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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1116

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 206/21, Beschluss v. 01.07.2021, HRRS 2021 Nr. 1116


BGH 1 StR 206/21 - Beschluss vom 1. Juli 2021 (LG Kempten)

Ausschluss bzw. Verminderung der Schuldfähigkeit wegen einer psychischen Störung (erforderliche Darstellungen im Urteil).

§ 20 StGB; § 21 StGB; § 261 Abs. 1 Satz 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Für die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, ist nicht nur die Feststellung erforderlich, dass bei diesem eine psychische Störung vorlag, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist, sondern es sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Erforderlich ist eine konkretisierende und widerspruchsfreie Darstellung dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf dessen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 11. März 2021 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und ihn im Übrigen freigesprochen. Die gegen die Anordnung der Unterbringung gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte bereits seit dem Jahr 2009 an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (ICD-10: F20.04) erkrankt, die seither Grund für eine Vielzahl von stationären Aufenthalten des Angeklagten in psychiatrischen Einrichtungen war. Zudem ist der Angeklagte alkoholabhängig im Sinne von ICD-10: F10.2.

Im Zeitraum April und Mai 2020 beging der Angeklagte folgende Taten:

1. Am 22. April 2020 begab sich der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand zu dem Apartment der ihm von einem früheren Klinikaufenthalt bekannten Geschädigten B., die zu dieser Zeit in einer Obdachlosenunterkunft lebte, und wollte sich Zutritt zu diesem verschaffen. Die Geschädigte wünschte dies nicht und versuchte, den Zutritt des Angeklagten zu ihrem Apartment abzuwehren, indem sie sich mit aller Kraft von innen gegen die unverschlossene Zimmertür stemmte, die der Angeklagte unter Überwindung ihrer Gegenwehr öffnen wollte. Beim gewaltsamen Aufdrücken der Zimmertür strich der Angeklagte der Geschädigten bewusst und zielgerichtet gegen deren Willen in einer halbkreisförmigen Bewegung zweimal über die Brüste und zwischen die Beine. Dabei schrie er wiederholt: „Ich ficke und fessle dich! Du kommst hier nicht lebend raus!“ Die Geschädigte nahm die Drohung ernst (Fall B.I.1. der Urteilsgründe).

Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war zur Tatzeit aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankung sicher erheblich beeinträchtigt sowie aufgrund dieser Erkrankung und seiner zusätzlichen nicht unerheblichen Alkoholisierung nicht ausschließbar vollständig aufgehoben.

2. Am 18. Mai 2020 umfasste der erheblich alkoholisierte Angeklagte in der Fußgängerzone in K. den sechsjährigen M. gegen 14.15 Uhr unvermittelt von hinten auf Brusthöhe fest mit beiden Armen, um eine Gegenwehr des Kindes zu verhindern und dieses zu drücken und zu küssen. Bevor es zu weiteren Tathandlungen des Angeklagten kommen konnte, entriss die Großmutter des Kindes ihren Enkel den Armen des Angeklagten und schrie ihn an. Dieser äußerte darauf, er habe ja „nur knuddeln“ wollen (Fall B.I.2. der Urteilsgründe).

3. Am selben Tag trat der Angeklagte gegen 15.30 Uhr in der Fußgängerzone an den zwölfjährigen S. heran, der sich dort mit seinem Freund H. aufhielt, umfasste ihn unvermittelt von hinten auf Brusthöhe fest mit beiden Armen, um seine Gegenwehr zu verhindern, und küsste ihn mindestens zweimal auf die linke Halsseite. Dabei flüsterte er dem Kind zwischen den beiden Küssen leise „psst“ und „sei leise“ ins Ohr. Auf die Gegenwehr des Kindes umarmte der Angeklagte dieses noch fester. Dennoch gelang es S. schließlich, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien. Hierauf ging der Angeklagte mit ausgebreiteten Armen auf das Kind H. zu. Dieser wich jedoch zurück, fragte den Angeklagten, was das solle, und wies ihn auf die geltenden coronabedingten Abstandsregeln hin, worauf sich der Angeklagte entfernte. Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten betrug zur Tatzeit maximal 3,29 Promille (Fall B.I.3. der Urteilsgründe).

