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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1226

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 456/18, Beschluss v. 11.07.2019, HRRS 2019 Nr. 1226


BGH 1 StR 456/18 - Beschluss vom 11. Juli 2019 (LG Augsburg)

Insolvenzverschleppung (Begriff der Zahlungsunfähigkeit: Feststellung durch das Tatgericht); Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (erforderliche Feststellungen zu den geschuldeten Sozialversicherungsbeiträgen).

§ 15a Abs. 1 InsO; § 17 Abs. 2 InsO; § 266a Abs. 1 StGB; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von höchstens drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor.

2. Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) erfolgt entweder durch die betriebswirtschaftliche Methode oder durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen.

3. Dem Tatgericht obliegt es bei einer Verurteilung nach § 266a StGB nach ständiger Rechtsprechung, die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge - für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert - nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen.

4. Dieser Angaben bedarf es allein dann nicht, wenn es sich um einen Fall des schlichten Nichtzahlens ordnungsgemäß angemeldeter Beiträge handelt, bei welchem der vom Arbeitgeber eingereichte Beitragsnachweis gemäß § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV die geschuldeten und in der Regel vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge belegt. Dann ist es ausnahmsweise ausreichend, lediglich die Höhe der vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile, die geschädigten Krankenkassen und die betroffenen Beitragsmonate festzustellen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 15. März 2018 mit den Feststellungen aufgehoben soweit es den Angeklagten B. betrifft; davon ausgenommen sind die Feststellungen zur faktischen Geschäftsführerschaft, die bestehen bleiben.

2. Seine weitergehende Revision wird verworfen.

3. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.

4. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen „vorsätzliche[r] Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit“, wegen Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen, wegen vorsätzlichen Bankrotts in 25 Fällen sowie wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 23 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen Schuldnerbegünstigung in acht tateinheitlichen Fällen sowie wegen eines weiteren Falls der Schuldnerbegünstigung in 14 tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen den Angeklagten K. hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 57.593,20 € angeordnet. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Diese haben bereits mit der Sachrüge weitgehenden Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift für nicht in weiterem Umfang für durchgreifend erachteten Verfahrensrügen nicht mehr bedarf.

I.

Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte B. war faktischer Geschäftsführer der am 4. August 2011 gegründeten G. UG, die ein Restaurant mit Bar betrieb. Der Geschäftsbetrieb wurde zum 31. Oktober 2015 eingestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts N. vom 29. September 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft auf Antrag des Finanzamtes eröffnet. Die Gesellschaft war spätestens seit dem 1. Juni 2014 dauerhaft nicht mehr in der Lage, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, was dem Angeklagten B. bekannt war. Einen Insolvenzantrag stellte er dennoch nicht.

Er unterließ es zudem, Bilanzen für die Jahre 2012 bis 2015 zu erstellen. Für die Jahre 2012 bis 2014 hat er es während des Strafverfahrens nachgeholt.

Zwischen November 2011 bis Oktober 2015 unterließ es der Angeklagte B. in 23 Monaten, für 26 namentlich bekannte Arbeitnehmer Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von insgesamt 17.382,20 € bis zum drittletzten Banktag des Monats abzuführen. Er leistete jedoch innerhalb der auf den Fälligkeitszeitpunkt folgenden Wochen diese Beiträge inklusive Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 66.974,71 € nach.

Ab dem Jahr 2009 wickelte der Angeklagte B. Zahlungen für sich persönlich und ab Juli 2012 auch für die G. UG über die Rechtsanwaltskanzlei des Mitangeklagten K. ab. Seit März 2012 war der Angeklagte B. persönlich zahlungsunfähig und überschuldet. Zwischen dem 28. März 2012 und dem 28. Dezember 2012 tätigte er in fünf Fällen Einzahlungen in die Barkasse oder auf das Konto der Kanzlei, um die ihm zustehenden Gelder nicht dem Zugriff seiner Gläubiger auszusetzen (Taten zu D.II.1b 1-5). Ebenfalls in diesem Zeitraum wurden Guthabenerträge aus erfolgreich geführten Prozessen in drei Fällen zu eben diesem Zweck „auf die Handakte umgebucht“, anstatt sie auszukehren (Taten zu D.II.1b 6-8). Hierfür nutzte der Angeklagte K. eine, ab Juli 2012 eine zweite Handakte, die parallel zur Verbuchung von Zahlungseingängen bzw. zur Umbuchung von Guthaben für die G. UG und den Angeklagten B. persönlich genutzt wurden. Nachdem am 8. Juni 2012 Fremdinsolvenzantrag durch einen Gläubiger des Angeklagten B. persönlich gestellt worden war und sich der Angeklagte K. in diesem Verfahren für den Angeklagten B. mandatiert hatte, erfolgte die Zahlungsabwicklung in der Kanzlei über getrennte Vorgänge. Der Angeklagte B. wählte einzelne Gläubiger aus, denen der Angeklagte K. das Geld zukommen ließ.

Zum 1. Juni 2014 war die G. UG zahlungsunfähig, was beiden Angeklagten bewusst war. Dennoch erfolgten zwischen dem 7. Juli 2014 und dem 1. Juli 2015 in 14 Fällen noch Bareinzahlungen oder Überweisungen auf das Kanzleikonto, um die der G. UG zustehenden Gelder deren Gläubigern vorzuenthalten (Taten zu D.II.1c 1-14).

Am 26. Juni 2013 überwies ein Gläubiger auf eine Forderung des Angeklagten B. persönlich einen Betrag von 13.852 € auf das Konto der G. UG. Auf Weisung des Angeklagten B. wurden hiervon 10.000 € auf ein Konto des Angeklagten K. überwiesen, um angesichts der drohenden Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens den Erhalt der Zahlung zu verschleiern (Tat zu D.II.2).

2.

a) Angeklagter B. : Das Landgericht hat das Unterlassen eines Insolvenzantrags für die G. UG durch den Angeklagten B. als vorsätzliche Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit (vorsätzliche Insolvenzverschleppung) gemäß § 15a Abs. 4 InsO gewertet. Das Unterlassen einer Bilanzerstellung hat es für die Jahre 2012 und 2013 als Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3b, Abs. 3 i.V.m. § 283 Abs. 6 StGB, für die Jahre 2014 und 2015 hingegen als Bankrott gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7b, Abs. 6 StGB ausgeurteilt. Weitere Fälle des Bankrotts in Form des Beiseiteschaffens nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat es in der Nutzung des Kanzleikontos in acht Fällen für Zahlungseingänge des Angeklagten B. persönlich und in 14 Fällen für die G. UG sowie in dem Fall der Weiterleitung der 10.000 € auf ein Konto des Angeklagten K. gesehen. Daneben hat das Landgericht den Angeklagten wegen der verspäteten Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt für strafbar erachtet.

b) Angeklagter K. : Die Annahme der Bargelder bzw. das Zurverfügungstellen des Kanzleikontos unter Anlage von Handakten für tatsächlich nicht bestehende Mandate hat das Landgericht als Schuldnerbegünstigung gemäß § 283d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 StGB gewertet. Da der Angeklagte K. aber nur die strukturelle Grundentscheidung für die Abwicklung der Vorgänge in seiner Kanzlei getroffen habe, ist es von nur einer Tat jeweils in Bezug auf den Angeklagten B. persönlich (acht tateinheitliche Fälle, Taten zu D.II.1b 1-8) und auf die G. UG (14 tateinheitliche Fälle, Taten zu D.II.1c 1-14) ausgegangen.

II.

Die Revision des Angeklagten B.

Die Revision hat weitgehend Erfolg. Der gesamte Schuldspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen unterliegt der Aufhebung. Lediglich die Feststellungen zur faktischen Geschäftsführerschaft des Angeklagten B. für die G. UG haben Bestand.

1. Der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung erweist sich als rechtsfehlerhaft.

Nach § 15a Abs. 4 InsO wird bestraft, wer entgegen Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift einen Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler einer juristischen Person, die zahlungsunfähig wird oder überschuldet ist, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Ãœberschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Diese Pflicht trifft nach ständiger Rechtsprechung auch den faktischen Geschäftsführer (BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 323/14; vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12 und vom 15. November 2012 - 3 StR 199/12 Rn. 11, 18).

a) Die Feststellungen tragen in rechtlicher Hinsicht den Schluss des Landgerichts, der Angeklagte B. habe die Geschäfte der G. UG faktisch geführt. Insbesondere ist aussagekräftig belegt, dass der Angeklagte gegenüber dem formellen Geschäftsführer, der sich ihm unterordnete und ihn als weisungsbefugt akzeptierte, eine beherrschende Stellung innehatte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 1 StR 459/12 Rn. 31 ff. mwN). Die Feststellungen zum Auftreten des Angeklagten als Verantwortlichem u.a. gegenüber Lieferanten, Gerichtsvollziehern und Krankenkassen und dem Mitangeklagten K., aber auch gegenüber Angestellten, die ihn als „Chef“ ansahen und denen er Arbeitsanweisungen erteilte, und zu seiner Funktion als „Letztentscheider“ hinsichtlich unternehmerischer Fragen und der Finanzkontrolle beruhen auf einer tragfähigen und - entgegen der Auffassung der Revision - auch alle maßgeblichen Aspekte einbeziehenden Beweiswürdigung.

b) Die Urteilsgründe bieten aber keinen ausreichenden Beleg dafür, dass die G. UG zahlungsunfähig oder überschuldet war. Dies ist allerdings Voraussetzung für die strafbewehrte Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen.

aa) Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von höchstens drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor (BGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2007 - 1 StR 88/07, BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsfähigkeit 2 mwN und vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12 Rn. 13).

Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) erfolgt entweder durch die betriebswirtschaftliche Methode oder durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12 Rn. 14 f. mwN und vom 4. Dezember 2018 - 4 StR 319/18 Rn. 10 f.).

bb) Das Landgericht hat sich für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit auf die wirtschaftskriminalistische Methode (BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98 Rn. 28; Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12 Rn. 15 mwN) gestützt und dafür vier Aspekte angeführt. Zunächst hat es die nur wenige hundert Euro - mit Ausnahme der Zahlung Ende Juni 2013 - betragenden Saldenstände bei dem auf Guthabenbasis geführten Konto herangezogen, auf dem sie keine nennenswerten finanziellen Reserven ausmachen konnte. Daneben hat es die verspäteten Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge in den Blick genommen, die ab Juni 2014 signifikant zugenommen und im April 2015 zur Stellung eines Insolvenzantrags durch die AOK Bayern geführt haben, wenngleich nach Leistung von Nach- und Vorauszahlungen das Verfahren im Oktober 2015 durch die AOK Bayern für erledigt erklärt worden sei. Zudem seien in den Jahren 2012 und 2013 Verbindlichkeiten nicht bzw. nur schleppend bezahlt worden, wofür es sich auf einen Werklohngläubiger bezogen hat, der seine im Februar 2012 fällig gewordene Forderung in Höhe von 750 € erst ein Jahr später erhalten habe. Zwei weitere Gläubiger hätten ihre Forderungen einklagen und im Zwangsvollstreckungsverfahren beitreiben müssen. Auch seien ab Juli 2013 immer wieder Vollstreckungsaufträge erfolgt, die in drei Fällen im Laufe des Jahres 2014 zu Pfandabständen geführt hätten. Als vierten Aspekt stützt es sich auf beim zuständigen Finanzamt aufgelaufene rückständige Steuern und Säumniszuschläge, die sich bis zur Stellung eines Insolvenzantrages am 17. Mai 2016 auf 62.066,11 € summiert hätten.

cc) Diese Würdigung erweist sich als lückenhaft; die herangezogenen Kriterien sind zudem auch in der Zusammenschau nicht aussagekräftig.

Um die Zahlungsunfähigkeit belegen zu können, hätte es unter den hier gegebenen Umständen der Auseinandersetzung mit möglichen größeren Bargeldbeständen bedurft. So ist im Urteil mehrmals festgehalten, dass die Einnahmen der G. UG von den Angestellten in einen in den Betriebsräumen gelegenen Tresor eingelegt, dort vom Angeklagten verwaltet und aus den dortigen Beständen auch laufende Verpflichtungen beglichen wurden. Dem entsprechen die für glaubhaft erachteten Schilderungen der Angestellten, ihren Lohn stets bar ausgezahlt bekommen bzw. auch Lieferanten aus den dortigen Beständen bezahlt zu haben. Bargelder aus dem Tresor seien insoweit auf das Konto eingezahlt worden, als es zu dessen Deckung erforderlich gewesen sei. Vor diesem Hintergrund lässt das Fehlen finanzieller Reserven auf dem Konto nicht den Schluss auf das Fehlen solcher Reserven überhaupt zu.

Da finanzielle Reserven in Form von Bargeld nicht ausgeschlossen worden sind, können auch die weiter angeführten Aspekte die Annahme der Zahlungsunfähigkeit ab Juni 2014 nicht belegen. Sie sind - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt - nur von schwacher Aussagekraft. Soweit das Landgericht auf eine Häufung der verspäteten Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ab Juni 2014 abstellt, hat es die Bedeutung dessen selbst durch die Nachzahlungen relativiert gesehen. Hinzu kommt, dass eine signifikante Häufung weder näher dargestellt ist noch sich aus der Tabelle zu den vorenthaltenen und veruntreuten Arbeitsentgelten entnehmen lässt. Hier hätte es einer Erörterung bedurft, inwieweit die Nachzahlungen noch innerhalb von drei Wochen nach Fälligkeit erfolgt sind. Inwieweit die später für erledigt erklärte Insolvenzantragstellung im April 2015 Rückschlüsse auf die Zahlungsunfähigkeit zum Juni 2014 zulässt, hätte ebenfalls näherer Erläuterung bedurft. Gleiches gilt für die Nichterfüllung einer Forderung im Jahr 2012; das Nichtbegleichen weiterer Zahlungsansprüche ist zeitlich nicht eingeordnet, so dass die Relevanz für die Zahlungsunfähigkeit ab Juni 2014 unklar bleibt. Gleiches gilt für die aufgelaufenen Steuerschulden, die nicht nach Fälligkeitszeitpunkten aufgeschlüsselt werden, so dass nicht beurteilt werden kann, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang Steuerschulden im Juni 2014 nicht beglichen worden sind.

c) Eines Eingehens auf die Rüge, das Landgericht habe den Beweisgehalt des Kassenbuchs, aus dem sich für Juni 2014 ein Bestand von 53.000 € ergebe, nicht ausgeschöpft, bedarf es daher nicht.

2. Da danach weder die angenommene Zahlungsunfähigkeit noch die drohende Zahlungsunfähigkeit der G. UG belegt ist, kann auch die Verurteilung wegen der Bankrottdelikte im Hinblick auf das Vermögen der G. UG (Taten zu D.II.1c 1-14) keinen Bestand haben.

3. Aber auch die Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten B. persönlich ist nicht dargetan, so dass die Verurteilungen wegen Bankrotts im Hinblick auf sein persönliches Vermögen (Taten zu D.II.1b 1-8 und zu 2.) - wie vom Generalbundesanwalt beantragt - ebenfalls aufzuheben sind.

Hierzu teilt das Urteil mit, dass ab März 2012 Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eingetreten und am 5. Juni 2012 Fremdinsolvenzantrag gestellt worden sei, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 6. Dezember 2013 geführt habe. Am 7. März 2012 habe der Angeklagte B. zur Vorlage bei einer Bank ein Vermögensverzeichnis erstellt, aus dem sich Schulden, aber keine frei verfügbaren Vermögenswerte ergaben. Ab Oktober 2012 seien immer wieder vollstreckungsrechtliche Haftbefehle gegen ihn ergangen. Am 27. Februar 2013 habe der Angeklagte B. eine eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Auch dies lässt den Senat besorgen, dass das Landgericht die die Zahlungsunfähigkeit belegenden Kriterien nicht auf den konkreten Zeitpunkt ihres Eintritts bezogen hat. So datieren die inhaltlich nicht weiter ausgeführten vollstreckungsrechtlichen Haftbefehle erst ab Ende Oktober 2012, mithin nach den Taten zu D.II.1b 1-6. Das Vermögensverzeichnis aus März 2012 ist überhaupt nur geeignet, das Fehlen von Vermögensmasse zu belegen, verhält sich aber nicht zur Fälligkeit von Forderungen. Die dem Fremdinsolvenzantrag zugrundeliegende Forderung wird auch nicht weiter benannt. All dies schließt es nicht aus, dass der Angeklagte B. zunächst, jedenfalls im Jahr 2012 noch in der Lage war, sich die benötigten Beträge kreditweise zu beschaffen bzw. über die Zahlungen durch den Angeklagten K. fällige Forderungen begleichen zu können.

4. Die Verurteilung wegen Verletzung der Buchführungspflicht erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerhaft. Zwar wurde die Bilanz für 2012 und 2013 entgegen der Pflicht aus § 264 Abs. 1 HGB erst verspätet erstellt und auch die Bedingung der Strafbarkeit nach § 283b Abs. 1 Nr. 3b, Abs. 3 i.V.m. § 283 Abs. 6 StGB - die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G. UG - ist im September 2016 eingetreten. Bei den beachtlichen Zeitabständen hätte aber erörtert werden müssen, ob nicht der erforderliche tatsächliche Zusammenhang beider Ereignisse ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1978 - 3 StR 408/78, BGHSt 28, 231, 233; Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 StR 123/90 Rn. 7 mwN; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 283b Rn. 5).

5. Die Verurteilung wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1 StGB) hat ebenfalls keinen Bestand.

Dem Tatgericht obliegt es nach ständiger Rechtsprechung, die geschuldeten Beiträge - für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert - nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen (BGH, Beschlüsse vom 4. März 1993 - 1 StR 16/93 Rn. 2 f.; vom 20. April 2016 - 1 StR 1/16 Rn. 6 und vom 5. Juli 2018 - 1 StR 111/18 Rn. 12; Urteile vom 20. März 1996 - 2 StR 4/96 Rn. 4 und vom 19. Dezember 2018 - 1 StR 444/18 Rn. 21; MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., § 266a Rn. 61, 133). Dieser Angaben bedarf es zwar dann nicht, wenn es sich - wovon das Landgericht hier wohl ausgeht, ohne allerdings die Anmeldung der namentlich genannten Arbeitnehmer festzustellen - um einen Fall des schlichten Nichtzahlens ordnungsgemäß angemeldeter Beiträge handelt, bei welchem der vom Arbeitgeber eingereichte Beitragsnachweis gemäß § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV die geschuldeten und in der Regel vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge belegt. Dann ist es ausnahmsweise ausreichend, lediglich die Höhe der vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile, die geschädigten Krankenkassen und die betroffenen Beitragsmonate festzustellen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 2010 - 1 StR 424/10 und vom 20. April 2016 - 1 StR 1/16 Rn. 8).

Hier werden aber nur die vorenthaltenen Arbeitnehmerbeiträge mitgeteilt, nicht aber die Gesamtsozialversicherungsbeiträge, so dass letztlich die Berechnung der vorenthaltenen Beiträge auch anhand der mitgeteilten Beitragssätze der Sozialversicherungen nicht möglich ist.

III.

Die Revision des Angeklagten K.

Die nicht belegte Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten B. einerseits und der G. UG andererseits entzieht dem gegen den Angeklagten K. ergangenen Schuldspruch wegen Schuldnerbegünstigung die Grundlage.

IV.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte gegen den Angeklagten B. abermals auf zwei Gesamtfreiheitsstrafen erkannt werden, wird zu beachten sein, dass sich schon aus dem Tenor, nicht nur aus den Gründen des Urteils ergeben muss, für wie viele Taten der Angeklagte zu den jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt ist.

Für den Fall der erneuten Verurteilung des Angeklagten K. werden bei der Strafzumessung auch die berufsrechtlichen Folgen einer Verurteilung einzustellen sein (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2014 - 2 StR 221/14 Rn. 11; vom 13. März 2018 - 2 StR 286/17 Rn. 3 und vom 10. Januar 2019 - 3 StR 635/17 Rn. 37).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1226

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede