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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 118

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 379/18, Urteil v. 28.11.2018, HRRS 2019 Nr. 118


BGH 5 StR 379/18 - Urteil vom 28. November 2018 (LG Berlin)

Niedrige Beweggründe (Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland; anderer Kulturkreis; Nichtanerkennung der sittlichen und rechtlichen Werte; Tatbegehung wegen vorausgegangener verbaler Herabsetzung verstorbener Angehöriger; Zugehörigkeit des Opfers zur Familie der mit dem Täter in Streit geratenen Personen; Inkonnexität von Anlass und Tat).

§ 211 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe i.S.d. § 211 StGB in Betracht, wenn sie nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. zuletzt bereits BGH HRRS 2018 Nr. 161).

2. Bei diesem Maßstab erscheint die Auslöschung von Menschenleben und die Zufügung schwerster Verletzungen wegen einer vorausgegangenen verbalen Herabsetzung verstorbener Angehöriger des Täters eher nicht mehr als noch verständliche Reaktion auf erlittene Schmach, sondern als eine besonders verachtenswerte Form der Selbstjustiz. Ebenso kann die Tötung von Personen lediglich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Familie der im Vorfeld mit den Täter in Streit geratenen Personen und aufgrund ihres gemeinsamen Auftretens mit diesen wegen der Inkonnexität von Anlass und Tat nach den Maßstäben der hiesigen Rechtsordnung besonders verwerflich sein.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. September 2017 betreffend die Angeklagten F. R., R. -B. und M. R. (geb. 1993) im Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe mit den Feststellungen zum Tatmotiv und betreffend den Angeklagten M. R. (geb. 1993) darüber hinaus im Gesamtstrafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

2. Die Revisionen der Angeklagten werden verworfen. Diese haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen, der Angeklagte R. -B. zudem die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Adhäsionskläger durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten F. R., R. -B. und M. R. (geb. 1993, genannt „Mu. “) wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchtem Totschlag in drei Fällen, mit schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen jeweils zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt (13 Jahre, elf Jahre, sieben Jahre und sieben Monate), wobei der Angeklagte M. R. (geb. 1993) zusätzlich wegen eines weiteren Falls der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen worden ist. Zugunsten des Nebenklägers H. hat die Strafkammer zudem eine Adhäsionsentscheidung gegen den Angeklagten R. -B. getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben ganz überwiegend Erfolg, während die Revisionen der Angeklagten unbegründet sind.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es zwischen den seit vielen Jahren befreundeten Familien R. und H. /H. zum Streit. Auslöser war die fahrlässige Zufügung einer erheblichen Schnittverletzung an der Hand des A. H. am 13. Dezember 2015 durch den alkoholisierten Mitangeklagten M. N., den Bruder der Angeklagten F. R. und Zaim R. -B. und Onkel des Angeklagten M. „Mu.“ R. N. hatte ohne Anlass zwei Glasflaschen auf den Geschädigten geworfen (Tat 1). Hierfür wurde er vom Landgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Noch aus der Klinik, in der die Schnittverletzung medizinisch versorgt wurde, machte der Geschädigte dem Angeklagten N. telefonisch Vorhaltungen, woraufhin dieser ihn auslachte und verhöhnte. Hierüber geriet H. in Wut und beleidigte N. mit den Worten: „Ich ficke deine Toten! Ich ficke deinen toten Vater!“. Dies traf N. besonders, weil eine solche Beleidigung in der Volksgruppe der Roma, der beide Familien angehören, eine schwere Kränkung darstellt, er zudem früh seinen Vater verloren hatte und sich derartiges durch einen Jüngeren gegenüber einem Älteren in seinem Kulturkreis nicht geziemte. Nach einer Aussprache zwischen verschiedenen Mitgliedern der beiden Familien zwei bis drei Tage später kam man überein, die Angelegenheit als erledigt zu betrachten.

Am späten Abend des 25. Dezember 2015 trafen „Mu.“ R. und der Mitangeklagte M. R. (geb. 1989) in einer Sportsbar auf Mitglieder der Familie H. /H. Die beiden angetrunkenen Angeklagten stellten A. H. wegen seines Verhaltens zur Rede und misshandelten ihn durch eine Ohrfeige und einen Tritt gegen das Bein, so dass er hinfiel und erhebliche Schmerzen erlitt (Tat 2). In der Folge kam es zu Telefongesprächen zwischen Vater und Bruder des Geschädigten, den Nebenklägern S. H. und Z., auf der einen Seite und F. R. und N. auf der anderen Seite, bei denen sie wechselseitig schwere Kränkungen austauschten und insbesondere immer wieder ankündigten, verstorbene Angehörige der jeweiligen Gegenseite „ficken“ zu wollen.

Am nächsten Tag hatte der Nebenkläger Z. den Plan gefasst, ein Treffen mit den Angeklagten in einem von beiden Familien häufig frequentierten Café herbeizuführen, um die Angelegenheit zu klären. Er unterrichtete hiervon die übrigen Geschädigten und weitere Familienmitglieder, die sich ebenfalls zum Café begaben. Vor Ort eingetroffen rief Z. gegen 13 Uhr den Mitangeklagten N. an. Nicht ausschließbar forderte Z. den Mitangeklagten N. - ohne dass neue Beleidigungen fielen - auf, gemeinsam mit seiner Familie zu dem Café zu kommen, um sich zu entschuldigen. Kurz nach diesem Anruf fuhren die Angeklagten mit weiteren Familienmitgliedern zum Treffpunkt. F. R. hatte eine scharfe Schusswaffe eingesteckt, der Angeklagte R. -B. und ein weiterer (Mit-)Angeklagter jeweils ein Küchenmesser. Nach dem Eintreffen der Fahrzeuge vor Ort kamen ihnen die Nebenkläger Z., A. H. und H. (mit einem Schlagring bewaffnet) und der später getötete D. H. (zu seiner Verteidigung mit einem Hammer bewaffnet) entgegen.

Kurz nach dem Aussteigen und einem allenfalls kurzen Wortwechsel erkannten F. R. und R. -B. sowie ein weiterer (Mit-)Angeklagter, dass die anderen nicht zurückstecken wollten. Sie entschlossen sich, diese gemeinsam unter Einsatz ihrer Waffen anzugreifen und ihnen schwerste, auch tödliche Verletzungen zuzufügen, um sich für die vorangegangenen verbalen Kränkungen zu rächen (Tat 3). In Umsetzung dieses Plans stach oder hieb der Angeklagte R. -B. mit mindestens bedingtem Tötungsvorsatz mit dem Messer wuchtig auf den Kopf des Nebenklägers H. und traf dessen zur Abwehr erhobenes Handgelenk. Zeitgleich drangen ein oder mehrere (Mit-)Angeklagte von hinten auf H. ein und versetzten ihm einen Stich zwischen die Schulterblätter und einen weiteren in das rechte Schulterblatt. Ebenfalls mit dem Messer attackiert wurden S. und D. H., wobei S. H. Stichverletzungen an der rechten Flanke, im Bereich des rechten Schulterblattes sowie zwischen den Schulterblättern erlitt, D. H. einen Stich im linken oberen Rückenbereich.

„Spätestens kurz nach dem Beginn der Auseinandersetzung“, den er von seinem Fahrzeug aus beobachtet hatte, lief der Angeklagte „Mu.“ R. von hinten auf den Nebenkläger Z. zu, der etwas abseits der Kämpfenden stand und auf diese schaute. Mit großer Wucht und mindestens bedingtem Tötungsvorsatz stach „Mu.“ R. dem geschädigten Z. das Messer in Höhe des Übergangs der Hals- zur Brustwirbelsäule in den Rücken, woraufhin der Nebenkläger sofort zusammenbrach und nahezu bewegungsunfähig auf dem Bauch liegen blieb. F. R. gab mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz einen Schuss auf D. H. und einen aufgesetzten Bauchschuss auf S. H. ab. Anschließend richtete er die Waffe auf den Kopf des am Boden liegenden Nebenklägers Z., um ihn zu erschießen; seine Waffe versagte allerdings, so dass er sein Vorhaben aufgeben musste. Als die vier Angegriffenen erkennbar schwer verletzt waren, fuhren die Angeklagten weg, während sich andere Mitglieder beider Familien um die Verletzten kümmerten. Von mehreren Anwohnern informiert, trafen bald auch Polizei und Feuerwehr ein.

Der Nebenkläger H. erlitt durch die Stiche und Hiebe einen Bruch des rechten Handgelenks mit Durchtrennung von zwei Strecksehnen, einen Bruch des rechten Schulterblatts sowie eine Öffnung der linken Brusthöhle mit Einblutung und einem Pneumothorax. Es bestand akute Lebensgefahr, der nur durch eine Notoperation begegnet werden konnte; diese führte zum Verlust eines Teils des Lungenoberlappens. Der Nebenkläger ist immer noch beeinträchtigt.

Der Nebenkläger S. H. erlitt einen Rumpfsteckschuss, der u.a. zur Perforation des Dickdarms mit Kotaustritt in die Bauchhöhle und Zerreißung des Wurmfortsatzes führte. Einer der Stiche eröffnete die Brusthöhle. Beide Verletzungen waren konkret lebensgefährlich. Noch heute leidet der Nebenkläger ganz erheblich unter den Folgen der Tat.

Der Nebenkläger Z. erlitt eine potentiell lebensgefährliche Verletzung des Rückenmarks in Höhe des sechsten Halswirbelkörpers, infolge dessen es zu sensomotorischen und neurologischen Ausfällen kam. Trotz erheblicher Anstrengungen ist eine Lähmung des linken Armes und Beines und dadurch bedingt eine Störung der Motorik und Tiefensensibilität verblieben. Auch Blasenfunktion und Stuhlgang sind beeinträchtigt, die Erektionsfähigkeit verloren gegangen. Mit Hilfe eines Rollators kann er sich mühsam etwa 300 Meter aus eigener Kraft fortbewegen. Zudem hat er trotz entsprechender Medikation noch immer Schmerzen. Eine deutliche Besserung dieses Zustandes ist nicht zu erwarten.

D. H. erlitt neben der Schussverletzung im Unterbauch mit Verletzung von Leber, Darm, Magen und Niere eine 9 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des linken Rückens, durch die es zur Eröffnung der Brusthöhle und zum Anstich der Aorta kam. Aufgrund des hierdurch verursachten großen Blutverlustes verstarb er trotz Wiederbelebungsmaßnahmen noch am Tatort.

2. Die Schwurgerichtskammer hat das Handeln der drei Angeklagten sowie eines weiteren unbekannt gebliebenen Mittäters aufgrund des Tatablaufs als von einem spätestens vor Ort spontan gefassten gemeinsamen Tatentschluss geleitet angesehen und sämtliche Tatbeiträge gegenseitig zugerechnet.

Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB hat das Landgericht nicht angenommen, sondern darauf abgestellt, dass die Wut der Angeklagten auf die Geschädigten aus der vorangegangenen heftigen verbalen Auseinandersetzung herrührte, in deren Verlauf sie schwerwiegenden Schmähungen durch die Nebenkläger S. H. und Z. ausgesetzt gewesen seien. Zwar hätten sich die Geschädigten H. und D. H. hieran nicht beteiligt; diese seien aber am Tattag zusammen mit den anderen beiden Nebenklägern den Angeklagten streitbereit gegenübergetreten und hätten sich damit auf deren Seite und hinter die ehrverletzenden Äußerungen gestellt.

II.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.

1. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind wirksam auf den Schuld- und Strafausspruch im Fall 3 der Urteilsgründe (Geschehen am 26. Dezember 2015) beschränkt. Die Beschwerdeführerin greift das Urteil nur insoweit an, als sie in diesem Fall auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes und versuchten Mordes statt wegen Totschlags und versuchten Totschlags erstrebt und die gegen den Angeklagten „Mu.“ R. für diesen Fall verhängte Strafe als unverhältnismäßig milde beanstandet. Diese Beschränkung ist zulässig. Zur Überprüfung steht damit der gesamte (tateinheitliche) Schuldspruch im Fall 3 (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 1967 - 2 StR 129/67, BGHSt 21, 256, 258).

2. Die Ablehnung niedriger Beweggründe hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Ein Beweggrund ist dann niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt. Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NStZ 2006, 286, 287 mwN). Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGH, aaO und Beschluss vom 28. November 2017 - 5 StR 480/17, NStZ 2018, 92).

b) Daran gemessen erweist sich die Entscheidung des Landgerichts, die Angeklagten im Fall 3 gemäß dem Antrag der Staatsanwaltschaft lediglich wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchtem Totschlag in drei Fällen zu verurteilen, als rechtsfehlerhaft.

aa) Es mangelt bereits an der gebotenen Gesamtwürdigung. Die überaus knappen Ausführungen des Landgerichts zu der Frage, ob die Angeklagten aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben, blenden hierfür relevante Umstände vollständig aus. Unberücksichtigt bleibt dabei insbesondere, dass letzter Auslöser der gegenseitigen Beschimpfungen das unberechtigte gewaltsame Vorgehen der Angeklagten „Mu.“ und M. R. gegen den schon zuvor vom Mitangeklagten N. verletzten Nebenkläger A. H. war. Zudem hat die Strafkammer nicht in Rechnung gestellt, dass die Auslöschung von Menschenleben und die Zufügung schwerster Verletzungen wegen verbaler Herabsetzung verstorbener Angehöriger nicht mehr als noch verständliche Reaktion auf erlittene Schmach erscheinen, sondern eine besonders verachtenswerte Form der Selbstjustiz darstellen können. Auch das jedenfalls bei dem hinrichtungsartigen Versuch der Tötung des Nebenklägers Z. von unbedingtem Vernichtungswillen geprägte und allen Angeklagten zurechenbare Tatbild hat die Strafkammer nicht in die gebotene Gesamtwürdigung eingestellt.

bb) Nicht tragfähig ist auch die in diesem Zusammenhang vom Landgericht angestellte Erwägung, das Vorgehen gegen die an den Beleidigungen in keiner Weise beteiligten Geschädigten H. und D. H. sei deshalb nicht von niedrigen Beweggründen getragen, weil sich diese auf die Seite der zwei anderen Geschädigten und damit hinter die ehrverletzenden Äußerungen gestellt hätten. Das gemeinsame Vorgehen lässt vor dem Hintergrund der Vorgeschichte nicht die Wertung zu, die an den gegenseitigen Beleidigungen unbeteiligten Geschädigten hätten sich die Schmähungen ihrer Familienmitglieder gleichsam zu eigen gemacht, weshalb ihre (versuchte) Tötung weniger verwerflich erscheine. Einen Grund, sich an diesen für vorangegangenes Unrecht zu rächen, gab es nicht. Vielmehr hätte das Landgericht in diesem Zusammenhang erwägen müssen, dass die Tötung von Personen lediglich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Familie der im Vorfeld mit den Angeklagten in Streit geratenen Personen und aufgrund ihres gemeinsamen Auftretens mit diesen wegen der Inkonnexität von Anlass und Tat nach den Maßstäben der hiesigen Rechtsordnung besonders verwerflich sein kann (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011).

cc) Schließlich sind die Feststellungen zu den Tatmotiven der Angeklagten unklar. Während die Strafkammer einerseits feststellt, die Angeklagten F. R. und R. -B. hätten gehandelt, um sich für die vorangegangenen verbalen Kränkungen zu rächen, wird bei der Prüfung niedriger Beweggründe als gemeinsames Tatmotiv aller Angeklagter ihre Wut auf die Geschädigten aufgrund der vorangegangenen verbalen Auseinandersetzung angenommen. Zwischen beiden Handlungsantrieben können aber gerade im Kontext der Prüfung niedriger Beweggründe Unterschiede bestehen (vgl. näher MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 95 ff. einerseits und 100 ff. andererseits, jeweils mwN).

c) Vom Rechtsfehler sind demnach allein die Feststellungen des Schwurgerichts zu den Handlungsmotiven der Angeklagten betroffen; sie müssen deshalb aufgehoben werden (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die übrigen Feststellungen können hingegen bestehen bleiben und um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

III.

Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.

1. Die Verfahrensrüge des Angeklagten R. -B. deckt keinen Rechtsfehler auf.

Nach dem Vortrag der Revision hat der Verteidiger dieses ansonsten schweigenden Angeklagten in der Hauptverhandlung eine schriftlich vorformulierte Erklärung mit der Ankündigung verlesen, dass der Angeklagte sich diese zu Eigen mache. Im Anschluss an die Verlesung hat der Angeklagte ausdrücklich bestätigt, dass dies seine Einlassung sei. Damit hat sich der Angeklagte selbst zur Sache eingelassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 - 3 StR 176/05, NStZ-RR 2005, 353; vom 27. Februar 2007 - 3 StR 38/07, NStZ 2007, 349; vom 9. Dezember 2008 - 3 StR 516/08, NStZ 2009, 282, 283; näher MüKoStPO/Arnoldi, § 243 Rn. 66 mwN). Die Auffassung der Revision, es handele sich bei dieser Einlassung um ein unverwertbares prozessrechtliches „Nullum“, trifft nicht zu.

2. Die von allen drei Angeklagten erhobenen Sachrügen bleiben erfolglos.

a) Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Schuldsprüche. Dies gilt namentlich, soweit die Strafkammer im Fall 3 jedem Angeklagten die Handlungen der Mitangeklagten als mittäterschaftlich begangen zugerechnet hat. Der Schluss des Schwurgerichts, angesichts des schnellen und gleichzeitigen massiven Vorgehens gegen die Geschädigten eingedenk der Bewaffnung mit einer scharfen Schusswaffe und Messern hätten sich alle Beschwerdeführer und ein weiterer Mitangeklagter spätestens am Tatort spontan dazu entschlossen, unter billigender Inkaufnahme des Todes ihrer Opfer gemeinsam gegen die Geschädigten vorzugehen, ist lebensnah und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Soweit die Strafkammer in den Urteilsgründen ausgeführt hat, die Angeklagten seien zusätzlich in Fall 3 einer tateinheitlich verwirklichten Schlägerei nach § 231 StGB schuldig, was versehentlich nicht in den Urteilstenor Eingang gefunden habe, beschwert dieser Rechtsfehler die Angeklagten nicht. Anders als die Revision des Angeklagten F. R. kann der Senat dem Urteil nicht entnehmen, dass die Strafkammer im Fall 3 den nicht tenorierten zusätzlich verwirklichten Straftatbestand bei der Strafzumessung zum Nachteil der Angeklagten verwertet hätte.

c) Die Strafzumessung weist auch im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

d) Die gegen den Angeklagten R. -B. getroffene Adhäsionsentscheidung zugunsten des Neben- und Adhäsionsklägers H. ist rechtsfehlerfrei.

IV.

Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass das zur erneuten Verhandlung berufene Schwurgericht zu prüfen haben wird, ob sich die Angeklagten - wie das Landgericht in den Urteilsgründen ausgeführt hat - im Fall 3 der Urteilsgründe zusätzlich einer tateinheitlich verwirklichten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310) Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 118

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 206

Bearbeiter: Christian Becker