Der Geschädigte S. empfand nicht nur nach der Tat großen Ekel, sondern litt seit dem Vorfall unter anderem an Schlafstörungen, Panikattacken, aggressiven Durchbrüchen und einem extremen Waschzwang, dessen Behandlung einen zweiwöchigen stationären Aufenthalt im J. erforderlich machte.

In den Fällen B.I.2. und 3. der Urteilsgründe war der Angeklagte aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankung und seiner erheblichen Alkoholisierung nicht in der Lage, das Unrecht seines Verhaltens einzusehen.

II.

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 Satz 1 StGB) hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Die Annahme des Landgerichts, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei im Fall B.I.1. der Urteilsgründe krankheits- und alkoholbedingt nicht ausschließbar aufgehoben, jedenfalls aber wegen der psychiatrischen Erkrankung des Angeklagten sicher erheblich beeinträchtigt gewesen, ist nicht tragfähig belegt. Gleiches gilt für die Annahme, der Angeklagte habe in den Fällen B.I.2. und 3. der Urteilsgründe aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankung und seiner Alkoholisierung keine Einsicht in das Unrecht seines Verhaltens gehabt.

a) Für die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, ist nicht nur die Feststellung erforderlich, dass bei diesem eine psychische Störung vorlag, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist, sondern es sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2019 - 2 StR 362/19 Rn. 5; vom 11. April 2018 - 4 StR 446/17 Rn. 7; vom 14. Juli 2016 - 1 StR 285/16 Rn. 7 und vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13 Rn. 7; Urteil vom 1. Juli 2015 - 2 StR 137/15 Rn. 17). Erforderlich ist eine konkretisierende und widerspruchsfreie Darstellung dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf dessen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2019 - 2 StR 362/19 Rn. 5; vom 24. Oktober 2018 - 1 StR 457/18 Rn. 10 und vom 4. April 2018 - 1 StR 116/18 Rn. 6; jew. mwN).

b) Diesen Anforderungen genügt die landgerichtliche Beweiswürdigung weder mit Blick auf das von der Strafkammer bei der Tat B.I.1. der Urteilsgründe als nicht ausschließbar angenommene Fehlen der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) noch hinsichtlich einer zumindest erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB. Denn hieraus lässt sich nicht erkennen, wie sich die psychische Störung des Angeklagten bei der Begehung der Tat konkret auf dessen Handlungsmöglichkeiten ausgewirkt hat. Die vom Landgericht in Bezug genommene Äußerung des Sachverständigen, aufgrund der langjährigen psychiatrischen Erkrankung des Angeklagten, die bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsgefüges geführt habe, sei sicher von dessen erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit, unter Berücksichtigung der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten aber auch nicht ausschließbar von einer aufgehobenen Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit auszugehen (UA S. 21 f.), ist für die Frage der konkreten Auswirkung der psychischen Defekte des Angeklagten auf die Tat unergiebig. An nachvollziehbaren Ausführungen zur konkreten Auswirkung der psychiatrischen Erkrankung des Angeklagten auf das Tatgeschehen fehlt es. Die Strafkammer hat insbesondere nicht in den Blick genommen, ob die Tat auch normalpsychologisch oder allein mit der akuten Alkoholisierung des Angeklagten erklärbar sein könnte.

