausreichenden Ehre herabzuwürdigen sowie durch die unzutreffende Behauptung, er habe den Talibanführer selbst getötet, sein berufliches Fortkommen zu fördern.

III. In Afghanistan bestand zu den Tatzeitpunkten ein „seit Jahresende 2001 andauernder Krieg in Form eines nichtinternationalen bewaffneten Konfliktes“ zwischen den durch internationale Truppen unterstützten afghanischen Regierungsstreitkräften einerseits sowie Taliban und weiteren nichtstaatlichen bewaffneten Gruppierungen andererseits.

B.

Einer Entscheidung in der Sache steht nicht das von Amts wegen zu prüfende (dazu unter I.) Verfahrenshindernis der funktionellen Immunität entgegen. Nach dem Völkergewohnheitsrecht sind - frühere - militärische Hoheitsträger wie der Angeklagte in Bezug auf Kriegsverbrechen nicht von der deutschen Strafgerichtsbarkeit befreit (II.). Da insofern keine ernstzunehmenden Zweifel bestehen, kann der Senat hierüber befinden, ohne zuvor eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen (III.). Folglich bedarf es keiner Klärung, ob eine funktionelle Immunität aus anderen Gründen ausgeschlossen wäre (IV.). Auch im Übrigen ist die deutsche Strafgerichtsbarkeit eröffnet (V.).

I. Der Senat hat über das Vorliegen einer etwaigen Immunität zu entscheiden, obwohl sie im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht worden ist. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung; ihr Bestehen sowie ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342, 359; BGH, Urteile vom 3. März 2016 - 4 StR 496/15, StV 2017, 103 Rn. 20; vom 19. Dezember 2017 - XI ZR 796/16, BGHZ 217, 153 Rn. 15). Soweit eine völkergewohnheitsrechtliche Immunität gegeben ist, ist eine solche generell beachtlich, unabhängig davon, ob sich dies aus § 20 Abs. 2 GVG (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 20 Rn. 2 ff.; MüKoZPO/Zimmermann, 5. Aufl., § 20 GVG Rn. 9 f.) oder direkt aus Art. 25 GG ergibt (vgl. zu § 20 GVG aF BGH, Urteil vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101; s. auch Verbalnote der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen vom 6. April 2017, 190/2017).

II. Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist die strafrechtliche Ahndung von Kriegsverbrechen der Folter und der in schwerwiegender Weise entwürdigenden oder erniedrigenden Behandlung sowie wegen damit zugleich verwirklichter allgemeiner Straftatbestände wie gefährlicher Körperverletzung und Nötigung durch ein inländisches Gericht nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Taten durch einen ausländischen nachrangigen Hoheitsträger in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit im Ausland zum Nachteil von nicht inländischen Personen begangen wurden. Im Einzelnen:

1. Eine allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Buchst. b IGHStatut ist eine Regel, die von einer gefestigten Praxis zahlreicher, aber nicht notwendigerweise aller Staaten („consuetudo“ oder „usus“) in der Überzeugung einer völkerrechtlichen Verpflichtung („opinio iuris sive necessitatis“) getragen wird (BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 824/15 u.a., NJW 2019, 2761 Rn. 32 mwN; vgl. auch IGH, Urteil vom 3. Februar 2012 - 1031 - Deutschland / Italien - I.C.J. Reports 2012, 99 Rn. 55). An ihre Feststellung sind wegen der darin zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Verpflichtung aller Staaten hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 824/15 u.a., aaO Rn. 31 mwN).

Zur Ermittlung der Staatenpraxis kann auf das Verhalten der für den völkerrechtlichen Verkehr nach internationalem oder nationalem Recht zuständigen Staatsorgane, regelmäßig die Regierung oder das Staatsoberhaupt, abzustellen sein. Die Staatenpraxis kann sich daneben aber auch aus den Akten anderer Staatsorgane wie solchen des Gesetzgebers oder der Gerichte ergeben, soweit ihr Verhalten unmittelbar völkerrechtlich erheblich ist (BVerfG, Beschluss vom 5. November 2003 - 2 BvR 1506/03, BVerfGE 109, 38, 54 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt zwar weiter, dass richterliche Entscheidungen, wie auch völkerrechtliche Lehrmeinungen, nur als Hilfsmittel für die Klärung von Völkergewohnheitsrecht heranzuziehen sind. Allerdings ist bei der Ermittlung der Staatenpraxis den neueren Rechtsentwicklungen auf internationaler Ebene Rechnung zu tragen, die durch fortschreitende Differenzierung und eine Zunahme der anerkannten Völkerrechtssubjekte gekennzeichnet sind. Deshalb verdienen die Handlungen von Organen internationaler Organisationen und vor allem internationaler Gerichte besondere Aufmerksamkeit (BVerfG, Beschluss vom 5. November 2003 - 2 BvR 1506/03, aaO). Zudem können die Entscheidungen nationaler Gerichte insbesondere dort berücksichtigt werden, wo, wie im Bereich der gerichtlichen Immunität fremder Staaten, das innerstaatliche Recht den nationalen Gerichten die unmittelbare Anwendung von Völkerrecht gestattet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342, 367 f.). Ferner können die Arbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen Indiz für das Bestehen einer Rechtsüberzeugung sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Mai 2007 - 2 BvM 1/03, BVerfGE 118, 124, 136 f.; vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03, BVerfGE 117, 141, 161).

2. Unter Heranziehung der dargelegten Maßstäbe steht nach dem Völkergewohnheitsrecht einer nationalen Strafverfolgung wegen Kriegsverbrechen keine allgemeine funktionelle Immunität ratione materiae von nachrangigen Hoheitsträgern, insbesondere Soldaten, anderer Staaten entgegen.

a) Im Ausgangspunkt geklärt ist, dass ein Staat angesichts der souveränen Gleichheit der Staaten zumindest in Bezug auf Hoheitsakte (acta iure imperii) grundsätzlich keiner fremden staatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Oktober 2020 - 2 BvR 558/19, juris Rn. 18 f.; vom 6. Mai 2020 - 2 BvR 331/18, NJW 2020, 3647 Rn. 18 ff.; IGH, Urteil vom 3. Februar 2012 - 1031 - Deutschland / Italien - I.C.J. Reports 2012, 99 Rn. 53 ff.; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 - XI ZR 796/16, BGHZ 217, 153 Rn. 16 ff.; Steinberger, State Immunity in EPIL Bd. 4, 615, 619; Isensee/Kirchhof/F. Becker, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., § 230 Rn. 81). Daraus kann sich auch eine funktionelle Immunität für natürliche Personen als Ausfluss der Staatenimmunität ergeben, da ein Staat regelmäßig nur durch solche handeln kann (s. EGMR, Urteil vom 14. Januar 2014 - 34356/06 u.a. - Jones u.a. / Vereinigtes Königreich - ECHR 2014-I, 1 Rn. 202 ff.; BGH, Urteil vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101; IStGHJ, Urteil vom 29. Oktober 1997 - IT-95-14-AR 108 - Blaskic - Rn. 41; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 20 Rn. 3). Allerdings ist hier Gegenstand des Verfahrens und Bezugspunkt der etwaigen Immunität nicht das hoheitliche Handeln eines fremden, an dem Gerichtsverfahren nicht beteiligten Staates im Allgemeinen, sondern die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit einer natürlichen Person für Kriegsverbrechen, die sie als in der Staatsorganisation nicht besonders herausgehobener Hoheitsträger eines fremden Staates begangen haben soll. Eine in einem solchen Fall zu erwägende funktionelle Immunität ist von anderen Immunitäten, insbesondere der personellen (ratione personae), zu unterscheiden. Gleiches gilt für den Ausschluss der zivilrechtlichen Haftung.

b) Es besteht eine allgemeine Staatenpraxis dahin, dass bei der aufgezeigten Sachlage eine Strafverfolgung durch ein nationales Gericht möglich ist. Staatliche Organe und Gerichte haben vielfach fremde Hoheitsträger wegen Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich verfolgt und verurteilt.

Da diese eine Immunität ablehnenden Entscheidungen von großer Anzahl und erheblicher Bedeutung sind, fällt es im Ergebnis nicht ins Gewicht, dass der Nachweis einer Immunität gewährenden und mithin regelmäßig zu keinen Gerichtsverfahren führenden Übung unter Umständen schwerer fallen kann als das Auffinden solcher Erkenntnisse, die ein Strafverfolgungshindernis verneinen und zu einer Verurteilung gelangen. Im Übrigen wäre selbst bei einer von Immunität ausgehenden Praxis damit zu rechnen, dass es wegen deren Nichtbeachtung oder Anwendungszweifeln im Einzelfall zu Gerichtsentscheidungen kommt, die sie bestätigen. Solche Aussprüche sind indes nicht ersichtlich. Im Gegenteil wurde die innerstaatliche Gerichtsbarkeit regelmäßig als gegeben erachtet.

aa) Beispielsweise wurden zahlreiche Verantwortliche des nationalsozialistischen Regimes nicht nur durch den internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, sondern auch durch Strafgerichte anderer Staaten verurteilt (vgl. etwa UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, Bd. VII, 1 ff., 23 ff.; Bd. XIII, 70 ff.; Bd. XIV, 23 ff.; Bulletin Criminel Cour de Cassation Chambre criminelle N. 239 [1983]; CanLII 129 (SCC), [1994] 1 SCR 701).

bb) Ähnliches gilt für die Ahndung von Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien. So wurden etwa in Deutschland - neben anderen - ein Angehöriger der örtlichen serbischen Streitkräfte und der Leiter einer örtlichen Polizeistation wegen Beihilfe zum Völkermord sowie weiterer Delikte verurteilt (s. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2001 - 3 StR 244/00, NJW 2001, 2732; BayObLG, Urteile vom 23. Mai 1997 - 3 St 20/96, NJW 1998, 392; vom 15. Dezember 1999 - 6 St 1/99). Im Ãœbrigen stand der Verurteilung eines ruandischen Bürgermeisters wegen Völkermords dessen frühere Position ebenfalls nicht entgegen (s. BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 3 StR 575/14, JZ 2016, 103; OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Dezember 2015 3 StE 4/10 1/15, juris).

cc) Ergänzend lassen sich weitere Verfahren vor nationalen Gerichten wegen Straftaten anführen, bei welchen die Angeklagten im Tatzeitraum Hoheitsträger waren (vgl. insbesondere die sogleich unter c) cc) aufgeführten Entscheidungen). In den letzten Jahren wurden beispielsweise mehrere ehemalige Angehörige der irakischen Armee durch europäische Gerichte wegen Kriegsverbrechen verurteilt (s. zu einzelnen Beispielen Barthe, Journal of International Criminal Justice 16 [2018], 663, 665 ff.).

c) Neben der entsprechenden einhelligen Staatenpraxis existiert eine allgemeine Überzeugung, dass nach dem Völkerrecht - sofern eine funktionelle Immunität fremder Hoheitsträger gleich welchen Ranges für hoheitliches Handeln anzunehmen sein sollte - jedenfalls die Strafverfolgung niederrangiger Hoheitsträger wegen Kriegsverbrechen oder bestimmter anderer die Weltgemeinschaft als Ganzes betreffender Delikte durch nationale Gerichte zulässig ist (vgl. allgemein zur Inanspruchnahme des Einzelnen durch das Völkerstrafrecht BVerfG, Beschluss vom 18. November 2020 - 2 BvR 477/17, JZ 2021, 142 Rn. 18).

aa) Der zu den „Nürnberger Prinzipien“ gezählte Art. 7 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs vom 8. August 1945 sah ausdrücklich vor, dass die amtliche Stellung eines Angeklagten, sei es als Oberhaupt eines Staates oder als verantwortlicher Beamter in einer Regierungsabteilung, nicht als Strafausschließungsgrund oder Strafmilderungsgrund gelten solle. Er setzte damit ersichtlich die Gerichtsbarkeit über die genannten Personen in Bezug auf die der Zuständigkeit des Gerichtshofs unterfallenden Verbrechen - Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 6 des Statuts) - voraus. Wenngleich der Gerichtshof ausschließlich zur Aburteilung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse gebildet wurde (Art. 1 des Statuts; zur besonderen staatsrechtlichen Situation Deutschlands nach dem Krieg BVerfG, Urteil vom 29. Juli 1952 - 2 BvE 3/51, BVerfGE 1, 351, 367; Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 2 BvR 373/83, BVerfGE 77, 137, 154; s. auch Art. 107 VN-Charta), sind die durch das Statut anerkannten Prinzipien bereits im Jahr 1946 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen bekräftigt (UN Doc. A/RES/95[I]) und im Folgenden vermehrt als allgemeine Grundsätze herangezogen worden (vgl. zur Unbeachtlichkeit der staatlichen Funktion bei Kriegsverbrechen auch US Department of the Army, Field Manual FM 27-10, The Law of Land Warfare vom 18. Juli 1956, Nr. 510). Beispielsweise sind sie bei der Schaffung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs mit bedacht worden (s. BT-Drucks. 14/2682 S. 100, 101; Kirsch, Wash. U. Global Stud. Law Review 6 [2007], 501; zum Ausgangspunkt für die Herausbildung einer internationalen Strafjustiz für Verbrechen gegen die Humanität auch BVerfG, Urteil vom 28. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04, BVerfGE 113, 273, 297).

bb) Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (s. UN Doc. S/RES/827 [1993]; BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 2 BvR 1290/99, NJW 2001, 1848, 1853) hat angenommen, dass für die Begehung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord Verantwortliche sich selbst dann nicht auf die Immunität von nationaler oder internationaler Gerichtsbarkeit berufen könnten, wenn sie die Verbrechen in Ausübung ihrer staatlichen Funktion begangen hätten (IStGHJ, Urteil vom 29. Oktober 1997 - IT-95-14-AR 108 - Blaskic - Rn. 41; vgl. auch IStGHJ, Urteil vom 10. Dezember 1998 - IT-95-17/1-T - Furundzija - Rn. 140). Obschon demgegenüber der Internationale Strafgerichtshof im Zusammenhang mit Immunitätsfragen internationale Gerichte, die im Interesse der internationalen Gemeinschaft als Ganzes handelten, von nationaler Rechtsprechung im Interesse eines einzelnen Staates abgegrenzt hat (daran anschließend Sondergerichtshof für Sierra Leone, Entscheidung vom 31. Mai 2004 - SCSL-2003-01-I - Taylor - Rn. 51), hat er sich nicht dazu geäußert, ob für Kriegsverbrechen vor nationalen Gerichten funktionelle Immunität bestehe (s. IStGH, Urteil vom 6. Mai 2019 - ICC-02/05-01/09 OA2 - Al Bashir - Rn. 113; dazu etwa Chaitidou, ZIS 2019, 567, 574 ff.; s. allgemein auch Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 3. Mai 1993, UN Doc. S/25704 Rn. 55).

cc) Nationale Gerichte haben vielfach kein Hindernis gesehen, über Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord zu entscheiden.

(1) Der Oberste Gerichtshof von Israel hat mit ausführlicher Begründung und unter Heranziehung der „Nürnberger Prinzipien“ angenommen, dass die „Act of State"-Doktrin einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Verstößen gegen das Völkerrecht, insbesondere bei internationalen Verbrechen wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nicht entgegenstehe (Supreme Court, Urteil vom 29. Mai 1962 - Eichmann - International Law Reports 36 [1968], 277, 308 ff.). Auch wenn der Gerichtshof in diesem Zusammenhang nicht explizit die Immunität fremder Hoheitsträger erörtert hat (vgl. zur „act of state doctrine“ BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 BvR 1851/94 u.a., BVerfGE 95, 96, 129 mwN), wird aus seiner Entscheidung und deren Begründung deutlich, dass im Ergebnis das Handeln als Hoheitsträger ein Strafverfahren vor einem fremden nationalen Gericht nicht hindert.

(2) Der niederländische Hohe Rat hat sich in einem die Strafverfolgung wegen Folter betreffenden Verfahren nicht mit der Frage der Immunität auseinandergesetzt (Hoge Raad, Urteil vom 18. September 2001 - 749/01 CW 2323, Netherlands Yearbook of International Law 32 [2001], 282 ff.), nachdem die Vorinstanz eine Immunität mit der Begründung abgelehnt hatte, dass die Begehung solch besonders schwerer Straftaten nicht als Teil der hoheitlichen Aufgaben angesehen werden könne (Gerichtshof Amsterdam, Urteil vom 20. November 2000 - R 97/163/12 Sv u.a., Netherlands Yearbook of International Law 32 [2001], 266 ff.; insgesamt dazu Zegveld, Netherlands Yearbook of International Law 32 [2001], 98, 113 ff.). In einem späteren Verfahren hat er mit Blick auf die niederländische Rechtslage die Immunität eines Verurteilten für Taten verneint, die dieser in hoheitlicher Funktion in Afghanistan begangen hatte (Hoge Raad, Urteil vom 8. Juli 2008 - 07/10063, International Law in Domestic Courts 1071 [NL 2008]).

(3) Der belgische Kassationshof hat im Ergebnis einem Militärangehörigen in einem Strafverfahren wegen schwerer Verletzungen humanitären Völkerrechts anders als einem Staats- oder Regierungschef keine Immunität zuerkannt (Cour de cassation de Belgium, Beschluss vom 12. Februar 2003 - P.02.1139.F, Journal Tribunaux 2003, 243, 246 f. [International Legal Materials 42 <2003>, 596]; s. dazu Rau, HuVI 2003, 92; d’Argent, Journal Tribunaux 2003, 247, 250 ff.).

(4) Das spanische Verfassungsgericht hat sich in einem Fall, der unter anderem Vorwürfe des Völkermordes und der Folter gegen frühere ausländische Hoheitsträger zum Gegenstand hatte, nicht mit dem Problem der Immunität, sondern mit der Frage der nationalen Gerichtsbarkeit befasst und diese - anders als die beanstandete Entscheidung - im konkreten Fall zumindest teilweise angenommen (Tribunal Constitutional, Urteil vom 26. September 2005 - 237/2005, Boletin Oficial del Estado 2005 Nr. 258 - 17753 -, 45 [International Law in Domestic Courts 137 <ES 2005>]; zur vorangehenden Entscheidung des Tribunal Supremo s. Benavides, International Legal Materials 42 [2003], 683, 684 f.).

(5) Der italienische Kassationshof ist in einem Strafverfahren, das die Tötung und Verletzung italienischer Staatsangehöriger durch einen US-amerikanischen Soldaten in Bagdad betraf, im Ergebnis davon ausgegangen, dass sich die Staatenimmunität nicht auf völkerrechtliche Verbrechen beziehe (Suprema Corte di Cassazione, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 31171/2008, International Law in Domestic Courts 1085 [IT 2008]; dazu Tondini/Bertolin, Quaderni Constituzionali 28 [2008], 897).

(6) Das Schweizerische Bundesgericht ist - in einem einen früheren Verteidigungsminister betreffenden Verfahren - nach näheren Ausführungen zu dem Schluss gekommen, dass eine einhellige klare Antwort auf die Frage, ob sich die Immunität ratione materiae auf alle in hoheitlicher Funktion begangenen Handlungen beziehe und dabei die vorgeworfenen schweren Verletzungen humanitären Rechts zu beachten seien, zwar nicht möglich sei. Allerdings scheide es in solchen Konstellationen aus, sich auf eine funktionelle Immunität zu berufen (Bundesgericht, Beschluss vom 25. Juli 2012 - BB.2011.140, Arrêts du Tribunal Pénal Fédéral Suisse 2012, 97, 113 f.).

(7) Der französische Kassationshof hat mehrfach zugrunde gelegt, dass prinzipiell eine Immunität für Handlungen von Hoheitsträgern in Ausübung staatlicher, nicht privatwirtschaftlicher Gewalt bestehe, davon aber Ausnahmen nach den Regeln zwingenden Völkerrechts bestehen könnten (Cour de cassation, Entscheidung vom 16. Oktober 2018 - 16-84.436, Bulletin des arrêts de la chambre criminelle 2018, 560, 563; s. auch Cour de cassation, Entscheidungen vom 19. März 2013 - 12-81.676, Bulletin des arrêts de la chambre criminelle 2013, 124; vom 23. November 2004 - 04-84.265, Bulletin criminel 2004, 1096; vom 13. März 2001 - 00-87.215, Bulletin criminel 2001, 218).

(8) Der Senat selbst hat in einer früheren Entscheidung zunächst auf sich beruhen lassen, ob der Grundsatz der Staatenimmunität mit gleicher Geltungskraft wie im Zivilprozessrecht „für die Strafverfolgung Bedeutung hat und fremde Staatsorgane über den Kreis der sogenannte persönliche Immunität genießenden Personen (Staatsoberhäupter, Diplomaten) hinaus schützt“ (BGH, Urteil vom 30. Juli 1993 - 3 StR 347/92, BGHSt 39, 260, 263; vgl. auch Beschluss vom 29. Mai 1991 - StB 11/91, NJW 1991, 2498, 2499). Indes hat er im Folgenden mehrfach keinen Anlass gesehen, diese Frage ausdrücklich aufzugreifen, und die Strafverfolgung (früherer) fremder Hoheitsträger durch deutsche Gerichte wegen Delikten nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder zuvor nach § 220a StGB aF ohne weiteres unbeanstandet gelassen (s. BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 3 StR 575/14, JZ 2016, 103 [Völkermord unter Beteiligung eines ruandischen Bürgermeisters]; Beschlüsse vom 21. Februar 2001 - 3 StR 244/00, NJW 2001, 2732 [Beihilfe zum Völkermord durch den Leiter einer örtlichen Polizeistation in Bosnien-Herzegowina]; vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89; vom 5. September 2019 - AK 47/19, juris Rn. 7 ff.; vom 9. Oktober 2019 - AK 54/19, juris [Folterungen durch Geheimdienstmitarbeiter in Syrien]; vom 16. Mai 2019 - AK 23/19, juris [in dieser Sache]).

dd) Die Arbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen aus jüngerer Zeit zur strafrechtlichen Immunität sind noch nicht abgeschlossen (zur Bedeutung der Völkerrechtskommission BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03, BVerfGE 117, 141, 161; s. auch IGH, Urteil vom 3. Februar 2012 - 1031 - Deutschland / Italien - I.C.J. Reports 2012, 99 Rn. 56). Aus ihnen lässt sich gegenwärtig zumindest eine funktionelle Immunität auch bei Kriegsverbrechen gewährende völkerrechtliche Regel nicht herleiten. Sie ändern daher nicht die durch einheitliche Übung und Überzeugung belegte allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts, dass jedenfalls die Strafverfolgung fremder niederrangiger Hoheitsträger wegen Kriegsverbrechen oder bestimmter anderer die Völkergemeinschaft als Ganzes betreffender Delikte durch nationale Gerichte zulässig ist.

Die Völkerrechtskommission hat im Juli 2007 das Thema der Immunität staatlicher Hoheitsträger von ausländischer Strafgerichtsbarkeit in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen (s. Yearbook of the International Law Commission 2007, Volume II Part 2 Rn. 376; grundlegend auch Memorandum des Sekretariats der Generalversammlung vom 31. März 2008, UN Doc. A/CN.4/596) und sich im Folgenden ebenso wie das Sechste Komitee der Generalversammlung der Vereinten Nationen regelmäßig damit befasst. Der zunächst hierzu bestimmte Sonderberichterstatter hat die Meinung vertreten, dass die für Ausnahmen von der Immunität herangezogenen Gründe nicht überzeugten und eine einheitliche Staatenpraxis dazu fehle (s. etwa Kolodkin, Second report on immunity of State officials from foreign criminal jurisdiction, UN Doc. A/CN.4/631, 425). Demgegenüber hat die anschließend betraute Sonderberichterstatterin der Völkerrechtskommission nach einer Untersuchung der Rechtspraxis eine klare Entwicklung dahin erkannt, die Begehung internationaler Verbrechen als Grenze für die Annahme der Immunität staatlicher Hoheitsträger zu bewerten (Escobar Hernández, Fifth report on immunity of State officials from foreign criminal jurisdiction, UN Doc. A/CN.4/701, 73 f.), und in Betracht gezogen, dies als Regel des Völkergewohnheitsrechts anzusehen (aaO S. 78). In ihrem folgenden Bericht hat sie jedoch festgehalten, dass die Frage von Begrenzungen oder Ausnahmen von der Immunität der kontroverseste und politisch sensibelste Gesichtspunkt sei (Escobar Hernández, Sixth report on immunity of State officials from foreign criminal jurisdiction, UN Doc. A/CN.4/722, 5; vgl. kritisch etwa Nolte, A/CN.4/SR.3365, 3 ff.). Die im Sechsten Komitee der Generalversammlung dazu geäußerten Meinungen der Staatenvertreter hat sie dahin zusammengefasst, dass nach der Ansicht zweier Staaten internationale Verbrechen niemals als Ausübung staatlicher Hoheitsmacht gewertet werden könnten, ein Staat eine Immunitätsbeschränkung als bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht annehme, zehn Staaten eine Entwicklung dahin sähen, während elf Staaten das Bestehen entsprechenden Völkergewohnheitsrechts verneinten und acht weitere - darunter auch Deutschland - nicht einmal eine Tendenz dahin bejahten (UN Doc. A/CN.4/722, 6 f.; vgl. zur weiteren Entwicklung die anschließenden beiden Berichte UN Doc. A/CN.4/729, 4 f., 7; A/CN.4/739; zusammenfassend Kittichaisaree, The Obligation to Extradite or Prosecute, 2018, 254 ff.; Ascensio/Bonafe, RGDIP 122 [2018], 821 ff.; s. auch Ambos/Kreß, Rome Statute of the International Criminal Court, 4. Aufl., Art. 98 Rn. 65 ff.).

Obwohl dies vordergründig darauf hindeuten könnte, dass die Mehrheit der sich äußernden Staaten eine funktionelle Immunität selbst bei Kriegsverbrechen für gegeben erachtet, ist dies bei näherer Betrachtung nicht allgemein der Fall. Beispielhaft ist insoweit die Auffassung herauszugreifen, die Deutschland offiziell im Sechsten Komitee der Generalversammlung im Oktober 2017 vertreten hat. Zwar werden dort dem fünften Bericht der zweiten Sonderberichterstatterin erhebliche methodologische Fehler vorgehalten. Allerdings hat die Vertreterin Deutschlands zudem darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit für internationale Verbrechen eine große Errungenschaft sei und Deutschland Bemühungen zuverlässig unterstütze, Straftäter wegen internationaler Verbrechen vor Gericht zu bringen (s. General Assembly, Official Records, UN Doc. A/C.6/72/SR.24, 13). Die alsdann im Einzelnen geäußerte Kritik richtet sich etwa gegen die in dem Entwurf vorgesehene Liste bestimmter Verbrechen, bei denen keine Immunität bestehe; während das im Römischen Statut genannte Verbrechen der Aggression nicht aufgeführt sei, sei das Verbrechen der Apartheid enthalten. Angesichts solcher Vorbehalte kann aus der Ablehnung des Entwurfs nicht der Schluss gezogen werden, aus Sicht Deutschlands sei keine der in ihm enthaltenen Regelungen völkergewohnheitsrechtlich anerkannt, zumal bereits die im Vorjahr abgegebene Stellungnahme Ausnahmen von der Immunität in festumrissenen Fällen befürwortete (vgl. General Assembly, Official Records, UN Doc. A/C.6/71/SR.29, 4). Für ein solches Verständnis sprechen ebenfalls anschließende Äußerungen des Bundespräsidenten (vgl. Rede zum 75. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse am 20. November 2020) und des Außenministers als Teil der Bundesregierung (s. BTPlPr. 19/185 S. 23289). Diese gehen ersichtlich nicht davon aus, einer nationalen Strafverfolgung wegen Kriegsverbrechen stehe eine funktionelle Immunität entgegen.

ee) Der ganz überwiegende Teil der wissenschaftlichen Literatur lehnt funktionelle Immunitäten bei Völkerrechtsverbrechen zumindest mit Blick auf nachgeordnete Hoheitsträger - wenn auch mit teils unterschiedlichen Begründungsansätzen und Differenzierungen - ab (vgl. etwa MüKoStGB/Ambos, 4. Aufl., Vor § 3 Rn. 135 ff.; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 811; Ambos/Kreß, Rome Statute of the International Criminal Court, 4. Aufl., Art. 98 Rn. 31; Triffterer/Ambos/Burchard, Rome Statute of the International Criminal Court, 3. Aufl., Art. 27 Rn. 16; Folz/Soppe, NStZ 1996, 576, 578 f.; Talmon in Paulus u.a., Internationales, nationales und privates Recht: Hybridisierung der Rechtsordnungen? Immunität, 2014, 313, 324 ff.; Tomuschat in Paulus u.a., Internationales, nationales und privates Recht: Hybridisierung der Rechtsordnungen? Immunität, 2014, 405; Mettraux/Dugard/du Plessis, International Criminal Law Review 18 [2018], 577, 593 ff.; Cassese u.a., Cassese’s International Criminal Law, 3. Aufl., 240 ff.; Pedretti, Immunity of Heads of State and State Officials for International Crimes, 2013, 190, 307 f.; dezidiert Kreicker, Völkerrechtliche 38 Exemtionen, 2007, 219; ders., JR 2015, 298 ff.; ambivalent bei „normalen Staatsorganen“ Dörr, AVR 41 [2003], 201, 218 f.). Die demgegenüber geäußerten Bedenken (s. beispielsweise Fox/Webb, The Law of State Immunity, 3. überarbeitete Aufl., 570 ff.; van der Wilt in Ruys/Angelet/Ferro, The Cambridge Handbook of Immunities and International Law, 2019, 595, 605; Wuerth, AJIL 106 [2012], 731; Huang, Chinese Journal of International Law 2014, 1; Murphy, American Journal of International Law Unbound 112 [2018], 4; vgl. auch van Alebeek in Ruys/Angelet/Ferro, The Cambridge Handbook of Immunities and International Law, 2019, 496, 517 f.; d’Argent/Lesaffre, The Cambridge Handbook of Immunities and International Law, 2019, 614) stützen sich nicht auf eine allgemeine Überzeugung einer Mehrheit der Staaten oder entsprechende Praxis.

d) Dass in anderen Zusammenhängen eine Immunität für den Staat handelnder Personen angenommen wurde, betrifft nicht die hier entscheidungserhebliche Frage der funktionellen Immunität nachrangiger Hoheitsträger. Eine gegebenenfalls auch in Strafverfahren wegen Kriegsverbrechen bestehende Immunität bestimmter herausgehobener staatlicher Repräsentanten berührt die gegen den Angeklagten erhobenen Anklagevorwürfe ebenso wenig wie eine etwaige Immunität in Zivilverfahren.

aa) Zwar ist anerkannt, dass bestimmte Inhaber hochrangiger Staatsämter wie Staatsoberhäupter, Regierungschefs oder Außenminister Immunität von der Strafgerichtsbarkeit anderer Staaten genießen (vgl. etwa IGH, Urteil vom 14. Februar 2002 - 837 - Kongo / Belgien - I.C.J. Reports 2002, 3 Rn. 51 [s. auch EuGRZ 2003, 563]; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1984 - 2 ARs 252/84, BGHSt 33, 97, 98). Allerdings handelt es sich hierbei zunächst um die sogenannte persönliche Immunität (s. BGH, Urteil vom 30. Juli 1993 - 3 StR 347/92, BGHSt 39, 260, 263), die sich - unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen und ihrem Umfang - grundsätzlich nicht auf niederrangige staatliche Hoheitsträger erstreckt. Selbst wenn dabei auch Aspekte der Immunität ratione materiae in Rede stehen, lassen Konstellationen, die Staatsoberhäupter, Regierungschefs oder Außenminister betreffen (vgl. beispielsweise Supreme Court of Appeal [Südafrika], Urteil vom 15. März 2016 - 867/15, Rn. 84; Verfügung des Generalbundesanwalts vom 24. Juni 2005 - 3 ARP 654/03-2), keine maßgeblichen Rückschlüsse auf die hier zu prüfende funktionelle Immunität eines Militärangehörigen zu.

bb) Ähnliches gilt für Entscheidungen zur Immunität in Zivilverfahren.

Soweit etwa der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Rahmen von Beschwerden, die sich gegen die Erfolglosigkeit von Schadensersatzklagen wegen Folter richteten, die Gewährung von Immunität ratione materiae für dienstliche Handlungen staatlicher Hoheitsträger in Zivilverfahren wegen Foltervorwürfen hingenommen hat, hat er zum einen ausdrücklich bedacht, dass es nicht um die strafrechtliche Verantwortung für Folter, sondern um die Staatenimmunität in einem zivilrechtlichen Schadensersatzverfahren gehe (EGMR, Urteil vom 21. November 2001 - 35763/97 - Al Adsani / Vereinigtes Königreich - ECHR 2001-XI, 79 Rn. 61 [EuGRZ 2002, 403]). Zum anderen hat er darauf hingewiesen, dass die Sache angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen im Völkerrecht weiter beobachtet werden müsse (EGMR, Urteil vom 14. Januar 2014 - 34356/06 u.a. - Jones u.a. / Vereinigtes Königreich - ECHR 2014-I, 1 Rn. 215; vgl. dazu Kloth, AVR 52 [2014], 256, 278).

Der Internationale Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Immunität des Staates in Schadensersatzverfahren ebenfalls nachdrücklich hervorgehoben, nicht über die Frage zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Immunität in Strafverfahren gegen einen staatlichen Hoheitsträger zu beachten sein kann (IGH, Urteil vom 3. Februar 2012 - 1031 - Deutschland / Italien -, I.C.J. Reports 2012, 99 Rn. 91). Seine grundlegenden Erwägungen dazu, dass weder der Vorwurf schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts und des Rechts im bewaffneten Konflikt noch der Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht (ius cogens) zum Verlust der Immunität führe, sind mithin nicht ohne Weiteres auf Strafverfahren anwendbar.

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (s. beispielsweise BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 2020 - 2 BvR 331/18, NJW 2020, 3647 Rn. 14 ff.; vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 20 mwN; vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03, BVerfGE 117, 141; vom 15. Februar 2006 - 2 BvR 1476/03, BVerfGK 7, 303, 307) und des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - III ZR 245/98, BGHZ 155, 279, 283; vom 19. Dezember 2017 - XI ZR 796/16, BGHZ 217, 153 Rn. 15 ff. mwN) zur Immunität in Zivilverfahren enthalten ebenfalls keine Ausführungen zur Reichweite der funktionellen Immunität in Strafverfahren.

cc) Auch sonst hat das Bundesverfassungsgericht zu einer solchen Immunität noch keine Entscheidung getroffen.

Soweit es allgemein darauf hingewiesen hat, dass „Ausnahmen von der Immunität für Fälle von Kriegsverbrechen, völkerrechtlichen Verbrechen und Verstöße gegen völkerrechtliches ius cogens diskutiert“ würden, hat es sich damit nicht weiter befasst, da die Entscheidung nicht die aus der Staatenimmunität „fließende Immunität von staatlichen Organen, insbesondere von Regierungsmitgliedern," sondern die davon zu unterscheidende diplomatische Immunität zum Gegenstand hatte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1997 - 2 BvR 1516/96, BVerfGE 96, 68, 84 f.). Es hat ferner ausgeführt, die Staatenimmunität greife nur ein, wenn der Staat als solcher Partei des gerichtlichen Verfahrens sei; eine gerichtliche Entscheidung über Hoheitsakte anderer Staaten im Rahmen von Vorfragen sei völkerrechtlich nicht verboten (BVerfG aaO S. 90). Für Diplomaten sei neben dem Recht der diplomatischen Immunität gerade kein Rückgriff auf eine allgemeine Organimmunität möglich (BVerfG aaO S. 91 mwN).

Darüber hinaus ist das Bundesverfassungsgericht ebenfalls davon ausgegangen, dass eine Immunität von Hoheitsträgern nicht generell uneingeschränkt gilt, sondern etwa der Tatvorwurf von Belang sein kann. So besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der sich Spione, die von dem von der Spionage betroffenen Staat strafrechtlich verfolgt werden, auf die Grundsätze der Staatenimmunität berufen können (BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1995 - 2 BvL 19/91 u.a., BVerfGE 92, 277, 321).

3. Es bedarf keiner Ausführungen dazu, inwieweit eine funktionelle Immunität einer Strafverfolgung allein wegen allgemeiner Straftaten entgegenstünde, wie sie etwa das Oberlandesgericht hinsichtlich der Misshandlung der Gefangenen angenommen hat. Denn die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten betreffen Kriegsverbrechen nach § 8 VStGB, und entsprechende völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbrechen liegen tatsächlich vor (dazu im Einzelnen unten zu C. I. 1 und D. I).

Da mithin das Verfahrenshindernis der Immunität nicht besteht, ist der angeklagte Lebenssachverhalt in rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (vgl. zum Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener allgemeiner Straftaten BGH, Beschluss vom 21. Februar 2001 - 3 StR 244/00, NJW 2001, 2732). Dies ergibt sich auch daraus, dass allgemeine nationalstaatliche Straftatbestände Kriegsverbrechen erfassen und diese mithin als „gewöhnliche Verbrechen“ kriminalisiert sein können (vgl. dazu BT-Drucks. 14/8524 S. 12; zur Antifolterkonvention BT-Drucks. 11/5459 S. 24 f.).

III. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht erforderlich, da keine Zweifel im Sinne dieser Vorschrift über die entscheidungserhebliche Frage bestehen, ob aufgrund einer als Bestandteil des Bundesrechts geltenden, unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugenden Regel des Völkerrechts eine innerstaatliche Strafverfolgung des Angeklagten als ehemaligen Hoheitsträgers eines anderen Staates für in seinem Heimatstaat begangene hoheitliche Handlungen ausgeschlossen ist, wenn es sich bei diesen Handlungen um Kriegsverbrechen handelt.

1. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist gemäß Art. 100 Abs. 2 GG einzuholen, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Art. 25 GG).

a) Der Begriff des Rechtsstreites im Sinne der Vorschrift ist weit auszulegen und umfasst jedes gerichtliche Verfahren. Ihrer Gewährleistungsfunktion zugunsten der allgemeinen Regeln des Völkerrechts wäre nicht Genüge getan, wenn der Begriff „Rechtsstreit“ eng gefasst, beispielsweise auf kontradiktorische Verfahren begrenzt würde (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1987 - 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1, 11).

b) Vorlagen sind selbst dann zulässig, wenn die völkerrechtliche Regel ihrem Inhalt nach nicht geeignet ist, unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen zu erzeugen, sondern sich nur an Staaten oder ihre Organe als Normadressaten wendet (BVerfG, Beschlüsse vom 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342, 362 f.; vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a., BVerfGE 64, 1, 14 mwN).

c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG bereits dann geboten, wenn das erkennende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht selbst auch keine Zweifel haben. Nicht das erkennende Gericht, sondern nur das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnis, vorhandene Zweifel selbst aufzuklären. Ernstzunehmende Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abwiche (BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 2984/09, BVerfGK 19, 122 Rn. 128 mwN).

Derartige Zweifel sind zudem dann anzunehmen, wenn es keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den vorgelegten Fragen gibt und die Judikatur internationaler Gerichte dazu nicht in entscheidender Weise Stellung nimmt (s. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 2 BvM 1/03, BVerfGE 118, 124, 133; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a., BVerfGE 64, 1, 14 ff.). Ferner sind über den Wortlaut hinaus Fragen statthaft, die sich nicht auf die Existenz, sondern nur auf die Tragweite einer Völkerrechtsregel beziehen; die Bedeutung, die Art. 25 GG den allgemeinen Regeln des Völkerrechts beimisst, fordert eine einheitliche Rechtsprechung auch über ihre Tragweite. Dies bedeutet, dass das Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG auch der Auslegung und Konkretisierung allgemeiner Regeln des Völkerrechts mit ihrer regelmäßig geringen Regelungsdichte dienen kann (BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 2 BvR 793/07, BVerfGK 13, 246, 250 mwN).

2. Daran gemessen bestehen ungeachtet einzelner in der Völkerrechtswissenschaft geäußerter abweichender Ansichten keine durch das Bundesverfassungsgericht zu klärenden Zweifel in Bezug auf die entscheidungserhebliche Frage, ob der nationalen Strafverfolgung des Angeklagten eine funktionelle Immunität entgegensteht.

Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von der Meinung eines Verfassungsorgans noch von der Entscheidung hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte ab, sondern steht in Einklang mit solchen. Wie bereits im Einzelnen dargelegt, ist von den genannten Instanzen in keinem Fall angenommen worden, Strafverfahren gegen Militärangehörige oder sonstige nachgeordnete Hoheitsträger wegen Kriegsverbrechen durch ein nationales Gericht seien nach dem Völkergewohnheitsrecht ausgeschlossen. In den Konstellationen, in denen eine entsprechende Problemlage bestand, ist vielmehr die Möglichkeit einer Strafverfolgung als gegeben erachtet worden.

Ergänzend kommt hinzu, dass das Bundesverfassungsgericht jüngst mit einem vergleichbaren Sachverhalt im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen mutmaßliche ehemalige Mitarbeiter des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes wegen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Syrienkonflikt befasst war. Dieses Verfahren hatte zwar im Kern nicht die hier maßgebliche Rechtsfrage, sondern einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Gegenstand, die es Journalisten ermöglichen sollte, das Prozessgeschehen auf Arabisch zu verfolgen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht immerhin als einen Grund für die große öffentliche Aufmerksamkeit den Umstand herangezogen, dass die Bundesrepublik eine Gerichtszuständigkeit für sich beansprucht, die nach allgemeinen Grundsätzen nicht bestünde, sondern die gerade dem besonderen, die internationale Gemeinschaft als Ganze berührenden Charakter der infrage stehenden Straftaten geschuldet ist; die Problematik der Immunität hat es nicht angeführt (s. BVerfG, Beschluss vom 18. August 2020 - 1 BvR 1918/20, NJW 2020, 3166 Rn. 11).

Vor dem insgesamt aufgezeigten Hintergrund reichen danach vereinzelte Stimmen im völkerrechtlichen Schrifttum, welche eine funktionelle Immunität auch im Falle der nationalen Strafverfolgung von Kriegsverbrechen für gegeben halten, nicht aus, um zur Vorlage führende Zweifel zu begründen (s. zur Unbeachtlichkeit von Stimmen in der Rechtsprechung anderer Staaten und dem Schrifttum auch BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2020 - 2 BvR 331/18, NJW 2020, 3647 Rn. 30).

IV. Weil aus den zuvor dargelegten Gründen unter den gegebenen Umständen ein Verfahrenshindernis der funktionellen Immunität aufgrund Völkergewohnheitsrechts zweifelsfrei nicht besteht, kann offenbleiben, ob die Ratifikation des VN-Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe („Antifolterkonvention"; s. BGBl. II 1990, 247 ff.; für Afghanistan BGBl. II 1993 S. 715, 717) ein Absehen von etwaigen Immunitäten beinhaltet (vgl. dazu - mit uneinheitlicher Begründung - House of Lords, Urteil vom 24. März 1999 - R v Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate and others, ex parte Pinochet Ugarte - All England Law Reports 1999, 97 ff., 148 ff., 168 ff., 179; Kittichaisaree, The Obligation to Extradite or Prosecute, 2018, 247; Akande/Shah, EJIL 21 [2011], 815, 841 f.; kritisch Talmon in Paulus u.a., Internationales, nationales und privates Recht: Hybridisierung der Rechtsordnungen? Immunität, 2014, 313, 331 f.; s. auch Wuerth, AJIL 106 [2012], 731; ambivalent die britische Stellungnahme im Sechsten Komitee der Generalversammlung, UN Doc. A/C.6/66/SR.28, 4).

V. Im Ãœbrigen ist die deutsche Strafgerichtsbarkeit ebenfalls eröffnet. Dies gilt, wie vom Oberlandesgericht zutreffend näher dargelegt, bereits nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Mithin bedarf es keiner Ausführungen dazu, dass darüber hinaus das in § 1 Satz 1 VStGB niedergelegte Weltrechtsprinzip Anwendung findet, das sich an § 5 des auch für Afghanistan geltenden Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs anlehnt (vgl. BT-Drucks. 14/8524 S. 14; BGBl. II 2003 S. 422), und sich daraus eine Annexkompetenz für weitere Delikte ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, BGHSt 45, 64, 69 f.; Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 71).

C.

Auf die Revision des Generalbundesanwalts ist der Schuldspruch zu ändern. Dies hat die Aufhebung der davon betroffenen Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zur Folge. Die Festsetzung der verbleibenden Einzelstrafe ist dagegen rechtsfehlerfrei.

I. Der Schuldspruch weist in Bezug auf die Misshandlung der drei Gefangenen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf. Dieser hat sich im Zusammenhang mit dem Verhör der Gefangenen wegen des Kriegsverbrechens der Folter in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Nötigung und mit versuchter Nötigung strafbar gemacht.

1. Die Behandlung der Gefangenen ist entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts als Folter im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, mithin zugleich als Kriegsverbrechen in völkerrechtlichem Sinne, zu werten. Bei der von der Vorinstanz verneinten Frage, ob die Behandlung erheblich im Sinne der Vorschrift ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die der Senat aufgrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entscheiden kann. Nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt kommt den den drei Gefangenen zugefügten körperlichen oder seelischen Schäden oder Leiden aufgrund einer Gesamtschau die erforderliche Erheblichkeit zu, die das Kriegsverbrechen der grausamen oder unmenschlichen Behandlung einer zu schützenden Person gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB voraussetzt.

a) Der Begriff der Erheblichkeit verlangt ein hinreichend großes Maß der durch die Tathandlung verursachten Beeinträchtigung und dient nicht allein dazu, Bagatellfälle aus dem Anwendungsbereich auszuscheiden (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 5. September 2019 - AK 47/19, juris Rn. 38; vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, NJW 2019, 2627 Rn. 63). Die Erheblichkeit ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, insbesondere der Art der Handlung sowie ihres Kontextes (s. BGH, Beschlüsse vom 25. September 2018 - StB 40/18, juris Rn. 22; vom 17. November 2016 - AK 54/16, juris Rn. 27).

aa) Für die Eingrenzung der Erheblichkeit sind sowohl das systematische Regelungsgefüge als auch der damit verbundene Zweck in den Blick zu nehmen. Danach muss das Ausmaß der Beeinträchtigung deutlich über dasjenige einer einfachen Körperverletzung hinausgehen (s. BGH, Beschlüsse vom 25. September 2018 - StB 40/18, juris Rn. 22; vom 17. November 2016 - AK 54/16, juris Rn. 27), wenngleich angesichts der Möglichkeit rein psychisch vermittelter Folter eine körperliche Beeinträchtigung nicht zwingend erforderlich ist.

(1) Das Völkerstrafgesetzbuch stellt in verschiedenen Tatbeständen in Bezug auf körperliche und seelische Schäden unterschiedliche Anforderungen an deren Ausmaß. Während etwa in den hier im Raum stehenden § 7 Abs. 1 Nr. 5, § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB erhebliche Schäden oder Leiden vorausgesetzt sind, verlangt § 7 Abs. 1 Nr. 8 VStGB demgegenüber schwere Schäden, insbesondere der in § 226 StGB bezeichneten Art. Diese differierende Begrifflichkeit deutet darauf hin, dass die Anforderungen an die Erheblichkeit nicht so hoch liegen wie bei dem mit § 226 StGB zu vergleichenden Schweregrad.

(2) Für eine gleichwohl bedeutsame Schwere sprechen der in den Vorschriften verwendete Begriff der Folter und dessen dabei zugrundeliegendes Verständnis.

Die Tatbestände der § 7 Abs. 1 Nr. 5, § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB beruhen auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. f, Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Nr. ii, Buchst. b Nr. x, Buchst. c Nr. i und Buchst. e Nr. xi des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (im Folgenden: IStGHSt; vgl. BT-Drucks. 14/8524 S. 12 f., 21, 26). Nach der in Art. 7 Abs. 2 Buchst. e IStGHSt enthaltenen Legaldefinition bedeutet Folter im Sinne des Art. 7 Abs. 1 IStGHSt, „dass einer im Gewahrsam oder unter der Kontrolle des Beschuldigten befindlichen Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden“ (vgl. auch Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1052 f.; Triffterer/Ambos/Hall/ Stahn, Rome Statute of the International Criminal Code, 3. Aufl., Art. 7 Rn. 132; Triffterer/Ambos/Dörmann, ebenda, Art. 8 Rn. 87 ff.; MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 138; zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Antifolterkonvention Nowak/Birk/Monina/Zach, The United Nations Convention Against Torture and its Optional Protocol, 2. Aufl., Art. 1 Rn. 81 ff.; zu Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a III. Genfer Abkommen ICRC/Cameron u.a., Third Geneva Convention, 2020, Art. 3 Rn. 662 ff.). Weil der Begriff der Folter in § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB laut der Begründung des Gesetzentwurfs wie bei - dem Art. 7 Abs. 1 Buchst. f IStGHSt umsetzenden - § 7 Abs. 1 Nr. 5 VStGB zu verstehen sein soll (BT-Drucks. 14/8524 S. 26), sind demnach erhebliche Schäden mit großen körperlichen oder seelischen Schmerzen vergleichbar. Die Gesetzesbegründung stellt in diesem Zusammenhang auf die „Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden“ (BT-Drucks. 14/8524 aaO) ab.

(3) Die im VStGB normierten Verbrechen unterliegen nach der Intention des Gesetzgebers gemäß § 1 Satz 1 VStGB dem Weltrechtsprinzip. Grundlage hierfür ist, dass sie sich „gegen die vitalen Interessen der Völkergemeinschaft“ richten, grenzüberschreitenden Charakter haben und - gemäß der Präambel zum IStGHSt - „die schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren," betreffen (vgl. BT-Drucks. 14/8524 S. 14). Dies hebt die besondere Bedeutung der Straftatbestände, gerade auch im Vergleich zu nationalstaatlich geregelten Taten, heraus. Zugleich gibt es Anlass, auf eine Auslegung im Einklang mit einem internationalen Rechtsverständnis Bedacht zu nehmen.

(4) Schließlich liegt angesichts der Schwere des Tatvorwurfs und der Höhe der Strafrahmen, gerade im Vergleich zu den Körperverletzungsdelikten nach §§ 223 ff. StGB und zur Aussageerpressung nach § 343 StGB, eine eher restriktive Auslegung nicht fern (vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272 Rn. 48). Indes ist zugleich zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 5 VStGB eine Strafmilderung in minder schweren Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB vorsieht. Demnach bleibt Raum für abgestufte Rechtsfolgenentscheidungen, gerade auch, wenn die Schwelle der Erheblichkeit nur geringfügig überschritten ist. Zudem wird das völkerstrafrechtliche Delikt zusätzlich dadurch geprägt, dass es einen Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt erfordert.

bb) In die Prüfung der Erheblichkeit sind die maßgeblichen Umstände einzubeziehen.

Da Bezugspunkt der Erheblichkeit die körperlichen oder seelischen Schäden oder Leiden sind, sind besonders die tatsächlich hervorgerufenen physischen und psychischen Auswirkungen in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus können etwa die Art der Behandlung und ihres Kontextes, ihre Dauer sowie die Verfassung der Opfer zu berücksichtigen sein (vgl. MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 140; s. auch zu Art. 3 EMRK EGMR, Urteil vom 1. Juni 2010 - 22978/05 - Gäffgen / Deutschland - EuGRZ 2010, 417 Rn. 88, 101; zur Folter nach humanitärem Völkerrecht IStGHJ, Urteil vom 3. April 2007 - IT-99-36-A - Brdanin - Rn. 251 mwN).

b) Nach den aufgezeigten Maßstäben sind die Misshandlungen als erheblich im Sinne des Tatbestandes zu bewerten.

Im Rahmen der Gesamtschau ist dabei insbesondere von Bedeutung, dass die Situation bereits durch Aggressivität geprägt war, als der Angeklagte hinzutrat: Aus dem Vernehmungsraum drangen Schreie, der stellvertretende Kommandeur schlug mit einem Wasserschlauch auf die Gefangenen ein. Dass die Gefangenen auf dem Boden saßen, gefesselt waren und die Augen verbunden hatten, ließ sie insgesamt besonders schutzlos und empfindlich für körperliche sowie seelische Angriffe unabhängig davon erscheinen, ob es sich bei der Sitzposition um eine landestypische Weise und bei der Fesselung sowie dem Verbinden der Augen vorrangig um Maßnahmen zur Eigensicherung der Vernehmenden handelte.

In dieser Lage wurden sie nicht allein körperlich durch mehrere Personen und unter Einsatz eines Wasserschlauches misshandelt. Vielmehr wurde ihnen auch mit erheblichen Folgen gedroht, wie einen Gefangenen „zu zerreißen“ und einen anderen „an Strom anzuschließen“. Die Auswirkung dieser zugleich physischen und psychischen Behandlung auf die Vernommenen wird etwa daran deutlich, dass einer von ihnen zu schluchzen begann. Ein anderer machte schließlich die geforderten Angaben, nachdem er zweimal mit dem Handrücken gegen die Stirn geschlagen, sodann an der Schulter auf den Boden und dort liegend zweimal mit der Faust auf den Kopf geschlagen worden war (vgl. zu erzwungenen Angaben als Ausdruck erheblicher Angst, Qual und seelischen Leidens - in Bezug auf Art. 3 EMRK - EGMR, Urteil vom 1. Juni 2010 - 22978/05 - Gäffgen / Deutschland - EuGRZ 2010, 417 Rn. 89, 103).

Angesichts dieses Gesamtbildes steht der Erheblichkeit hier im Ergebnis nicht entgegen, dass keine blutenden, knöchernen oder sichtbaren Verletzungen eintraten, keine Schmerzenslaute geäußert wurden, keine psychischen Folgeschäden bestanden und das Geschehen in Gegenwart des spontan hinzutretenden Angeklagten nicht länger als fünf Minuten dauerte. Indes sprechen diese Gesichtspunkte dafür, dass die Stufe der Erheblichkeit nur in geringem Maße überschritten ist.

c) Der Vorsatz des Angeklagten muss sich lediglich auf die tatsächlichen Umstände beziehen, welche die Beurteilung der Schäden oder Leiden als erheblich tragen, nicht auf diese Bewertung selbst (vgl. entsprechend zu § 184c StGB aF BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 10. Mai 1995 - 3 StR 150/95, BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 8; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 184h Rn. 10; ähnlich auch zur Bewertung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB BGH, Urteile vom 23. Juni 1964 - 5 StR 182/64, BGHSt 19, 352, 353; vom 4. November 1988 - 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 15; vom 26. März 2015 - 4 StR 442/14, NStZ-RR 2015, 172, 173). Ein solcher Vorsatz ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen.

d) Hinter das speziellere Kriegsverbrechen der Folter tritt ein durch dieselbe Handlung verwirklichtes Kriegsverbrechen der entwürdigenden oder erniedrigenden Behandlung (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB) zurück (vgl. IStGHJ, Urteile vom 16. November 1998 - IT-96-21-T - Mucic - Rn. 442; vom 3. März 2000 - Blaskic - IT-95-14-T - Rn. 154 f.; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1275).

Die Folterungen der drei Gefangenen stellen ein einheitliches Kriegsverbrechen dar. Zwar gelten für das konkurrenzrechtliche Verhältnis mehrerer Kriegsverbrechen gegen Personen die allgemeinen Regeln für Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter; denn der Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt vermag Einzeltaten nicht zu einer Gesamttat im Rechtssinne zu verbinden (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2019 - AK 4/19, BGHR VStGB § 8 Abs. 1 Konkurrenzen 1 Rn. 25 mwN). Die Misshandlung eines Gefangenen wirkte sich aber nach den konkreten Umständen zugleich psychisch auf die anderen beiden daneben Sitzenden aus, so dass eine Teilidentität der Ausführungshandlungen vorliegt und mithin lediglich eine einheitliche Tat gegeben ist (vgl. allgemein etwa BGH, Beschluss vom 4. April 2019 - AK 12/19, juris Rn. 60 mwN).

2. Der Angeklagte hat sich zudem als Mittäter wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB), Nötigung eines Gefangenen zu bestimmten Angaben (§ 240 Abs. 1 StGB) sowie versuchter Nötigung der beiden anderen Gefangenen (§ 240 Abs. 1, 3, §§ 22, 23 StGB) strafbar gemacht.

Diese Gesetzesverletzungen stehen mit dem Kriegsverbrechen der Folter in Tateinheit. Verwirklicht ein Täter durch sein Verhalten sowohl einen Tatbestand des allgemeinen Strafrechts als auch einen Tatbestand des Völkerstrafgesetzbuchs, so gelten die allgemeinen Konkurrenzregeln (BT-Drucks. 14/8524 S. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157 Rn. 50). Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen. Auf diese Weise erfüllt der Schuldspruch seine Klarstellungsfunktion, indem er sämtliche verwirklichten Strafnormen ausdrücklich benennt. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit. Diese ist gegeben, wenn ein Verhalten zwar mehrere Strafvorschriften erfüllt, zur Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat aber die Anwendung bereits eines Tatbestands ausreicht, hinter dem die übrigen Delikte in der Folge zurücktreten (insgesamt dazu BGH, Beschluss vom 29. April 2020 - 3 StR 532/19, NStZ-RR 2020, 243 mwN).

Das Kriegsverbrechen der Folter ist gegenüber der gefährlichen Körperverletzung und der (versuchten) Nötigung weder ein spezielleres Delikt, das alle Merkmale dieser anderen Strafvorschriften aufweist, noch konsumiert es diese Tatbestände, da sie sich nicht im Regelbild der typischen Begleittat halten und einen eigenständigen, über die Haupttat hinausgreifenden Unrechtsgehalt aufweisen (vgl. zu den allgemeinen Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 11. Juni 2020 - 5 StR 157/20, NJW 2020, 2347 Rn. 19 ff. mwN). Denn das Kriegsverbrechen der grausamen oder unmenschlichen Behandlung durch Folter setzt weder eine gefährliche Körperverletzung noch eine (versuchte) Nötigung voraus oder geht mit diesen regelmäßig einher. So reicht das Hervorrufen seelischer Leiden aus. Selbst wenn die Folter darüber hinaus einen zusätzlichen Zweck verlangt (vgl. die entsprechenden „Verbrechenselemente“ gemäß Art. 9 IStGHSt zu Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Nr. ii Variante 1 IStGHSt; s. auch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Antifolterkonvention), braucht dieser nicht in der Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB zu liegen, sondern kann etwa in Bestrafung oder Erniedrigung bestehen.

Die zu Lasten der verschiedenen Gefangenen begangenen Straftaten nach dem Strafgesetzbuch werden hier durch das jeweils tateinheitlich verwirklichte, schwerere Kriegsverbrechen der Folter verklammert. Die Aufnahme gleichartiger Tateinheit in die Entscheidungsformel ist mit Blick auf die Klarheit und Verständlichkeit des Schuldspruchs entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 54/16, NStZ-RR 2016, 274, 275).

II. Der Rechtsfolgenausspruch hat allein in Bezug auf die Einzelstrafe Bestand, welche die Behandlung des Leichnams betrifft. Im Ãœbrigen ist er aufzuheben.

1. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der davon betroffenen Einzelstrafen im Fall II. B. 1. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich und lässt die Grundlage für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung entfallen. Mithin bedarf es hierzu keiner Ausführungen.

Die zugrundeliegenden Feststellungen können bestehen bleiben, da sie nicht durch Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO) und von der Beweiswürdigung getragen werden. Dies gilt auch für die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu dem eingesetzten Wasserschlauch (s. allgemein zum gefährlichen Werkzeug gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB BT-Drucks. 13/9064 S. 9; BGH, Beschluss vom 22. März 2017 - 3 StR 475/16, juris Rn. 17 mwN; zudem BGH, Urteil vom 13. Januar 2006 - 2 StR 463/05, juris Rn. 7, 19; Beschluss vom 25. November 1986 - 4 StR 605/86, StV 1988, 62 f. mit kritischer Anmerkung Rolinski; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Juni 1952 - 1 StR 708/51, BGHSt 3, 105, 109). Es hat zu möglich erscheinenden Verletzungsfolgen einen Rechtsmediziner als Sachverständigen gehört und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen hinreichend dargelegt. In diesem Zusammenhang sind die zusätzlich aufgeführten Erwägungen des Tatgerichts, dass wegen des um den Kopf gebundenen Tuches eine Verletzung etwa der Augen selbst bei einem Fehlgehen der Schläge nicht zu erwarten gewesen sei, revisionsrechtlich noch hinzunehmen.

2. Hinsichtlich der bestehenbleibenden Einzelstrafe im Fall II. B. 2 von einem Jahr und vier Monaten erhellt der Zusammenhang der Urteilsgründe hinreichend, dass das Oberlandesgericht die im Einzelnen aufgeführten Aspekte tatsächlich abgewogen hat (vgl. demgegenüber zu einem besonders gelagerten Einzelfall BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - 3 StR 28/11, NStZ-RR 2011, 284 f.).

Soweit der Generalbundesanwalt beanstandet, das Oberlandesgericht habe bestimmte Umstände nicht als strafschärfend berücksichtigt, handelt es sich wie auch bei den weiteren Beanstandungen im Wesentlichen um abweichende Bewertungen gegenüber denjenigen, welche das dazu berufene Tatgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen hat.

D.

Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil erbracht. Einen solchen ergibt die Revision des Generalbundesanwalts ebenfalls nicht (§ 301 StPO). Insoweit ist allein Folgendes auszuführen:

I. Ein - völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes - Kriegsverbrechen gegen Personen durch eine in schwerwiegender Weise entwürdigende oder erniedrigende Behandlung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB kann auch an einer verstorbenen Person begangen werden (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272 Rn. 16 ff.; zustimmend Werle/Epik, JZ 2018, 261, 262; ablehnend dagegen Ambos, NJW 2017, 3672; kritisch auch Bock/Bülte, HRRS 2018, 100). Hieran ändert nichts, dass aufgrund des Neunundfünfzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075) in § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB nF nunmehr ausdrücklich Bildaufnahmen verstorbener Personen geregelt sind und die Begründung des Gesetzentwurfs davon ausging, verstorbene Personen gehörten nach zuvor geltendem Recht nicht zum geschützten Personenkreis des § 201a StGB (s. BT-Drucks. 19/17795 S. 1, 9). Die Normen stehen jeweils in einem unterschiedlichen Sachzusammenhang und beruhen auf einer gesonderten Gesetzgebungsentwicklung (vgl. zu § 201a StGB etwa LK/Valerius, StGB, 12. Aufl., § 201a Rn. 10 mwN; zu § 8 VStGB BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17 aaO Rn. 19 ff.).

Die Behandlung des Getöteten war zudem insgesamt schwerwiegend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB (s. zu den Maßstäben BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272 Rn. 48 ff.).

II. Es handelt sich angesichts des sowohl im Rubrum als auch in den Feststellungen genannten Jahres 1992 sowie des weiteren Urteilszusammenhangs um ein evidentes Fassungsversehen, dass im Rahmen der Beweiswürdigung das Geburtsjahr des Angeklagten an einer Stelle mit "1995" angegeben wird und er demnach bei den Taten noch Heranwachsender gewesen wäre.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 315

Externe Fundstellen: BGHSt 65, 286; NJW 2021, 1326; StV 2021, 549

Bearbeiter: Christian Becker