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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1097

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 188/21, Beschluss v. 01.09.2021, HRRS 2021 Nr. 1097


BGH 5 StR 188/21 - Beschluss vom 1. September 2021 (LG Berlin)

BGHSt; Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel bei Stellung eines Beweisantrags (Begründungsanforderungen; Zeugenbeweis; Plausibilität; fortgeschrittene Beweisaufnahme; gegenläufige Beweisergebnisse; erweiterte Konnexität).

§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO

Leitsätze

1. Zum Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel nach der Neufassung von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO („Konnexität“; Aufgabe von BGHSt 52, 284). (BGHSt)

2. Das Merkmal der „Konnexität“ zwischen Beweistatsache und Beweismittel ist regelmäßig erfüllt, wenn aus dem Beweisantrag selbst klar wird, weshalb das Beweismittel die Beweistatsache belegen können soll. Beim Zeugenbeweis fordert das Merkmal, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt oder eine Akte gelesen hat. Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel von selbst versteht, etwa wenn ein Telefongespräch bewiesen werden soll, das der Zeuge selbst geführt hat, oder ein Treffen mit dem Zeugen unter Beweis gestellt wird, das dieser aus eigenem Erleben schildern kann. (Bearbeiter)

3. Nur dann, wenn ein entsprechender Zusammenhang nicht auf der Hand liegt, sind weitere Ausführungen im Beweisantrag notwendig. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Je nach Sachlage kann es dabei erforderlich sein, die Wahrnehmungssituation des Zeugen vor Ort ganz konkret zu benennen, etwa wenn es um länger andauernde Geschehensabläufe geht. (Bearbeiter)

4. Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung können dagegen vom Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden. Insbesondere muss sich der Beweisantrag regelmäßig nicht auch zu solchen Umständen verhalten, die ihn bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit gegenläufigen Beweisergebnissen dennoch plausibel erscheinen lassen (sog. „qualifizierte Konnexität“). Grenzen werden insoweit lediglich durch das Merkmal der Ernsthaftigkeit (vgl. dazu näher BGH HRRS 2021 Nr. 446) und eine Antragstellung in Verschleppungsabsicht (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO) gezogen. (Bearbeiter)

5. Das Beweisantragsrecht garantiert den Verfahrensbeteiligten als Ausgleich für die dominierende Stellung des die Beweisaufnahme bestimmenden Gerichts ein starkes Teilhaberecht am Prozess der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung. Es sichert die Subjektstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und ist eines der zentralen Rechte des Angeklagten und der Verteidigung. Den Verfahrensbeteiligten muss es auch möglich sein, solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, deren Bestätigung durch das Beweismittel lediglich vermutet oder für möglich gehalten wird. Zudem ist das Beweisantragsrecht vom Verbot der Beweisantizipation geprägt. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2020 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Adhäsionsausspruch zu Ziffer 7 des Tenors wie folgt lautet: Es wird festgestellt, dass der Angeklagte M. gesamtschuldnerisch verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm künftig infolge der zu seinem Nachteil begangenen Tat vom 29. November 2019 entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden; im Übrigen wird insoweit von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels, die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger durch sein Rechtsmittel im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Der Antrag des Angeklagten P., ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionseinlegungsfrist zu gewähren, wird als unzulässig verworfen. 3. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das oben genannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft.

Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten M. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren, den Angeklagten P. wegen „Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Revision des Angeklagten P. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten M. führt zu einer geringfügigen Änderung eines Teils des Adhäsionsausspruchs; im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

I.

Die Adhäsionsentscheidung betreffend den Angeklagten M. war hinsichtlich des Feststellungsausspruchs dahingehend zu korrigieren, dass dieser nur zukünftige Schäden erfasst (vgl. näher Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

II.

Der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten P. geht ins Leere, denn er hat fristgemäß Revision eingelegt; dies führt zur Unzulässigkeit seines Antrags (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - 2 StR 511/18, BGHR StPO § 341 Frist 2).

III.

Die Rüge des Angeklagten P., das Gericht habe durch die Ablehnung eines Beweisantrags § 244 Abs. 3 StPO verletzt, hat Erfolg.

1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

a) Die Verteidigung des Angeklagten P. stellte in der seit Anfang Juni 2020 laufenden Hauptverhandlung am 1. September 2020 den Antrag, den Zeugen R. zum Beweis der Tatsache zu hören, dass er im November 2019 zwei Anrufe von dem Nebenkläger M. S. erhalten habe. Dieser habe beim ersten Telefonat eine Rechtsauskunft eingeholt und ihm bei dem zweiten Anruf erzählt, er sei von einem persischen Immobilienmakler bedroht worden.

b) Hintergrund des Antrags war, dass der Angeklagte M. persischer Herkunft ist und sich nach Zeugenaussagen für ein oder mehrere Immobiliengeschäfte interessiert haben soll. Der nach den Urteilsfeststellungen von dem Angeklagten M. angeschossene Nebenkläger M. S. war bei dem Finanzdienstleister M. in B. tätig. Deren Compliance-Abteilung hatte am 16. Dezember 2019 (zweieinhalb Wochen nach der Tat) gegenüber der Polizei angezeigt, dass der im Beweisantrag benannte Zeuge R. aus der Rechtsabteilung der Zentrale von M. vor wenigen Wochen zwei Telefonate mit einem Berater des Unternehmens „Mi.“ (derselbe Vorname wie der des Nebenklägers) aus B. geführt habe. Dieser Berater habe sich eine Rechtsauskunft eingeholt und beim zweiten Anruf erzählt, dass er am Telefon von einem persischen Immobilienmakler bedroht worden sei.

Nach einem Ermittlungsvermerk des Zeugen KHK Me. hatte der Zeuge R. ihm gegenüber in einem Telefonat am 16. Dezember 2019 angegeben, sich an zwei Telefonate im November 2019 zu erinnern. In dem ersten habe ein M. -Berater namens „Mi.“ aus B. ihn um Rat gefragt, weil ein M. -Kunde bei einem Immobilienkauf Unstimmigkeiten mit dem Verkäufer gehabt habe; da dieser Verkauf extern abgewickelt worden sei, habe er - der Zeuge R. - dahingehend informiert, dass dies nicht Sache von M. sei. Ein bis zwei Wochen später habe der M. -Berater „Mi.“ erneut angerufen und erklärt, nun habe sich der Immobilienmakler bei ihm beschwert und die Herausgabe einer Erklärung gefordert; zudem habe dieser ihm gedroht, er sei persischer Herkunft und habe viele Freunde, er werde schon sehen, was er davon habe. Zudem hatte der Zeuge R. gegenüber KHK Me. erklärt, er kenne den Nebenkläger seit Jahren telefonisch als M. -Berater, könne sich aber an Telefonate mit ihm in den letzten Wochen nicht erinnern.

Der Nebenkläger hatte am selben Tag auf telefonische Anfrage des KHK Me. angegeben, in den letzten Monaten nicht mit dem Zeugen R. telefoniert zu haben. Recherchen führten in den Folgetagen zur Namhaftmachung zweier weiterer Mitarbeiter von M. in B. mit dem Vornamen Mi. Auch diese beiden gaben an, nicht mit dem Zeugen R. gesprochen zu haben. Technisch ließen sich die vom Zeugen R. berichteten Telefonate mangels Speicherung interner Telefonate nicht nachvollziehen. Auf Vorhalt dieser Erkenntnisse durch den Zeugen KHK Me. blieb der Zeuge R. bei seinen Angaben und erklärte, dass der Kollege aus B. gewesen sei, habe sich aus einem kurzen Gespräch über die dortige „Clan-Kriminalität“ ergeben.

c) Ziel des Beweisantrages war, eine eigenständige geschäftliche Beziehung zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten M. zu belegen. In Anklageschrift und Urteil wird als Beleg für die Teilnahme des Angeklagten P. am versuchten Mord des Angeklagten M. zum Nachteil des Nebenklägers u.a. angegeben, es gebe keine eigenständige Verbindung zwischen M. und dem Nebenkläger, diese ergebe sich zwingend nur über den Angeklagten P., der - anders als M. - ein Motiv zur Tötung des Nebenklägers gehabt habe. Zudem sollte mit dem Beweisantrag die Glaubwürdigkeit des Nebenklägers erschüttert werden, der zuvor in der Hauptverhandlung in Abrede gestellt hatte, die beiden Telefonate mit dem Zeugen R. geführt zu haben.