Soweit das Landgericht aufgrund der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen zur Frage eines symptomatischen Zusammenhangs zugrunde gelegt hat, der Angeklagte habe als Folge seiner krankheitsbedingt erheblich reduzierten sozialen Kompetenz soziale Beziehungen nicht in adäquater Weise aufnehmen und halten sowie mit seiner Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Nähe und Sex einerseits sowie mit der Sehnsucht nach seinem Sohn andererseits nicht umgehen können, wobei sich die Alkoholintoxikationen zu den Tatzeiten zusätzlich enthemmend auf dessen Fühlen und Denken ausgewirkt hätten (UA S. 29, vgl. auch UA S. 33), besagt auch dies nichts über konkrete Krankheitssymptome, die Einfluss auf die das Tatgeschehen betreffende Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hätten haben können. Gleiches gilt für die Annahme, der Angeklagte habe krankheitsbedingt keinen „normalen“ sexuellen Kontakt zu einer Frau aufnehmen können, was sich in der gewaltsamen Annäherung gegenüber der Geschädigten B. geäußert habe (UA S. 29). Denn dies beschreibt lediglich die krankheitsbedingte Grundsituation des Angeklagten, gibt aber keine Auskunft über die Auswirkungen der psychiatrischen Erkrankung auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung.

Für die Annahme einer zumindest sicher erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit ist auch die festgestellte Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau ausreichend, nachdem deren konkrete Ausprägung nicht feststellbar war, zumal die diesbezüglichen Feststellungen auch nicht frei von Widersprüchen sind (vgl. UA S. 15 f. und 27: leichte bis mittelschwere Alkoholintoxikation bei der Tat B.I.1. der Urteilsgründe einerseits, UA S. 27: schwere Alkoholintoxikation zur Tatzeit andererseits).

c) Auch bezüglich der Taten vom 18. Mai 2020 wird aus den Ausführungen des Landgerichts nicht deutlich, wie sich die psychiatrische Erkrankung und die Alkoholisierung des Angeklagten auf dessen Einsichtsfähigkeit bei den Taten tatsächlich auswirkten. Das Landgericht hat hierzu wiederum die Ausführungen des zu Rate gezogenen psychiatrischen Sachverständigen referiert, wonach aufgrund des von Wahnvorstellungen und verlorenen „Ich-Grenzen“ geprägten Zustands des Angeklagten nach dem Tattag davon auszugehen sei, dass dieser psychotische Grundzustand bereits am Tattag bestanden habe, und wonach Menschen, die unter einem Wahn litten und ihren Wahnideen zumindest teilweise ausgeliefert seien, nicht über Recht und Unrecht reflektieren könnten und unfähig seien, ihr Handeln von allgemeinverbindlichen Rechtsgedanken leiten zu lassen, selbst wenn sie nicht immer den Wahngedanken oder dem Befehl imperativer Stimmen folgen würden (UA S. 20). Es sei davon auszugehen, dass der Angeklagte zur Tatzeit am 18. Mai 2020 wegen seiner krankheitsbedingt veränderten Denkmuster, die ihm eine vernünftige Handlungsplanung nicht möglich machten (UA S. 28), wegen der zu dieser Zeit vorliegenden akuten Psychose und des daneben bestehenden schweren Rauschzustands nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Unrecht seiner Taten einzusehen (UA S. 21). Insbesondere sei der Angeklagte krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, mit seinem natürlichen Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Nähe und der Sehnsucht nach seinem Sohn umzugehen (UA S. 28, 29).

