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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 140

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 537/21, Beschluss v. 10.01.2022, HRRS 2022 Nr. 140


BVerfG 2 BvR 537/21 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 10. Januar 2022 (OLG Frankfurt am Main / LG Marburg)

Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (Freiheitsgrundrecht; Sicherungsbelange der Allgemeinheit; Abwägung im Einzelfall; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; verfassungsgerichtliche Kontrolldichte; steigende Begründungsanforderungen mit zunehmender Unterbringungsdauer); Gefährlichkeitsprognose (erhebliche Gefahr künftiger rechtswidriger Taten; Konkretisierung künftig zu erwartender Delikte; Grad der Wahrscheinlichkeit; nähere Spezifizierung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung; Erwartung neuer Taten erst nach ungünstiger Entwicklung).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG; § 63 StGB; § 67d StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus ist bezüglich der Gefahrprognose nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise begründet, wenn die Strafvollstreckungskammer ohne Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Schwere der von den §§ 174 ff. StGB erfassten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von einer hohen Wahrscheinlichkeit neuer „Gewalt- oder Sexualdelikte“ ausgeht und dabei zudem nicht berücksichtigt, dass nach Einschätzung der Maßregelvollzugsklinik und des gerichtlich beauftragten Sachverständigen erst nach einer ungünstigen Entwicklung des Konsumverhaltens und der Absprachefähigkeit des Beschwerdeführers mit neuen Delikten zu rechnen ist.

2. Eine Fortdauerentscheidung genügt darüber hinaus nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wenn sie übergeht, dass dem Ausgangsurteil lediglich eine einzelne, fast zwei Jahrzehnte zurückliegende Straftat zugrunde liegt und der Untergebrachte seither auch während Bewährungszeiten nicht mehr durch sexuell motivierte Übergriffe aufgefallen ist.

3. Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts - einschließlich der Unterbringung eines Straftäters in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Maßgabe des § 63 StGB.

4. Bei der Entscheidung über die Fortdauer einer freiheitsentziehenden Maßregel ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch Rechnung zu tragen, dass das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten einander als wechselseitiges Korrektiv gegenübergestellt und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zur Dauer des erlittenen Freiheitsentzugs in Beziehung zu setzen.

5. Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr ist hinreichend zu konkretisieren; Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten sind zu bestimmen. Abzustellen ist dabei auf das frühere Verhalten des Untergebrachten, die von ihm bislang begangenen Taten und die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände.

6. Je länger der Freiheitsentzug andauert, desto strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründungstiefe einer negativen Prognoseentscheidung. Zugleich wächst mit dem stärker werdenden Freiheitseingriff die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte.

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 29. Oktober 2020 - 11 StVK 221/20 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2021 - 3 Ws 817/20 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 und Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2021 - 3 Ws 817/20 - wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten. Mit dieser Anordnung erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von (…) für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.

I.

1. Mit Urteil des Landgerichts Hanau vom 6. September 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

a) Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Januar 2004 auf nächtlicher Straße eine ihm unbekannte Frau von hinten umfasst, seinen Körper an sie gepresst und ihr dabei sein erigiertes Glied ans Gesäß gedrückt sowie mit der einen Hand an die Brust gefasst und mit der anderen Hand ein Messer vor den Hals gehalten hatte. Der Frau hatte es gelingen können, sich aus dem Griff zu befreien und in Richtung ihrer Wohnung zu fliehen.

b) Das Landgericht stellte bei dem Beschwerdeführer eine paranoide Schizophrenie sowie eine Tatzeitalkoholisierung von 2,11 ‰ fest und war deswegen davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hatte.

c) Der Beschwerdeführer befand sich seit dem 7. Januar 2004 einstweilen und sodann ab dem 13. Januar 2005 gemäß § 63 StGB in der klinischen Psychiatrie. Zwischen Februar 2008 bis Juli 2009 und Juni 2016 bis November 2018 wurde die Unterbringung durch Bewährungsaussetzungen unterbrochen, die wegen einzelner Suchtmittelrückfälle jeweils widerrufen wurden. Mit Ausnahme einer Leistungserschleichung ist der Beschwerdeführer seit der Anlassverurteilung strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Seit Herbst 2019 wird der Beschwerdeführer zum Zwecke seiner bedingten Entlassung auf Wartelisten für unterschiedliche Einrichtungen des betreuten Wohnens geführt.

2. Mit angegriffenem Beschluss des Landgerichts Marburg vom 29. Oktober 2020 wurde die Fortdauer der Unterbringung nach Anhörung des Beschwerdeführers erneut angeordnet.

a) Trotz des bereits zwölf Jahre andauernden Maßregelvollzugs könne die Unterbringung des Beschwerdeführers nicht für erledigt erklärt oder zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Befinden des Beschwerdeführers sei in der Zeit von Oktober 2019 bis Januar 2020 von Unruhe und Unsicherheit geprägt gewesen. Er habe immer wieder neue Pläne für sein Leben in Freiheit und den Weg dahin entwickelt. Die Suche nach einem Wohnheimplatz habe sich als schwierig gestaltet. Unter der antipsychotischen Medikation sei der Beschwerdeführer im Rahmen einer Positivsymptomatik stabil.

b) Bei einer Entlassung zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei ohne eine differenzierte professionelle Betreuung, stabile Tagesstruktur und gesicherte soziale Unterstützung sowie Behandlungs- und Kontrollmaßnahmen mit einem zügigen Verlust der „compliance“ und einem schrittweisen Ausstieg des Untergebrachten aus den Absprachen zu rechnen. Substanzkonsum und ein Rezidiv der schizophrenen Erkrankung seien dann zu erwarten. Im Weiteren wäre mit gewalttätigen Ausbrüchen gleich der Einweisungsdelinquenz zu rechnen. Die Bereitschaft des Beschwerdeführers, sich in ein schützendes Entlassungsumfeld zu begeben und dort zu verbleiben, sei noch weiter zu festigen.

c) Die mündliche Anhörung durch die Kammer habe keine weiteren Erkenntnisse zutage gefördert, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Die von der Klinik beschriebene Ambivalenz des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Zukunft sei auch in der Anhörung spürbar gewesen. So habe er einerseits zum Ausdruck gebracht, den von der Klinik skizzierten Weg in die Freiheit über einen Entlassungsurlaub und eine bedingte Entlassung gehen zu wollen. Andererseits habe sein Verteidiger auf die sofortige Entlassung aus dem Maßregelvollzug gedrängt.

d) Unter Berücksichtigung insbesondere der Bedeutung bisheriger und künftig zu besorgender Taten des oben erörterten Gefahrengrades und des mit der weiteren Vollstreckung verbundenen Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers sei die weitere Vollstreckung ohne Weiteres verhältnismäßig. Die Mittel der Führungsaufsicht und der Krisenintervention und die Möglichkeit des Widerrufs seien ohne erprobtes Entlassungssetting nicht ausreichend beziehungsweise zielführend.

3. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 11. Februar 2021 aus den zutreffenden Gründen der landgerichtlichen Entscheidung als unbegründet.

4. Der Beschwerdeführer wurde nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde vom Landgericht Marburg zum 19. April 2021 für sechs Monate aus dem Maßregelvollzug dauerbeurlaubt.

5. Im Anschluss hat der Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beantragt.

II.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer eine Verletzung seines Freiheitsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG.

1. Von ihm gehe keine die weitere Unterbringung rechtfertigende Gefahr aus.

a) Er sei krankheitseinsichtig und nehme seine Medikation seit Beginn der Unterbringung regelmäßig und eigenständig ein.

b) Bei den in der Vergangenheit liegenden Suchtmittelrückfällen habe es sich um einzelne kurzzeitige Verstöße gehandelt. Seine seitdem erreichten Therapieerfolge seien in den angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend berücksichtigt worden. Er habe das zur Bearbeitung der Suchtproblematik vorgesehene Therapieziel bereits drei Mal erreicht. Sämtliche von der psychiatrischen Klinik vorgesehene Lockerungsstufen habe er beanstandungsfrei durchlaufen. Er sei sich der mit seiner Suchtmittelerkrankung und der psychischen Grunderkrankung verbundenen Risiken für die Gesellschaft bewusst. Deswegen habe er Strategien entwickelt und langfristig die Medikamente eingenommen.

c) Auch der externe Sachverständige habe in seinem Gutachten im Jahr 2019 bestätigt, dass das Risiko weiterer Straftaten durch die langjährige Therapie reduziert habe werden können und nur noch begrenzt fortbestehe, und sich deswegen für eine zeitnahe Entlassung ausgesprochen.

2. Die weitere Unterbringung erweise sich in Anbetracht der Art und Schwere des Anlassdelikts mittlerweile als unverhältnismäßig.

a) Die Anforderungen an eine über zehn Jahre andauernde Unterbringung würden nicht eingehalten. Die Langwierigkeit der Unterbringung stehe in starkem Kontrast zu dem ansonsten für das zugrundeliegende Delikt geltenden Strafmaß.

b) Seit der Anlasstat seien mittlerweile siebzehn Jahre vergangen. In dieser Zeit sei es zu keinerlei Auffälligkeiten im Bereich der Gewaltdelinquenz gekommen, weder innerhalb noch außerhalb des Vollzugs. Während der fast zweijährigen Bewährungszeit habe er beanstandungsfrei in der Altenpflege gearbeitet und sein Leben autonom geführt. Auch vor der Anlassdelinquenz sei er weder in Bezug auf Gewalt- noch Sexualstraftaten in Erscheinung getreten.

III.

1. Die Regierung des Landes Hessen hat von einer Äußerung abgesehen.

2. Der Generalbundesanwalt äußert in seiner Stellungnahme vom 28. Juni 2021 Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, hält sie ansonsten aber für begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht.

a) Es erscheine zweifelhaft, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers die Substantiierungsanforderungen an eine Verfassungsbeschwerde wahre, da das Protokoll über die Anhörung des Beschwerdeführers durch das Landgericht nicht vorgelegt worden sei. Auf den Anhörungsvermerk nehme das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung aber explizit Bezug.

b) Sofern man die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unterstelle, dürfte sie indes Aussicht auf Erfolg haben. Die angegriffenen Entscheidungen genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen weder mit Blick auf die Gefahrenprognose noch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

aa) Die angegriffene landgerichtliche Entscheidung genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenprognose für eine über zehn Jahre andauernde Unterbringung des Beschwerdeführers nicht.

(1) Das Landgericht lege nicht nachvollziehbar dar, weshalb es von der Gefahr künftiger Sexualstraftaten ausgehe. Sowohl in der sachverständigen Einschätzung der Klinik, in der der Beschwerdeführer untergebracht ist, als auch in der externen sachverständigen Begutachtung werde die Begehung von Sexualstraftaten nicht antizipiert. Dort sei nur die Rede davon, dass unter bestimmten Voraussetzungen mit der Gefahr künftiger Gewaltstraftaten durch den Beschwerdeführer gerechnet werden könnte.

(2) Auch die Ausführungen des Landgerichts zum angenommenen Wahrscheinlichkeitsgrad der befürchteten Straftaten genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Überzeugung der Kammer, wonach der Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Sexualstraftaten als hoch einzuschätzen sei, könne weder anhand der Beschlussgründe noch unter Einbeziehung der eingeholten Gutachten nachvollzogen werden. Hierin werde vielmehr sowohl der ungefähre Zeitraum, der zwischen der Entlassung, dem „schrittweisen Ausstieg“ des Beschwerdeführers aus den Absprachen und dem Entstehen einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr als auch der Gefahrengrad am Ende dieses Ausstiegsprozesses offengelassen. Der externe Sachverständige habe sogar ausgeführt, dass selbst für den Fall eines Rückfalls des Beschwerdeführers in eine ungeordnete Lebenssituation nicht von einem unmittelbaren Risiko von gewalttätigen (Sexual-)Delikten auszugehen sei.

bb) Die knappen Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Verhältnismäßigkeit genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

(1) Die formelhafte Ausführung, wonach die weitere Vollstreckung der bereits mehr als zwölf Jahre andauernden Unterbringung unter Berücksichtigung der Bedeutung der künftig zu befürchtenden Taten und des Gefahrengrades „ohne weiteres verhältnismäßig“ sei, verkenne Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts. Gerade wegen des von der Kammer erkannten ganz erheblichen bisherigen Unterbringungszeitraums hätte sie sich zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Frage der Verhältnismäßigkeit veranlasst sehen müssen.

(2) Insbesondere hätte die Kammer dabei die Prognoseunsicherheiten des vorgestellten schrittweisen Abstiegsprozesses berücksichtigen müssen. Wegen der bereits über zehnjährigen Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers hätten sich Zweifel und Unsicherheiten bei der Prognose gemäß § 67d Abs. 6 Satz 3 StGB zugunsten des Beschwerdeführers auswirken müssen.

(3) Ferner hätte Berücksichtigung finden müssen, dass der Beschwerdeführer nach Einschätzung des Sachverständigen schon eine fast übermäßige Menge theoretischer Therapiebestandteile angesammelt habe, die im Rahmen der stationären Therapie aber nicht trainiert werden könnten. Da für die Frage der Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung auch eine Rolle spiele, inwiefern dadurch eine Verbesserung der Selbstkontrolle erreicht werden könne, hätte sich das Landgericht hiermit auseinandersetzen müssen.

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers gemäß Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet (§ 93b, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer das Protokoll über seine mündliche Anhörung durch das Landgericht nicht vorgelegt hat.

1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ist eine hinreichend deutliche und damit substantiierte und schlüssige Darlegung der behaupteten Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts innerhalb der Frist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erforderlich (vgl. BVerfGE 6, 132 <134>; 8, 1 <9>; 11, 192 <198>; 89, 155 <171>; 108, 370 <386 f.>; stRspr).

a) Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es daher in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit den konkreten Entscheidungen und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt (vgl. BVerfGE 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; 84, 366 <369>; 99, 84 <87>; 113, 29 <44>) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 <19 f.>; 65, 227 <232 f.>; 67, 90 <94>; 89, 155 <171>; BVerfGK 9, 174 <184 f.>).

b) Zur Substantiierung kann außerdem die Vorlage von Dokumenten erforderlich sein, damit dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung der Verfassungsbeschwerde ohne weitere Ermittlungen möglich ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>).

c) Wenn die Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts und der Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und deren Begründung auf der Hand liegt, sind im Hinblick auf die Darlegung des Verfassungsverstoßes geringere Anforderungen zu stellen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 -, Rn. 45).

2. Gemessen hieran war die Vorlage des Anhörungsprotokolls zur Substantiierung der Verfassungsbeschwerde nicht erforderlich.

a) Die Vorlage des Anhörungsprotokolls stellt nach den oben genannten Maßstäben keine unabhängig vom Einzelfall geltende, zwingende Substantiierungsanforderung dar. Nicht jede Verfassungsbeschwerde, die ein gerichtliches Verfahren betrifft, in dem der Beschwerdeführer angehört wurde, ist allein deswegen unsubstantiiert, weil das Anhörungsprotokoll nicht vorgelegt wurde. Ob die Vorlage dieser Unterlage erforderlich ist, bemisst sich vielmehr danach, ob dem Anhörungsprotokoll im konkreten Einzelfall für die verfassungsrechtliche Beurteilung insofern Bedeutung zukommt, als ohne diese Unterlage die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht aufgezeigt ist.

b) Das ist hier nicht der Fall. Die Grundrechtsverletzung liegt im oben genannten Sinne auf der Hand. Die Begründungsdefizite der angefochtenen Entscheidungen können ohne Kenntnis des Anhörungsprotokolls festgestellt werden. Hinzu kommt, dass ausweislich des landgerichtlichen Beschlusses durch die Anhörung keine neuen oder weiteren Erkenntnisse zutage gefördert worden sind und der mitgeteilte persönliche Eindruck des Landgerichts nicht ausreicht, die Fortdauerentscheidung bei einer bereits langdauernden Unterbringung zu tragen.

II.

Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Marburg und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG.

1. a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>). Zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände jedoch auch eine freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Mai 2017 - 2 BvR 30/15 -, Rn. 14). Das gilt auch für die Unterbringung eines Straftäters in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Maßgabe des § 63 StGB.

b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass die Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <311>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in die Prüfung der Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betrachtung). Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312 f.>).

c) Hierzu ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin „erheblich“ im Sinne des § 63 StGB sein. Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten sind zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 <313 f.>; BVerfGK 16, 501 <506>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 2256/17 -, Rn. 37).

d) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zudem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen (vgl. BVerfGE 70, 297 <313 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 2256/17 -, Rn. 38).

e) Da es sich bei der Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67d Abs. 2 StGB) maßgeblichen Umstände um eine wertende Entscheidung unter Prognosegesichtspunkten handelt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und deren Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 <315>).

f) Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen verengt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsgerichts; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass das Gericht seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus. Bleibt das Bemühen des Gerichts um Zuverlässigkeit der Prognose trotz Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Erkenntnismittel mit großen Unsicherheiten behaftet, so hat auch dies Eingang in seine Bewertung zu finden (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>).

g) Der mit zunehmender Vollzugsdauer wachsenden Bedeutung des Freiheitsrechts wird auch dadurch Rechnung getragen, dass der von § 67d Abs. 6 Satz 3 StGB in Bezug genommene § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB die Fortsetzung der Unterbringung über zehn Jahre hinaus als Ausnahme vom Regelfall der Erledigung normiert. Die Erledigung der Maßregel wird nicht von einer positiven, sondern ihr Fortbestand von einer negativen Prognose abhängig gemacht. Das Gesetz geht somit davon aus, dass sich die Gefährlichkeit nach Ablauf von zehn Jahren regelmäßig erledigt hat (vgl. BVerfGE 109, 133 <160 f.>).

h) Tragen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB) diesen Maßstäben nicht Rechnung, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 <316 f.>).

2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Die Begründungstiefe des landgerichtlichen Beschlusses, der vom Oberlandesgericht nicht beanstandet wurde, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen angesichts der bereits über zwölf Jahre andauernden Unterbringung des ansonsten nicht einschlägig vorbestraften Beschwerdeführers nicht.

a) Mit Blick auf die Gefahrenprognose genügen die angegriffenen Beschlüsse weder dem Konkretisierungsgebot hinsichtlich der zu erwartenden Straftaten, noch enthalten sie zureichende Ausführungen über das Maß der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung.

aa) Liegt der Ausgangsverurteilung - wie hier - lediglich eine einzelne Straftat zugrunde und sind seitdem fast zwei Jahrzehnte vergangen, in denen der Betroffene weder im Maßregelvollzug noch während Bewährungszeiten durch Gewalttaten oder sexuell motivierte Übergriffe aufgefallen ist, kommt dem Konkretisierungsgebot besondere Bedeutung zu, um zu verhindern, dass Gerichte die bloß entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten für den weiteren Freiheitsentzug ausreichen lassen.

Dem angegriffenen Beschluss lässt sich jedoch keine ausreichende Straftatkonkretisierung entnehmen. Das Landgericht beschränkt sich auf die Feststellung, dass der Untergebrachte im Falle einer unvorbereiteten Entlassung „mit hoher Wahrscheinlichkeit störungsbedingt erneut Delikte im Sinne der Einweisungsdelinquenz, mithin Sexualdelikte begehen würde“. Bereits angesichts der Unterschiede hinsichtlich der Schwere und des Strafrahmens, der bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 ff. StGB) anzuwenden ist, genügt dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die konkrete Darlegung der künftig vom Beschwerdeführer zu erwartenden Straftaten nicht. Darüber hinaus setzt sich das Landgericht nicht damit auseinander, dass sich den eingeholten Stellungnahmen nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, ob vom Beschwerdeführer überhaupt die Gefahr künftiger Sexualdelikte ausgeht oder ob Gewaltdelikte ohne Sexualbezug zu erwarten sind. Es beschränkt sich stattdessen darauf, darzulegen, dass die Maßregelvollzugsklinik in ihrer Stellungnahme vom 30. August 2020 festgestellt habe, dass unter bestimmten Bedingungen mit „gewalttätigen Ausbrüchen im Sinne der Einweisungsdelinquenz“ zu rechnen sei. Dies ersetzt die notwendige Konkretisierung der künftig zu erwartenden Straftaten ebenso wenig wie der Verweis auf das Gutachten vom 19. August 2019, in dem der Sachverständige festgestellt hat, eine „klare prospektive Vorhersage der Art und Schwere zukünftiger Straftaten“ sei aus dem Anlassdelikt nicht ableitbar. Bei Wiederaufnahme eines regelmäßigen Substanzkonsums seien mit dem Beschwerdeführer zufällig zusammentreffende Personen bedroht, (als Männer) Opfer eines aggressiven Angriffs und (als Frauen) eines sexuellen Übergriffs zu werden.

bb) Auch die Befassung des Landgerichts mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Taten ist unzureichend. Seine Überzeugung, diese sei als hoch einzuschätzen, entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Die Ausführung, dass mit gewalttätigen Ausbrüchen „zu rechnen“ sei, lässt sowohl den ungefähren Zeitraum, der zwischen der Entlassung, dem „schrittweisen Ausstieg“ des Beschwerdeführers aus den Absprachen und dem Entstehen einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr vergehen werde, als auch den Gefahrengrad am Ende dieses Ausstiegsprozesses offen. Darüber hinaus setzt das Landgericht sich nicht damit auseinander, dass der Beschwerdeführer weder vor noch nach der Anlasstat mit Gewalt- oder Sexualdelikten in Erscheinung getreten ist und dies auch während der Unterbrechung der Unterbringung durch Bewährungsaussetzungen zwischen dem Juni 2016 und dem November 2018 nicht der Fall gewesen zu sein scheint.

b) Die angegriffenen Entscheidungen genügen außerdem offensichtlich nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung.

aa) Die knappen Ausführungen der Strafvollstreckungskammer, die weitere Vollstreckung der Unterbringung erweise sich - trotz eines zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits mehr als zwölf Jahre andauernden Freiheitsentzugs - unter Berücksichtigung der Bedeutung der künftig vom Beschwerdeführer zu befürchtenden Straftaten und des Gefahrengrades als „ohne weiteres verhältnismäßig“, werden in ihrer Formelhaftigkeit den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen nicht gerecht. Gerade aufgrund des von der Kammer erkannten, ganz erheblichen bisherigen Unterbringungszeitraums hätte sie sich zu einer eingehenderen Auseinandersetzung mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung veranlasst sehen müssen, die alle insoweit relevanten Aspekte in die Würdigung einbezieht. Dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das aufgrund der Dauer der Unterbringung gestiegene Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers überwiegt, lässt sich den Ausführungen des Landgerichts nicht entnehmen.

bb) Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Grundrechtsverletzung durch das Landgericht Marburg durch seinen Beschluss vom 11. Februar 2021 vertieft, indem es lediglich auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug nimmt. Eigenständige Erwägungen zur Gefahrenprognose oder zur Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers fehlen.

III.

1. Es ist gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Marburg vom 29. Oktober 2020 - 11 StVK 221/20 - und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2021 - 3 Ws 817/20 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2021 ist daher aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Mit dieser Anordnung erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von (…) für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 140

Bearbeiter: Holger Mann