d) Nach Stellung des Beweisantrags äußerte sich die Staatsanwaltschaft dazu und verwies auf den genannten Vermerk des Zeugen KHK Me., der zu einem anderen Ergebnis gelangt sei. Anschließend fragte der Vorsitzende den Verteidiger des Angeklagten P., ob dieser über den Inhalt des von KHK Me. gefertigten Vermerks hinaus weitergehende Kenntnisse habe. Dies verneinte der Verteidiger, fügt aber hinzu, dass er davon ausgehe, dass der Zeuge bei einer direkten Befragung in der Hauptverhandlung die Beweistatsache bestätigen werde. KHK Me. könne den Zeugen bei seiner telefonischen Befragung missverstanden haben. Ausweislich des Vermerks sei der Zeuge R. trotz Vorhalts entsprechend negativer Ermittlungen bei seinen Angaben geblieben.

e) Die Schwurgerichtskammer lehnte die begehrte Beweiserhebung mit Beschluss ab und begründete dies wie folgt:

Es handele sich bei dem Antrag nicht um einen Beweisantrag. Im Antrag werde entgegen § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht dargelegt, welche Tatsachen die Kammer zu der Annahme drängen sollten, der Zeuge werde etwas ganz anderes als in der bisherigen Beweisaufnahme festgestellt sagen. Der Zeuge KHK Me. habe in der Hauptverhandlung so ausgesagt, wie er es in dem genannten Vermerk niedergelegt habe. Danach habe der Zeuge R. gerade nicht erklärt, der Nebenkläger habe ihn angerufen. Ein Irrtum oder Missverständnis, das aufzuklären wäre, läge bei diesem klaren Sachverhalt fern. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Zeuge R. den Zeugen KHK Me. anlügen solle. Zudem passe die Beweistatsache nicht zum Ergebnis der bisherigen Beweiserhebung, denn diese habe gerade nicht ergeben, dass der Angeklagte M. im Jahr 2019 ein Grundstücksgeschäft abgeschlossen habe. Weil sich auch sonst keine Anhaltspunkte für die von der Verteidigung beantragte Beweiserhebung ergäben, sei auch die Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO nicht berührt. Die Verteidiger des Angeklagten P. erklärten daraufhin, dass sie den Beschluss für falsch hielten, weil es Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Nebenkläger der Anrufer gewesen sei. Die Kammer blieb bei ihrem Beschluss.

2. Die zulässig erhobene Rüge ist begründet.

a) Das Gericht hat durch die Bescheidung des Antrags § 244 Abs. 3 StPO verletzt.

aa) Entgegen der Auffassung der Schwurgerichtskammer handelt es sich bei dem Antrag um einen Beweisantrag.

Ein solcher liegt nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

(1) In dem Antrag wird sowohl eine für den Schuldspruch relevante konkrete Beweistatsache bestimmt behauptet (zwei Telefonate des Nebenklägers mit dem Zeugen R. im November 2019) als auch ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet (Zeuge R.). Dem Antrag mangelt es weder an der „Konnexität“ zwischen Beweismittel und Beweistatsache (2) noch an der gebotenen Ernsthaftigkeit (3).

(2) Aus dem Beweisantrag ergibt sich ohne weiteres, weshalb das Beweismittel (Zeuge R.) die behauptete Beweistatsache bekunden können soll (Telefonate mit dem Nebenkläger). Damit wird er den bislang ganz überwiegend an die „Konnexität“ zwischen Beweistatsache und Beweismittel gestellten Anforderungen gerecht.

Danach muss aus dem Beweisantrag selbst klar werden, weshalb das Beweismittel die Beweistatsache belegen können soll. Dies betrifft in aller Regel den Zeugenbeweis. Das Merkmal der „Konnexität“ (im bislang überwiegend verstandenen Sinne) fordert, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt oder eine Akte gelesen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21; vom 8. Juli 2014 - 3 StR 240/14, NStZ 2015, 295; vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, NStZ 2011, 169 f.; vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09, StraFo 2010, 152; Urteile vom 14. August 2008 - 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171; vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585; vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 ff.; vom 8. Dezember 1993 - 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 6; hierzu näher auch Widmaier, NStZ 1993, 602, 603; Senge, NStZ 2002, 225, 230 f.; Schneider in FS Eisenberg, 2009, 609, 618 ff.; Knauer, StraFo 2012, 475; Hadamitzky, StraFo 2012, 297, 302 ff.; Rose, NStZ 2014, 128; LRStPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 113 f.; MüKoStPO/Trüg/Habetha, § 244 Rn. 134 ff.; KKStPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn. 82 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 21a ff.; SSWStPO/Sättele, 4. Aufl., § 244 Rn. 99; Dallmeyer in Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 7. Aufl., Rn. 121 ff. jeweils mwN).

Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel - wie in vielen Fällen - von selbst versteht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 282), etwa wenn - wie hier - ein Telefongespräch bewiesen werden soll, das der Zeuge selbst geführt hat, oder ein Treffen mit dem Zeugen unter Beweis gestellt wird, das dieser aus eigenem Erleben schildern kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 47; vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21). Nur dann, wenn ein solcher Zusammenhang nicht auf der Hand liegt, sind weitere Ausführungen im Beweisantrag notwendig. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351). Je nach Sachlage kann es dabei erforderlich sein, die Wahrnehmungssituation des Zeugen vor Ort ganz konkret zu benennen, etwa wenn es um länger andauernde Geschehensabläufe geht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2020 - 4 StR 640/19). Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung können dagegen vom Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 47; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 21c).

Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass sich der Beweisantrag darüber hinaus auch zu solchen Umständen verhalten muss, die ihn bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit gegenläufigen Beweisergebnissen dennoch plausibel erscheinen lassen - was sich insbesondere aus der Ablehnungsbegründung ergibt: es sei nicht dargelegt, warum der Zeuge „etwas ganz anderes als in der bisherigen Beweisaufnahme festgestellt, aussagen“ werde -, trifft dies nicht zu. Denn solche weitergehenden Anforderungen an die Konnexität, die die vom Landgericht vorgenommene Einstufung als bloßen Beweisermittlungsantrag rechtfertigen könnten, werden von Gesetzes wegen nach der umfassenden Neuregelung des Beweisantragsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) nicht gestellt.

(a) Der Gesetzestext des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO („weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll“) legt nach seinem Wortlaut nicht nahe, dass der Antragsteller über die Darlegung der Konnexität im bezeichneten Sinne hinaus weitergehende Umstände vortragen müsse, die seinen Antrag - etwa bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit bislang gegenteiligen Beweisergebnissen - „plausibel“ erscheinen lassen (vgl. demgegenüber aber - sogenannte „qualifizierte Konnexität“ - BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284; Beschluss vom 24. Juni 2008 - 5 StR 238/08; vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, NStZ 2011, 169 f.; kritisch gegenüber dieser Erweiterung des Konnexitätserfordernisses BGH, Urteil vom 14. August 2008 - 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171; Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; LRStPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 113; MüKoStPO/Trüg/Habetha, § 244 Rn. 136; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 21c; KKStPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn. 82; SKStPO/Frister, 5. Aufl., § 244 Rn. 57; Ventzke, NStZ 2011, 301; ders. StV 2009, 655, 657 f.; Schneider, NStZ 2012, 169; ders. FS Eisenberg, 2009, 609, 628 f.; Beulke/Witzigmann, StV 2009, 58; Fezer, HRRS 2008, 457, 458 f.; Habetha/Trüg, GA 2009, 406, 420 f.; Trüg StV 2013, 66; ders., StraFo 2010, 139; Jahn StV 2009, 663, 664 f.; Sturm, StraFo 2009, 410; Eidam, JR 2008, 520).

(b) Diese Auslegung des Konnexitätsmerkmals entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Ausweislich der Gesetzgebungsgeschichte und der Gesetzesmaterialen hat er bei der Normierung des Merkmals „weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll“ lediglich die „Konnexität“ im zuerst genannten, nicht aber diejenige im „qualifizierten“ Sinne im Blick gehabt (ausführlich Schäuble, NStZ 2020, 377, 379; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 21c; Güntge, StraFo 2021, 92, 97 f.). Dies wird durch seine lediglich auf solche Konstellationen abstellenden Formulierungen in den Gesetzesmaterialien deutlich. Darin heißt es (BT-Drucks. 19/14747 S. 33 f.): „Um solchen Beweisbehauptungen zu begegnen, die überhaupt nicht erkennen lassen, in welcher Weise das benannte Beweismittel zur Klärung der Beweisbehauptung beitragen kann, soll auch die Rechtsprechung zur sogenannten ‚Konnexität‘ eines Beweisantrags ins Gesetz übernommen werden (vergleiche BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9 f.; Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10, StraFo 2010, 466). Der Beweisantrag muss danach den erforderlichen Zusammenhang (‚Konnexität‘) zwischen Beweismittel und Beweistatsache erkennen lassen. In der Begründung des Beweisantrags soll ein nachvollziehbarer Grund dafür anzugeben sein, weshalb mit dem bezeichneten Beweismittel die Beweisbehauptung nachgewiesen werden kann (vergleiche BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, NStZ 2011, 169 f. mit weiteren Nachweisen), wenn sich dies nicht ohnehin von selbst versteht. Dem Beweisantrag soll beispielsweise zu entnehmen sein, weshalb ein Zeuge die Beweisbehauptung aus eigener Wahrnehmung bestätigen können soll. Dadurch soll den Gerichten schon von Gesetzes wegen insbesondere der Umgang mit solchen Beweisersuchen erleichtert werden, die die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnen, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder die keinen konkreten Zusammenhang des bezeichneten Beweismittels mit der Beweistatsache aufweisen.“

(c) Eine derartige Auslegung wird auch der Systematik und den Prinzipien des Beweisantragsrechts gerecht. Das Beweisantragsrecht garantiert den Verfahrensbeteiligten als Ausgleich für die dominierende Stellung des die Beweisaufnahme bestimmenden Gerichts ein starkes Teilhaberecht am Prozess der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung (vgl. Mosbacher, GS Widmaier, 2013, 79). Es sichert die Subjektstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1983 - 1 BvR 1313/82, BVerfGE 65, 305, 307 mwN) und ist eines der zentralen Rechte des Angeklagten und der Verteidigung (MüKoStPO/Trüg/Habetha, § 244 Rn. 13). Den Verfahrensbeteiligten muss es auch möglich sein, solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, deren Bestätigung durch das Beweismittel lediglich vermutet oder für möglich gehalten wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21; vom 11. April 2013 - 2 StR 504/12, NStZ 2013, 536, 537; vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476; Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585). Zudem ist das Beweisantragsrecht vom Verbot der Beweisantizipation geprägt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21; näher MüKoStPO/Trüg/Habetha, § 244 Rn. 2; LRStPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 183 ff.). Der Antragsteller muss auch eine Tatsache unter Beweis stellen können, für deren Richtigkeit die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben hat und die ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, NStZ 2013, 476 mwN). Für das Vorliegen eines Beweisantrages kann es mithin nicht konstituierend sein, dass der Antragsteller plausibel macht, weshalb das von ihm benannte Beweismittel trotz gegebenenfalls entgegenstehender bisheriger Beweisergebnisse die unter Beweis gestellte Tatsache belegen können soll (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 21c). Die Grenzen werden insoweit lediglich durch das Merkmal der Ernsthaftigkeit (vgl. dazu näher BGH, Beschluss vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21) und eine Antragstellung in Verschleppungsabsicht (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO) gezogen.

An insoweit etwa entgegenstehender eigener Rechtsprechung hält der Senat nicht fest, an solche anderer Senate des Bundesgerichtshofs ist er angesichts der umfassenden gesetzlichen Neuregelung des Beweisantragsrechts nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG gebunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1998 - 4 StR 273/98, BGHSt 44, 121, 124; vom 24. Oktober 2001 - 1 StR 163/01, NStZ 2002, 160). Die Entscheidung des 4. Strafsenats vom 10. März 2020 (4 StR 640/19) betraf einen Fall, bei dem im Beweisantrag die Wahrnehmungssituation des Zeugen nicht konkret genug geschildert wurde; sie steht der hiesigen Auslegung deshalb nicht tragend entgegen (vgl. aber auch Güntge, StraFo 2021, 92, 97).

(3) Dass es dem Antrag an der gebotenen Ernsthaftigkeit gemangelt hätte, ist nicht ersichtlich.

Mangels Ernsthaftigkeit ist einem auf Beweiserhebung gerichteten Antrag die Qualität eines Beweisantrags im Rechtssinne abzusprechen, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung lediglich „aufs Geratewohl“ und „ins Blaue hinein“ aufgestellt wird (vgl. näher BGH, Beschluss vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21). Die Ablehnung eines Beweisantrags als nicht ernsthaft gemeint, kommt nur ausnahmsweise in Betracht und erfordert einen hohen argumentativen Aufwand des Tatgerichts. Erforderlich ist eine ausführlich begründete Gesamtwürdigung von Beweisbegehren, Prozessverhalten und Beweislage. Weil die Herabstufung eines ansonsten formgerechten Beweisantrags zu einem bloß unter Aufklärungsgesichtspunkten beachtlichen Beweisermittlungsantrag regelmäßig in ein Spannungsverhältnis zu den Beweisteilhaberechten der Verfahrensbeteiligten und dem das Beweisantragsrecht prägenden Verbot der Beweisantizipation gerät, ist bei der Ablehnung derartiger Anträge mangels Ernsthaftigkeit äußerste Zurückhaltung geboten (BGH, aaO).

Im vorliegenden Fall gab es ausreichende Anhaltspunkte für die Vermutung der Verteidigung, der Zeuge werde trotz des bis dahin erzielten Beweisergebnisses die Beweistatsache bekunden. Die Verteidigung hat nach Antragsablehnung nochmals auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen: der Vorname des Anrufers, seine Stellung als M. -Berater, die Lokalisierung des Anrufers in B., die Verbindung mit Immobiliengeschäften und zu einem Mann von persischer Abstammung, von dem eine Bedrohung ausgehe, und der kurze Zeitraum vor der Tat. Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen von M. selbst eine Benachrichtigung der Polizei wegen eines mutmaßlichen Zusammenhangs der Anrufe mit der Tat für erforderlich gehalten und die anschließenden Aufklärungsbemühungen kein klares Ergebnis erbracht hatten.

(4) Dass der Antrag in Verschleppungsabsicht gestellt worden wäre (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO), ist ebenfalls nicht ersichtlich.

bb) Da nach diesen Maßstäben ein Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO vorlag und die beantragte Beweiserhebung nicht unzulässig war, konnte das Gericht diesen nur nach Maßgabe von § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO ablehnen. Der Ablehnungsbeschluss ergibt aber keinen der dort genannten Gründe. Vielmehr hat das Gericht den Beweisantrag im Kern mit dem Argument abgelehnt, der Zeuge werde die unter Beweis gestellte Tatsache nicht bekunden, und damit gegen das Verbot der Beweisantizipation verstoßen.

b) Anders als der Generalbundesanwalt kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (vgl. § 337 Abs. 1 StPO). Mit der beantragten Beweiserhebung sollte nicht nur die Glaubwürdigkeit des Nebenklägers erschüttert, sondern vor allen Dingen auch ein Szenario unter Beweis gestellt werden, das eine zentrale, die Beteiligung des Angeklagten P. betreffende These der Anklage (und des Urteils) in Frage stellt. Mithin ist nicht auszuschließen, dass das Urteil ohne den Rechtsfehler in Bezug auf den Angeklagten P. anders ausgefallen wäre.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1097

Externe Fundstellen: NJW 2021, 3404; NStZ 2021, 754; StV 2022, 779

Bearbeiter: Christian Becker