Aus diesen allgemeinen, von der Strafkammer aufgegriffenen Ausführungen wird indes nicht deutlich, warum die Einsicht des Angeklagten in das Unrecht der am 18. Mai 2020 konkret begangenen Taten gefehlt haben sollte. Insbesondere ist schon nicht festgestellt, dass zur Tatzeit Wahnvorstellungen oder sonstige akute Krankheitssymptome den Angeklagten beeinflussten, die irgendeinen Bezug zum Tatgeschehen gehabt hätten. Dass der Angeklagte Sehnsucht nach seinem Sohn gehabt habe, krankheitsbedingt aber nicht in der Lage gewesen sei, einen Besuch zu organisieren, und daher andere Kinder habe umarmen wollen (UA S. 24, 29), belegt eine fehlende Unrechtseinsicht des Angeklagten nicht. Eine keineswegs fernliegende normalpsychologische Erklärung für das Verhalten des Angeklagten nimmt die Kammer auch insoweit nicht in den Blick. Zudem hat sich das Landgericht wiederum nicht damit auseinandergesetzt, ob das Verhalten des Angeklagten allein mit der akuten alkoholbedingten Enthemmung des Angeklagten erklärbar sein könnte. Mit Blick auf die Einlassung des Angeklagten, er sei nach dem vorangegangenen Alkoholkonsum emotional überschwänglich geworden, ihn hätten väterliche Gefühle übermannt (UA S. 17), erscheint dies nicht ausgeschlossen; es hätte daher einer Auseinandersetzung damit bedurft, ob allein die Alkoholisierung zur Tatzeit und die hierdurch eingetretene Enthemmung, nicht aber die psychiatrische Erkrankung des Angeklagten im Tatgeschehen ursächlich geworden sein könnte.

Die Überlegung des Landgerichts, das Flüstern der Worte „Psst, sei leise“ in das Ohr des S. zwischen den beiden Küssen auf dessen Hals müsse nicht als Anhalt für dessen Einsichtsfähigkeit interpretiert werden, sondern könne auch dafür sprechen, dass der Angeklagte eine Störung seiner Annäherung habe vermeiden wollen (UA S. 22), ist für die Frage des Fehlens einer Unrechtseinsicht des Angeklagten unergiebig. Auch die erhebliche Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit macht eine fehlende Unrechtseinsicht des Angeklagten - für sich betrachtet und in der Gesamtschau - nicht erklärlich. Dies gilt nicht nur in Anbetracht der erheblichen Alkoholgewöhnung des Angeklagten, sondern insbesondere auch deshalb, weil unter den gegebenen Umständen und nach der Aussage des Sachverständigen zum Symptomcharakter der Taten, dem Angeklagten sei aufgrund der krankheitsbedingt veränderten Denkmuster eine vernünftige Handlungsplanung nicht mehr möglich (UA S. 28), insbesondere sei dem Angeklagten krankheitsbedingt nicht mehr möglich gewesen, mit seiner Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Nähe und insbesondere nach seinem Sohn umzugehen (UA S. 28 f.), Defizite in der Steuerungsfähigkeit nahegelegen hätten, womit sich indes weder die Strafkammer noch der von ihr zu Rate gezogene Sachverständige auseinander gesetzt hat.

2. Auf die Frage, ob ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der psychiatrischen Erkrankung des Angeklagten und den vom Landgericht zu Lasten des Angeklagten als sexuelle Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung (§ 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, § 241 StGB - Fall B.I.1. der Urteilsgründe), als sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung (§ 176 Abs. 1, 177 Abs. 1 StGB - Fall B.I.3. der Urteilsgründe) und als Nötigung (§ 240 StGB - Fall B.I.2. der Urteilsgründe) gewerteten Taten hinreichend belegt ist, kommt es danach nicht mehr an.

3. Die der Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen sind - mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen - von den zur Aufhebung führenden Rechtsfehlern betroffen und haben daher ebenfalls keinen Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

4. Über die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und den Freispruch im Übrigen muss nach alledem - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) - neu entschieden werden. Dabei wird das neue Tatgericht gegebenenfalls in den Blick zu nehmen haben, ob zwischen einer etwa festzustellenden Persönlichkeitsdepravation und den Anlasstaten ein symptomatischer Zusammenhang bestehen könnte.

Das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der Aufhebung des Freispruchs nicht entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ermöglicht es, in einer neuen Hauptverhandlung anstelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen. Daraus folgt, dass auf die Revision des Angeklagten ein mit der Maßregelanordnung ergangenes freisprechendes Erkenntnis ebenfalls aufgehoben werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2021 - 3 StR 408/20 Rn. 17; Beschlüsse vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1 und vom 18. September 2019 - 3 StR 337/19 Rn. 14 ff.).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1116

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 367; StV 2022, 284

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede